Atlantis auf Sardinien (Die These)

von Robert Paul Ishoy

Abb. 1 Die sardische Nuraghe di Santa Barbara, Macomer, in der Provinz Nuoro. Foto ©: SIFOR SRL

Bei jedem Atlantis-Studium sollte, als wichtigste Quelle zur Analyse, mit den einzigen alten Aufzeichnungen begonnen werden, die uns zugänglich sind. Dies sind die beiden Aufzeichnungen, die von Platon unter dem Titel 'Timaios' und 'Kritias' verfasst wurden. In diesen beiden Büchern liefert uns Platon eine detaillierte Beschreibung der Insel von Atlantis, die Geographie, strukturelle Features, kulturelle Aspekte und Industrie beinhaltet.

Wenn Atlantis tatsächlich existiert hat, dann müssen die von Platon zur Verfügung gestellten Einzelheiten als Maßstab für einen Vergleich betrachtet werden. Man darf jedenfalls nicht vergessen, dass Platon selbst vielleicht 1000 Jahre nach dem Ende von Atlantis als signifikanter Zivilisation darüber schrieb. Dies könnte dann bedeuten, dass auch Platon selber die Berichte von Atlantis missverstand.

Meine Hypothese besagt, dass Atlantis ein mächtiger Staat war, der sich auf der Insel Sardinien im westlichen Mittelmeer befand. Dieser machtvolle Staat war in der (Vor-) Bronzezeit , etwa 2000 v. Chr. bis 1400 v. Chr. fast vollständig ausgebildet, Diese Daten werden durch A. G. Galanopoulos' Richtigstellungen zu Platons Zeitangaben für Atlantis gestützt. [1] (Dieser Zeitraum steht zudem in Übereinstimmung mit anderen Schlussfolgerungen dieser These.) Zudem bin ich überzeugt davon, dass Atlantis einen großen Teil der Randgebiete des westlichen Mittelmeers kontrollierte und auch Versuche unternahm, die hochentwickelten Staaten des östlichen Mittelmeers zu erobern, darunter das Minoische Kreta, das früh-hellenische Griechenland und Ägypten.

Abb. 2 Was wussten die Poto-Hellenen über das westliche Mittelmeer? Hier eine Darstellung griechischer Seefahrt auf der 'Schale von Cerveteri', ca. 520 v. Chr.

Dies würde bedeuten, dass Atlantis in erster Linie eine Seemacht war - vielleicht die früheste große Seemacht der Geschichte. Nach Platon wurde Atlantis jedoch bei seiner versuchten Invasion des Ostens durch eine Kombination von Athenischer Flotte sowie größeren Erdbeben und Fluten geschlagen. [2] Zusammen führten diese Kräfte die Vernichtung von Atlantis als Großmacht herbei. Die Niederlage von Atlantis bewirkte einen größeren Rückschlag in der Entwicklung der Kulturen des westlichen Mittelmeers. Womöglich stellt sich bei neuen Untersuchungen die Geschichte des westlichen Mittelmeerraums als viel reicher heraus, als dies bisher angenommen wurde.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Konfusion bezüglich der Lokalisierung der Insel von Atlantis. Platon sagt uns, dass Atlantis ein Eiland war, das sich im Atlantischen Ozean hinter den Säulen des Herkules befand. Diese Insel soll größer als Libyen und Asien zusammen gewesen sein. Er sagt uns zudem, es habe eine Kette von Inseln gegeben, die von Atlantis gen Westen führte. Diese Inseln hätten sich bis zu dem großen Kontinent erstreckt, der die Atlantis-Insel nach allen Seiten umgeben habe. [3]

Das Hauptproblem bei einer akkuraten Platzierung von Atlantis nach Platons Beschreibung besteht darin, dass man den perspektivischen Unterschied zwischen Platons klassischem Griechenland von 450 v. Chr. und dem des früheren hellenischen Griechenland um 1500 v. Chr. erkennen muss. In klassischer Zeit war den Griechen der größte Teil der mediterranen Welt wohl bekannt und den Atlantischen Ozean sah man außerhalb der Straße von Gibraltar, die den Griechen als 'Säulen des Herkules' bekannt war.

Abb. 3 Der Campidano- Plain auf Sardinien. Die Ebene von Atlantis? Foto ©: SIFOR SRL

Diese Sicht der Welt ist natürlich heute auch die unsere. Doch noch im klassischen Griechenland unterschied sich die Wahrnehmung der bekannten Welt beträchtlich von derjenigen des modernen Zeitalters. Herodot kannte in seinen Historien die Insel Sardinien. Er bezieht sich auf Sardinien als "größte Insel der Welt". [4] Heute wissen wir nun, dass Sardinien tatsächlich kleiner ist als sein südlicher Nachbar Sizilien. [5] Selbst im Jahr 98 n. Chr. erwähnt Tacitus den Atlantischen Ozean noch als "das unbekannte Meer". [6] Daher hatten die frühen Hellenen, 1000 Jahre vor Platons Zeit, vermutlich einen ganz anderen Ausblick auf ihre Welt.

Wenn wir davon ausgehen, dass das westliche Mittelmeer den (prä- d. Red.) hellenischen Griechen unbekannt war, dann entspricht Sardinien Platons Beschreibung von Atlantis nur zu gut. Verlegen wir die Säulen des Herkules zunächst einmal zurück von Gibraltar in die Straße von Messina, die sich zwischen dem Südzipfel Italiens und Sizilien befindet. Sardinien ist eine große Insel hinter der Straße von Messina.

Da gibt es die Balearen, eine Inselkette, die sich von Sardinien westwärts erstreckt. Und ein großer Kontinent umgibt Sardinien, wenn wir Spanien, Frankreich, Italien und Nordafrika zusammennehmen. Nun wollen wir die spezifischen Details von Platon über die Insel selber betrachten und diese mit der Insel Sardinien vergleichen. Für diese Gegenüberstellung müssen wir uns jedoch auf die Geographie des alten Sardinien um etwa 1500 v. Chr. beziehen.

Eingangs liefert uns Platon, wie folgt, eine geographische Beschreibung der Insel: "Zum größten Teil war sie hoch aufragend und zerklüftet außer einer flachen Ebene direkt um die Hauptstadt herum. Diese Ebene war von rechteckiger Form und nach Süden ausgerichtet. Rundherum wurde die Ebene von Bergen umgeben." [7]

Abb. 4 Die gewaltigen Steinblöcke, die von den Baumeistern der Nuraghi-Kultur zusammengefügt wurden, zeugen vom hohen Entwicklungsstand der sardischen Früh-Zivilisation Foto ©: SIFOR SRL

Sardinien ist zu neun Zehnteln bergig und dort gibt es den rechteckig geformte Ebene von Campidano (Abb. 3), die sich nach Süden hin zum Golf von Cagliari öffnet. [8] Als nächstes spricht Platon von den kalten und heißen Quellen, um welche herum die Atlanter Gebäude konstruierten, die im Winter als warme Bäder genutzt wurden. [9] Sardinien weist heiße und kalte Quellen über die ganze Insel verteilt auf. [10] Zudem gibt es eine Anzahl archäologischer Funde von "heiligen Brunnen", die in alten Zeiten um Wasserquellen herum errichtet wurden. [11]

Platon sagt ebenfalls, dass es auf der Insel reichliche Vorkommen an Hölzern unterschiedlicher Art gab. [12] Sardinien war vor der systematischen Abholzung der Insel durch die Karthager sehr waldreich. [13] Ein weiteres, von Platon angegebenes Detail besagt, dass es auf der Insel Atlantis eine Vielzahl zahmer und wilder Tiere gab, darunter auch viele Elefanten. [14] In antiken Zeiten wurde Sardinien von unterschiedlichen Wildtier-Spezies bewohnt, darunter auch Zwergelefanten. [15]

Platon erwähnt, dass Bergbau-Aktivitäten einen Teil der Industrie der Atlanter darstellten. Sie verwendeten ein Material, das er als "Orichalcum" bezeichnete. Er stellte fest, dass dieses Material damals wertvoller als alles andere, abgesehen von Gold, war. [16] Dieses "Orichalcum" wurde aus der Erde gegraben und scheint ein Material gewesen zu sein, das bei prä-bronzezeitlichen Zivilisationen einen hohen Wert hatte. Obsidian war für viele Völker vor der Bronzezeit ein wertvolles Material. Auch auf dem alten Sardinien war Obsidian ein allgemein verwendetes Material. [17]

Ein weiteres Thema, das Platon bespricht, ist der Stierkult, dem viele Atlanter anhingen. Dieser Kult steht in Verbindung mit der Poseidon-Anbetung. Tempel wurden zur Ehre Poseidons errichtet und mit Stierkopf-Symbolen geschmückt. [18] Zu den archäologischen Relikten auf Sardinien gehören in den Fels geschlagene Gräber im nordwestsichen Teil der Insel, die mit gravierten Stierkopf-Reliefs dekoriert sind. [19]

Abb. 5 Wozu dienten einst die rätselhaften Turmbauten Sardiniens? Hier ein Blick ins Innere einer Nuraghe. Foto ©: SIFOR SRL

Und schließlich beschreibt Platon die drei wichtigsten Farben, die auf Atlantis zur Dekoration der Gebäude verwendet wurden. Sie waren weiß, schwarz und rot. [20] Diese drei Farben kommen auf Sardinien nicht nur in der Natur reichlich vor, sondern auch das, auf Sardinien häufig vorkommende, Ozieri-Töpfergut ist oft mit rotem Ocker sowie mit schwarzer und roter Koralle gefärbt. Auch Gebäude der Nuraghi-Kultur sind ausgegraben worden, und man stellte fest, dass sie in roten und schwarzen Streifen angestrichen waren. [21]

Diese Beispiele zeigen, wie ausgezeichnet das alte und das moderne Sardinien Platons Beschreibung von Atlantis entsprechen. Im Gegensatz zu anderen Orten auf der Welt!! Falls dies noch nicht Beweis genug ist, wollen wir uns nun den archäologischen Überresten der erstaunlichen Nuraghi-Kultur zuwenden, die auf Sardinien existieren. [...] Die Nuraghi erbauten mächtige Türme, die stark den "Tholi" oder "Bienenkorb-Gräbern" von Mykene ähneln. [22] Radiokarbon-Datierungen von Material aus Nuraghi-Stätten haben diese Zivilisation bei 1500 v. Chr. eingeordnet. [23]

Diese hohen Säulen können vielleicht auch dabei helfen, die ägyptischen Aufzeichnungen von einem Volk zu erklären, das sie als "Keftiu" bezeichneten, die aus dem fernen Westen kamen. [24] Die ägyptischen Aufzeichnungen vor 1400 v. Chr. erwähnen, dass diese Leute von einer Inselmacht kämen, die an der westlichen Grenze ihrer Welt läge. Die Ägypter befürchteten, dass die "Keftiu" in den östlichen Teil des Mittelmeers eindringen könnten. Das Wort "Keftiu" hat eine enge Verbindung mit dem ägyptischen Stammwort für "Säule". [25]

Meine Hypothese lautet, dass die Nuraghi-Kultur, die "Keftiu" und das platonische Atlantis alle ein und das selbe sind, und dass die archäologischen Relikte, die auf Sardinien existieren, tatsächlich die Überreste der Zivilisation von Atlantis sind. Das einzige Stück des Puzzles, das noch übrig bleibt, ist der Mythos, dass Atlantis auf den Grund des Meeres gesunken sei. Auf eine Erklärung dafür muss die Welt noch warten bis neue Evidenzen entdeckt werden, welche diesen Mythos stützen oder diskreditieren.

Es wurde eine Expedition zur Insel Sardinien vorgeschlagen, um die Möglichkeit zu untersuchen, dass es tatsächlich Ruinen vor der sardischen Küste gibt, die jenen der Nuraghi-Zivilisation entsprechen, welche zu Lande entdeckt wurden.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Robert Paul Ishoy © erschien erstmalig in englischer Sprache online unter: Atlantis Discovered; Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de

  1. Quelle: Ramage, Edwin S. ed. Atlantis Fact or Fiction? Bloomington and London:Indiana University Press, 1978, S. 41
  2. Quelle: Platon, Timaeus: The Dialogues of Plato, Translation by Benjamin Jowett; Great Books of the Western World. Chicago, London and Toronto: EncyclopediaBritannica, Inc. 1952, S. 446
  3. Quelle: Platon, op. cit. S. 446
  4. Quelle: Herodotus, The Histories. New York: Penguin Books, 1954, pp. 109 und 389
  5. Quelle: Encyclopedia Americana. Vol. 24. New York: Americana Corporation, 1963. S. 299
  6. Quelle: Ramage, Edwin S., op. cit., S. 22
  7. Quelle: Platon, Kritias: The Dialogues of Plato, Translated by Benjamin Jowett; Great Books of the Western World. Chicago, London und Toronto: Encyclopedia Britannica, Inc. 1952, pp. 483 und 484; Anmerkung v. Atlantisforschung.de: Das englischsprachige Orginalzitat lautet: "For the most part it was lofty and precipitous except for a level plain immediately around the capital city. This plain was oblong shaped and faced southward. The plain in turn was surrounded by mountains."
  8. Quelle: Encyclopedia Americana. S. 299
  9. Quelle: Platon, op. cit., S. 483
  10. Quelle: Guido, Margaret, Ancient Peoples and Places Sardinia. New York: Frederick A. Praeger, 1964. S. 28
  11. Quelle: Balmuth, Miriam S., The Nuraghi Towers of Sardinia. Archaeology Vol. 34 Mr/Ap. 81. S. 42
  12. Quelle: Platon, S. 484
  13. Quelle: Guido, M., op. cit., S. 29
  14. Quelle: Platon, op. cit., S. 482
  15. Quelle: Guido, M., op. cit., S. 29
  16. Quelle: Platon, op. cit., S. 482
  17. Quelle: Guido, M., op. cit., S. 44
  18. Quelle: Platon, op. cit., S. 484
  19. Quelle: Guido, M., op. cit., S. 49
  20. Quelle: Platon, op. cit., S. 483
  21. Quelle: ebd., S. 57
  22. Quelle: Balmuth, Miriam S., op. cit., S. 40
  23. Quelle: Guido, M., op. cit., S. 111
  24. Quelle: Ramage, Edwin S., op. cit., S. 105
  25. Quelle: ebd., S. 67


Bild-Quellen

(1) http://www.byguide.com/gallery/may00/may00.htm

(2) http://www.ddg.com/LIS/InfoDesignF97/car/Plato2c.htm

(3) http://www.byguide.com/gallery/may00/may00.htm

(4) ebd.

(5) ebd.