Antikes Schiffswrack mit einer Ladung Oreichalkos entdeckt?

Grenz|wissenschaft-aktuell meldet unter Berufung auf discovery.com: "Oreichalkos: Taucher finden mystisches Metall aus Platons Atlantis in antikem Schiffswrack". Wir sagen: "Immer langsam mit den jungen Pferden!"

Abb. 1 Ein Blick auf das vor der Küste Siziliens entdeckte Wrack, das angeblich eine Ladung 'Oreichalkos' transportiert haben soll. (Foto: © Superintendent of the Sea Office, Sicily)

(red) Einmal mehr bekommen wir exemplarisch vorgeführt, wie sich aus einer durchaus interessanten, aber letztlich doch nicht allzu spektakulären Wissenschafts-Story eine Sensationsmeldung machen lässt, indem man das Ganze mit einer kräftigen 'Prise Atlantis' würzt.

Hier zunächst einmal die Geschichte, wie sie von unseren geschätzten Kollegen bei grenz|wissenschaft-aktuell - unter Bezugnahme auf discovery.com [1] - wiedergegeben wird: "Gela (Italien) - Vor der Küste Südsiziliens haben Taucher in einem 2.600 Jahre alten Schiffswrack 39 Barren eines Metalls entdeckt, das antiken Beschreibungen eines Metalls entspricht, das angeblich von dem legendären versunkenen Kontinent Atlantis stammen soll. Das sogenannte Oreichalkos kam mit einem Schiff entweder aus Griechenland oder Kleinasien, das vermutlich bei einem Sturm sank, noch bevor es im antiken Hafen von Gela anlegen konnte." [2]

"Das Wrack selbst stammt aus der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts v.Chr. und wurde rund 300 Meter vor der Küste Gelas in drei Metern Tiefe entdeckt", wird Sebastiano Tusa, Leiter der sizilianischen Meeresbehörde, zitiert. Zur Zeit haben Taucher nach seinen Angaben bereits 39 Barren (Abb. 2) dieser Metall-Legierung geborgen, was folgendermaßen kommentiert wird: "Bislang wurde noch nie etwas Vergleichbares gefunden und Oreichalkos war nur von einigen wenigen verzierten Objekten und eben aus den altgriechischen Texten bekannt." Und weiter heißt es: "Tatsächlich galt Oreichalkos bislang als eher geheimnisvolles Metall, dessen Zusammensetzung und Herkunft immer wieder kontrovers diskutiert wurde." [3]

Und nun wird es so richtig 'pseudoatlantologisch'. Laut "den altgriechischen Texten" (sic!) sei Oreichalkos von Kadmos einem mythischen griechisch-phönizischen König von Theben, erfunden worden, und: "Bekannt wurde das Metall besonders durch die im vierten Jahrhundert v. Chr. verfassten Schilderungen des griechischen Philosophen Platon in dessen Kritias-Dialog. Darin beschreibt Platon Oreichalkos als >feurig schimmerndes Metall<, das von den Bewohnern von Atlantis nach Gold am meisten geschätzt wurde. Mit dem Metall, so Platon weiter, sei die atlantische Königsburg und der darin liegende Poseidontempel überzogen und verziert gewesen." [4]

Abb. 2 Eine Präsentation der Metallbarren, die aus dem alten Schiffswrack geborgen wurden (Foto: © Superintendent of the Sea Office, Sicily)

Was ist nun aus atlantologischem Blickwinkel von diesem 'Oreichalkosfund' vor der Küste Siziliens zu halten, der postwendend massenhaft im Internet kolportiert wurde (dazu zusammenfassend z.B. dieser Link) und übrigens auch - als "neueste Forschungsergebnisse" deklariert [5] - in den recht halbgaren Wikipedia-Artikel zum Thema 'Oreichalkos' [6] aufgenommen wurde?

Trockenes Faktum ist, dass 2014 an besagtem Ort ein Schiffswrack entdeckt wurde, welches eine Ladung altertümliches Messing an Bord hatte, dessen Legierung sich natürlich von heutigen metallungischen Standards unterscheidet. Tatsächlich heißt es ja auch in unserer Quelle zu dieser Meldung: "Die nun angefertigte Röntgenfluoreszenzanalyse der geborgenen Oreichalkos-Barren ergab eine Zusammensetzung von 75-80% Kupfer, 15-20% Zink und kleine Mengen von Nickel, Blei und Eisen - und kommt damit [heutigem!; d. Red.] Messing sehr nah." [7]

Natürlich sind Funde solcher alten Wracks aus Sicht von Experten höchst interessant, weil sie durchaus selten sind und archäologische Glücksfälle darstellen. Ein breites Publikum kann man mit so etwas aber wohl kaum in Extase versetzten. Da haben Herr Tusa und seine Kollegen eben in die Trick-Kiste gegriffen und Platons Oreichalkos bemüht, was dem Interesse der Journalisten an knalligen Schlagzeilen sehr entgegenkam - und ratzfatz geisterte eine Sensationsmeldung mit 'viralem' Potential durch's Web. Mit einem ernsthaften Interesse an der Frage, worum es sich bei dem platonischen Oreichalkos gehandelt haben könnte, oder auch am Atlantis-Problem, haben Tusas Auslassungen nicht das Geringste zu tun. Der griechische Meeresgeologe Dr. Dimitris Sakellariou brachte die diesbezügliche Betrachtungsweise der meisten Schulwissenschaftler schon vor einigen Jahren folgendermaßen auf den Punkt: "Atlantis ist ein Mythos, aber einer, der die Unterwasser-Forschung am Laufen hält..." [8]

Dass Messing überhaupt mit dem bei Platon erwähnten Oreichalkos - und damit auch mit Atlantis - in Verbindung gebracht wird, liegt vor allem daran, dass dieser uralte und geheimnisumwitterte Begriff gerade in der Spätantike - vor allem in seiner latinisierten Form Aurichalcum immer mehr als Bezeichnung für Messing Verwendung fand. Und Tusa hat grundsätzlich auch Recht, wenn er erklärt, Oreichalkos sei "heute noch die griechische Bezeichnung für Messing." [9] Ob es sich aber auch bei jenem mythisch verbrämten Stoff Oreichalkos, der einst bei Hesiod, Homer, Ibykos und Platon erwähnt wurde, um Messing gehandelt hat, ist völlig ungeklärt. Insofern ist es reine Schaumschlägerei, die Messing-Ladung des Schiffswracks von Gela quasi mit Atlantis zu verknüpfen.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: Rossella Lorenzi, "Atlantis' Legendary Metal Found in Shipwreck", 6. Jan. 2015, bei discovery.com
  2. Quelle: o.A., "Oreichalkos: Taucher finden mystisches Metall aus Platons Atlantis in antikem Schiffswrack", 9. Jan. 2015, bei: grenz|wissenschaft-aktuell.de
  3. Quelle: ebd.
  4. Quelle: ebd.
  5. Siehe: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: „Oreichalkos“ – Versionsgeschichte, Änderung vom 8. Jan. 2015, 16:08 h
  6. Siehe: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Oreichalkos" (Stand: 09. Jan. 2015)
  7. Quelle: o.A., "Oreichalkos: Taucher finden mystisches Metall aus Platons Atlantis in antikem Schiffswrack", 9. Jan. 2015, bei: grenz|wissenschaft-aktuell.de
  8. Quelle: Helena Smith, "Lost Greek city that may have inspired Atlantis myth gives up secrets", in: The Guardian, 16. Okt. 2009 (abgerufen: 09. Jan. 2013); zit. nach: Bernhard Beier, "Pavlopetri - Anmerkungen aus atlantologischem Blickwinkel", 8. Mai 2013, bei: Atlantisforschung.de
  9. Quelle: ebd.

Bild-Quelle:

Abb. 1 und 2: grenz|wissenschaft-aktuell.de, unter: Oreichalkos: Taucher finden mystisches Metall aus Platons Atlantis in antikem Schiffswrack