Farewell Clovis! - Vom langsamen Sterben eines Paradigmas

Zum endlosen Wissenschaftsstreit um die urzeitliche Besiedlung Amerikas

(red) Atlantisforscher und "Schatten"-Historiker haben in der Regel gelernt, geduldig zu sein. Schließlich sind viele von ihnen - aus Neigung oder fachlichen Gründen - gezwungen, sich zumindest am Rande auch mit wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhängen zu beschäftigen [1]. Dabei wird schnell offenbar, dass Begriffe wie 'jüngster Stand wissenschaftlicher Forschung' und 'gesichertes Wissen' in Wirklichkeit hohle Phrasen darstellen. Schließlich ist die 'Spinnerei' von heute nicht selten der 'neueste Stand der Wissenschaften' von morgen. Kein Wunder, dass Kritiker deshalb in diesem Zusammenhang auch gerne ironisch vom "jüngsten Stand wissenschaftlichen Irrtums" sprechen. Manche dieser wissenschaftlichen Irrtümer erweisen sich jedenfalls als erstaunlich zäh und langlebig.

Abb. 1 Diese kartographische Darstellung diverser Prä-Clovis-Fundstätten in Nord- und Südamerika macht deutlich, dass die Lehrmeinung des 'Clovis first' schon lange 'Schnee von gestern' ist. Dabei sind hier die wirklich brisanten, auf ein Alter von mehr als 100.000 Jahren datierten Fundstätten nicht einmal aufgeführt.

Im Zentrum all dessen, woran sich die Mainstream-Anthropologie und -Archäologie in den USA mit einer fast pathologischen Hartnäckigkeit seit Jahrzehnten festgeklammert hat, steht das so genannte 'Beringstraßen- und Clovis-Paradigma' zur rezenten Erst-Besiedlung des amerikanischen Doppelkontinents. Diese Lehre besagt, dass Amerika bis zum Ende des jüngsten ("Wisconsin")-Glazials immer menschenleer gewesen sei. Dann aber soll folgendes geschehen sein: "Während der letzten Eiszeit war soviel Wasser in den gewaltigen polaren Eiskappen gefangen, daß der Meeresspiegel weltweit um mehr als 100 Meter absank. So war etwa Ostsibirien mit Alaska durch eine große, eisfreie Tundra verbunden. Nach landläufiger Meinung wanderten die ersten Menschen über diese Landbrücke von Asien nach Nordamerika. Diese Migration wird seit den 20er Jahren [des 20. Jahrhunderts] auf etwa 10 000 v. Chr. geschätzt." [2]

Auch heute - zu Beginn des neuen Jahrtausends - hat sich an dieser Lehrmeinung im Wesentlichen nichts geändert, und es gilt - zumindest an US-amerikanischen Universitäten im Grundsatz nach wie vor, was Gordon R. Willey 1965 in einem Vortrag vor der American Philosophical Society in Philadelphia beschwor: "Heute besteht kein Zweifel mehr darüber, daß die ersten Menschen, die die Neue Welt betraten, die Bering-Straße von Asien nach Alaska während der Eiszeit kreuzten. Es ist jedenfalls ziemlich sicher, dass diese ersten Amerikaner zum Genus Homo sapiens gehörten und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie zum mongoliden Rassenkreis zu zählen sind". [3]

Nun streitet auch unter alternativen Prähistorikern heute kaum jemand ab, dass es zu end- oder früh-postglazialen Zeiten auch kleinere Immigrationen asiatischer Jäger und Sammler via Aleuten, oder auch über die Beringstraße, nach Nordamerika gegeben haben mag [4]. Kritisiert und angeprangert wird allerdings die AUSSCHLIESSLICHKEIT, mit der in der konventionellen Forschung lediglich ein einziges Modell zugelassen wird. Bereits als Willey in Philadelphia sein Referat hielt, gab es nämlich bereits deutliche Hinweise darauf, dass der 'Temporale Limes' zur Erst-Besiedlung, also die "Nicht-früher-als-vor-11.500-Jahren"-Grenze [5] der US-Anthropologen lediglich ein akademisches Konstrukt war. [6]

In den folgenden Jahrzehnten folgten dann - Schlag auf Schlag - weitere "anomale" Entdeckungen, z.B. bei Yuha Pinto Wash (siehe: Die Beringstraßen-Theorie kommt erneut ins Schleudern) und Calico in Kalifornien, in South Carolina auf der Topper-Fundstätte (siehe: Die Macht der Paradigmen), am Crow River/Yukon (siehe: Wann wurde Amerika besiedelt? sowie bei Pedra Furada in Brasilien (siehe: Ein Paradigma bezieht Prügel: Pedra Furada in Brasilien), deren Authentizität - und weit jenseits des 'temporalen Limes' der US-Forscher liegenden Datierungen - fast überall auf der Welt von Fachwissenschaftlern zur Kenntnis genommen oder akzeptiert werden.

Abb. 2 Über die Bering-Landbrücke (links), die heutige Bering-Wasserstraße (rechts) sollen vor etwa 12 000 Jahren die Vorfahren aller präkolumbischen Indianer nach Amerika eingewandert sein.

Hierzulande hält man inzwischen in Fachkreisen offenbar eine '52 000 Jahre-Marke' für angebracht. So gab Berthold Seewald den derzeitigen 'Stand der Dinge' 2004 in der Zeitschrift DIE WELT folgendermaßen wieder: "Um 50 000 v. Chr. betraten die erstem Menschen, von Asien aus kommend, Amerika. Um 20 000 erreichten sie Mexiko, um 14 000 Südamerika. Als erste Schöpfer einer Hochkultur in Mittelamerika gelten die Olmeken (Um 1500 v. Chr.)". [7] Aber auch dieses archäologische Szenario zur amerikanischen Paläo-Historie und Zivilisationsgeschichte ist vermutlich noch weitaus zu kurz gegriffen.

In Brasilien förderten Archäologen bereits 1986 in der Toca da Esperanca ("Grotte der Hoffnung") auf ein Alter von mehr als 300 000 Jahren datierte Stein-Werkzeuge und zerschnittene Knochen zu Tage (siehe dazu: Eine 300 000 Jahre alte Prä-Neandertaler-Fundstätte in Brasilien von William R. Corliss). Im kalifornischen Calico wurden im Jahr 1987 menschliche Überreste mit einem vermutlichen Alter von bis zu 200 000 Jahren exhumiert (siehe dazu: Einige Bemerkungen zur Calico-Debatte von William R. Corliss). Offenbar bis zu 125 000 Jahren alt sind lithische (steinerne) Artefakte, auf die 1951 der Archäologe Thomas Lee auf der Manitoulin-Insel im Huronsee stieß (siehe dazu: "Sie finden doch da unten nicht wirklich etwas?" - Thomas E. Lee´s unerwünschte Entdeckungen (bb).

Die Gralshüter des 'orthodoxen' Modells zur Besiedlungsgeschichte Amerikas hat das alles über Dekaden der Forschung hinweg nicht sonderlich irritiert. [8] Was ist aber so fundamental an der These, ausschließlich mongolide Jäger und Sammler hätten den Kontinent von Asien her besiedelt - und auch das nur am Ende der jüngsten Eiszeit -, dass gestandene Wissenschafter sie quasi als sakrosankt betrachten? Wieso halten (vor allem in den USA) Alt-Amerikanisten und Paläo-Anthropologen 'alter Schule' so verbissen an einem sterbenden Paradigma fest? Auf all diese Fragen eine einfache, knappe und griffige Antwort zu geben, erscheint weder möglich noch sinnvoll. [9] Einen der zentralen Aspekte des Problems können wir jedoch sehr kurz gefasst benennen:

Abb. 3 Das althergebrachte Bild von der Besiedlung Amerikas über die Bering-Landbrücke und durch einen "eisfreien Korridor" steht zur Disposition. (Hellblau = vergletscherte Zonen, Gelb = heutige Landgebiete, Grün = zusätzliche, spätglaziale Landmasse)

Dieses Paradigma ist faktisch ein unverzichtbarer Stützpfeiler des so genannten "Isolationismus", einer Denkhaltung oder Lehrmeinung, die an den Universitäten - nicht nur in den USA - nun schon jahrzehntelang das Bild menschlicher Zivilisationsgeschichte prägt. Seit den Zeiten des späten Franz Boas (siehe: Geschichte des Niedergangs der Diffusions- und Migrations-Theorien) sind die Ideen des 'Isolationismus' für US-Anthropologen und Urgeschichtler verbindlich - zumindest für diejenigen unter ihnen, die Wert auf ihre akademische Laufbahn legen.

Der daraus resultierende Zusammenhang ist kaum zu übersehen: Wenn es nachweislich auch andere Zuwanderungs-Wege und wiederholte -Wellen, möglicherweise sogar von Angehörigen ganz unterschiedlicher Ethnien, gegeben hat, dann wird die liebevoll gehegte Vorstellung amerikanischer 'Kulturen aus dem Reagenzglas' hinfällig. Brechen der anthropologischen 'Orthodoxie' Beringia und ihre 'mongoliden Großwildjäger' aus Sibirien weg, dann MÜSSEN die ältesten Amerikaner aus anderen Teilen des Globus zugewandert sein. Und, was noch bedeutsamer erscheint: sie müssen es auf dem Seeweg getan haben!

Gesteht man diese Leistung jedoch dem paläolithischen Menschen zu - der immerhin vor etwa 50 000 Jahren auch Australien erreichte -, dann erscheint es geradezu irrational, Kontakte zur Zeit der präkolumbischen Hoch-Kulturen GRUNDSÄTZLICH zu verwerfen. Die Isolationisten brauchen aber einen verschließbaren, nordamerikanischen 'Bottleneck', um ihre fixe Idee zu legitimieren, das präkolumbische Amerika sei für seine Bewohner mehr als zehn Jahrtausende lang eine Art kontinentales Hochsicherheits-Gefängnis gewesen, und auch für Menschen von anderen Kontinenten unerreichbar geblieben. Sollte das marode Ideengebäude zur amerikanischen Erst-Besiedlung via Sibirien in (vermutlich nicht allzu ferner) Zukunft vollends seinen 'Geist aushauchen', dann läge der Isolationismus zweifellos neben ihm auf dem Totenbett - und mit ihrem 'Ableben' stünde nicht zuletzt auch ein wesentliches Element des gesellschaftlichen Status quo in den USA zur Disposition! [10]

In den folgenden Beiträgen wollen wir in dieser Sektion von Atlantisforschung.de schwerpunktmäßig das langsame Sterben des isolationistischen Beringstraßen-Theorems anhand einiger Schlaglichter dokumentieren. Ein guter Teil dieser Beiträge stammt von William R. Corliss, einem in Fach-Kreisen renommierten US-amerikanischen Anomalisten (Schwerpunkte: Astronomie, Biologie und Archäologie) sowie Autor einer Reihe hochkarätiger Hand- und Sachbücher. Seit mehreren Jahrzehnen durchforstet Corliss Presse-Veröffentlichungen und Fachbücher nach Meldungen und Berichten über wissenschaftliche Anomalien, die er in seinem Magazin Science Frontiers präsentiert. (Die Inhalte der meisten älteren Ausgaben sind auch online frei abrufbar!)

Außerdem wollen wir u.a. auch eine Stimme hören, die sich aus amerindem Blickwinkel kritisch mit dem Beringstraßen-Pradigma auseinandersetzt. Als deutschsprachige Erstveröffentlichung präsentieren wir daher den Aufsatz "Beringstraßen-Theorie und indianische Überlieferungen (I)" des amerikanischen Alternativ-Historikers Itztli Ehecatl, in dem er scharfsinnig- und -züngig die Betrachtungs-Weise der modernen, US-amerikanischen Anthropologie 'seziert' und erläutert, warum die meisten Native Americans nicht allzuviel von der Arbeit "bleichgesichtiger" Anthropologen und Archäologen halten. [11]

Team Atlantisforschung.de


Texte zum Niedergang des "Beringstraßen/Clovis"-Paradigma


Externa

  • Webseiten der PLEISTOCENE COALITION (höchst empfehlenswert! Ebenso die PLEISTOCENE COALITION NEWS - Challenging the tenets of mainstream scientific agendas, dort kostenlos als PDF-Dateinn abrufbar!)


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Gemeint ist hier speziell die Geschichte der wissenschaftlichen Erd- und Menschheits-Geschichtsforschung.
  2. Quelle: Michael Baigent, Das Rätsel der Sphinx, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München, 2002, S. 139
  3. Quelle: Zitiert nach C.W. Ceram, Der erste Amerikaner - Das Rätsel des vor-kolumbischen Indianers, Rohwolt, 1972, S. 216, 302
  4. Anmerkung: Bestritten wird von Kritikern 'orthodoxer' Vorstellungen z.B. die unhaltbare Behauptung, diese Migrationen seien zwangsläufig auf dem Landweg (durch einen angeblich "eisfreien Korridor", siehe (Abb. 2) erfolgt. Vergleiche dazu z.B.: Beringstraßen-Theorie und indianische Überlieferungen (I) von Itztli Ehecatl. Paläoklimatologische Erkenntnisse zeigen, dass eine asiatisch/sibirische Route für größere Verbände und Familien dauerhaft unbegehbar war, und auch das fast völlige Fehlen archäologischer Spuren solcher Paläo-Migrationen in Sibirien (siehe dazu z.B. Zhirov, 1970) stützt die Ablehnung der Beringstraßen-Theorie.
  5. Anmerkung: 1997, mit der "Authentisch-Sprechung" der Fundstätte von Monte Verde (Chile) durch eine bestellte Archäologen-Jury (vergl. dazu: Wir haben es ja schon immer gewusst! von William R. Corliss) wurde der 'Temporale Limes' zu einer "10.500-Jahre-v.Chr.-Grenze". Offiziell war das 'Clovis-Zeitalter' damit zwar beendet, doch die vorherrschende Lehrmeinung war dadurch allenfalls etwas "geliftet", aber nicht grundlegend revidiert worden.

    Wie wenig ernst diese Datierung schon damals selbst von manchen US-Fachleuten genommen wurde, zeigt jedenfalls eine (ansonsten treu und brav an der Beringstraßen-Migrationsthese festhaltende) höchst offizielle Veröffentlichung der Smithsonian Institution aus dem Jahr 1996, in der es hieß: "Archäologische Evidenzen legen nahe, dass die Vorfahren der heutigen Indianer - wahrscheinlich über eine Landbrücke, von der man weiß, dass sie während der jüngsten Eiszeit in der Beringstraßen-Region existiert hat - in einer anhaltenden Serie kleiner Migrationen in die Neue Welt kamen, die vor etwa 25.000 bis 35.000 Jahren begann." (Quelle The 1996 Smithsonian Statement Regarding the Book of Mormon, in: The Smithsonian Institution's 1996 "Statement Regarding the Book of Mormon" - Response prepared by Jeff Lindsay, Appleton, Wisconsin; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)

    Letztlich blieb trotzdem alles beim alten: weit jenseits des Temporalen Limes liegende - d.h. offenbar viel ältere - Fundstätten werden nach wie vor ebenso wenig anerkannt, wie die Annahme transatlantischer und transpazifischer Migrationen auf den Doppel-Kontinent.
  6. Anmerkung: Es spricht ausdrücklich für Willeys Objektivität und 'adelt' ihn, wenn er in jenem Referat feststellt, dass es bereits damals Kritik an der Hypothese einer rezenten Einwanderung gab: "Eine Gegenmeinung glaubt, daß der Mensch sehr viel früher in die Neue Welt kam, vielleicht schon vor 30 000 oder 40 000 oder noch mehr Jahren" Immerhin war Willey zudem der Meinung: "Keine dieser Hypothesen ist völlig befriedigend - zumindest bei unserem gegenwärtigen Stand der Kenntnisse nicht." (nach Ceram, op. cit., S. 303)
  7. Quelle: Berthold Seewald, "Die Pharaonen von Peru - Deutsche Archäologen entdecken die Pyramiden der ältesten Zivilisation Südamerikas", DIE WELT, Fr. 20. Okt. 2006, S. 27
  8. Anmerkung: Noch 2007 bemerkte der amerikanische Naturwissenschaftler Dr. Charles Naeser einigermaßen frustriert und erzürnt über die Zustände bei den betreffenden Fachwissenschaftlern in den USA: "Das Studium potentieller Prä-Clovis-Fundstätten wird nicht unterstützt, und diejenigen, die über eine möglicherweise vor Clovis datierende Stätte berichten, tun dies mit einem signifikanten Risiko für ihre Karriere." (Quelle: Dr. Charles Naeser in seinem Vorwort zu: Christopher Hardaker, "The First American: The Suppressed Story of the People Who Discovered the New World", Franklin Lakes / N.J. (New Page Books), 2007 --- Übersetzung des Zitats ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  9. Anmerkung: Für eine ausführlichere Betrachtung siehe die Abhandlung: Die Besiedlungsgeschichte Amerikas und das Atlantis-Problem von Bernhard Beier
  10. Vergl. zu den gesellschaftlichen und politischen Aspekten der Diskussion um die 'Ersten Amerikaner' auch 'Weiße' Ureinwohner in Nordamerika? - Über den Umgang mit unbequemen Fakten der Menschheitsgeschichte sowie "Freund & Feind" in der amerikanischen Prähistorik - Wem nutzt NAGPRA? von Bernhard Beier.
  11. Anmerkung: Zu den Ansichten der Native Americans bezüglich 'weißer' Urgeschichtsforschung vergl. auch: Indianische Urgeschichte von Vine Deloria jr.

Bild-Quellen:

1) Pratyeka bei Wikimedia Commons, unter: File:Pre-clovis-sites-of-the-americas.svg
2) University of Texas Libraries, unter: Beringia
3) University of Wisconsin at Green Bay, unter: HumanAmerica.gif (Bild dort nicht mehr online)