Die Edda und der Atlantisbericht

von unserem Gastautor Uwe Topper

Abb. 1 Die Verteilung der Götter und Völker, dargestellt nach dem Grimnismal der Edda (Uwe Topper, 1977)

Bis zur Kulturtat der Brüder Grimm, die die verstreuten Sagen und Märchen der deutschen Sprache gesammelt haben, war keine Aufzeichnung unserer eigenen Überlieferung mehr vorhanden. Doch gibt es eine ihr nahe verwandte Tradition, die an die leere Stelle getreten ist: die nordgermanische Liedersammlung "Edda", die vor rund tausend Jahren auf Island niedergeschrieben wurde. Leider fällt uns das Verständnis der Edda weit schwerer als bei den anderen heiligen Schriften, denn ihre Niederschrift erfolgte erst, als der Text schon lange nicht mehr im öffentlichen Kult gebraucht wurde.

Die Edda bringt eine Fülle von Nachrichten in sehr verkürzter Form und stellt sicher nur einen kleinen Ausschnitt aus dem ehemals vorhandenen Liedergut unserer Vorfahren dar. Die Abfassung der Edda in der heute vorliegenden Gestalt war eine Art Rettung versinkenden Kulturguts, wie dies auch durch Folklore-Veranstaltungen erreicht wird. Ihre wirkliche Entstehungszeit liegt weit zurück. "Die ältesten Sagen, an die ich mich erinnere", singt die Völva im ersten Lied, das Völuspa genannt wird. Die in den acht Götterlieder besungenen Ereignisse und Taten spielten sich alle in ferner Vorzeit ab. Erst in den Heldenliedern, die als "jüngere Edda" angefügt sind, nähern wir uns germanischer Geschichte bis hin zur Völkerwanderungszeit. Die Heldenlieder entstanden demnach auch schon sechs bis acht Jahrhunderte vor ihrer Niederschrift. Wann die viel älteren Götterlieder zum ersten mal gesungen wurden, werden wir wohl nie feststellen können. Jedenfalls sind sie einige Jahrtausende alt. Sie stellen - wie Gilgamesch-Epos und Genesis - ein Herüberretten 'vorsintflutlichen' Gedankenguts dar.

Was nun die Götterlieder für unser Thema besonders wertvoll macht , ist die Tatsache, daß sich ein großer Teil der Verse direkt mit dem Atlantischen Reich beschäftigt. Das ist verständlich: Für die an den Nordküsten Europa lebenden Menschen der frühen Metallzeit war ja nicht Ägypten oder Sumer, sondern das viel nähere Atlantis Mittelpunkt ihrer geistigen Welt. Die meisten Götterlieder leben aus dem Gegensatz zwischen Riesen und Göttern, aus der Spannung zwischen Atlantis und Idafeld.

Eines der wichtigsten Glieder in der Überlieferungskette der Lieder war das Gotenvolk. Von ihm stammten die Rahmengeschichten, die noch heute um einige Lieder gelegt sind, aber auch die Verwischung der Begriffe Menschen und Götter, die das Verständnis so erschwert. Die "Götter" heißen Asen, oder richtiger Ansen, und dieses Wort klingt nicht nur wie "Menschen", sondern ist auch die ältere Wurzel des selben Begriffs, wie die Verwendung in anderen Sprachen (z.B. Anthropos im Griechischen, Insan im Arabischen) noch deutlich verrät. Aus dem Gegensatz zweier Riesenvölker, dem Machtkampf zwischen Thursen und Ansen (oder Giganten und Titanen in griechischer Ausdrucksweise) entstand das Motiv des Krieges zwischen Riesen und Göttern, das auch in den griechischen Sagen verherrlicht wird. Auch in der Edda diente also der Eroberungsfeldzug der Atlanter oder Westeuropäer gegen Mitteleuropa und das Ostmittelmeer als Vorbild für die mythisch verdichtete Gigantenschlacht. Die Titanischen - daraus entwickelten sich unserer Eigennamen "Teutonen" und "Deutsche" - waren die Sieger. Gleichzeitig trugen sie die durch die Naturgewalt vernichtete Kultur der Besiegten weiter.

Abb. 2 Bör zeugte mit Bestla drei Söhne: Odin, Wili und We. Sie begründeten das Göttergeschlecht der Asen (Ansen).

Der Text, den die Völva singt, ist ziemlich verwirrend. Die kosmischen Ereignisse, Polsprung und Schlachtgetümmel werden zu einem einzigen Bild verknüpft, nämlich der prophetischen Schau des am Ende der Zeiten erwarteten Weltbrandes. Im folgenden bringe ich eine Nacherzählung und Erklärung der wichtigsten Strophen, die zu unserem Thema gehören:


  • Strophe 1: Die Völuspa ist an die Hünen ("aus Heimdalls Geschlecht") gerichtet. Ihre Heimat war Norddeutschland.
  • Strophe 2: Die Seherin Völva ehrt die Riesen als ihre Erzieher. Damit soll ausgedrückt werden, daß das Wissen dieses Liedes aus dem geistigen Schatz der Atlanter stammt. Neun ist die Zahl der ältesten riesischen Ordnung, eine Esche das Sinnbild der geordneten Welt.
  • Strophe 3: Die vereinten Asen errichteten ein zentrales Heiligtum auf dem Idafeld, erbauten Essen und schmiedeten Erz, schufen Zangen und schönen Schmuck. (Die Lage jener Hauptstadt ist heute unbekannt. Spanuths Forschung läßt an Helgoland denken, und das Idafeld wäre dann die damals trockene Nordsee.)
  • Strophe 8: Sie saßen im Hofe heiter beim Brettspiel, reich an Gold und zufrieden, bis die drei mächtigen Thursentöchter kamen, aus dem Reich im Westen.
  • Strophe 25: Da begann der erste Krieg auf der Welt. Die Thursin Gullweig wurde mit dem Speer verwundet und in der Halle des Asenfürsten verbrannt. Die beiden angefügten Verse: "Dreimal verbrannten sie die dreimal Geborene, doch immernoch ist sie am Leben" sind zunächst unverständlich, wenn wir sie nicht auf drei Landhebungen und das Wiedererwachen der atlantischen Kultur beziehen wollen. [1]
  • Strophe 26: Ein anderer Name der Thursentochter ist Heid (uns wohlbekannt als Hada, die spanische Riesin). Sie kannte die Zukunft, trieb Magie und geheime Künste, was den nordischen Völkern ein Greuel war.
  • Strophe 27: Da gingen die Berater zu den Richterstühlen, die hochheiligen Götter, und hielten Rat, ob sie Abgaben zahlen sollten ans Thursenreich.
  • Strophe 28: Odin, der erste der Asen, begann den Kampf. Der Burgwall der Asen zerbrach, und die Wanen (das sind die nordischen Hünen) stürmten in die Schlacht.
  • Strophe 30: Da schwanden die Eide und Schwüre, alle festen Verträge, die gerade geschlossen worden waren (zwischen Thursen und Hünen).
  • Strophe 33: Der Schein der Sonne wird schwächer in den kommenden Sommern. Alle Wetter wüten. (Das ist sicher eine Vorhersage der Auswirkungen, die der Untergang von Atlantis im Norden haben würde.)
  • Strophe 34: Die Grenze des Riesenreiches bewacht der heitere Ägir, Harfe spielend, während vor ihm der Bergwald wie eine Sperrwand brennt (die Pyrenäen): Immer mehr geht nun die Schilderung des Kampfes über den kosmischen Bereich, die Titanenschlacht wird zum Weltuntergang. (Auch bei Platon muß das so ausgesehen haben.)
  • Strophe 57: Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer, vom Himmel schwinden die heiteren Sterne. Der Weltbrand bricht aus. Heiße Flammen belecken den Himmel.
  • Strophe 58: Doch wiederum taucht die Erde aus dem Wasser auf und wird grün (wie es schon in Vorzeiten geschah). Die Fluten fallen, darüber fliegt der Adler und verzehrt seine Fische auf dem Felsen.
  • Strophe 59: Die Asen treffen sich auf dem Idafeld wieder und sprechen vom mächtigen Umspanner der Welt, dem großen Drachen, Sinnbild von Atlantis. Sie erinnern sich an die ur-alten Sprüche und die Runenschrift, die Odin einst erhielt.
  • Strophe 60: Sie finden auch die wunderbaren goldenen Tafeln im Grase wieder, die die Asen schon in der Vorzeit besaßen.


Wiederum geht die Schilderung in den apokalyptischen Bereich über, diesmal wird die neue Welt entworfen, die nach der erwarteten Vernichtung der Erde durch den großen Brand entstehen soll. Wie in der Johannes-Offenbarung liegt der Schwerpunkt der Erzählung im ethischen Gehalt; die Naturereignisse treten eigentlich nur als Rahmen auf. Dabei sind die Umschreibungen in allen zitierten Texten gleich: auch in der Edda "klafft der Himmel" und "die Sonne taumelt".

Thor, der Lieblingsgott der Isländer, ist zweifellos eine jüngere Gestalt; er spielt etwa die selbe Rolle wie Herakles in den griechischen Sagen. Durch seinen Auftritt in der Gigantenschlacht der Völuspa kann die Abfassung des Liedes etwa auf das 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung datiert werden, denn Thor gehört mit seinem Wurfhammer, der wie eine Wunderwaffe wirkte, zur Zeit der Seevölkerzüge. Thor wurde zum Gott der nordischen Seefahrer. Sie führten sein Bild als Holzskulptur am Bootsmast mit. Aber die Herkunft des Gottes ist doch recht eigenartig: Er reitet nicht, sondern fährt in seinem Wagen, der von zwei Ziegenböcken oder Hirschen gezogen wird. Später verschmolz er mit der Gestalt des Teufels, die ja, aus anderer Richtung kommend, ganz ähnliches Beiwerk aufwies. In dieser Gestalt werden auch die Dschinne heute dargestellt: mit Ziegengehörn und Schwänzen, als Waffe eine altmodische Bronzeaxt am langen Stil, wie sie noch heute im Hindukusch verwendet wird.

Die Verschmelzung all dieser Elemente zu einer einheitlichen Person, dem heutigen Teufel, wird durch eine Großmacht, die diese Einzelheiten aufwies, bewirkt worden sein, die Hurri. Hierhin paßt auch die späte Gleichsetzung von Thor und Atli oder Etzel, dem Hunnenfürst, denn bei den Hunnen finden wir, zumindest teilweise, noch einmal die gleichen ethnischen Elemente wie bei den Trägern der Hurri-Herrschaft gut zwei Jahrtausende vorher. Ein Held der Hurri wird namentlich in der Völuspa genannt: Gullin-kambi, der Städte-Eroberer, von den Hethitern Ullikummi geheißen. Sein gellender Gesang weckte den Helden Odin. Hierin spiegelte sich wohl die Erinnerung an die Grausamkeiten der Hurri-Feldzüge.

Abb. 3 'Donnergott' Thor mit seinem Hammer Mjölnir, der Herakles der nordischen Mythologie.

Das Grimnismal: Die Strophen 4 - 17 im zweiten Eddalied beschreiben zwölf Reiche der atlantischen Kultur. Darin wird die alte Vorstellung des von nordischen Völkern bewohnten Landes in knappen Strichen entworfen. Die Beschreibung beginnt im höchsten Norden, zieht einem großen Bogen den Atlantik entlang nach Süden und läuft über Mitteleuropa nach Osten aus. (...) Die einzelnen Reiche werden Hallen oder Säle genannt; ihre Beschränkung auf die Anzahl 12 geht wohl auf ein "klassisches" Schema zurück, vielleicht auf die 12 Herkules-Arbeiten. Entsprechend steht dem Ganzen der Gott Thor und sein Land Thrudheim (= Norwegen) voran, was eine jüngere Anfügung ist. Mit Ullr, dem ältesten Gott, und seinem Land Ydalir, begann die Aufzählung, bezogen auf Skandinavien.

Das zweite Reich, Elfenheim, ist Albion, das heutige England, oder genauer Britannien. Ich glaube, die Beziehung '-heim' steht für Festland, und Britannien war damals noch mit dem Festland verbunden. Silber und der Name Walaskjalf (= Kriegsküste) kennzeichnen das Land der Asen, Irland, das damals ebensowenig eine Insel war wie England, jedoch eine Meeresküste hatte, nämlich im Westen des Landes am Atlantik. Das vierte Reich, Sökkwabeck, ist eine Insel, wie aus der Silbe '-beck' hervorgeht, "in kühler Flut": Island.

Gladsheim, das Land der Glücklichen (bei den Lateinern Insulae fortunatae), wo die erschlagenen Helden mit Odin leben, gehört zu den heutigen Kanarischen Inseln, die demnach zu jener Zeit ebenfalls Festland waren. Dann folgt als sechstes Reich das Thrymheim, wo Thjassi (= Atlas) hauste, der mächtige Jöte (das ist der spanische Riese); "heute bewohnt Skadi, die strahlende Götterbraut, des Vaters alte Veste". Dies ist das einzige Reich, bei dem ein Vor- und Nachher der Bewohnung erwähnt wird, ein weiterer Hinweis auf die Katastrophe. "Die siebente ist Breidablick", ruhiges Binnenland, wo der schöne Baldr wohnt wie Gott in Frankreich.

Abb. 4 Die Walküren, Schlachtenjungfrauen von herrlicher Schönheit, tragen die in der Schlacht gefallenen auf ihren Rossen nach Walhalla empor.

Himinbjörg, die Hafenburg, wo Heimdallr, der Wane, waltet, steht für Norddeutschland, besonders für Hamburg. Hier wohnten die Wächter der Götter und tranken schon damals mächtig viel Met. Diese Wanen sind die Hünen. Der neunte Saal, Volkwang, wird von einer Göttin beherrscht: Freyja, die Huld der Germanen, vom Rein bis zur Oder, unser "Volk". Der eigenartige Name der zehnten Halle, Glitnir, und der Gott Forseti gehören zu Süddeutschland. Noatun, das Reich Njörds, liegt im anderen Land der Wanen, dem heutigen Ungarn. Zum Abschluß wird das Waldland genannt, von Widar, bewohnt, dem Reiter; es ist das weite Polen und westliche Rußland.

Im Havamal ("Hohenlied") ist eines der ältesten nordischen Lieder enthalten: Odins Runenlied. Man hat vermutet, daß die Gestaltung christlichen Einfluß spüren lasse, aber der Inhalt ist zweifellos uralt. In vier Strophen wird die Übernahme der Runenschrift erzählt wie eine Erlösung, die Odin zuteil wurde. Denn die Runen symbolisieren die staatliche Macht, die durch den Gebrauch der Schrift ermöglicht wurde. Das Wichtigste für uns ist die Herkunft der Runen, die hier genannt wird, denn nicht Odin, sondern die "großen Götter schufen die Runen".

"Neun Hauptsprüche", so singt Odin, "lernte ich von dem weisen Sohne Bölthorns, der Bestlas Vater war." Bestla ist Odins Mutter, und dieser erhielt die Runen demnach von seinen Vorfahren. Die Herkunft der Runen aus Atlantis ist hiermit klar ausgedrückt, denn Thorn ist die jüngere Schreibweise für Thurs, und Böl eine Form von Bör; Bölthorn ist der iberische Thurse, Atlas. Auch der Name Bestla deutet dahin, denn er steht vielleicht für Westen, wie Ostara für Osten. Hekataios von Milet nannte einen der andalusischen Stämme bei Cadiz "El-Bestioi".

Odin selbst stammt von dort, denn seine Halle stand in Gladsheim, dem Totenreich der seligen Inseln im Atlantik, wie wir gerade aus dem Grimnismal erfuhren. Der Gleichklang der Namen Odin und Poseidon beruht wohl kaum auf einem Zufall. Poseidon, der Gott des Meeres mit dem Dreizack, war ein Fremdling in der griechischen Götterwelt; sein Altar stand an der Küste des fernen Westlandes. Auch Odin mag früher wohl einen Dreizack geschwungen haben, da er den viel älteren Gott Tyr ersetzt hat, dessen Rune fast wie ein Dreizack aussah. Das Zeichen wurde später zu "Tir", woraus unser T wurde. Das deutsche Wort 'Zier' erinnert noch an den frühen Gott.

Abb. 5 Antike Statue des Gottes Poseidon, den Topper mit dem nordeuropäischen Odin in Verbindung bringt.

Das Hymirlied besingt drei Heldentaten Thors; Leitmotiv ist der Streit zwischen Göttern und Riesen, als deren Vertreter Thor und Hymir (= Gymir, Gomer) gelten. Zu Beginn wird der Riese Ägir beschrieben, "der Felsbewohner, froh wie ein Kind, doch ähnlich eher der dunklen Abkunft". Er besitzt die vielen Kessel, was Reichtum an Bronze bedeutet. Ägir oder Egdir, der Bierbrauer, hat seinen Namen unzählige Male in Europa hinterlassen: Von Agen in Frankreich über Aix und Aachen, Eygenbilzen (Fundort der Eisenzeit) bis hin zu den Aquitaniern und den Achäern (daher auch Ägäis) sind alle davon abgeleitet. Ekim heißt ein Riesenstamm in der Genesis.

Hymir wird 'hundweise' genannt, was auf die Verehrung der Hunde im Westreich hindeutet. Ein anderer Name für ihn ist Eliwagar; das erinnert an die tartessische Stadt Elibirge, die in griechischen Texten vorkommt; sie soll am Oberlauf des großen Flusses gelegen haben, also im Osten des Thrymheimes. Daß wir uns in Spanien befinden, und zwar in jenem Reich der Bronzezeit, das die Hurri errichtet hatten, geht aus Strophe 8 hervor: "Der Sohn fand die Ahne, die er ungern sah; sie hatte der Häupter neunmal hundert." Hundertköpfige Riesen lebten hier, die Hekatoncheiren...

Ein Geselle Hymirs wird erwähnt, der Riese Hrungnir; für mich klingt sein Name wie der der galizischen Hafenstadt Coruňa. Die nun folgende Fischfanggeschichte ist eine herrlich übertriebene Erzählung vom Muränenfang am Atlantik. Anschließend trägt Thor "das Boot des Thursen heim in das kesselgleiche Berggeklüft".

Abb. 6 Im Hymirlied wird der heldenhafte Kampf Thors gegen den Riesen Hymir geschildert.

Wenn auch die einzelnen Motive aus dem atlantischen Kulturbereich stammen mögen, so ist doch wohl das Lied in seiner Gesamtheit typisch germanisch. Der Schluß erinnert wieder an Homers Odyssee: "Da sah er aus Höhlen mit Hymir von Osten Volk ihm folgen, vielgehauptet." Doch er "fällte sie alle, die Felsungetüme". Bezeichnend sind die letzten Verse, wo es heißt, daß die Götter von nun an aus Hymirs Kessel in Ägirs Haus das Bier tranken. Ägir, der mithalf, den Kessel von Hymir zu gewinnen, wohnt demnach im Bereich der Götter und Menschen, was zu der anfangs erwähnten Wortverwandschaft mit den europäischen Ortsnamen paßt.

Das Thrymlied ist recht jungen Datums; es ist im homerischen Stil abgefaßt, doch enthält es ältere Verse und geht wohl auf eine wahre Begebenheit zurück. Das Lied erzählt die Heimholung von Thors Hammer, den ihm der Riese Thrym geraubt hatte. Er ist der Fürst des Jöten-Reiches, das in Spanien liegt, wie wir aus dem Grimnismal wissen; die Beschreibung klingt wie eine Schilderung vom Raub der Stiere des Geryon in der Herkules-Sage: "Auf dem Hügel saß Thrym, der Thursenfürst, schmückte die Hunde mit goldenem Halsband." Und weiter unten heißt es: "Heim kehren mit goldenen Hörnern die Kühe, rabenschwarze Rinder, dem Riesen zur Lust."

Auch im letzten Lied, Skirnirs Fahrt, wird der Reichtum an Gold und scharfen Hunden als Merkmal des Riesenreiches genannt. Der Bote reitet nach Jötunheim, um Gerd, die schöne Tochter Gymirs, für seinen Herrn als Braut zu holen. Dazu muß er die flackernde Flamme durchqueren, das ist das brennende Gebirge, die "Pyrenäen". Ein hölzerner Zaun (das Kennzeichen der Stadt Cadiz) und scharfe Hunde schützen die Halle Gymirs (= Gomer). Auf einem Hügel sitzt der Hirte und belehrt den Boten, daß er die schöne Maid nicht schauen dürfe, sonst sei er des Todes. Und ein weiteres Motiv, das in vielen Märchen auftaucht, kommt hier vor: der große Wald mit den verschwiegenen Wegen, der zwischen dem Reich der Riesen und der Menschen liegt. Hier wird sogar sein Name genannt: Barri, der Wald im Baskenland.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Uwe Topper © erschien erstmals 1977 als Kapitel "Die Edda" in seinem Buch "Das Erbe der Giganten". Er ist also ca. 30 Jahre alt und entspricht inzwischen teilweise nicht mehr den neuen Forschungsergebnissen des Autors. - Die angegebenen Jahreszahlen entsprechen dem konventionellen Geschichtsbild, das heute nicht mehr von ihm vertreten wird. Wir präsentieren den Text bei Atlantisforschung.de zudem in einer leicht gekürzten und redigierten Fassung.

Fußnote:

  1. Red. Anmerkung: Uwe Topper geht von der Annahme aus, bei den (ersten) Atlantern habe es sich um eine urzeitliche Hochkultur in Iberien gehandelt. Iberien soll in rezenter Zeit drei katastrophische Landhebungen- und -senkungen erlebt haben.

Bild-Quellen:

1) Bildarchiv Uwe Topper
2) Volker Doormann, Nordische Mythologie - Vom Anfang der Welt
3) http://www.bulfinch.org/fables/bull39.html (nicht mehr online)
4) Volker Doormann, op. cit.
5) Bildarchiv Atlantisforschung.de
6) Volker Doormann, op. cit.