Señor Kon-Tiki - Teil 7

Neue Fakten kommen Heyerdahl zu Hilfe

von Andreas Delor

Abb. 1 Thor Heyerdahl im Alter während eines Besuchs in Aserbaidschan. Einige Entdeckungen und Erkenntnisse, die seine Theorien in nicht geringem Maß stützen, gelangen erst während seiner letzten Lebensjahre.

Interessanterweise sind nun ganz am Ende von Thor Heyerdahls Leben zwei Tatsachen zutage getreten, die er vermutlich nicht mehr mitbekommen hat und die doch seine Anschauungen ganz entscheidend stützen: 1994 wird in Neuseeland der „Song of Waitaha“ veröffentlicht, in welchem sich Eingeborene zu Wort melden, deren Vorfahren dort VOR den Maori gelebt haben und sich von der Osterinsel ableiten. Sie berichten, dass sich dort zwei Völker trafen, von welchen ihre Ahnen abstammen: einem dunkelhäutigen aus dem Westen und einem weißen, blond- bis rothaarigen aus dem großen Festland im Osten. Als ich dies zum ersten Mal las, stieg in mir eine Ahnung auf, dass Heyerdahl – ich gebe zu: er war in mir schon längst wieder „versunken“ – vielleicht doch nicht so ganz Unrecht gehabt haben könnte.

Mir ist bewusst, dass der „Song of Waitaha“ von quasi allen namhaften Anthropologen in Bezug auf seine geschichtliche Wahrheit als „gegenstandslos“ bezeichnet wird, er „entbehre jeglicher geschichtlichen Grundlage“; insbesondere würden alle Radiokarbondatierungen fehlen, die auf eine frühere Bevölkerung in Neuseeland als die Maori schließen lassen. Nun, dieses Urteil entbehrt insofern selber jeglicher Grundlage, als es erstens auf Neuseeland durchaus archäologische Zeugnisse als Beleg für die Existenz der Waitaha-Vorfahren gibt – Zyklopenmauern, deren Erforschung ausgerechnet durch die Maori juristisch blockiert wird – sie können aus den verschiedensten Gründen nur uralt sein. Zweitens aber sind bekanntermaßen alle Südsee-Insulaner extrem Ahnen-bewusst; es verstößt absolut gegen ihre Mentalität, dass ein Stamm seine eigenen Ahnen verleugnet, als Mörder hinstellt und sich andere Ahnen erfindet, die von seinen wahren Ahnen ausgerottet sein sollen – etwas Absurderes ist gar nicht denkbar.

Abb. 2 Die Entdeckung der ca. 5000 Jahre alten Ruinen von Caral in Peru veränderte die Lehrmeinungen zu Ursprung und Beginn der amerikanischen Hochkulturen.

Das Zweite ist die Entdeckung der Kultur von Caral (Abb. 2) in Peru. 2001 ergaben Radiokarbondatierungen, dass diese Stadt bereits 2600 v. Chr. erbaut wurde (mittlerweile ist man bei 3000 v. Chr. angelangt), andere Kultstätten in der Nähe sogar bis etwa 3300 v. Chr. Wenn die amerikanischen Hochkulturen aber so alt sind – 2000 Jahre älter als bis dato angenommen – fallen sie in die Zeit, in der im Mittelmeer noch fast ausschließlich Schilfschiffe benutzt werden. Viele Ungereimtheiten, die sich bezüglich einer Herkunft der „weißen, bärtigen Männer Amerikas“ aus dem Mittelmeer bislang ergaben, fallen damit weg.

Abb. 3 Die umstrittene Pyramidenanlage von Güímar auf Teneriffa stammt keineswegs aus dem 19. Jahrhundert, wie immer wieder behauptet wird, sondern wurde mit einiger Sicherheit von Alt-Kanariern erbaut.

Als ein Drittes kommt nun gerade Heyerdahls eigene Entdeckung frappierend mexikanisch aussehender Stufenpyramiden auf Teneriffa (Abb. 3) hinzu, die er noch ganz am Ende seines Lebens gemacht hat [1]. Einmal aufmerksam geworden, entdecken er und andere weitere ganz ähnliche Pyramiden im Mittelmeer – auf Sizilien, Sardinien und Korsika – und eine davon, Monte d`Accoddi auf Sardinien, konnte mittlerweile auch sicher datiert werden: auf 2970 v. Chr. [2].

Abb. 4 Vermutlich weitaus älter als die Anlage von Güimar ist die pyramidale Struktur des Monte d'Accoddi auf Sardinien: ca. 5000 Jahre - das heißt, in etwa ebenso alt wie die Ruinen von Caral in Peru.

Diese Stufenyramiden sind somit älter als die sumerischen Ziggurats; diese wurden im Zweistromland erst gegen Ende des 2. vorchristlichen Jahrtausends allgemeiner Standard! Wie aus dem Nichts ist eine mediterrane Pyramiden-Kultur aufgetaucht, die ein wunderbares Bindeglied abgibt zu den amerikanischen Hochkulturen – ihre Insel- und Küsten-Lage beweist zudem eine Seefahrer-Kultur. Hochseetüchtige, teils riesige Schilfschiffe waren damals im Mittelmeer überall in Gebrauch (s.u.) – die einzigen der Alten und Neuen Welt gemeinsamen Seefahrzeuge.

Das Auftauchen des „Song of Waitaha“, der Caral-Kultur und der Mittelmeer-Pyramiden, die älter sind als die Ziggurats im Zweistromland – all dies wirft, schaut man genauer hin, die felsenfest geglaubten Gegenargumente gegen die Auffassungen Thor Heyerdahls und vieler anderer Forscher (denn Heyerdahl steht alles andere als allein da) spielend über den Haufen und lässt die Situation nicht nur wieder völlig offen erscheinen, sondern vor allem die von vielen Diffusionisten (Anhängern einer Kulturübertragung) längst gesammelten überwältigenden Beweise erst so richtig zur Geltung kommen. Der Diffusionismus schien seit Jahrzehnten erledigt – und jetzt tauchen auf einmal neue Fakten auf, die sich einfach nicht nach den etablierten Lehrmeinungen richten!

Selbstverständlich gibt es in Heyerdahls Theorien noch Indizlücken – dennoch kann von einer Widerlegung, obgleich das immer behauptet wird, nicht im Geringsten die Rede sein. Sein größter Trumpf ist wie gesagt, dass er den weißen, rothaarigen „Langohren“ – nachgewiesenermaßen „Eingeborene“ ohne neuzeitliche Beimischung von europäischen Genen – noch selber auf der Osterinsel und den Marquesas begegnet ist. Ebenso hat er – bezüglich der „weißen, bärtigen Männer Amerikas“ – rothaarige Mumien der peruanischen Paracas-Kultur (von ca. 300 v. Chr.) [3] mit eigenen Augen gesehen (inzwischen sind blonde und bärtige Mumien auch bei den peruanischen Chachapoya und Chancay aufgetaucht). Fotos von Ersteren hat er in „Aku-Aku“, von Letzteren in „American Indians in the Pacific – the Theorie behind the Kon-Tiki-Expedition“ abgedruckt. Angesichts dessen kann man viel "beweisen", dass Heyerdahl Unrecht hatte: er konnte darüber zur Tagesordnung übergehen.



Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe dazu auch Teil 4 dieses Essays.
  2. Siehe: Dominique Görlitz, „Schilfboot Abora - Segeln gegen den Wind im Mittelmeer”, Hamburg 2000
  3. Red. Anmerkung: Bei den Paracas-Mumien und in ähnlich gelagerten Fällen muss allerdings auch in Betracht gezogen werden, dass es sich bei der rötlichen Färbung ihrer Haare um einen post mortem erfolgten, chemischen Zersetzungsprozess handeln kann, wie er z.B. bei 'Moorleichen' sehr häufig zu beobachten ist. Siehe dazu z.B.: Albert Zink, "Die Welt der Mumien", Philipp von Zabern, 2012, S. 17. (Buchauszug online als PDF-Datei)

Bild-Quellen:

1) Betty Blair, Thor Heyerdahl in Baku - Norwegian Archeologist Identifies Azerbaijan as Early Cradle of Civilization, bei: Azerbaijan International, Autumn 1999 (7.3), Pages 96-97
2) KyleThayer bei Wikimedia Commons, unter: File:Caral 9.jpg
3) Berthold Werner bei Wikimedia Commons, unter: File:Güímar BW 5.JPG
4) Discanto bei Wikimedia Commons, unter: File:Sassari - Complesso prenuragico di Monte d'Accoddi (37).JPG (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)