Buchbesprechung Daniel Gerritzen: Die kosmische Krise

Abb. 1 Daniel Gerritzen:
Die kosmische Krise
Warum Außerirdische uns nicht retten werden
Vorwort von Frank Adloff
Nachwort von Michael Bohlander
Matthes und Seitz, Berlin 2024
ISBN: 978-3751803892
Preis: EUR 24.—
Tb, 351 Seiten

Daniel Gerritzen – Wissenschaftsjournalist und Mitbegründer des Forschungsnetzwerks Extraterrestrische Intelligenz – berichtet im vorliegenden Buch zunächst über das UFO-Phänomen an sich und betont – wie andere Autoren auch –, dass viele UFOs vermehrt über Atomanlagen auftauchen. Völlig zu Recht kritisiert er die Presse, die den einst neutralen Begriff „UFO“ mit „außerirdisch“ und „kleinen grünen Männchen“ gleichsetzt. Auch seine Ausführungen über den Condon-Report und das Project Bluebook sind gelungen. Der Autor stellt fest, dass nach der Einstellung von Project Bluebook die US-Airforce insgeheim weiter das UFO-Phänomen untersuchte. Er spricht von einem „großen gesellschaftlichen Tabu“ und „der Lüge von der Nichtexistenz der UFOs“.

Das Ende des Tabus sieht er mit der Sichtung und Radarerfassung von UFOs durch die Besatzung des UFO-Flugzeugträgers USS Nimitz im Jahr 2004. Gerritzen schildert Fälle und das Buch zeigt sich bis hierhin als gut geschrieben und recherchiert.

Weiter geht’s mit dem Themenkomplex „Die Kommunikation mit den Fremden und der Möglichkeit außerirdischer Artefakte.“ Auch hier finden wir interessante Informationen. Später kommt der Autor auf das Thema „Die Kommunikation des kollektiven Unbewussten“ zu sprechen. Besonders interessant ist seine Feststellung, dass während der Covid-19-Pandemie die Zahl der Sichtungen von UFOs stark anstieg. Dies führt er nicht nur darauf zurück, dass die Menschen während eines Lockdowns mehr Zeit hatten, in den Himmel zu blicken, sondern dass die Corona-Pandemie eine politische und wirtschaftliche Krise auslöste, die bei vielen Millionen betroffenen Menschen zu ‚affektiven Spannungen‘ geführt habe. So ist Gerritzen bei der Psychologie und Jungs Aussagen zum UFO-Phänomen angelangt. Weiter verleiht Gerritzen seiner Meinung Ausdruck, dass die Sichtung eines UFOs für rational denkende Menschen eine traumatische Erfahrung darstellt.

Die Form der Scheibe, wie Kenneth Arnold – die Sichtung dieses Falles leitete das moderne UFO-Zeitalter ein – sie 1947 (angeblich!) sah (in Wirklichkeit beschrieb Arnold die von ihm gesehenen neun Objekte als ein sichelförmiges und acht nicht ganz runde Objekte) sei – wie bereits Jung erkannte – uralt und „daher im kollektiven Unterbewussten der Menschen verankert“. Gerritzen schreibt weiter, dass J. Allen Hynek seine Klassifizierung „durch die Auswüchse unter den UFO-Gläubigen“ initiiert war. Dann spricht er von einem „vollautomatischen Stigmatisierungsprogramm, das immer dann anlief, sobald irgendwie ein Mensch mitteilte, ein UFO gesehen zu haben.“ Initiator für dieses Programm soll die amerikanischen Regierung gewesen sein.

Gerritzen berichet weiter über die Macht der Medien, kritisiert die von John Mack eingesetzte Hypnose - deren Einsatz tatsächlich diverse Probleme mit sich bringt -, berichtet über MKUltra und weist daraufhin, dass seit Jahrzehnten Vermutungen existieren, „dass Betty und Barney Hill das scheinbar Erlebte nur von Agenten der CIA durch Gehirnwäsche und Drogen einsuggeriert bekamen.“

Etwas überraschend und nicht unbedingt nachvollziehbar kritisiert Gerritzen Avi Loeb und dessen Forschungen und auch Robert Bigelow, der Gerritzen zufolge Loebs Galileo Project erst möglich machte sowie weiteren Personen, die sich heute mit dem UFO-Phänomen befassen.

Gerritzen thematisiert weiter den „Glauben an Außerirdische“ und „Die Sehnsucht nach den galaktischen Erlösern“. Vollkommen zu Recht weist er darauf hin, dass „die Menschen in Zeiten von Computer Generated Images (CGI) zunehmend schwerer zwischen gefälschtem und authentischem Filmmaterial unterscheiden können“, und dass „in authentische Filmaufnahmen eingebettete fiktiven Passagen beim Zuschauer die Überzeugung wecken, dass der gesamte Film wahr sei“.

Der Autor schildert weiter die kurzfristigen Folgen einer Begegnung mit dem „maximal Fremdartigen“, den tiefenpsychologischen Faktor. Hierzu schreibt er u. a.:

In den USA schürt die tief verwurzelte Haltung der ‚Weißen Überlegenheit‘ (White Supremacy) Vorurteile gegenüber Afroamerikanern, Hispanics, Moslems, Juden und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten die Ursache ist eine wachsende Angst vor dem Verlust der eigenen konservativen Werte, des Wohlstands und der weißen, christlich-evangelikal geprägten Identität der Bevölkerung des Mittleren Westen und der südlichen Bundesstaaten der USA. Der Immobilienmilliardär Donald Trump nutzte diese Ängste. Er sprach mit seinen nationalistisch-populistischen Botschaften, dass Muslime Terroristen sowie mexikanische Einwanderer Vergewaltiger seien, vermehrt Wähler im Mittleren Westen und den Südstaaten an. Trump verstand es, die Ängste einer tief gespaltenen Mittelschicht geschickt für sich zu nutzen, um die Präsidentschaftswahl 2016 zu gewinnen.“ (S. 224)

Natürlich hat Gerritzen das Recht, eine politische Meinung zu haben und sie auch zu äußern, es fragt sich aber, ob diese schwerwiegenden Vorwürfe in einem wissenschaftlichen Buch über potentielle Kontakte mit Außerdirdischen wirklich etwas verloren haben, auch dann, wenn der Autor psychologische Aspekte anspricht.

Weiter geht es mit dem kulturellen sowie dem evolutionsbiologischen Faktor. In diesem Rahmen führt Gerritzen seinen Feldzug gegen den Nationalismus fort, wenn er schreibt:

Die Covid-19-Pandemie hat aber auch gezeigt, dass Politiker die Krise benutzten, um populistisch-nationale Botschaften zu propagieren. Politiker regieren auf die Ängste der Menschen und umgekehrt“,

um dann weiter gegen Trump zu wettern:

So bezeichnete Präsident Donald Trump Covid-19 als ‚chinesisches Virus‘, gar als ‚Kung Flu‘ in Anspielung auf die chinesische Kampfsportart. Ferner beschuldigte er die WHO der Mitschuld am Ausbruch der Krankheit und beklagte, dass sie eine ‚Orgelpfeife für China‘ sei. Die Anzahl der Gewalttaten gegen Asiaten in den USA stieg daraufhin bis März 2020 um 149 % an. Vor allem chinesisch-stämmige Menschen waren von den Angriffen betroffen.“ (S. 229)

Hier gilt das Gleiche wie das oben Gesagte. Gerritzen schießt in der Folge weiter auf Trump. Ich möchte hier jedoch auf weitere Zitate verzichten, ausgenommen einen kurzen Satz: „Donald Trumps Wortwahl unterschied sich nicht grundlegend von der schrecklichen Rhetorik Hitlers.“ Ein derartiger Nazi-Vergleich verbietet sich nun wirklich!

Es geht aber weiter in diese Richtung und Gerritzen bringt nun die Außerirdischen ins Spiel, wenn er schreibt:

Wir können konstatieren: Falls populistische Politiker in den Industrienationen an der Macht sind, würde sich ein physischer Erstkontakt zwischen Außerirdischen und Menschen dramatisch eskalieren. Nationalisten würden zu den Waffen greifen, selbst wenn die Außerirdischen mit den besten Absichten kämen und mehr oder weniger ‚akzeptabel‘ aussehen.“ (S. 231)

Erneut ein Schuss gegen national gesinnte Menschen.

Weiter geht es dann noch um den Einfluss der Medien und die Frage der Authentizität und die „außerirdische Infodemie“. In diesem Zusammenhang greift der Autor erneut „ultrakonservative Kreise“ an, im Zusammenhang mit Anspielungen auf Verschwörungstheorien und Ansichten diverser Ufologen. Auch auf (UFO-)Whistleblower geht Gerritzen ein und spricht in diesem Zusammenhang von Falschinformationen, auf die David Gruschs Aussagen seinen Recherchen zufolge beruhen.

Später kommt Gerritzen noch ausführlich auf die langfristigen Folgen eines Kontakts mit Außerirdischen zu sprechen. Er betont, dass Außerirdische, falls sie hier wären, uns nicht retten würden, denn „bisher haben sie das nie getan“. Vollkommen zu Recht stellt er fest, dass potentielle Außerirdische andere Moralvorstellungen als wir haben könnten. Über den viel zitierten „Kulturschock“ schreibt Gerritzen, dass dieser „angesichts unserer Dummheit vielleicht sogar heilsam“ sein könnte.

Das Buch bietet einen breiten Spagat: Es besticht durch gute Quellenarbeit und interessante Informationen, geht aber - zumindest meiner Meinung nach - stellenweise zu weit ins Politische – insbesondere was den unsäglichen Nazi-Vergleich betrifft.

(Das Buch ist u. a. hier erhältlich)