Ordnung + Chaos = Harmonie?
von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich
Schon sehr lange tobt der Streit der Meinungen/Ansichten/Vermutungen, ob nun das Universum - wie es etwa die Pythagoräer [1], Kepler oder Newton sahen - eine Manifestation quasi göttlich gesetzmäßiger Ordnung oder ein unentwirrbares Chaos [2] sei. Was spricht für das eine, was für das andere?
Betrachten wir zunächst den Wortsinn. Unter „gesetzmäßige Ordnung“ wird gemeinhin verstanden, dass man - aber dies ist nota bene ein Konstrukt unseres in Gegensatzpaaren denkenden Verstandes! - einen gewissen unveränderlichen, verstehbaren (!) Zusammenhang nach bestimmten Gesichtspunkten zwischen konkreten Dingen und Erscheinungen zu erkennen glaubt. Unter "Chaos" wird das Gegenteil verstanden: das völlige Durcheinander, in dem unser Verstand (!) keinerlei Ordnung oder Gesetzmäßigkeit erkennen kann.
Zurück zu unserer oben gestellten Frage: Ist das Universum Ordnung oder Chaos? Was spricht - unter Berücksichtigung der soeben gegebenen Wort-Definition - für das eine, was für das andere? Die Auflistung auf Seite 15 versucht diese Frage zu beantworten.
Nach dieser - provisorischen und auszugsweisen - Auflistung scheint es, als hielten sich die Argumente für und wider "gesetzmäßige Ordnung" respektive "Chaos" die Waage. Ist die Frage am Ende unentscheidbar? Oder tritt beides stets gemischt auf?
In der Tat scheint bereits ein kurzes, jedoch nachdenkliches, Betrachten des Weltalls einerseits und einer beliebigen Natur-Wildnis andererseits den Eindruck zu vermitteln, es sei hier beides - "gesetzmäßige Ordnung" und "Chaos" - zugleich vorhanden. Stets miteinander vermischt, wie Yin und Yang in der taoistischen Philosophie [3]. Ist am Ende "gesetzmäßige Ordnung" = Yang und "Chaos" = Yin?
Wie dem auch sei, die Auflistung auf Seite 15 scheint jedenfalls darauf hinzudeuten, dass das Leben - das Tao - sich möglicherweise stets zugleich als "gesetzmäßige Ordnung" und "Chaos", in Form des Universums mit seiner unendlichen Erscheinungsvielfalt, manifestiert. Dies würde bedeuten, dass zu wahrer kosmischer Harmonie, in der sich die Wesen optimal zu entfalten vermögen, beides gehört.
Die Rückwirkungen einer solchen - aus Betrachtung des Kosmos und der Natur gewonnenen - Philosophie auf die Menschenwelt sind offensichtlich. Die weiseste, dem Gemeinwohl wie dem Individuum gedeihlichste Regierungsform wäre demnach jene, die auf harmonische und fruchttragende Weise "gesetzmäßige Ordnung" mit "Chaos" unter einen Hut zu bringen wüsste. Wobei nota bene dem "Chaos" hier mehr der Sinn des taoistischen "Yin" zukäme, keineswegs der eines chaotischen Durcheinanders mit Auflösung aller Ordnung (wo dann das ebenso notwendige "Yang" ja eben fehlen würde).
Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, dass Yin und Yang auch nur tastende Verstandeskonstrukte sind. Auch sie sind bereits Manifestationen des Tao, das unergründlich im Hintergrund bleibt.
Für »gesetzmäßige Ordnung« spricht
- die Tatsache, dass es "Naturgesetze" [4] gibt,
- das Betrachten eines Berg- oder sonstigen Kristalls,
- die kabbalistischen Buchstaben-Zahlen- (etc.-) Entsprechungen,
- die verlässlich-regelmäßigen (scheinbaren) Bewegungen von Sonne, Mond, Planeten,
- die Spektralfarben (Regenbogen!),
- die regelmäßige Form einer Schneeflocke oder Bienenwabe,
- die typischen Wirbelbewegungen in strömendem Wasser,
- die Reproduzierbarkeit der chemischen/alchemistischen Reaktionen,
- der gesetzmäßige Aufbau von Pflanzen (Blüten, Bäumen ...),
- die Existenz der (nota bene: ernsthaften) Astrologie,
- die Existenz geometrischer Formen in der Natur,
- die (relative) Reproduzierbarkeit medizinischer Heilmethoden,
- die zahlreichen in der Natur zu beobachtenden quasiperiodischen Vorgänge (Sonnenfleckenkurve!).
Für »Chaos« spricht
- das Betrachten einer Urwald-Wildnis,
- die weite Streuung der Bahnelemente der Kometen oder Planetoiden,
- die Tatsache der prähistorischen Kataklysmen,
- die „Zufallsverteilung“ zahlreicher astronomischer Werte im Weltall,
- der wirre Anblick einer Gebirgskette,
- die ungeheuerliche Vielfältigkeit der Natur,
- die unzuverlässigen, jeder Prognose spottenden „Launen“ des Wetters,
- die Verteilung der Landmassen und Ozeane auf der Erde,
- das Faktum zahlreicher, mit nichts korrelierender quasisingulärer Natur-Phänomene [5],
- die Verteilung der Primzahlen,
- die geologischen Detailformen der Erdoberfläche,
- das Beobachten unseres ewigen Gedankenstromes.
Anmerkungen und Quellen
Dieser Beitrag von Dr. Horst Friedrich © wurde erstmals veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 11/1995; bei Atlantisforschung.de erscheint er im Dr. Horst Friedrich Archiv in einer redaktionell bearbeiteten Fassung nach http://efodon.de/html/archiv/wissenschaft/friedrich/ordnung.html
- ↑ Anmerkung d. V.: Zu den Pythagoräern, im Gesamtzusammenhang der antiken Philosophie, sehr informativ: Wilhelm Windelband, "Geschichte der alten Philosophie". Mir liegt davon nur die amerikanische Ausgabe vor: "History of Ancient Philosophy", New York 1956 (Dover Paperback), S. 93 - 100 und passim.
- ↑ Anmerkung d. V.: Hierzu sehr aufschlussreich: Livio C. Stecchini, "The Inconstant Heavens", in: Alfred de Grazia (Hrsg.): "The Velikovsky Affair", London 1966, S. 80 - 126.
- ↑ Anmerkung. d. V.: Hierzu sehr empfehlenswert: John Blofeld, „Der Taoismus“, Köln 1986; ders.: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt“, Bern/München/Wien 1991 (2. Auflage.
- ↑ Anmerkung d. V.: Es sind hier sowohl die von der Schul-Naturwissenschaft als auch die von den nonkonformistischen Wissenschaften (Alchemie!) entdeckten, als auch eventuelle noch unentdeckte Naturgesetze inbegriffen.
- ↑ Anmerkung d. V.: Hierzu bringt viel Material: William R. Corliss, "Handbook of Unusual Natural Phenomena", Glen Arm/MD (USA) 1977.