August F.R. Knötel: Atlantis und das Volk der Atlanten (1893)

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von Alexander Bessmertny

Abb. 1 Das Frontcover von A.F.R. Knötels Buch "Atlantis und das Volk der Atlanten" aus dem Jahr 1893

1893 kam in Deutschland Knötel zu Wort [1], der mit umfangreichem, vor allem mythenvergleichenden Material den Nachweis führen wollte, daß Atlantis in Nordwestafrika, die Atlantier aber selbst kein eigentlicher Volksstamm gewesen seien. Die Atlantier waren Priester, die in der zweiten Linie auf dem Thôt-Hermes der Ägypter, in erster Linie aber und ursprünglich auf einen Mittelpunkt zurückzuführen sind, von dem alle gelehrten Priesterschaften, die Magier, die Brahmanen, die Druiden ausgegangen sind und die den Gottesglauben und die Weisheit der chaldäischen Urväter der Noah-Henoch zum Ausgangspunkt gehabt haben.

Knötel glaubte zeigen zu können, daß auch Griechenland ein Priesterstaat der Atlantier war, daß sie dort einen Hauptsitz am Kyl(l)enenberg und andere Sitze besessen, daß sie das Pelasgerland durch das Gesetz des Hermes regierten, daß sie die wenig hervortretenden Werkmeister des Poseidondienstes und des damaligen hochstehenden Seewesens waren, daß es namhafte Heroengeschlechter gab, die sich von ihnen ableiteten, sich vornehmlich mit Seefahrt abgaben und namentlich die die Urheber der Besitznahme und Besiedlung Libyens wurden. Zur Zeit als nach der biblischen Überlieferung im babylonischen Tiefland der Religionskrieg zwischen den Anhängern des Uranus und des Chronos herrschte, das ist um die Zeit des babylonischen Turmbaus und der Sprachverwirrung, nach unserer Zeitrechnung etwa um 2100 - 1500 v.Chr., wanderten die Priester des Uranus, die im Religionskrieg unterlegen waren, aus Babylonien aus, um ihrem Glauben treu bleiben zu können. Dies waren die eigentlichen Atlantier, die den Atlas, einen Sohn des Uranus, als Religionsstifter verehrten.

Ihr umfangreiches astronomisches, naturwissenschaftliches und technisches Wissen beruhte nach Knötel auf chaldäischer Grundlage und der chaldäische Urpatriarch Henoch ist mit Atlas in eine Person verschmolzen. Der Name des, nach Knötel, ins heutige Marokko ausgewanderten Stammes Phut, der von einem Sohn des Noahsprosses Cham abstammt, ist nur ein anderer Name für die Atlantier. Ihren Weg, der sie von Syrien bis nach Spanien führte, unterbrachen sie durch die Gründung der Stadt Tarschesch-Tartessos, in der neuerdings Schulten, Hennig u.a. [...] das eigentliche Atlantis selbst wiedererkennen wollen. Der Hauptstrom der Atlantier aber wanderte weiter oder hatte sich schon vorher abgezweigt, , um nach Libyen zu kommen, wo die eigentliche poseidonische Atlantisstadt gegründet wurde.

Abb. 2 Phantasievolle Darstellung von Ninus, dem mythischen Gründer und Namensgeber der Stadt Ninive in Assyrien - ein atlantidischer 'Herakles'?

Knötel setzt voraus, daß Kreta eine große Seefestung und eine mit Sinn und Absicht zur Beherrschung des Meeres angelegte assyrische Militärkolonie war. Der Befehlshaber dieser Flotte war ein "Herakles", der stehende Name eines Amtes und einer Würde, die viele Personen getragen haben. Die Besetzung Kretas verlegt Knötel in die Zeit um 1900 v. Chr. Da "Chronus" der griechische Name für Ninus (Abb. 2) und des von ihm gestifteten assyrischen Reiches war, haben , haben nach Knötels Ansicht die Assyrer von Kreta aus durch einen "Herakles" ihre Weltherrschaft über das Mittelmeer getragen und auch Tartessos ihrem Reich einverleibt.

Als um 1300 v.Chr. eine Wanderung skythischer, blonder, blauäugiger und hochgewachsener, also offenbar arischer Stämme das assyrische Weltreich erschütterte und Ninive erobert wurde, kam auch die Kriegsgöttin der skythischen Amazonen vom Schwarzen Meer unter dem Namen "Nitokres", d.h. "siegreiche Athene" nach Griechenland. Mit Athene war auch der sakische Roßgott Poseidon nach dem Westen gelangt, wo er "erst Assyrer, dann Libyer und zuletzt Hellene wurde". Hier wurde er in der Schule der Atlantier, ursprünglich ein Kriegsgott der Männer - wie Pallas Athene die Kriegsgöttin der Weiber war - zum Gott der Seefahrt.

Angeblich sollen die Ägypter die Atlantier mit "Tahennu" benannt und hieroglyphisch mit vier ineinandergeschobenen Weltsäulen bezeichnet haben. Dieses hieroglyphische Zeichen heißt "tat" und bedeutet: Stillstand, Ewigkeit, Festigkeit, Ruhe. Zugleich aber belegten auch die Ägypter in ihrer Sprache den Atlas mit dem Namen "tat", von dem Clemens von Alexandrien sagt: "Atlas ist ein leidensloser Pol, er kann auch die unbewegliche Sphäre sein, vielleicht versteht man am besten die unbewegliche Ewigkeit darunter."

Abb. 3 Hier eine - nach August Knötel - "Kultusstätte der Atlanten, die als Muster gelten kann", südlich von Tripolis, Libyen, auf der "Charitenhöhe" (Djebel Gurian)

Knötel glaubt etymologisch erklären zu können, daß das Wort "A-Tlas" "die Nichtstuende" bedeutet, also den Pol, um den sich die Erde dreht. Da am Himmelsgewölbe der Nordstern unverrückbar feststeht, wurde er für die Ägypter zum Symbol der Unverrückbarkeit. Sie nannten ihn "Tahen", ein Wort, das von "tahe-tahu" kommt, und soviel wie "feststellen" oder "hemmen" bedeutet, so daß die Atlantier wohl deswegen "Tahennu" heißen, weil sie den Stern "Tahen" verehrten, unter dem sich die Erdachse dreht.

Knötel beruft sich auf die Berichte, die Herodot und Diodor über die Atlantier hinterließen und will aus ihnen schließen, daß sie eine besonders hohe Kultur besessen hätten, die kaum hinter den Kulturen von Ägypten, Assyrien und Babylon zurückgeblieben sei. Knötel hält die Atlantier auch für die Urheber der unter de[n] Namen Dolmen oder Menhirs benannten Steinbauten, die wir in Nordafrika wie in Frankreich und England finden und die auch neuerdings besonders von Herman Wirth wieder auf die Atlantier zurückgeführt werden, nur daß man heute die Urheber dieser Dolmen für ein nördliches indo-germanisches Volk hält. Nun kommt Knötel dazu, die keltischen Druiden für Ableger der Atlantier zu halten, die selbst wieder die Mittler zwischen der chaldäischen Weisheit des Morgenlandes und der Urwissenschaft des Abendlandes sind.

Die Besiedelung Griechenland glaubt Knötel, sei nicht auf dem Wege von Assyrien nach Spanien, sondern von Libyen aus auf kolonialistischem Wege geschehen, wie Atlas nach der griechischen Sage nach Griechenland gekommen sei und seine Herrschaft in Arkadien auf der Burg Lykesura errichtet habe. Erst als das Nationalbewußtsein der Griechen wach geworden, schufen sie sich in Apollo eine eigene Gottheit, die alten Götter wurden ans Ende der Welt verbannt, ihre Anhänger ertranken, und in diesem symbolischen Vorgang der griechischen Mythologie will Knötel die Erklärung für den Untergang von Atlantis finden.

Die Ausführungen Knötels weiter zu verfolgen, ist hier unmöglich. Er ist auch mit seinen Hypothesen allein geblieben, ohne Anhänger zu finden und man kann erst in den neuen, von Karst aufgestellten Lehren [2] der von Osten kommenden Beeinflussung der westlichen Kulturkreise, allerdings ganz anders begründete und wissenschaftlich viel mehr einleuchtende Formungen des von Knötel doch mehr dilettierend behandelten Gedankens finden.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag wurde Alexander Bessmertnys Buch "Das Atlantisrätsel - Geschichte und Erklärung der Atlantishypothesen" entnommen (S. 44-47), das 1932 in R. Voigtländer's Verlag (Leipzig) veröffentlicht wurde. Bei Atlantisforschung.de erscheint er im August 2017 - unwesentlich gekürzt und neu betitelt - in einer redaktionell bearbeiteten Fassung.

Fußnoten:

Bild-Quellen:

1) Archive.org / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
2) Hannah~commonswiki bei Wikimedia Commons, unter: File:Ninus Rex.jpg
3) A.F.R. Knötel, op. cit. (1893), S. 215 (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)