Atlantisforscher oder Atlantist? Zur typologischen Einordnung von Spanuths Werk: Unterschied zwischen den Versionen

 
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[[Bild:Spanuth 3.jpg|thumb|'''Abb. 1''' War Jürgen Spanuth ein schwärmerischer Phantast, der von wissenschaftlicher Forschung keine Ahnung hatte?]]
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[[Bild:Spanuth Kopf 1981 farbig-1.jpg|thumb|'''Abb. 1''' *''Jürgen Spanuth'' auf einer Aufnahme von 1981 (Foto: Bild-Archiv ''Günter Bischoff'')]]
  
([[bb]]) Wenn es um die Frage geht, ob [[Jürgen Spanuth]]s Werk einen explizit atlantologischen Charakter hat, oder als 'unwissenschaftlich' oder sogar 'pseudowissenschaftlich' - und damit als atlantistisch einzuordnen ist, so stellen wir fest, dass heute offenbar selbst scharfe Spanuth-Kritiker keine Vorwürfe dieses Kalibers erheben, sondern sich, wie etwa [http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Wegener Franz Wegener] (2003), eher kryptisch und verschwommen auf die allgemeine Erwähnung "''wissenschaftliche''[r]'' Kritik''" an [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] zurückziehen. Dass es eine solche Kritik im aktuellen Wissenschaftsbetrieb gibt, muss angesichts des Fehlens entsprechender Publikationen bezweifelt werden. Somit heißt es in dem bereits zitierten Abriss über [[Jürgen Spanuth]] bei [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite WIKIPEDIA] im Abschnitt "''Heutige Bedeutung''" nicht zu Unrecht: "''Heute werden Spanuths Ansichten von der akademischen Wissenschaft wegen zahlreicher Widersprüche nicht mehr diskutiert.''" <ref>Quelle: [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite Wikipedia - Die freie Enzyklopädie], Stichwort: "[http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Spanuth Jürgen Spanuth]" (Abschnitt: "Heutige Bedeutung"), März 2007</ref>
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([[bb]]) Ein wesentlicher [http://www.duden.de/rechtschreibung/Indikator Indikator] zur Klärung der Frage, ob sich eine [[Atlantida]]-Rezeption - wie diejenige von [[Jürgen Spanuth]] '''(Abb. 1)''' - typologisch in den Bereich ([[Grenzwissenschaft|grenz-]]) [http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaft wissenschaftlicher] [[Atlantologie]] einordnen lässt, oder ob es sich bei ihr um das Produkt eines ideologischen [[Atlantismus]] handelt, liegt in der Nachweisbarkeit einer Tendenz zur Mythisierung (irrationalisierende Modelle) oder Entmythisierung (rationalisierende Modelle) der [[Atlantisbericht|Atlantis-Legende]]. Zum Verständnis dieser Aussage und der nachfolgenden Klassifizierung [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] sind einige grundsätzliche Feststellungen notwendig:
  
Das ist eine absolute Feststellung, die allerdings recht wenig über die tatsächliche Diskussionswürdigkeit dieser Ansichten aussagt und schon im nächsten Satz wieder relativiert wird: "''Ernsthaft erwogen wird lediglich die Möglichkeit eines allgemeinen kausalen Zusammenhanges zwischen bronzezeitlichen Naturkatastrophen (z.B. Dürreperioden) im 13. vorchristlichen Jahrhundert und den großen Wanderungsbewegungen um das Jahr 1250 v. Chr. (Urnenfelderwanderung, dorische Wanderung, Seevölkersturm).''" <ref>Quelle: ebd.</ref>
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[[Atlantologie]] und [[Atlantismus]] gehören bei einer [http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturgeschichte kultur-] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftsgeschichte wissenschafts-geschichtlichen] Betrachtung zwei, voneinander zu unterscheidenden und weitgehend antagonistischen, Entwicklungslinien der Beschäftigung mit [[Atlantis]] an, die unterschiedlichen 'Wissen produzierenden Systemen' zuzuordnen sind: die [[Atlantologie]] / [[Atlantisforschung]] dem Bezirk der [[Quasiwissenschaft]]en, der [[Atlantismus]] dagegen in den Bereich der explizit ideologischen Aussage- bzw. Glaubens-Systeme.  
  
Halten wir zunächst fest, dass dieses, [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] Theorie von der 'Großen Wanderung' und seine katastrophistische Betrachtung des plötzlichen Endes der 'Bronzezeit' betreffende, Zugeständnis nicht unwesentlich erscheint, und in der Tat Einzelaspekte seines Werks hervorhebt, mit denen er sich bleibende Meriten um konventionelle sowie alternative Vor- und Frühgeschichtsforschung erworben haben dürfte. Wesentlicher erscheint uns hier jedoch, den vorausgegangenen Satz des [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite Wikipedia]-Autors aufzugreifen, in welchem ja immerhin unterstellt wird, [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] Ansichten seien früher Gegenstand einer ernstzunehmenden, diese Bezeichnung verdienenden, Diskussion in Kreisen "''der akademischen Wissenschaft''" gewesen.  
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Kennzeichnend für den [[Atlantismus]] ist dem zufolge nicht zuletzt, dass das [[Atlantis-Problem]] dort zu einem Gegenstand des 'Glaubens' gemacht wird, da sich die betreffenden Ausdeutungen des [[Atlantisbericht]]s in wesentlichen Teilen jeder empirischen Überprüfbarkeit entziehen. Der [[Atlantismus]] ist stets ein tendentiell e s o t e r i s c h e s oder okkultes 'Wissen produzierendes System', ganz gleich, ob er eher politisch oder religiös gewandet daher kommt.
  
Genau daran muss jedoch starker Zweifel aufkommen, wenn wir uns näher mit seiner Rezeptions-Geschichte und dem Streit befassen, den [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] mit seinen Veröffentlichungen zu Beginn der 1950er Jahre ausgelöst hat. Eine - wenn nicht die - zentrale Figur dieses Streits war der Geologe [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Prof. Karl Gripp] (1891-1984) von der Universität Kiel, der den Pastor und Atlantisforscher bereits 1949 ohne wenn und aber zum "''Phantasten''" erklärte <ref>Quelle: '''Gerhard Gadow''', "[http://books.google.de/books?id=mfrfAAAACAAJ&dq=Der+Atlantis+Streit+-+Zur+meistdiskutierten+Sage+des+Altertums Der Atlantis Streit - Zur meistdiskutierten Sage des Altertums]", Fischer Taschenbuch Verlag, Juli 1973, S. 58</ref>, eine Meinung, die er nach Erscheinen von [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] erstem Atlantis-Buch (1953) immer lauter und angestrengter zu verbreiten begann.
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Dagegen präsentiert sich die moderne, e x o t e r i s c h e  [[Atlantologie]] - also die nach heutigem Verständnis [[Schulwissenschaft|schul-]] und [[Grenzwissenschaft|grenzwissenschaftliche]] [[Atlantisforschung]] - entwicklungsgeschichtlich als Produkt eines [http://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus humanistischen] Bildungs-Verständnisses und (später) des Geistes der [http://de.wikipedia.org/wiki/Aufkl%C3%A4rung Aufklärung]. [http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftsgeschichte Wissenschaftshistorisch] stellt sie ein integrales und legitimes Element des umfassenden Entwicklungs-Prozesses dar, in dessen Verlauf Forscher und Forscherinnen über viele Jahrhunderte hinweg darum bemüht waren, mit den jeweils zur Verfügung stehenden Instrumentarien sich immer weiter entwickelnder und diversifizierender [[Fachwissenschaft|Einzel-Wissenschaften]] Erkenntnisse über die Natur der Welt und des sie umgebenden Universums zu gewinnen, wobei es erklärtes Ziel der [[Atlantisforschung]] war, eine rationale, widerspruchsfreie und überprüfbare Ausdeutung der 'Königin aller Legenden' zu finden.  
  
Welche Gründe dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben könnten, spricht der Spanuth-Experte Dr. Hans-Wilhelm Rathjen an, der in einem Essay über [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Gripps] Attacken gegen den 'Atlantis-Pastor' schreibt: "''Spanuth zog sich ohne Absicht die Feindschaft eines gewissen Karl Gripp zu. Dessen Nazi-Karriere und kriminelle Vergangenheit waren Spanuth bestens bekannt, so konnte dieser Geologe befürchten, sie kämen über den Holsteiner ans Licht. Gripp verfügte im jungen Nachkriegsdeutschland über entscheidende Macht, er konnte Wiedereinstellungen ''[an den Universitäten; bb]'' in Kiel und Hamburg begünstigen oder verhindern.''
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Zielsetzung [[Atlantologie|atlantologischer]] Forschung war und ist somit nicht zuletzt die Auflösung des 'Mythos Atlantis' (De- oder Ent-Mythisierung des [[Atlantisbericht]]s), z.B. durch eine Identifizierung der Orte und Ereignisse, von denen [[Platon]] in seiner [[Atlantida]] ([[Atlantisbericht]]) berichtet. Der [[Atlantismus]] ist dagegen immer auch zielführend auf die bestmögliche Verwertung des kulturellen [[Atlantis-Komplex]]es (Atlantis-Legende, -Thema, -Problem, -Mythos usw.) im Sinne einer bestimmten Weltanschauung ausgerichtet. Dabei ist ein Aspekt atlantistischer Atlantis-Rezeption von zentraler Bedeutung: die Erhaltung sowie Adaption und Integration des 'Mythos Atlantis' in das 'mythische Universum' der betreffenden Ideologie.
  
''Etliche Wissenschaftler mit großem Namen waren ihm, nicht zuletzt wegen ihrer Amtsträgerschaft im Dritten Reich, deshalb verpflichtet. So glaubten sie ihm ausgeliefert zu sein und an der Kampagne gegen Spanuth, die Gripp von ihnen verlangte, teilnehmen zu müssen. Sie verbogen sich dazu, sogar ihre eigenen Forschungen zu leugnen oder zu verdrehen, nur um Spanuth im gewünschten Licht erscheinen zu lassen. Ein ganz unglaublicher Vorgang in der Wissenschaftsgeschichte überhaupt, und nur denkbar in der jungen Bundesrepublik.''" <ref>Quelle: '''Dr. Hans-Wilhelm Rathjen''', "Zehn Takte Besinnung zu Atlantis", unveröffentlichtes Manuskript, Minden, 2006, S. 20</ref>
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Was [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] Werk angeht, lässt sich nun schwerlich behaupten, dass er einen 'anti-rationalistischen' Umgang mit den alten Mythen und Legenden pflegte, sondern seine Dekonstruktion und Ausdeutung solchen Materials ([[Atlantisbericht]], [[Zur Diskussion um Spanuths Phaéthon-These|Phaethon-Legende]], [[Die Edda und der Atlantisbericht|Edda]], [[Odyssee]] etc.) ist historisch orientiert und im modernen Sinn 'euhemeristisch'. (vergl.: [[Stichwort: Euhemerismus]]). Auch [http://www.arnstrohmeyer.de/webseiten/portrait.htm Arn Strohmeyer] musste [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] konzedieren, "''daß er Atlantis zweifellos entmythologisiert ''[terminologisch korrekt: "ent- oder demythisiert"; bb]'' hat...''" <ref>Quelle: [http://www.arnstrohmeyer.de/webseiten/portrait.htm Arn Strohmeyer], "Atlantis ist nicht Troja - Über den Umgang mit einem Mythos", Donat Verlag, Bremen, 1997, S. 125</ref>
  
Welche "wissenschaftliche" Qualität [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Gripps] persönliche Angriffe auf [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] hatten, wird jedenfalls an folgendem Zitat deutlich, welches die Methode illustriert, mit der sich dieser Geologe erfolgreich gegen JEDES potentielle Argument wappnen konnte, das möglicherweise in [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] "''Phantasten''"-Publikation von 1953 auf den Leser lauerte: "''Von der Theologie gibt es keinen Weg zur Wissenschaft sondern nur zur Phantasie! Theologen sind Leute, die von außen her etwas in den Menschen hineinreden, bis er es glaubt. Darum ist und bleibt Spanuths Buch für mich indiskutabel, es ist reine Phantasterei. Ich habe keine Zeit es zu lesen.''" <ref>Quelle: '''Gerhard Gadow''', op. cit., S. 58 (Hervorhebung durch uns; d. Red.)</ref> Die hier an den Tag gelegte Impertinenz verdient allerdings eine ausführlichere Behandlung.
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Ein zweites Bewertungskriterium zur typologischen Erfassung eines atlantologischen Theorien-Gebaudes, wie dem von [[Jürgen Spanuth|Spanuth]], ist methodologischer Natur und wirft eine ganze Reihe von Fragen auf: Welche Mittel und Methoden finden im Rahmen der zu prüfenden Arbeit Anwendung? Bewegen sie sich im Bereich empirischer und naturwissenschaftlicher Forschung? Sind sie nachvollziehbar und überprüfbar, oder entziehen sie sich (wie etwa Channelings, Visionen, angebliche "Geheiminformationen" oder "Astralreisen") einer objektiven Verifizierung?
  
Zunächst sollte festgehalten werden: was der Mann, der sich anschickt, die 'Welt der Wissenschaft' gegen [[Jürgen Spanuth]] aufzubringen, hier - ohne auch nur mit der Wimper zu zucken! - einräumt, ist schon ein starkes Stück. Er gibt unumwunden zu, dass seine Meinung zur [[Atlantis]]-Theorie des Pastors nicht auf einer wissenschaftlich zu nennenden Untersuchung, sondern lediglich auf einer allenfalls fragmentarischen Datenbasis zum kritisierten Gegenstand beruht. "''Das Eingeständnis, Spanuths Buch nicht gelesen zu haben''", hinderte [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Gripp], wie es bei Gadow weiter heißt, jedenfalls "''nicht daran, auch weiterhin über den Inhalt dieses Buches zu urteilen.''" <ref>Quelle: ebd.</ref>
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Auch in dieser Beziehung erscheint [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] Werk über jeden Zweifel erhaben, denn sein 'handwerkliches Instrumentarium' als Forscher wird durchgehend wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht. Als studierter [[Archäologie: Atlantissuche mit Schaufel und Taucherbrille|Archäologe]] (wenn auch ohne formalen Studien-Abschluss) greift er in völlig legitimer Weise auf die Erkenntnisse und Möglichkeiten dieses Forschungsgebiets zurück, als Altphilologe und Theologe beherrscht er sowohl den synchronen als auch den diachronischen Umgang <ref>Anmerkung: Zur Erläuterung dieser Fachbegriffe siehe z.B. bei ''Atlantisforschung.de'' den Beitrag: "[[Die Atlantida-Exegese - zentrales Instrument der Atlantisforschung]]"</ref> mit den klassischen Texten.  
  
Es erscheint fast so, als habe der Kieler Professor regelrecht mit seiner scharlatanesken 'Leseschwäche' kokettiert: "''Im Gespräch wit dem Journalisten Fischer äußerte er sich 19.9. 53 in ähnlichem Sinne: Spanuths Arbeiten seien >der größte Blödsinn, den man sich vorstellen könne. Am 17.10. 53 bestätigte er dann dem Journalisten Auer in Kiel: >Ich lehne es ab, Spanuths Buch 'Das enträtselte Atlantis' zu lesen<, um hinzuzufügen, der Inhalt dieses Buches sei >weder interessant noch akzeptabel<.''" <ref>Quelle: ebd.</ref>
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"Metaphysische", "esoterische" oder "spirituelle" Methoden sowie Argumentationen, wie sie im vulgären und ideologisch-esoterischen [[Atlantismus]] üblicher Weise Anwendung finden, waren [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] - Theologe hin oder her - dagegen geradezu wesensfremd. Anderslautende Behauptungen - etwa von [http://de.wikipedia.org/wiki/John_V._Luce J.V. Luce], einem Vertreter der kreto-minoischen Atlantis-Theorie, der [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] 1969 in die Nähe des Okkultismus rückte <ref>Siehe dazu auch: [[bb|Bernhard Beier]], "[[Jürgen Spanuth über 'Atlantis in der Ägäis']]"</ref> - entbehren bei näherer Kenntnis des Spanuth´schen Werks und der von ihm verwendeten Forschungs-Methoden jeglicher Berechtigung.  
  
Dass [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Karl Gripp] offenbar jede sich bietende Gelegenheit nutzte, [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] auf diesem Niveau zu attackieren, zeigt eine dpa-Meldung vom 1.9. 53, die, laut Gadow, von vielen Zeitungen übernommen wurde: "''Vor 160 Teilnehmern der Jahresversammlung des Westdeutschen Wasserwirtschaftsverbandes nannte Gripp Pastor Spanuth ''[einmal mehr; bb]'' einen >Phantasten<, der wohl einen guten Roman schreiben könne, von echter Forschung aber nichts verstehe.''" <ref>Quelle: ebd.</ref> Man sollte meinen, diese Form pseudowissenschaftlicher Schein-Auseinandersetzung mit [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] sei nicht mehr steigerungsfähig, doch wie wir im nächsten Abschnitt unserer Betrachtung zeigen werden, waren [http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/person/1281 Gripp] ''et al.'' durchaus in der Lage dazu.  
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Natürlich bedeutet all dies nicht, dass alle Aussagen [[Jürgen Spanuth|Spanuths]] - gerade im Licht neuerer Erkenntnisse - valide und haltbar seien, aber es macht deutlich, dass sein Zugang zur [[Atlantisforschung]] und seine atlantologische Arbeit im Grundsatz wissenschaftlicher Natur waren. Auch nahm [[Jürgen Spanuth|Spanuth]] - ein weiteres Kriterium, das für den wissenschaftlichen bzw. atlantologischen Charakter seiner Arbeit spricht - trotz aller Sturheit, die man ihm persönlich vorwerfen mag, durchaus das 'Recht auf Irrtum' für sich in Anspruch.  
  
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So hatte er beispielsweise schon 1953 die These aufgestellt, zu den Feldzügen der "Seevölker“ aus dem Norden, die er mit den Ereignissen aus [[Platon]]s [[Atlantisbericht]] ([[Timaios|Tim.]] 24 f., [[Kritias|Krit.]] 109 f.) in Verbindung brachte, habe auch die 'Dorische Wanderung' gehört, eine indogermanische Invasionswelle ins prä-hellenische Griechenland: "''Die Nord-Seevölker waren, bevor sie nach [[Kleinasien]] hinübersetzten, auf den Landweg von Norden her in Griechenland eingedrungen, hatten alle Burgen gestürmt, alle Städte verbrannt und der mykenischen Kultur ein gewaltsames, jähes Ende bereitet.''“ <ref>Siehe: [[Jürgen Spanuth|J. Spanuth]], "Das enträtselte Atlantis", 1. - 8. Tsd. - Stuttg.: Union Dt. Verl.-Ges. 1953, S. 49</ref> Und: "''Die Orientalisierung des Südostraums, die bis zum Einbruch der Nordvölker im unaufhaltsamen Vordringen war, wurde jäh beendet und vor allem Griechenland, das für [[Europa]] bereits endgültig verloren schien, dem Orient entrissen.''" <ref>Siehe: [[Jürgen Spanuth|J. Spanuth]], op. cit., S. 215</ref>
  
'''Fortsetzung:'''
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Wie es bei WIKIPEDIA dazu heißt, gilt jedoch die "''lange verbreitete Theorie, nach der das gewaltsame Vordringen der Dorier die mykenische Kultur beendete''", inzwischen "''aufgrund genauerer archäologischer Untersuchungen als überholt.''" Weiter wird dort aus der Standard-Fachliteratur zitiert: "''Archäologisch ist d(ie). W(anderung). nicht faßbar. (...) Auch für die Zerstörung der myk. Paläste um ca. 1250 v. Chr. und den Untergang des myk. Palastsystems werden in der mod(ernen). Forsch(ung). andere Faktoren als d.(ie) W.(anderung) verantwortlich gemacht.''" Und: "''Grundsätzlich ist (...) mit der Zuwanderung verschiedener dorischer Stammesgruppen in die ehemaligen Kernlandschaften der mykenischen Kultur der Peleponnes zu rechnen, deren Niederlassung zu unterschiedlichen Zeit, aber erst ca. 150-300 Jahre nach der Zerstörung der myk. Paläste erfolgte. (Neuer Pauly, Artikel „Dorer / Dorische Wanderung“).''" <ref>Quelle: WIKIPEDIA - Die freie Enzyklopädie, Stichwort: "[http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Spanuth Jürgen Spanuth]" (Abschnitt: "[http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Spanuth#Der_Griechenlandfeldzug_der_Atlanter Der Griechenlandfeldzug der Atlanter]")</ref>
  
[[Streit um Spanuth: Die so genannten 'Atlantis-Gespräche']]
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[[Jürgen Spanuth|Spanuth]] ignorierte diese Entwicklung keineswegs, sondern er trug, wie man bei WIKIPEDIA konstatiert, "''in seinen späteren Arbeiten diesen neuen Erkenntnissen der Wissenschaft durchaus Rechnung und modifizierte seine Theorie entsprechend. Statt eines gewaltsamen Vordringens der [[Atlanter]] entwickelte er ein Katastrophenszenario, nach der die mykenische Kultur nahezu ausschließlich von derselben Reihe von Naturkatastrophen zerstört worden sei, die eben auch die Wanderung der Germanen verursacht habe. An der Identität der Dorer mit den germanischen >[[Das derzeitige Seevölker-Paradigma|Seevölkern]]< hielt er fest. Griechenland sei den [[Atlanter]]n ursprünglich nur ein Durchzugsgebiet zu ihrem Ziel Ägypten gewesen.''
  
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''Erst als sie ihre militärischen Ziele dort nicht hätten durchsetzen können, hätten sie sich als Dorier in den inzwischen zerstörten Ruinen der Mykener neuangesiedelt (was in der Sage thematisiert würde als >Rückkehr der Herakliden<): >Die mykenische Kultur (…) wurde nicht, wie immer gesagt wird (Vietta) [...] durch die Nordvölker vernichtet (…). Sie wurde durch die furchtbaren Naturkatastrophen, die (…) mit einer Hitze- und Austrocknungszeit begannen, vor allem aber um 1220 v. Chr. durch den Ausbruch des Santorin (…) vernichtet (…). Dann kehrten (…) die Nordmeervölker zurück und ließen sich (…) nieder.< (1965, S. 517).''" <ref>Quelle: ebd.</ref>
  
===Anmerkungen und Quellen===
 
  
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'''Fortsetzung:'''
  
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[[Formale Aspekte zur Frage der Wissenschaftlichkeit von J. Spanuths Arbeit]]
  
===Bild-Quelle===
 
  
(1) '''Gerhard Gadow''', op. cit., S. 120
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===Anmerkungen und Quellen===
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'''Einzelverweise:'''
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<references />
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'''Bild-Quelle:'''
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(1) Bild-Archiv [[Günter Bischoff]]

Aktuelle Version vom 7. Februar 2013, 00:06 Uhr

Abb. 1 *Jürgen Spanuth auf einer Aufnahme von 1981 (Foto: Bild-Archiv Günter Bischoff)

(bb) Ein wesentlicher Indikator zur Klärung der Frage, ob sich eine Atlantida-Rezeption - wie diejenige von Jürgen Spanuth (Abb. 1) - typologisch in den Bereich (grenz-) wissenschaftlicher Atlantologie einordnen lässt, oder ob es sich bei ihr um das Produkt eines ideologischen Atlantismus handelt, liegt in der Nachweisbarkeit einer Tendenz zur Mythisierung (irrationalisierende Modelle) oder Entmythisierung (rationalisierende Modelle) der Atlantis-Legende. Zum Verständnis dieser Aussage und der nachfolgenden Klassifizierung Spanuths sind einige grundsätzliche Feststellungen notwendig:

Atlantologie und Atlantismus gehören bei einer kultur- und wissenschafts-geschichtlichen Betrachtung zwei, voneinander zu unterscheidenden und weitgehend antagonistischen, Entwicklungslinien der Beschäftigung mit Atlantis an, die unterschiedlichen 'Wissen produzierenden Systemen' zuzuordnen sind: die Atlantologie / Atlantisforschung dem Bezirk der Quasiwissenschaften, der Atlantismus dagegen in den Bereich der explizit ideologischen Aussage- bzw. Glaubens-Systeme.

Kennzeichnend für den Atlantismus ist dem zufolge nicht zuletzt, dass das Atlantis-Problem dort zu einem Gegenstand des 'Glaubens' gemacht wird, da sich die betreffenden Ausdeutungen des Atlantisberichts in wesentlichen Teilen jeder empirischen Überprüfbarkeit entziehen. Der Atlantismus ist stets ein tendentiell e s o t e r i s c h e s oder okkultes 'Wissen produzierendes System', ganz gleich, ob er eher politisch oder religiös gewandet daher kommt.

Dagegen präsentiert sich die moderne, e x o t e r i s c h e Atlantologie - also die nach heutigem Verständnis schul- und grenzwissenschaftliche Atlantisforschung - entwicklungsgeschichtlich als Produkt eines humanistischen Bildungs-Verständnisses und (später) des Geistes der Aufklärung. Wissenschaftshistorisch stellt sie ein integrales und legitimes Element des umfassenden Entwicklungs-Prozesses dar, in dessen Verlauf Forscher und Forscherinnen über viele Jahrhunderte hinweg darum bemüht waren, mit den jeweils zur Verfügung stehenden Instrumentarien sich immer weiter entwickelnder und diversifizierender Einzel-Wissenschaften Erkenntnisse über die Natur der Welt und des sie umgebenden Universums zu gewinnen, wobei es erklärtes Ziel der Atlantisforschung war, eine rationale, widerspruchsfreie und überprüfbare Ausdeutung der 'Königin aller Legenden' zu finden.

Zielsetzung atlantologischer Forschung war und ist somit nicht zuletzt die Auflösung des 'Mythos Atlantis' (De- oder Ent-Mythisierung des Atlantisberichts), z.B. durch eine Identifizierung der Orte und Ereignisse, von denen Platon in seiner Atlantida (Atlantisbericht) berichtet. Der Atlantismus ist dagegen immer auch zielführend auf die bestmögliche Verwertung des kulturellen Atlantis-Komplexes (Atlantis-Legende, -Thema, -Problem, -Mythos usw.) im Sinne einer bestimmten Weltanschauung ausgerichtet. Dabei ist ein Aspekt atlantistischer Atlantis-Rezeption von zentraler Bedeutung: die Erhaltung sowie Adaption und Integration des 'Mythos Atlantis' in das 'mythische Universum' der betreffenden Ideologie.

Was Spanuths Werk angeht, lässt sich nun schwerlich behaupten, dass er einen 'anti-rationalistischen' Umgang mit den alten Mythen und Legenden pflegte, sondern seine Dekonstruktion und Ausdeutung solchen Materials (Atlantisbericht, Phaethon-Legende, Edda, Odyssee etc.) ist historisch orientiert und im modernen Sinn 'euhemeristisch'. (vergl.: Stichwort: Euhemerismus). Auch Arn Strohmeyer musste Spanuth konzedieren, "daß er Atlantis zweifellos entmythologisiert [terminologisch korrekt: "ent- oder demythisiert"; bb] hat..." [1]

Ein zweites Bewertungskriterium zur typologischen Erfassung eines atlantologischen Theorien-Gebaudes, wie dem von Spanuth, ist methodologischer Natur und wirft eine ganze Reihe von Fragen auf: Welche Mittel und Methoden finden im Rahmen der zu prüfenden Arbeit Anwendung? Bewegen sie sich im Bereich empirischer und naturwissenschaftlicher Forschung? Sind sie nachvollziehbar und überprüfbar, oder entziehen sie sich (wie etwa Channelings, Visionen, angebliche "Geheiminformationen" oder "Astralreisen") einer objektiven Verifizierung?

Auch in dieser Beziehung erscheint Spanuths Werk über jeden Zweifel erhaben, denn sein 'handwerkliches Instrumentarium' als Forscher wird durchgehend wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht. Als studierter Archäologe (wenn auch ohne formalen Studien-Abschluss) greift er in völlig legitimer Weise auf die Erkenntnisse und Möglichkeiten dieses Forschungsgebiets zurück, als Altphilologe und Theologe beherrscht er sowohl den synchronen als auch den diachronischen Umgang [2] mit den klassischen Texten.

"Metaphysische", "esoterische" oder "spirituelle" Methoden sowie Argumentationen, wie sie im vulgären und ideologisch-esoterischen Atlantismus üblicher Weise Anwendung finden, waren Spanuth - Theologe hin oder her - dagegen geradezu wesensfremd. Anderslautende Behauptungen - etwa von J.V. Luce, einem Vertreter der kreto-minoischen Atlantis-Theorie, der Spanuth 1969 in die Nähe des Okkultismus rückte [3] - entbehren bei näherer Kenntnis des Spanuth´schen Werks und der von ihm verwendeten Forschungs-Methoden jeglicher Berechtigung.

Natürlich bedeutet all dies nicht, dass alle Aussagen Spanuths - gerade im Licht neuerer Erkenntnisse - valide und haltbar seien, aber es macht deutlich, dass sein Zugang zur Atlantisforschung und seine atlantologische Arbeit im Grundsatz wissenschaftlicher Natur waren. Auch nahm Spanuth - ein weiteres Kriterium, das für den wissenschaftlichen bzw. atlantologischen Charakter seiner Arbeit spricht - trotz aller Sturheit, die man ihm persönlich vorwerfen mag, durchaus das 'Recht auf Irrtum' für sich in Anspruch.

So hatte er beispielsweise schon 1953 die These aufgestellt, zu den Feldzügen der "Seevölker“ aus dem Norden, die er mit den Ereignissen aus Platons Atlantisbericht (Tim. 24 f., Krit. 109 f.) in Verbindung brachte, habe auch die 'Dorische Wanderung' gehört, eine indogermanische Invasionswelle ins prä-hellenische Griechenland: "Die Nord-Seevölker waren, bevor sie nach Kleinasien hinübersetzten, auf den Landweg von Norden her in Griechenland eingedrungen, hatten alle Burgen gestürmt, alle Städte verbrannt und der mykenischen Kultur ein gewaltsames, jähes Ende bereitet.[4] Und: "Die Orientalisierung des Südostraums, die bis zum Einbruch der Nordvölker im unaufhaltsamen Vordringen war, wurde jäh beendet und vor allem Griechenland, das für Europa bereits endgültig verloren schien, dem Orient entrissen." [5]

Wie es bei WIKIPEDIA dazu heißt, gilt jedoch die "lange verbreitete Theorie, nach der das gewaltsame Vordringen der Dorier die mykenische Kultur beendete", inzwischen "aufgrund genauerer archäologischer Untersuchungen als überholt." Weiter wird dort aus der Standard-Fachliteratur zitiert: "Archäologisch ist d(ie). W(anderung). nicht faßbar. (...) Auch für die Zerstörung der myk. Paläste um ca. 1250 v. Chr. und den Untergang des myk. Palastsystems werden in der mod(ernen). Forsch(ung). andere Faktoren als d.(ie) W.(anderung) verantwortlich gemacht." Und: "Grundsätzlich ist (...) mit der Zuwanderung verschiedener dorischer Stammesgruppen in die ehemaligen Kernlandschaften der mykenischen Kultur der Peleponnes zu rechnen, deren Niederlassung zu unterschiedlichen Zeit, aber erst ca. 150-300 Jahre nach der Zerstörung der myk. Paläste erfolgte. (Neuer Pauly, Artikel „Dorer / Dorische Wanderung“)." [6]

Spanuth ignorierte diese Entwicklung keineswegs, sondern er trug, wie man bei WIKIPEDIA konstatiert, "in seinen späteren Arbeiten diesen neuen Erkenntnissen der Wissenschaft durchaus Rechnung und modifizierte seine Theorie entsprechend. Statt eines gewaltsamen Vordringens der Atlanter entwickelte er ein Katastrophenszenario, nach der die mykenische Kultur nahezu ausschließlich von derselben Reihe von Naturkatastrophen zerstört worden sei, die eben auch die Wanderung der Germanen verursacht habe. An der Identität der Dorer mit den germanischen >Seevölkern< hielt er fest. Griechenland sei den Atlantern ursprünglich nur ein Durchzugsgebiet zu ihrem Ziel Ägypten gewesen.

Erst als sie ihre militärischen Ziele dort nicht hätten durchsetzen können, hätten sie sich als Dorier in den inzwischen zerstörten Ruinen der Mykener neuangesiedelt (was in der Sage thematisiert würde als >Rückkehr der Herakliden<): >Die mykenische Kultur (…) wurde nicht, wie immer gesagt wird (Vietta) [...] durch die Nordvölker vernichtet (…). Sie wurde durch die furchtbaren Naturkatastrophen, die (…) mit einer Hitze- und Austrocknungszeit begannen, vor allem aber um 1220 v. Chr. durch den Ausbruch des Santorin (…) vernichtet (…). Dann kehrten (…) die Nordmeervölker zurück und ließen sich (…) nieder.< (1965, S. 517)." [7]


Fortsetzung:

Formale Aspekte zur Frage der Wissenschaftlichkeit von J. Spanuths Arbeit


Anmerkungen und Quellen

Einzelverweise:

  1. Quelle: Arn Strohmeyer, "Atlantis ist nicht Troja - Über den Umgang mit einem Mythos", Donat Verlag, Bremen, 1997, S. 125
  2. Anmerkung: Zur Erläuterung dieser Fachbegriffe siehe z.B. bei Atlantisforschung.de den Beitrag: "Die Atlantida-Exegese - zentrales Instrument der Atlantisforschung"
  3. Siehe dazu auch: Bernhard Beier, "Jürgen Spanuth über 'Atlantis in der Ägäis'"
  4. Siehe: J. Spanuth, "Das enträtselte Atlantis", 1. - 8. Tsd. - Stuttg.: Union Dt. Verl.-Ges. 1953, S. 49
  5. Siehe: J. Spanuth, op. cit., S. 215
  6. Quelle: WIKIPEDIA - Die freie Enzyklopädie, Stichwort: "Jürgen Spanuth" (Abschnitt: "Der Griechenlandfeldzug der Atlanter")
  7. Quelle: ebd.

Bild-Quelle:

(1) Bild-Archiv Günter Bischoff