Über die frühe Domestizierung des Pferdes: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 24. August 2018, 19:56 Uhr

von unserem Gastautor R. Cedric Leonard

Abb. 1 Weidende Przewalski-Pferde in Frankreich. Die 30.000 Jahre alten Aurignacien-Höhlengemälde von Pferden, die dort im Südwesten des Landes entdeckt wurden (Les Espelungues u.a.), Scheinen dem heutigen Przewalski-Pferd zu ähneln.

Konkurrierende Theorien existieren hinsichtlich der Zeit und des Ortes der Pferdedomestizierung. Der früheste direkte Beweis für die Domestikation des Pferdes kommt aus Zentralasien und datiert auf ca. 4.500 v.Chr. Da sich das Pferd aufgrund der Domestizierung nicht so radikal veränderte (wie der Wolf), stellt es ein besonderes Problem dar; Hinsichtlich der Genetik unterscheidet sich die Domestikation des Pferdes also deutlich von der anderer Nutztiere. [1]

Studien haben gezeigt, dass die genetische Diversität unter Hauspferden umfangreich ist, was auf mehrere Domestikations-Ereignisse aus genetisch verschiedenen Populationen sowie auf verschiedene Standorte schließen lässt. Eine kürzlich durchgeführte genetische Studie liefert ein viel detaillierteres Bild davon, wie Menschen wilde Pferde zähmen und domestizierten, was darauf hindeutet, dass viele Tiere (Stuten) von vielen Orten zur Bildung der Rassen nötig waren, die wir heute sehen.

Das bisher untersuchte genetische Material lässt darauf schließen, dass ein Großteil der genetischen Diversität der Pferde mütterlicherseits zum Zeitpunkt der Domestikation in den Zuchtbestand aufgenommen worden sein muss. Unter bestimmten Annahmen lässt diese Studie vermuten, dass mindestens siebenundsiebzig Wildstuten erforderlich wären, um die beobachtete genetische Vielfalt zu erklären. [2]

Archäologisch gesehen sind mehrere andere Probleme beteiligt. Organische Materialien wie Leder und Holz werden selten in so alten archäologischen Stätten gefunden, und bei ungünstigen Bodenverhältnissen wird oft sogar der Knochen selbst zerstört. Ein anderes Problem ist, dass es möglich ist, ein Pferd ohne die Verwendung eines Sattels oder Zaumzeugs zu reiten; und während der frühen Stadien der Pferdedomestizierung ist es wahrscheinlich, dass sie normalerweise auf diese Weise geritten wurden.

Abb. 2 Hoch zu Ross im Jungpaläolithikum! Eine Nachzeichnung des Reiters aus der Grotte des Trois Frères (Drei-Brüder-Höhle) im Süden Frankreichs

Einige Forscher sehen die Möglichkeit, dass sie mindestens so weit zurück wie die Pleistozän-Epoche auftritt. Dr. Stanley J. Olsen, Professor für Anthropologie an der Universität von Arizona, stellt fest, dass die zahlreichen Bilder, die an den Wänden von Höhlen- und Felsunterkünften des paläolithischen Europas gefunden wurden, auf eine enge Beziehung zwischen den oberpaläolithischen Europäern und Equus przewalskii hindeuten. [3]

Für sich genommen, kann keine einzige Art von indirekten Daten einen zufriedenstellenden Nachweis der Pferdedomestizierung erbringen. Indirekte Beweise müssen aus so vielen Richtungen wie möglich bestätigt werden. [4] Eine wichtige Form des indirekten Nachweises findet sich jedoch in der paläolithischen Kunst. Es gibt mindestens ein oberpaläolithisches Bild eines Pferdes und Reiters (Abb. 2) [5], das die Pferde-Domestizierung in die atlantische Zeit zurückführen würde. [6] [7]

Unter den künstlerischen Darstellungen von Pferden, beginnend mit der Aurignacien-Periode vor mehr als 30.000 Jahren und durch die Zeit des Azilien fortlaufend, enthalten zahlreiche geschnitzte Linien, die für alle Welt wie Zaumzeug aussehen. (Abb. 3) Dies ist ein starker Beweis für die Domestikation des Pferdes in diesen frühen Zeiten. Aber aufgrund der oben genannten Probleme können wir nicht sicher sein, dass dies nicht auch schon viel früher der Fall war.

Die Knochen- und Geweih-Schnitzereien der hier abgebildeten Pferde wurden alle in die Magdalénien-Zeit datiert, 14.000 bis 10.000 v.Chr. Dutzende solcher Schnitzereien wurden in den Höhlen von Südwestfrankreich (Lascaux, Les Eyzies, etc.) gefunden. Es sieht so aus, als ob Zügel und Riemen in diesen Schnitzereien abgebildet sind, was darauf hindeutet, dass Menschen sie unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Abb. 3 Geschnitzte Pferdeköpfe aus dem Spätpaläolithikum (um 15.000 v.Chr). Vergleichbare Abbildungen von Pferden mit Zaumzeug sind auch in St. Michel d'Arudy, in der Grotte von Marsoulas und in La Marche zu sehen.

Eine Annahme, die in den 1870er Jahren zum ersten Mal vorgebracht und kürzlich von Paul Bahn, einem britischen Gelehrten, wiederbelebt wurde, besagt, dass Knochen- und Geweihgegenstände, die als Lochstäbe (Abb. 4) bekannt sind, intregale Bestandteile von Zaumzeug für Tiere darstellen können. Solche Objekte bestehen normalerweise aus einem schlanken, gekrümmten Knochen oder Geweih, der ein Loch durch das größere Ende hat. Obwohl die frühesten Aurignacien-Stöcke ohne Oberflächendekoration sind, wurden zu Magdalénien-Zeiten viele fein mit Schnitzereien von Pferden oder Rentieren geschmückt. [8]

Ein junger britisch-amerikanischer Archäologe, Evan Hadingham (1979) von der Universität Sheffield, bemerkt: "Die magdalenischen Schnitzer scheinen sich an den Schwierigkeiten bei der Verzierung der schmalen, abgerundeten Flächen mit einem feinen Filigranmuster komplexer und gut proportionierter Formen erfreut zu haben." [9] Und das waren normalerweise Rentiere oder Pferde. [...]

Eine Reihe von Altsteinzeit-Stätten ist auf [und nahe; d.Ü.] der gesamten griechischen Halbinsel verstreut: unter anderem Kastritsa, Asprochaliko, Seidi-Höhle und Franchthi-Höhle (Abb. 5). Von diesen scheint die letztere die vollständigste Abfolge von Schichten zu haben, die vor etwa 20.000 Jahren im Jungpaläolithikum begann und sich durch das Mesolithikum bis in das Neolithikum vor nur 5.000 Jahren fortsetzte. An einer Reihe solcher Orte sind auch Pferdeknochen aufgetaucht.

Abb. 4 Ein schön gearbeiteter Lochstab (Bâton percé) aus dem Magdalénien (17.000 bis 10 000 v.d.Z., der in der Fundstätte von La Madeleine, Dordogne, Frankreich, entdeckt wurde. [10]

Bei der Ausgrabung der Franchthi-Höhle in der Nähe der Bucht von Argos entdeckte Dr. Jacobsen in der untersten Schicht mit einem Alter von 20.000 Jahren Schaf-, Ziegen-, Rinder-, Schweine- und Pferdeknochen. Obwohl er Zweifel daran äußert, dass diese domestizierte Arten repräsentierten, gab es keine Zweifel bezüglich derjenigen Knochen, die in den frühen mesolithischen Schichten direkt darüber gefunden wurden. Diese Knochen seien ohne Zweifel diejenigen von "domestizierten Varietäten" gewesen. [11] Ähnliche Funde wurden in dem ganzen Gebiet gemacht.

Dieses Gesamtbild wird durch Ausgrabungen gestützt, die von britischen, griechischen und deutschen Archäologen in Epirus, Korfu, Böotien und auf dem Peloponnes durchgeführt wurden. Der Hauptbeweis für die spätpaläolithische Aktivität in diesen Gebieten ist weitgehend in Form von Feuersteinwerkzeugen, Tierknochen und gelegentlichen Verzierungen aus Zähnen oder Knochen erbracht worden.

Die Tierzüchtung während des Spätpaläolithikums mag aber nicht auf das Pferd und den Hund beschränkt sein. Im Gegensatz zu Schafen oder Ziegen führt die Domestikation von Pferden und Rentieren zu keinen offensichtlichen körperlichen Veränderungen. In der Isturitz-Höhle im französischen Baskenland wurde in der Schicht aus dem Magdalénien der Beinknochen eines Rentieres gefunden, der Hinweise auf eine ernsthafte Fraktur aufwies, die verheilt war. Es wurde geschätzt, dass das Tier nach der Fraktur noch mindestens zwei Jahre gelebt hat. [12] Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Tier den Raubtieren für eine so lange Zeit entgangen ist, wenn es nicht gezähmt war und geschützt wurde?

Abb. 5 Ein Blick ins Innere der Franchthi-Höhle in der Argolis. Dort wurden bei Ausgrabungen auch Knochen von Pferden aus dem Spätpaläolithikum entdeckt, die möglicherweise domestizierten Varietäten angehörten. (Foto: © Ferdinand Speidel)

Hadingham weist darauf hin, dass Rentiere, während sie eine gewisse Zurückhaltung wahren, dennoch der menschlichen Kontrolle unterliegen, sobald sie von der menschlichen Fürsorge abhängig sind (wie ein Haustier), bis hin zu dem Namen, wenn sie gerufen werden. Dies haben unter anderem die Stammesangehörigen des nördlichen Tungusen in Sibirien deutlich gezeigt.

Das Vorhandensein von Ziegen-, Schaf- und Pferdeknochen in Höhlenstätten schon im Spätpaläolithikum] sollte uns etwas sagen. Die Knochen sind nicht verkohlt, und es gibt keine Feuerstellen. Menschen aus der Magdalénienzeit lebten in Häusern, nicht in Höhlen (obwohl tiefe Höhlen oft für rituelle Zwecke genutzt wurden). Darf ich vorschlagen, dass die Tiere in Höhlen gehalten wurden, so wie wir eine Scheune oder einen Stall für den gleichen Zweck benutzen? Es scheint mir eine vernünftige Schlussfolgerung zu sein. Dies würde bedeuten, dass die Anwesenheit dieser Tiere für utilitaristische Zwecke genauso wichtig war wie für das Essen - insbesondere für die Pferde.

Apropos spätpaläolithische Populationen des Niltals: Philip Smith schrieb 1976: "Es wurde auch vermutet, dass es einige Versuche gab, wildes Vieh zu kontrollieren oder zu zähmen." [13] Auf den Klippen in der Nähe von Gebel Silsila sind Darstellungen von Rindern eingraviert, aber es ist nicht erwiesen, dass die Künstler im Paläolithikum lebten. Daran haben wir keinen Zweifel: Das Hirten von Vieh wäre ohne die Hilfe des Pferdes extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich gewesen.

Sind Archäologen und Anthropologen der Ansicht, dass Menschen aus dem Spätpaläolithikum "an der Grenze" der Tierhaltung standen oder dass die Existenz der Schnitzereien von Pferden mit Zügeln beweist, dass diese Tiere von den atlantischen Völkern domestiziert wurden? Nein, das sind sie nicht. Aber sie deuten diese Möglichkeit zumindest an.

Und in Hinblick auf "wilde" Ziegen uns Schafe: Sollte man von den Atlantiern, die solche Tiere in ihrem eigenen Land domestiziert haben, nicht erwarten, dasselbe auch bei den wilden Tieren auf den Kontinenten zu versuchen? Und sollten diese einst "wilden" Tiere im Laufe der Zeit keine Anzeichen von Domestizierung zeigen? Genau das sehe ich in den archäologischen und anthropologischen Aufzeichnungen.

Die meisten modernen Experten neigen dazu, die Annahme einer gegebenen Tatsache zu verweigern, bis sie zweifelsfrei bewiesen ist. Ich, der "Abtrünnige", der ich bin, sage, wenn es wie eine Kuh aussieht und wie eine Kuh riecht, ist es wahrscheinlich eine Kuh. Mir scheint, dass die Beweise, wenn man alle Facetten betrachtet, Platos Behauptung stützen, dass Pferde, Rinder - und möglicherweise Schafe, Ziegen und Hunde - von den Atlantiern lange vor ihrer Ankunft auf den Kontinenten Europa und Nordafrika domestiziert oder zumindest kontrolliert worden waren.



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Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von R. Cedric Leonard (©) erschien erstmals unter dem Titel "ATLANTEAN ANIMALS - Animal Domestication in Atlantean Times - Domestication of the Horse" auf seiner Webseite QUEST FOR ATLANTIS (www.atlantisquest.com; nicht mehr online). Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de nach der am 10. Jan 2016 archivierten Version des Artikels bei Archive.com / WaybackMachine.

Fußnoten:

  1. Quelle: G. Bailey, R. Charles und N. Winder (Hrsg.), "Human Ecodynamics and Environmental Archaeology", Oxford (Oxbow), 2000
  2. Quelle: H. Ellegren, "It Took Many Mares to Form the Domestic Horse", in: Trends in Genetics, Vol. 18, No. 10, 1998
  3. Quelle: Stanley J. Olsen, "The Early Domestication of the Horse in North China", in: Archaeology, Vol. 37, No. 1, Jan-Feb 1984
  4. Quelle: M.A., Levine, "The origins of horse husbandry on the Eurasian Steppe", in: Late Prehistoric Exploitation of the Eurasian Steppe, Cambridge (McDonald Institute), 1999
  5. Red. Anmerkung: Siehe zu diesem besonders evidenten Spezimen auch unseren Beitrag: "Der Reiter von Trois Frères" (red)
  6. Quelle: Timothy Perrin, "Prehistoric Horsemen", in: Omni, Vol. 5, No. 37, August 1983
  7. Red. Anmerkung: Der US-amerikanische Anomalist William R. Corliss wies 1983 ebenfalls auf Timothy Perrins veröffentlichung in Omni hin. Dazu schrieb er: "Vor mehr als 70 Jahren fand der Paläontologe Henri Martin Pferde-Zähne mit einem geschätzten Alter von 30.000 Jahren, die deutliche Anzeichen von 'Krippen-Biss' [orig.: "crib biting"; d.Ü.] aufwiesen. 'Krippen-Biss' entsteht, wenn gefangene Pferde, etwa aus Langeweile, auf Stricken, einer Einfriedung und sogar auf Steinen herumkauen - etwas, das Wildpferde nicht tun. Die Schlussfolgerung lautet, dass der Mensch das Pferd schon vor viel längerer Zeit domestiziert hat, als Archäologen es für möglich halten. Diese Theorie siechte bis vor kurzem dahin, als Paul Bahn sie aus dem Limbo [der Wissenschaftsgeschichte] zurückholte. Jetzt hat er weitere Zähne mit noch deutlicheren Evidenzen für 'Krippen-Biss' entdeckt. Bahn verficht die Meinung, dass der Mensch möglicherweise schon seit 100.000 Jahren auf Pferden reitet!" Quelle: William R. Corliss, "Ancient Horsemen", in Science Frontiers Nr.29, Sept. / Okt. 1983 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  8. Quelle: Paul G. Bahn, "Les Batons Perces ... Reveil d'une Hypothese Abandonnee", in: Prehistoric Archaeology t. XXXI, 1976
  9. Quelle: Evan Hadingham, "Secrets of the Ice Age", New York (Walker & Company Inc.), 1979.
  10. Anmerkung: Hier noch eine weitere Abbildung eines ca. 12.500 Jahre alten 'Lochstab'-Fragments aus Rentier-Geweih vom selben Fundort, verziert mit einem Pferde-Relief.
  11. Quelle: Thomas W. Jacobsen, "17,000 Years of Greek Prehistory," Scientific American, Vol. 234, No. 6, June 1976.(Jacobsen, 1976)
  12. Quelle: Evan Hadingham, op. cit. (1979)
  13. Quelle: Philip E.L. Smith, "Stone Age Man on the Nile", Scientific American, Vol. 235, No. 2, August 1976.

Bild-Quellen:

1) Ancalagon (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:France Lozère Causse Méjean Chevaux de Przewalski 17.jpg (Lizenz: Creative-Commons, "3.0 nicht portiert")
2) Henri Breuil, nach: Timothy Perrin, "Prehistoric Horsemen", Omni magazine, Vol. 5, No. 37, August 1983
3) Bild-Archiv R. Cedric Leonard (©)
4) Didier Descouens bei Wikimedia Commons, unter: File:Baton Lartet MHNT PRE .2010.0.1.2 Seul Fond.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)
5) Bild-Archiv Ferdinand Speidel (©)