Thor Heyerdahl: American Indians in the Pacific (Rezension)

eine Buchbesprechung von Dr. Horst Friedrich (2014)

Abb. 1 Thor Heyerdahl, American Indians in the Pacific - The Theory behind the Kon-Tiki-Expedition, London, 1952

In seiner Heyerdahl-Biographie [1] gibt Arnold Jacoby ausnahmsweise einmal eine genaue Datierung an: "Am 12. August 1952 wurde Thors magnum opus >American Indians in the Pacific - The Theory behind the Kon-Tiki-Expedition ausgeliefert." Der Zeitpunkt war gut gewählt. Jacobi fügt nämlich hinzu:

"Es war ein so gewaltiges Werk, daß die Lektüre selbst für Fachleute ein hartes Stück Arbeit darstellte. Die meisten hatten aber auch kaum erst darin geblättert, als eine Woche später in Cambridge der XXX. Internationale Amerikanistenkongreß eröffnet wurde. Nun war den vielen Gegnern Thors schon vor dem Erscheinen des Buches klargeworden, daß sich die Kon-Tiki-Theorie nicht mehr totschweigen ließ. Es gab daher nur einen Ausweg: Man mußte ihren Urheber abschießen. Und dazu konnte man sich kaum eine geeignetere Gelegenheit ausdenken als einen Amerikanistenkongreß." [2]

Entsprechende Versuche schlugen fehl, Heyerdahl war seinen Gegnern, nicht zuletzt durch die Unterstützung seiner Frau Yvonne, taktisch gewachsen und konnte den Kongreß als Erfolg für sich buchen. Aber es gab noch eine Fortsetzung, in Jacobys Worten:

"Wenige Tage nach dem Amerikanistenkongreß in Cambridge sollte ein weiterer Kongreß in Wien eröffnet werden, und zwar der IV. Internationale Anthropologen- und Ethnologenkongress. Viele Teilnehmer an dem Kongreß in Cambridge beschlossen, direkt den Zug nach Wien zu nehmen..." [3]
Abb. 2 Thor Heyerdahl war alles andere als ein 'typischer' Wissenschaftler, und seine etablierten Gegner unterschätzten ihn zumeist völlig. (Foto: Kon-Tiki Museet, Oslo)

Unmittelbar vor der Abreise von London besucht ein freundlich gesinnter österreichischer Forscher die Heyerdahls und berichtete, daß Prof. Heine-Geldern, ein erbitterter Heyerdahl-Gegner [4], zum Vizepräsidenten des Kongresses ernannt worden sei. "Er hatte eine kleine Schrift drucken lassen, die einen heftigen Ausfall gegen Heyerdahl und die Kon-Tiki-Theorie enthielt und gratis an alle Kongreßteilnehmer verteilt werden sollte". [5] Heine-Geldern war ein eifriger Verfechter der so genannten 'Wiener Schule' der Diffusionisten, Heyerdahl aber hatte auch "der Südsee-Theorie der Wiener Schule einen Stoß versetzt, die davon ausging, daß die Wanderung nur um die halbe Erde herum, von Westen nach Osten, stattgefunden haben könne".

Heine-Geldern versuchte mit allen Mitteln zu erreichen, daß Heyerdahl auf dem Wiener Kongreß kein Vortrag zugestanden würde, scheiterte aber damit völlig. Er konnte diese Affäre nur schwer vergessen, später kam es aber zu Waffenstillstand und dann Versöhnung. Und als Heine-Geldern zum Präsidenten des XXXIV. Internationalen Amerikanistenkongresses gewählt wurde, schrieb er sogar Heyerdahl persönlich und hieß ihn herzlich willkommen.

Dies quasi nur als Vorspann zur Rezension von Heyerdahls Magnum Opus.

Abb. 3 Die Fahrtroute der Kon-Tiki Expedition (Grafik: Kon-Tiki Museet, Oslo; zur Vergrößerung bitte das Bild anklicken!

Diese Vorbemerkungen scheinen dem Rezensenten sehr erforderlich. Es soll nämlich auch heute noch, wurde ihm glaubwürdig versichert, unter des organisierten sogenannten "Skeptikern" Leute geben, die Heyerdahl (vielleicht weil er keine Professur/Lehrstuhl/Institut hatte?) weiterhin als "Laienforscher", "Pseudowissenschaftler" und dergleichen diffamieren, er brauche nicht ernstgenommen zu werden. Wäre dies in der Tat so, würde es kein gutes Licht auf unsere organisierten "Skeptiker" werfen. Ohnehin stehen sie im Verdacht, lediglich irgendein ideologisches (d.h. unwissenschaftliches!) "Süpplein" kochen zu wollen. Und von wissenschaftsphilosophischer oder wissenschaftssoziologischer Kompetenz ist bei ihnen ja auch kaum je etwas zu bemerken.

So lasse sich also möglichst keine/r meiner Leserinnen und Leser von solchem mitunter sehr törichtem Gerede und Geschreibe solcher Leute auch nur im Geringsten beeinflussen. Er/Sie werden aus dem folgenden ja überdeutlich ersehen können, daß bei dem Verfasser eines derartigen "Mega-Werkes" wie AMERIAN INDIANS IN THE PACIFIC selbstredend von "Unwissenschaftlichkeit" oder Laienforschertum keine rede sein kann. Sondern wir haben hier einen großen Privatgelehrten (ja, die gibt es zum Glück immer noch!) vor uns, dessen hier besprochenem Magnum Opus ihm so leicht kein Establishment-Wissenschaftler nachmachen könnte. Doch nun zur Sache, d.h. zu diesem 821-Seiten-Werk!

Abb. 4 Die Kon-Tiki auf ihrer Fahrt im Jar 1947

Bei einem solchen Riesen-Opus ist es meist schon recht aufschlußreich, wenn man sich im Inhaltsverzeichnis anschaut, wie viele Seiten je Kapitel abgehandelt wird. Dies sieht hier wie folgt aus:

I. Polynesia and the Old World (58 S.)
II. Polynesia and Northwest America (90 S.)
III. The Road through Hawaiki (S. 20)
IV. The Complexity of Polynesian Origins (S. 38)
V. Traces of Caucasian-like Elements in Pre-Inca Peru (130 S.)
VI. Stone Human Statues and Megalithic Cult-Sites (78 S.)
VII. Botanical Evidence of Polynesian Routes (74 S.)
VIII. Aboriginal Peruvian Navigation in the East Pacific (110 S.)
IX. Polynesia and South America: Some inherited analogies (88 S.)
X. Myths and Memories (56 S.)
Literature cited in the Text: (34 S.; ca. 30 Referenzen pro Seite!)

Vor allen Kapiteln kommt mit 9 Seiten Heyerdahls "Introduction" mit dem Titel: THE POLYNESIAN PROBLEM. Daraus einige Zitate:

"In itself, an attempt to adopt the Americas rather than the Old World in a study of Polynesian origins, is a break with ... the orthodox way of thinking, and ... may at first sight seem to overlook ... known facts and well established principles in Pacific ethnology. Let us not pass such a judgement in advance, until the arguments in favour of westward migration have here for the first time been fully assembled and reviewed ..., as long as there still are unsolved problems in the Pacific, we should at least give an open mind to the consideration of any solution however unimpressive it may at first seem to be. Geographically speaking, not less then half of the habitated area bordering on Polynesia is to the east ..., in the New World. We need no other excuse... . ...The fact that a stone age people, more like ourselves than most aboriginal people, was discovered in recent centuries on tiny islands in the midst of the largest of all seas, has stimulated the imagination and puzzled the mind". [6]
Heyerdahl Canadian connection.jpg
Abb. 5 Links und Mitte: Kanus der Haida aus Kanada - Rechts: Kanus der Tahitianer (nach Peter Marsh)

Weiterhin zählt/beschreibt Heyerdahl in seiner "Introduction" die diversen im Umlauf befindlichen Theorien über "rassischen" Zusammenhang der Polynesier mit anderen "Rassen", Völkern und Kulturen. Er erläutert, daß kaum eine davon völlig abwegig wirkt, aber die ganzen Thesen doch reichlich unbefriedigend und fragwürdig erscheinen, wenn man strenge wissenschaftliche Maßstäbe anlegt. [7]

Das Werk selbst ist so riesenhaft, daß es sich von selbst verbietet, in einer Rezension auf Details einzugehen. Das geht allein schon aus dem oben beschriebenen, seitenmäßigen Umfang der 10 Kapitel hervor. Festzuhalten bleibt nach Ansicht des Rezensenten, daß es Heyerdahl weitgehend überzeugend gelungen ist, seine General-Hypothese einer Besiedlung der polynesischen Inselwelt nicht von Westen, sondern vom amerikanischen Doppelkontinent her, sehr wahrscheinlich gemacht zu haben. Und zwar aus zwei verschiedenen Richtungen:

A) durch hochseefahrende Nordwestküsten-Indianer mit ihren riesigen Doppel-Kanus (Abb. 5)
B) durch wohl gemischt-ethnische Seefahrer aus dem Raum Peru/Ecuador unter Verwendung von steuerbaren Balsa-Flößen, wie sie auch noch vorkolumbisch zum Handelsverkehr zwischen Peru und Mexiko verwendet wurden.

Abschließend kann der Rezensent nur kommentieren, daß er seinerzeit schon lange kein aus menschheits- und kulturgeschichtlicher Sicht so anregendes und interessantes Werk in Händen hatte. Insgesamt findet er Heyerdahls durchaus überzeugend, was selbstredend nicht heißen soll, daß er bereit wäre, jedes Detail von Heyerdahls Szenario zu beschwören. Völlige "Gesichertheit" irgendwelcher Szenarien ist eben in den Wissenschaften nicht so leicht zu haben. Das möchte der Rezensent hiermit auch unseren schulwissenschaftsgläubigen "Skeptikern" ins Stammbuch geschrieben haben, denn dort fehlt es meist doch ganz gewaltig an Kompetenz in der "Wissenschaft von der Wissenschaft".


Anmerkungen und Quellen

Diese Buchbesprechung von Dr. Horst Friedrich (©) (von ihm datiert auf den 19.01.2014) wurde für Atlantisforschung.de verfasst.

Fußnoten

  1. Siehe: Arnold Jacoby, "Senor Kon-Tiki - Das abenteuerliche Entdeckerleben Thor Heyerdahls, Berlin/Frankfurt (Main)/Wien, 1966
  2. Quelle: Arnold Jacobi, op. cit., S. 221
  3. Quelle: ebd., S. 224
  4. Siehe dazu auch: Robert Heine-Geldern, "Heyerdahl´s Hypothesis of Polynesian Origins: A Crticsim", London (William Clowesm and Sons Ltd.), 1950
  5. Quelle: Arnold Jacobi, op. cit., S. 225
  6. Quelle: Thor Heyerdahl, "American Indians in the Pacific", 1952, London, S. 3
  7. Anmerkung: Zu den gängigen schulwissenschaftlichen Modellen siehe z.B. auf Englisch: Peter Marsh, Polynesian Pathways, unter: MAINSTREAM THEORIES - and their inconsistencies (abgerufen: 05.03.2014)

Bild-Quellen:

1) Bildarchiv Atlantisforschung.de
2) Kon-Tiki Museet, unter: The Kon-Tiki expdition
3) ebd.
4) File Upload Bot (Magnus Manske) bei Wikimedia Commons, unter: File:Expedition Kon-Tiki 1947. Across the Pacific. (8765728430).jpg (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
5) Peter Marsh, Polynesian Pathways, unter: Cannadian Connection