Atlantis in (Nord-)Afrika - die afro-atlantologische Schule

Afrikas unterschätzte Ur- und Frühgeschichte

(red) Schon in der Antike hat der griechische Historiker Diodorus Siculus die Atlantioi verewigt, jenes mysteriöse Volk hellhäutiger Nordafrikaner, welches der Legende nach von den Amazonen dieses Kontinents besiegt worden sein soll. Diese Atlantioi sollen, nach Diodorus, in ferner Vergangenheit einen höheren Zivilisationsgrad als die übrigen Bewohner der Region aufgewiesen haben. Tatsächlich lassen sich in Nordafrika die Spuren einer - im doppelten Wortsinn - atlantischen Kultur nachweisen, deren Angehörige dort nach dem Ende der jüngsten Eiszeit ihre megalithischen Monumente hinterlassen haben.

So finden wir, über Nordafrika verstreut, atlantis-ähnliche Steinkreis-Strukturen, z.B. im algerischen Wed Djanet (Abb. 1), bis hinein in den Orient (dort z.B. das 'Gigal Rephaim' in Gaza; vergl. dazu: Homo sapiens gigantus orientalis - Die Riesen des Alten Testaments und der Apokryphen). Die Erbauer dieser Anlagen, zu deren späten Nachkommen vermutlich die heutigen Berber gehören, besiedelten damals die Gebiete südlich des Mittelmeers, die zu dieser Zeit noch alles andere als wüst und öde gewesen sein müssen. Dies belegen eindrucksvoll viele Felsenmalereien, wie diejenigen von Tamrit, Algerien (Abb. 2), die Darstellungen aus 'besseren Tagen' zeigen.

Abb. 1 Mehr als 5000 Jahre alt sind verschiedene Dolmen im Gebiet der heutigen Wüste Sahara. Hier die Anlage von Wed Djanet, Algerien. Auch in Nordafrika findet sich das rätselhafte, megalithische "Atlantis-Muster" mit zweifachen und dreifachen Ringstrukturen.

Mit der stetigen - aber nicht unbedingt gleichförmig langsamen - Ausdehnung der Sahara verschwanden dort vermutlich nach und nach die Relikte eines afrikanischen Ausläufers der cro-magnoiden Kultur unter den Sandmassen, die sich vor mehr als 5000 Jahren über den gesamten europäisch-nordafrikanischen Großraum auszubreiten begannen. Andere bedeutsame Relikte der "Afro-Atlanter" könnten auch bei einer rezenten Flutung des Mittelmeerbeckens untergegangen sein. Diese Megalithkultur war vermutlich auch den alten Ägyptern noch bekannt. Es erscheint durchaus nahe liegend, hier Querverbindungen zu Solons und Platons Atlantisbericht anzustellen.

Wenn wir voraussetzen, dass den Priester-Historikern in Saïs eine mediterran-nordafrikanische Megalithkultur als nordwestlicher Nachbar noch in vager Erinnerung war, dann dürfen wir durchaus annehmen, dass man Solon bei seiner Ägypten-Visite einen Abriss der ältesten Geschichte des Pharaonenreiches vortrug, der auch respektvolle Erinnerungen an die Megalithiker des Mittelmeerraums und in Afrika beinhaltete. Diffusionistische Alternativ-Historiker, wie Dr. Horst Friedrich, gehen ohnehin davon aus, dass diese "iberische" (atlantische) Zivilisation eine von mindestens zwei kulturellen Hauptströmungen darstellt, unter deren Einfluss sich später die ägyptische Hochkultur herausbildete.

Nordafrika bietet seit langem beträchtlichen Raum für Spekulationen, Thesen und Theorien über versunkene Kulturen - und über Atlantis. Über die 'afro-atlantologische Schule' und ihre Entstehung erfahren wir einiges in der atlantologie-historischen Werk "Lost Continents" [1] des vielseitigen, US-amerkanischen Autors Lyon Sprague de Camp, der später im deutschsprachigen Raum vor allem durch seine SF- und Fantasy-Stories bekannt wurde.

Abb. 2 Die Felsbilder von Tamrit zeigen Impressionen aus einer Zeit, als die 'Wüste Sahara' vermutlich noch nicht existierte.

Schon im 19. Jahrhundert bildete sich, nach Sprague de Camp, eine atlantologische Richtung heraus, die auf dem "Schwarzen Kontinent" nach Spuren des platonischen Atlantis sucht. "Godron rief 1868 die Atlantis-in-Afrika-Schule ins Leben, indem er Atlantis in die Sahara verlegte. Ihm folgten Felix Berlioux [2], der 1874 versicherte, er habe die Hauptstadt von Atlantis an der Westküste von Marokko zwischen Casablanca und Agadir lokalisiert, wo die Ausläufer des Atlasgebirges bis ans Meer reichen. Hier, so Berlioux, und nicht etwa auf irgendeiner Insel, lag Platos Atlantis, ebenso Kerne, die Hauptstadt der Atlantiden aus Diodorus´ des Sizilianers Bericht.

Einst herrschten die Atlantier über ein großes Reich in Nordafrika. Im 13. Jahrhundert v. Chr. wurden sie durch eine kombinierte ägyptisch-phönizische Armee geschlagen. Der Berber Gaetulians nahm ihre Hauptstadt ein. Die Atlantier, die überlebten, wurden unterworfen." [3] Dementgegen "hatte Knötel 1893 das Königreich von Atlantis in Nordwestafrika angenommen, mit der Einschränkung allerdings, daß die Atlantier eigentlich eine Priesterkaste des Gottes Thot-Uranos-Hermes gewesen seien, die aus Chaldäa in diese Breiten kamen." [4]

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts darf, Sprague de Camp folgend, als 'hohe Zeit' der Afrika-Lokalisierungen angesehen werden. "Zwischen 1908 und 1926 entwickelten Captain Elgee in England und Leo Frobenius in Deutschland eine andere Theorie, nämlich die, das Atlantis in Nigeria, an der westafrikanischen Küste, einige hundert Kilometer nördlich des Äquators gelegen habe. [5] Vermutlich inspiriert von Pierre Benoits erfolgreichem Roman "Atlantis", unternahm der britische Archäologe und Abenteurer Count Byron Khun de Prorok unter anderem (de Prorok suchte Atlantis auch auf Yucatán) im Jahr 1925 eine atlantologische Forschungsreise in die Sahara und zum Ahaggar-Massiv, "wo er die Grabstätte einer Tarqui-Persönlichkeit öffnete, um erregt zu verkünden, er habe die Gebeine von Tin Hinan [6] gefunden- eine Ansicht, die von den Altertumsexperten jedoch nicht geteilt wird." [7] Graf de Prorok hielt, wie zuvor Godron, die tunesische Oase Hoggar für eine wahrscheinliche Atlantis-Lokalität. [8]

Auch der deutsche Forscher Paul Borchardt vermutete 1926/27 Atlantis in Tunesien. Wie die späteren Vertreter mediterraner Atlantis-Lokalisierungen interpretierte auch Borchardt Platons Zeitangaben, die ihm als paradigmen-treuem Wissenschaftler inakzeptabel erschienen: Als typischer Jungzeitler betrachtete er die Atlantier als Repräsentanten einer bronzezeitlichen Hochkultur. Dies tat auch Albert Herrmann, der ansonsten als "völkischer", esoterisch-deutschtümelnder Außenseiter eingestuft werden muss, und Atlantis in Südtunesien suchte: "Herrmann ging so weit, jegliche Zivilisation auf Friesland zurückzuführen, von dem Atlantis in den Tagen friesischer Glorie lediglich eine Kolonie gewesen sei." [9]

Abb. 3 Ritualobjekt (?) der Yoruba-Kultur aus dem heutigen Nigeria - für Leo Frobenius die Zivilisation von Atlantis.

Ebenfalls 1926 vertrat Claudius Roux, ein Katastrophist, die Theorie, "daß in der nacheiszeitlichen Periode der größte Teil von Nordafrika unter Wasser war. Die Berge von Marokko und Algerien bildeten dabei eine Halbinsel, auf der Atlantis gedieh. Entweder hob sich das Land oder der Meeresspiegel fiel und die Wasserflächen und Lagunen trockneten aus, wobei die Sand- und Salzwüsten, wie wir sie heute kennen, zurückblieben." [10]

Butavand, ein weiteres Mitglied der Afro-Atlantis-Schule, das Sprague de Camp uns kurz vorstellt, "veranlaßte das Fehlen greifbarer Atlantis-Reste in Nordafrika, Atlantis am Grund des Golfes von Gabès an der Küste von Tunis zu vermuten. Er erklärte, der Golf sei einst [über der heutigen] Tiefe von 100 Faden Festland gewesen, bis ein Erdbeben das Land unter die Wasserlinie des Mittelmeeres sinken machte. Zur selben Zeit hob sich der Grund des hypothetischen Sahara-Meeres, wodurch das Wasser abfloß und das Meer austrocknete. Möglicherweise erfolgte zu diesem Zeitpunkt auch der Einbruch der Straße von Gibraltar." [11] Nachdem jedoch weder die Nonkonformisten, noch die "nüchternen" archäologischen Profis unter den Afro-Atlantologen letzte Beweise für ihre Theorien erbringen konnten, und im Gefolge der weltpolitischen Umwälzungen, wurde es für einige Jahrzehnte still um 'Atlantis in Afrika'. Nach dem zweiten Weltkrieg wandte sich dass Interesse schulwissenschaftlicher Atlantisforscher ohnehin eher der Ägäis zu.

Heute gibt es allerdings wieder Atlantologen, die bei ihrer Suche in Afrika fündig geworden sein wollen - und erneut sind es gerade Forscher aus Deutschland, die sich auf den afrikanischen Großraum im Süden des heutigen Mittelmeers, genauer gesagt auf die Gebiete der heutigen Staaten Marokko, Libyen, Tunesien und Algerien konzentrieren. So geht z.B. "HSM", Autor von geheimnis-atlantis, davon aus, dass dieses Geheimnis im Chott el Fedjaj gelöst werden kann. Neben einer Kurzdarstellung seiner Thesen finden Sie zudem bei Atlantisforschung.de eine Präsentation von A. Petits Cyrenaika-Modell zur Entstehung der Atlantis-Legende und zu seiner Lokalisierung der Atlanterhauptstadt. In Algerien vermutet es Ulrich Hofmann, der 2004 mit Platons Insel Atlantis einen wichtigen Beitrag zur atlantologischen Erforschung Nordafrikas geleistet hat.

Team Atlantisforschung.de


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Zur (Prä-)Historie des alten Ägypten aus 'alternativem' Blickwinkel finden Sie zahlreiche Beiträge in unserem Portal Ursprung (- der Atlantis-Legende), Sektion: Die Ägypter - Erben eines uralten Wissens


Anmerkungen und Quellen

  1. L. Sprague de Camp, Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen, Heyne, 1977 Red. Anmerkung: Sprague de Camps Buch, das in der amerikanischen Originalfassung ("Lost Continents") erstmals 1955 erschien, gehört zu den wenigen seriösen Werken, die derzeit für atlantologie-historische Studien als umfassende Sekundär-Quelle zur Verfügung stehen - wenn von der traurigen Tatsache abgesehen wird, dass es - in deutscher Sprache - seit langem nicht mehr im Buchhandel erhältlich ist. Wie auch an anderer Stelle erwähnt, operierte Sprague de Camp - als Atlantologie-Kritiker - vom Standpunkt des konservativen, wissenschaftlichen Mainstreams aus. Nicht selten erwies er sich dabei im nachhinein als enorm belesener, äußerst vernunftbetonter, aber "akademischen" Quellen gegenüber völlig unkritischer Neo-Scholastiker (vergl.: Neo-Scholastik) mit entsprechend ideologisiertem Weltbild. Da er sich bedingungslos und gerne dem zu seiner Zeit gültigen 'Stand der Wissenschaft' unterwarf, unterliefen ihm bei seinen Bewertungen einzelner "Atlantisten" und ihrer Aussagen nicht selten Fehlurteile, wie sich heute, ein halbes Jahrhundert später, immer deutlicher zeigt.
  2. Siehe: Étienne-Félix Berlioux, Atlantisforschung.de
  3. Quelle: Sprague de Camp, op. cit., Seite 194
  4. Quelle: ebd., Seite 196
  5. Quelle: ebd., Seite 196, 197
  6. Anmerkung: Tin-Hinan war eine legendäre Königin der Tarqui oder Targi, wie sich die Angehörigen des Wüstenvolkes selber nennen, das im deutschen Sprachraum besser als Tuareg bekannt ist. Die (häufig blauäugigen) Targi, bei denen sich nicht die Frauen sondern die Männer verschleiern, wurden - wie die Berber - verschiedentlich mit einer alten, atlantischen Hochkultur in Nordwest-Afrika in Verbindung gebracht.
  7. Quelle: Sprague de Camp, op. cit., Seite 196
  8. Quelle: Otto Muck, Alles über Atlantis, Düsseldorf-Wien, 1976, Seite 54
  9. Quelle: Sprague de Camp, op. cit., Seite 198
  10. Quelle: ebd., Seite 93
  11. Quelle: ebd., Seite 198


Bild-Quellen

(1) http://home.t-online.de/home/dhobraasch/3-schiff.htm (Bild nicht mehr online)

(2) Universität Hamburg, unter: http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/afrika/algerien/felsmalerei.htm

(3) http://community.middlebury.edu/~atherton/AR325/divination/yoruba_bowl.jpg (Bild nicht mehr online)