Atlantis bei Cádiz - zur Bronzezeit

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von Rainer W. Kühne

Datierung Athens zur Zeit des Krieges gegen Atlantis

Abb. 1 Platon beschrieb im Kritias-Dialog ein urtümliches Athen der Bronzezeit, das sich archäologisch datieren läßt.

In seinen Dialogen 'Timaios' und 'Kritias' beschrieb Platon den Inselstaat Atlantis, der von den Athenern im Krieg besiegt worden (Krit. 108e) und kurz darauf wegen Erdbeben und Überschwemmungen im Meer versunken sein soll (Tim. 25c-d, Krit. 108e).

Da Platon die Athener Akropolis (Abb. 1) zur Zeit des Krieges beschrieb (Krit. 111e-112e), lassen sich diese Ereignisse aufgrund archäologischer Erkenntnisse datieren.

Platon erwähnte die im Norden der Akropolis befindlichen Wohnungen der Krieger (Krit. 112b), die im 15. Jh. v. Chr. erbaut wurden, sowie eine während jener Erdbeben verschütteten Quelle (Krit. 112d). Oskar Broneer [1] hat diese Quelle wieder entdeckt, sie wurde durch ein Erdbeben Ende des 13. Jh. v. Chr. verschüttet. Platon schrieb, diese Naturkatastrophen seien nur von den Schriftunkundigen überlebt worden, so dass das Wissen über die griechische Schrift verloren ging (Tim. 23c). Tatsächlich wiesen Ventris und Chadwick [2] nach, dass das mykenische Linear B in einer frühen griechischen Sprache abgefasst war und es bis um 1200 v. Chr. in Griechenland in Gebrauch blieb. Danach besaßen die Griechen bis ins 8. Jh. v. Chr. hinein keine Schrift.

Das von Platon beschriebene Athen kann somit auf die Zeit um 1200 v. Chr. datiert werden.


Vergleich von Atlantis und den Seevölkern

Auch die Atlanter lassen sich historisch nachweisen. Wie zuerst Marinatos [3] erkannte, sind sie mit den Seevölkern identisch. Über diese Seevölker berichten vor allem die Tempelinschriften von Medinet Habu, die um 1180 v. Chr. unter Pharao Ramses III angefertigt und von Edgerton und Wilson [4] übersetzt wurden. Im folgenden werde ich Platons Beschreibung der Atlanter der Beschreibung der Seevölker durch Ramses III gegenüberstellen. Literaturzitate der Tempelinschriften werden in der Kombination von Plattennummer und Schriftzeile angegeben:

  • Die Atlanter führten einen Kriegszug gegen Europa und Asien (Tim. 24e) und "jedes Land innerhalb der Mündung", also gegen den östlichen Mittelmeerraum (Tim. 25b). Die Seevölker zerstörten Hatti in Anatolien, Kode und Karkemisch in Nordsyrien, Arzawa in Südwestanatolien und Alasia auf Zypern (Platte 46.16-17) und kämpften gegen Ägypten.
  • Die Atlanter lebten auf einer Insel (Tim. 24e, 25a, 25d, Krit. 113c) und herrschten über mehrere andere Inseln (Tim. 25a). Auch die Seevölker kamen von Inseln (Pl. 37.8-9, 42.3, 46.16).
Abb. 2 Rainer Kühne geht davon aus, das die Seevölker identisch mit den Atlantern aus Platons Bericht waren.
  • Atlantis bestand aus zehn Landesteilen (Krit. 113e-114a, 119b). Gemäß der um 1200 v. Chr. unter Pharao Merenptah geschriebenen Karnak-Inschrift bestanden die Seevölker aus den Ekwesh, Teresh, Lukka, Sherden und Shekelesh. Gemäß Ramses III bestand ihre Konföderation aus der Vereinigung der Länder der Peleset, Theker, Shekelesh, Denen und Weshesh (Pl. 46).
  • Im Kriegsfalle besaßen die Atlanter mehr als eine Million Soldaten (Krit. 119a-b). Ramses III behauptete, hunderttausende von Feinden geschlagen zu haben (Pl. 18.16, 19.4-5, 27.63, 32.10, 79.7, 80.36, 80.44, 101.21, 121c.7). Gelegentlich sprach er auch von Millionen (Pl. 27.64, 46.4, 46.6, 79.7, 101.21) und Myriaden (Pl. 27.64) von Feinden, die zahlreich wie Heuschrecken (Pl. 18.16, 80.36) oder Grashüpfer (Pl. 27.63) waren.
  • Die Atlanter besaßen 1200 Kriegsschiffe (Krit. 119b). Die Schiffsflotte der Seevölker drang tief ins Nildelta ein (Pl. 42.5) und zerstörte das kleinasiatische Arzawa, das zyprische Alasia, sowie das nahöstliche Ugarit und Amurru.
  • Die Atlanter besaßen von Pferden gezogene Streitwagen (Krit. 119a). Die Meshwesh besaßen Pferde (Pl. 75.37) und Wagen (Pl. 18.16, 75.27), die jedoch von Ochsen gezogen wurden (Abb. zu Pl. 32-34).
  • Die atlantischen Könige herrschten mehrere Generationen lang (Krit. 120d-e) und verloren anschließend ihre guten Gesinnungen (Krit. 121a-b). Ramses III schrieb über die Seevölker, dass sie eine lange Zeit verbracht hatten und ein kurzer Moment vor ihnen lag, dann traten sie in die bösartige Zeit ein (Pl. 80.16-17).
  • Während eines Tages und einer Nacht versank Atlantis während eines Erdbebens im Meer (Tim. 25c-d). Ramses III schrieb, er ließe die Seevölker die Macht und Kraft des Wassergottes Nun sehen, wenn er ausbricht und ihre Städte und Dörfer unter einen Schwall Wasser legt (Pl. 102.21), zudem lägen die Berge in ihren Wehen (Pl. 19.11).


Lokalisierung von Atlantis

Platon beschrieb die Lage der atlantischen Hauptstadt eindeutig. Die Hauptstadt (Krit. 115c) lag auf einem allseits niedrigen Berg, der 50 Stadien (9 Kilometer) vom Meer entfernt am Rande einer Ebene lag (Krit. 113c). Diese Ebene war eine rechteckige (Krit. 118c), glatte und gleichmäßige Fläche, die auf der Südseite der Insel (Krit. 118a-b) und zwar in deren Mitte (Krit. 113c) lag. Die Ebene wurde von Bergen umschlossen, die sich bis zum Meer hinzogen (Krit. 118a). Ansonsten war das Land im Ganzen sehr hochgelegen und besaß eine Steilküste (Krit. 118a).

Abb. 3 Atlas, Poseidons erstgeborener Sohn, erhielt nach Platon das größte und beste Gebiet von Atlantis zugeteilt.

Die Insel Atlantis wurde unter die zehn Söhne Poseidons aufgeteilt (Krit. 113e). Der Erstgeborene Atlas (Abb. 3) erhielt das größte und beste Gebiet, nämlich die Gegend um die Hauptstadt (Krit. 114a). Der Zweitgeborene Gadeiros erhielt den äußersten Teil, der von den Säulen des Herakles (Gibraltar) bis zum gadeirischen Land (die Gegend um Cadiz) reichte (Krit. 114b).

Da der Erstgeborene Atlas den größten und besten Landesteil erhielt, ist anzunehmen, dass die nachgeborenen Söhne immer kleinere Landesteile erhielten. Demnach wäre der Anteil des Gadeiros der zweitgrößte der "Insel Atlantis". Dieser Anteil umfasste den Küstenstreifen Spaniens von Cadiz bis Gibraltar. Der Begriff "Insel" sollte hier eher als "Küste" oder "Landschaft" verstanden werden.

Da der Landesteil des Gadeiros lediglich ein Küstenstreifen von etwa 100 Kilometern war und die Landesteile der nachgeborenen Söhne wohl noch kleiner waren, so kann der Landesteil des Atlas nicht weit von Cadiz entfernt gelegen haben.

Tatsächlich existiert nahe Cadiz eine rechteckige (Krit. 118c), glatte und gleichmäßige Ebene, die an einer Südküste liegt (Krit. 118a-b). Es ist die vom Guadalquivir durchflossene Ebene südwestlich von Sevilla. Lag hier die Hauptstadt von Atlantis, wie bereits Schulten vermutete? [5]

Die Braunschweiger Zeitung berichtete am 10.01.2003 und am 19.02.2003, Werner Wickboldt verfüge über Satellitenbilder aus jener Region, die Strukturen zeigen, wie sie Platon von Atlantis berichtet. [6] Eine rechteckige Struktur ist ein Stadion (185 Meter) lang und ein halbes Stadion breit wie der Tempel des Poseidon (Krit. 116c-d). Eine unmittelbar benachbarte quadratische Struktur besitzt eine Seitenlänge von einem Stadion und könnte den Tempel der Kleito und des Poseidon (Krit. 116c) darstellen. Diese Strukturen sind von konzentrischen (Teil-)kreisen umgeben, wie von Platon beschrieben (Krit. 115e-116a). Diese Teilkreise stimmen annähernd maßstabsgetreu mit Platons Angaben überein.


Schlussfolgerung

Sollte die Hauptstadt von Atlantis tatsächlich im Mündungsbereich des Guadalquivirs gelegen haben, so ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder muß die über einhundert Jahre alte Lehrmeinung (Maspero 1873) korrigiert werden [7], gemäß der die Seevölker aus dem Raum der Ägäis stammen, oder aber Platons Atlantisbericht vermischte einen Bericht über die Seevölker und das Athen jener Zeit mit einem Bericht über eine spanische Stadt, die möglicherweise mit dem im 6. Jh. v. Chr. von Karthagern zerstörten Tartessos identisch war.

Der Autor dankt Herrn Werner Wickboldt für einige Erläuterungen zu seinen Entdeckungen.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Rainer W. Kühne wurde er online zuerst unter dem Titel "Lage und Datierung von Atlantis" bei Mysteria 3000 unter: http://www.mysteria3000.de/archiv/lc/atlantis.htm veröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er mit freundlicher Genehmigung des Verfassers in einer redaktionell bearbeiten Fassung.

Fußnoten:

  1. Vergl.: Broneer, Oskar (1939): "A Mycenaean Fountain on the Athenian Acropolis", in: Hesperia 8 [Vol VIII, No. 4; d. Red.] (1939) 317 - 429.
  2. Vergl.: Ventris und Chadwick 1953
  3. Vergl.: Marinatos, Spyridon (1950): "Peri ton Thrulon tes Atlantidos", in: Kretica Chronica 4, (1950) S. 195 - 213.
  4. Vergl.: Edgerton und Wilson 1936
  5. Vergl.: Schulten, Adolf (1927): "Tartessos und Atlantis", in: Petermanns geographische Mitteilungen 73 (1927) 284 - 288; Schulten, Adolf (1939): "Atlantis", in: Rheinisches Museum für Philologie 88 (1939) 326 - 346.
  6. Vergl.: Wöstmann 10.01.2003; Wöstmann 19.02.2003
  7. Vergl.: Maspero 1873


Über den Autor:

Rainer W. Kühne, Jahrgang 1970, erhielt 1995 das Diplom in Physik von der Universität Bonn und 2001 den Doktor der Naturwissenschaften von der Universität Dortmund. Zum Thema Atlantis publizierte er in Ancient Skies 13, 1 (1989) 3-8 und in Independent Science 2, 1 (1993) 4-5.