Leo Frobenius: Atlantis entdeckt?

The Marion Daily Mirror, 11. Februar 1911

Abb. 1 Der deutsche Afrikaforscher Leo Frobenius (1873-1938) auf einem Foto aus den 1930er Jahren

Wieder einmal ist der 'verschollene Kontinent Atlantis' gefunden worden, doch diesmal an einem neuen Ort. Bisher wurde üblicherweise angenommen, dass es sich um eine Insel vor der Nordwestküste Afrikas handelte, und die Kanaren und Azoren wurden als ihre möglichen Überreste vorgeschlagen, auch wenn einige überlegt haben, Amerika könne gemeint gewesen sein. Nun kommt Leo Frobenius (Abb. 1), Leiter der deutschen Innerafrika-Forschungsexpedition, der aus dem Hinterland von Togo die Nachricht nach Berlin schickt, er habe dort unanfechtbare Beweise für die Existenz von Platos legendärem Kontinent entdeckt.

Das Land Togo ist nicht nach dem japanischen Admiral [1] benannt, und seine derzeitigen Bewohner haben wohl noch nie etwas von Nippon gehört. Es liegt zwischen Dahomey, einst gerühmt für seine Amazonen-Kriegerinnen, und Aschanti an der Goldküste des Golfs von Guinea im nordwestlichen Afrika, just oberhalb des Äquators.

Der unanfechtbare Beweis, von welchem der deutsche Forschungsreisende spricht, ist die Ausgrabung einer altertümlichen Bronzefigur, dem Kopf eines Mannes, der die Insignien Poseidons trägt, dem griechischen Äquivalent von Neptun, der im Übrigen an der Gründung von Atlantis beteiligt gewesen sein soll. Frobenius ist ein Altertumsforscher von Reputation, und er legt die Datierung der auf 9000 Jahre [2] vor Solon fest, den Athener Gesetzgeber, der die ursprüngliche Atlantislegende von einem ägyptischen Priester erhielt.

Der Gechichte zufolge war das Volk von Atlantis außerordentlich vorangeschritten in den Künsten von Krieg und Frieden, und bedrohte die Nationen des Mittelmeer-Raums, bis die Athener die Invasoren besiegten. Dies sei, wie Frobenius meint, der Grund für die Entdeckung der Athener Bronze im Togoland, wenn jenes Land das verschollene Atlantis war. Der Legende folgend, wurde Atlantis durch ein Erdbeben zerstört, wobei die Insel im Meer versank. Doch wenn Frobenius recht hat, war es keine Insel und versank auch nicht, obgleich ein Erdbeben seine Bewohner ausgelöscht haben könnte.

Amerikanische Archäologen lehnen es ab, die Theorie von Frobenius ohne weitere Details zu akzeptieren, auch wenn sie volles Vetrauen in die Meinung des deutschen Forschungsreisenden setzen. Wenn es Atlantis wirklich gab und Togoland sein Ort ist, so werden die Altertumsforscher ein neues Feld für Ausgrabungen und Untersuchungen haben, falls nicht die verschollene Nation tatsächlich zu tief begraben wurde. - Pittsburg Dispatch


Update - 23. 09. 2015


Abb. 2 Der Bericht von Malcom Clarke aus der Omaha Daily Bee vom 5. März 1911 (Collage aus Einzelteilen der Rubrik, in deren Kontext er erschien)

Als Ergänzung zum obigen Beitrag hier noch die Wiedergabe eines Berichts von Malcom Clarke, der am 5. März 1911 als Teil einer längeren Rubrik über Ereignisse in Deutschland in der Zeitung Omaha Daily Bee erschien. (Quelle)

Siehe zudem auch den längeren Artikel über Frobenius´ Entdeckungen: "THE LOST ATLANTIS DISCOVERED" (o.A.) aus dem Albuquerque Evening Herald vom 8. Februar 1913 (Seite 11, Spalte 3)



Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag wurde am 11. Februar 1911 mit dem Titel "Atlantis Found?" - übernommen vom Pittsburg Dispatch - in der Tageszeitung The Marion Daily Mirror aus Marion, Ohio, veröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er in eigener Übersetzung ins Deutsche nach der digitalisierten Fassung bei CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers, unter: The Marion daily mirror., February 01, 1911, Page PAGE FOUR, Image 4.

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Der japanische Admiral Tōgō Heihachirō (1848-1934) war durch seine militärischen Leistungen im Russisch-Japanischen Krieg (1904/1905) international - und natürlich auch in den USA - zu großer Popularität gelangt.
  2. Red. Anmerkung: Dass Leo Frobenius die Bronzefigur tatsächlich auf ein Alter von mehr als 11.000 Jahren datierte, darf bezweifelt werden. Vermutlich war dies ein Irrtum eines Redakteurs des Pittsburg Dispatch, der vom Marion Daily Mirror übernommen wurde.

Bild-Quellen:

1) Bundesarchiv, Bild 183-R29255 / CC-BY-SA 3.0, bei Wikimedia Commons, unter: File:Bundesarchiv Bild 183-R29255, Leo Frobenius.jpg (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers, unter: Omaha daily bee., March 05, 1911, EDITORIAL SECTION, Image 9 (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de: Collage aus Einzelteilen der Original-Seite)