Thor Heyerdahl: Die Pyramiden von Tucumé (Rezension)

eine Buchbesprechung von Dr. Horst Friedrich (2014)

Abb. 1 Thor Heyerdahl, DIE PYRAMIDEN VON TUCUMÈ, München, 1995, 2008 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 3-7844-2535-6

Dies ist ein herrausragendes und äußerst informatives Heyerdahl-Werk. Es handelt von Heyerdahls Ausgrabungen in Tucumé, einem kleinen Ort an der Küste Nord-Perus, wo sich eine Ansammlung von 26 Lehmziegel-Pyramiden befindet. Dort, an der nördlichen Pazifik-Küste Perus, hatten offensichtlich lange vor den Inka bereits andere Hochkulturen (Moche, Lambayeque, Chimú) bestanden.

Bei Tucumé handelt es sich um die größte, bis heute noch kaum erforrschte, Pyramidenansammlung Südamerikas. Die zahlreichen guten Farb-Abbildungen geben einen guten Eindruck von den teils schon recht "zerflossenen" riesigen Lehmziegel-Pyramiden (Abb. 2), und auch von Land und Leuten. Nicht zuletzt beschreibt Heyerdahl auch den Fortgang der von ihm geleiteten archäologischen Ausgrabungsarbeiten. Schon di ersten Sätze Heyerdahls sind aufschlußreich:

"Es gibt wenige Gebiete, die eine so gut erhaltene und trotzdem so wenig bekannte Vergangenheit haben wie die Ebenen an Perus Küste ... Die Küste Perus am Stillen Ozean, ein 2000 Kilometer langer schmaler Gürtel aus Sand, ist eine Wüste, die unendliche Mengen uralter Schätze birgt." (S. 7.)

Heyerdahl zufolge brauchte das Land dort wieder ein umfassendes Bewässerungssystem. Er schreibt:

"Die Konquistadoren kamen in ein Lambayque-Tal, das dank künstlicher Bewässerung noch reich und fruchtbar war ... Noch heute wirkt Tucumé inmitten der nackten Wüste wie eine Oase. In dem Algarrbowald ... verlaufen kreuz und quer Bewässerungskanäle aus präinkaischer Zeit. Sie wurden in der Mochicazeit ... von regelrechten Hydraulikingenieuren gebaut. Der größte Kanal von allen, der über 70 km lange Taymikanal, verläuft in Tucumé längs des gesamten Pyramidenkomplexes". (S. 10/11)
Abb. 2 Ein Überblick über das Feld der verfallenen Lehmziegel-Pyramiden bei Tucmé vom August 2005 (Für eine Vergrößerung bitte das Bild anklicken!)

Interessant ist ein Farbfoto (S. 31) der einheimischen Bevölkerung mit dem Heyerdahl-Text darunter:

"Die Bevölkerung von Tucumé ist den Polynesiern ähnlicher als jede andere Rasse".

Von Interesse ist auch diese Heyerdahl´sche Anmerkung (S. 94):

"Die These, daß die Küstenkulturen dem Meer den Rücken und dem Land das Gesicht zuwandten, wird indessen durch die archäologischen Funde in Tucumé nicht bestätigt. Obwohl das Pyramidenfeld 20 km vom Meer entfernt liegt, wo der legendäre Landeplatz für König Naymlaps [1] Balsafloß war, ergab unsere erste Erkundung des gesamten Tempelgebietes, daß auf dem Hügel Bruchstücke von Meeresmuscheln verstreut waren ... Es war deutlich, daß die ursprüngliche Kultur in Tucumé in hohem Maße auf maritimen Aktivitäten basierte."

In Heyerdahls 4. Kapitel - DIE VERGESSENEN SEEFAHRER DER INKAZEIT - betont er besonders (S. 160):

"Allzulange war angenommen worden, daß alle Peruaner in vorkolumbischer Zeit Landratten waren, die weder Schiffe noch genug Mut hatten, um weit draußen auf dem Meer zu fischen ... Dieses große Mißverständnis konnte nur aufkommen, weil noch bis vor Kurzem Informationen fehlten ... In den letzten Jahren haben jedoch immer mehr Archäologen ... in den Küstengebieten Ausgrabungen durchgeführt. Sie haben entdeckt, daß die Wirtschaft der präinkaischen Zeit im wesentlichen auf Fischfang und Seehandel beruhte."

Und weiter (S. 201-204):

"Die meisten Forscher haben für die Zeit, bevor hier europäische Bootstypen auftauchten, allzulange den maritimen Aspekt des Lebens an der peruanischen Küste unterschätzt, ja sogar geradezu übersehen ... Man hat nicht begriffen, daß die ganz besondere Küste Perus ... sichere Fahrzeuge ohne einen hohlen, verletzbaren Rumpf erforderte. Die Europäer ... konnten nicht begreifen, daß ein nichteuropäisches Prinzip, Boote ohne Rumpf, Kiel und Ruder zu bauen, ein sicheres und kontrolliertes Steuern auf dem Meer zuläßt ... Die Spanier waren beeindruckt von den seemännischen Fertigkeiten, die sie in Peru kennenlernten ... Nur wenn wwir begreifen, daß sich die Menschen in der Neuen Welt schon vor der Ankunft der Europäer zu Lande und zu Wasser bewegen konnten, können wir das plötzliche Aufblühen hochstehender Kulturen begreifen, die Amerika in präkolumbischer Zeit von Mexiko bis Peru charakterisieren."

Der Rezensent möchte das Fazit ziehen: Es wirft kein gutes Licht auf unsere einschlägigen Establishment-Mainstreamwissenschaften, wenn erst ein außeresteblishmentärer zugleich Privatgelehrter und maritimer Experimental-Archäologe kommen muß, um das "offiziell" (quasi ex cathedra) gelehrte "Szenario" zur Entstehung der alt-südamerikanischen Hochkulturen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.


Anmerkungen und Quellen

Diese Buchbesprechung von Dr. Horst Friedrich (©) (von ihm datiert auf den 03.02.2014) wurde für Atlantisforschung.de verfasst.

Fußnote:

  1. Red. Anmerkung: Naymlap war der sagenhafte Urahn der Herrscher-Dynastie des Lambayeque-Tals. Bereits der spanische Chronist Miguel Cabello de Balboa (1535-1608) berichtete von den Überlieferungen seiner Bewohner über diese Heldengestalt. Ihnen zufolge kam Naymlap einst, gemeinsam mit vierzig Edelleuten und zahlreichen Frauen, in einem großen Boot aus geflochtenem Schilf über das Meer dorthin, eroberte das Lambayeque-Tal und machte sich zum König. (Quelle)
    Er soll auch die geheimnisvolle grüne Stein-Skulptur einer Frau mit in seine neue Heimat gebracht haben, die in den Sagen der Einheimischen eine besondere Rolle spielt: "Naymlap begann Tempel und Häuser im Lambayeque Tal zu bauen. Es wird gesagt, dass bei seinem Tod sein Körper begraben wurde, jedoch bekam er Flügel und flog in eine andere Dimension. Nach seinem Tod wurde das Reich unter seinen 12 Enkeln aufgeteilt. Jedoch verliebte sich einer in eine Hexe, die ihm dazu brachte die grüne steinerne Frauenfigur zu stehlen. Dies [soll] dazu geführt haben, dass heftige Regenfälle und Überschwemmungen über das Land hereinbrach[en], gefolgt von Krankheiten und Tod ..." (Quelle)

Bild-Quellen:

1) Verlag Langen-Müller / Bildarchiv Atlantisforschung.de
2) Euyasik und Dcoetzee bei Wikimedia Commons, unter: File:Tucume Ueberblick.jpg