Cantre'r Gwaelod

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Ein walisisches 'Atlantis'?

Abb. 1 Die erhalten gebliebenden Baumstümpfe eines vom Meer überfluteten Waldes, bei Ebbe fotographiert nahe Ynyslas, Ceredigion, Wales. Diese Stümpfe sind die traurigen Überreste eines alten untergegangenen Waldegebiets, das sich einst entlang der Küste von Ceredigion und Pembrokeshire erstreckte, und mit der Legende von Cantre'r Gwaelod in Verbindung zu bringen ist.

(red) Cantre'r Gwaelod, auch als Cantref Gwaelod oder Cantref y Gwaelod (zu Deutsch: Die Tiefebene) bekannt, ist ein legendäres versunkenes Königreich, das sich angeblich einst auf einer fruchtbaren Landstrecke im Westen von Wales, zwischen den Inseln Ramsey und Bardsey in der heutigen Cardigan Bay (Abb. 2) befand [1]. Noch heute spielt es in der regionalen Folklore und Literatur eine wichtige Rolle. Zwar wird Cantre'r Gwaelod gerne als "Walisisches Atlantis" bezeichnet, doch naheliegender erscheinen hier Vergleiche mit anderen legendären, vom Meer verschlungenen Örtlichkeiten aus jüngerer Zeit, wie etwa mit dem bretonischen Ys, oder mit Vineta im Küstengebiet der Ostsee.

Wie bei vielen derartigen Überlieferungen, gibt es auch im Fall von Cantre'r Gwaelod verschiedene Versionen. Als früheste bekannte Erwähnung der Legende wird für gewöhnlich jene im Llyfr Du Caerfyrddin (dem 'Schwarzen Buch von Carmarthen') angesehen, in dem das versunkene Land als Maes Gwyddno (zu Deutsch:: die Ebene des Gwyddno) bezeichnet wird. In dieser Variante ging es durch eine Überschwemmung verloren, als eine Brunnenmagd namens Mererid ihre Pflichten vernachlässigte und den Brunnen überlaufen ließ. [2] Die Historikerin und Literaturwissenschaftlerin Rachel Bromwich stellt diese Interpretation allerdings in Frage und erklärt: "Es gibt jedoch keine Gewissheit, dass Maes Gwyddneu in der Überlieferung des zwölften Jahrhunderts das untergegangene Land in der Cardigan Bay repräsentiert hat." Zudem bringt sie Gwyddno Garanhir nicht mit Wales, sondern mit Hen Ogledd in Verbindung, dem Gebiet der spätantiken britannischen Königreiche im heutigen Nordengland und Südschottland. [3]

Abb. 2 Karte der Cardigan Bay vor der Küste von Wales, wo Cantre'r Gwaelod vormals gelegen haben soll.

Die heutzutage wohl populäre Version der Sage von Cantre'r Gwaelod, entstand vermutlich erst im 17. Jahrhundert. Darin wird es als ein tief liegendes Land beschrieben, das durch einen Damm, Sarn Badrig ("Der Damm des Heiligen Patrick") genannt, zum Meer hin befestigt war. Dieser Damm war mit einer Reihe von Schleusentoren versehen, die bei Ebbe geöffnet wurden, um das Land zu entwässern. [4] Cantre'r Gwaelods Hauptstadt war Caer Wyddno, wo der Herrscher Gwyddno Garanhir residierte. Zwei Fürsten des Reiches teilten sich die Verantwortung für den Deich, aber einer von ihnen, mit Namen Seithenyn, soll ein berüchtigter Trunkenbold und Zecher gewesen sein. Durch seine Nachlässigkeiten brach das Meer durch die offenen Schleusen und zerstörte das Land. Doch in Zeiten der Gefahr sollen die Kirchenglocken von Cantre'r Gwaelod noch immer erklingen und aus dem Meer heraus zu hören sein.

Obwohl derzeit noch keine archäologischen Evidenzen für die einstige Existenz von Cantre'r Gwaelod und Caer Wyddno vorliegen, so gibt es immerhin einige historische Berichte über Sichtungen sowie andere Hinweise, welche deren Historizität nahelegen: So berichtete 1770 der walisische Altertumsforscher William Owen Pughe, er habe etwa vier Meilen (6,4 km) vor der Küste von Ceredigion, zwischen den Flüssen Ystwyth und Teifi, versunkene menschliche Siedlungen gesichtet. [5]

Abb. 3 Die erste Karte des Ptolemäus von Europa mit Britannien (Albion Insula) und Irland (Ibernia Insula) in einer Kopie von Nicolaus Germanus aus dem Jahr 1467. Der dort eingezeichnete Küstenverlauf der Bucht von Cardigan zeigt, dass in diesem Gebiet seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. kein Land versunken ist.

In der Ausgabe des Jahres 1846 von The Topographical Dictionary of Wales beschrieb dessen Herausgeber, Samuel Lewis, Befunde in Hinsicht auf Steinmauern und Dämme in den seichten Gewässern der Cardigan Bay: "Im Meer, ungefähr sieben Meilen westlich von Aberystwyth in Cardiganshire, befindet sich eine Ansammlung loser Steine, genannt Caer Wyddno, >die Festung oder der Palast von Gwyddno<; und angrenzend liegen die Überreste von einem der südlicheren Dammwege oder Dämme [6] von Catrev Gwaelod. Die Wassertiefe im gesamten Umfang der Bucht von Cardigan ist nicht groß; und bei Ebbe wurden unterhalb der Hochwassermarke Steine gefunden, die lateinische Inschriften trugen, und [auch] römische Münzen von verschiedenen Kaisern trugen: an verschiedenen Stellen im Wasser werden auch umgefallene Bäume beobachtet." [7]

Lewis führt des Weiteren an, dass die Küste der Cardigan Bay auf Karten des antiken Mathematikers und Geographen Ptolemäus genau so dargestellt wurde, wie sie auch in der Neuzeit verläuft, was darauf hindeutet, dass die Überflutung von Cantre'r Gwaelod vor dem zweiten Jahrhundert n.Chr. erfolgte. Auch der Geologe William Ashton zog 1920 in seinem Buch "The evolution of a coast-line" [8] bei seiner Diskussion der Legende von Cantre'r Gwaelod die betreffende Karte des Ptolemäus (Abb. 3) als Hinweis auf einen prä- oder protohistorischen Zeitpunkt für die Überflutung eines verlorenen Landgebiets in der Cardigan Bay heran. In Ashtons Buch findet auch eine Karte (Bild) der von ihm vermuteten Lage und Ausdehnung von Cantre'r Gwaelod in der Bucht. [9]

Neben dem anhand der bemerkenswerten Karte des Ptolemäus bestimmbaren Mindestalter der vermuteten altertümlichen Flutkatastrophe in der Bucht von Cardigan lässt sich aber auch extrapolieren, wann sich dieses Ereignis frühestens ereignet hat. Dazu heißt es in der englischsprachigen Wikipedia: "In einer Episode des BBC-Dokumentarfilms Coast 2006 besuchte Moderator Neil Oliver Sarn Gynfelyn bei Wallog. Das Programm zeigte auch die Überreste des überfluteten Waldes in Ynyslas, in der Nähe von Borth, der mit dem verlorenen Land von Cantre'r Gwaelod verbunden ist. Der Blick auf die toten Eichen-, Kiefern-, Birken-, Weiden- und Haselstauden-Stümpfe (Abb. 1), die durch die sauren anaeroben Bedingungen im Boden konserviert wurden, wird bei Ebbe freigegeben." Ihr Alter "wird auf ungefähr 5000 Jahre geschätzt." [10] Damit könnte es sich bei der Erinnerung an Cantre'r Gwaelod - rein theoretisch - um eine Überlieferung handeln, die bis ins walisische Neolithikum zurückreicht.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag basiert weitgehend auf dem Lemma "Cantre'r Gwaelod" bei Wikipedia - The Free Encyclopedia (abgerufen: 13. Dezember 2017); Übertragung ins Deutsche und intensive redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Manche Legenden des Landes deuten darauf hin, dass sich Cantre'r Gwaelod bis zu etwa 20 Meilen (gut 32 km) westlich der heutigen Küste ausgedehnt haben könnte. Siehe: "Cantre'r Gwaelod – The Lost Land of Wales", Legacies - UK History Local to You BBC (abgerufen 13. Dezember 2017).
  2. Siehe: ebd. (BBC)
  3. Quelle: Rachel Bromwich, "Cantre'r Gwaelod and Ker-Is", in: Cyril Fox & Bruce Dickins, "The Early Cultures of North-West Europe", Cambridge University Press. 1950, S. 231
  4. Quelle: Wie in Fußnote 1 und 2
  5. Siehe: Brian Haughton, "Haunted spaces, sacred places - a field guide to stone circles, crop circles, ancient tombs, and supernatural landscapes", Franklin Lakes, NJ (New Page Books). 2008, S. 100. ISBN 1-60163-000-X
  6. Anmerkung: Die von Lewis im 19. Jahrhundert beschriebenen "Dammwege oder Dämme" - Formationen aus Lehm, Kies und Felsen - an den Stränden rund um die Cardigan Bay, die sich vor jeder der vier Flussmündungen im Norden der Bucht befinden und sich im rechten Winkel zur Küste mehrere Kilometer weit ins Meer erstrecken, werden von Geologen heute als Moränen eingestuft, die durch die Wirkung schmelzender Gletscher gegen Ende der letzten Eiszeit entstanden sind.
  7. Quelle: Brian Haughton, op. cit.
  8. Siehe: William Ashton, "The evolution of a coast-line: Barrow to Aberystwyth and the Isle of Man, with notes on lost towns, submarine discoveries, &c", E. Stanford ltd., 1920
  9. Quelle: William Ashton, op. cit.
  10. Anmerkung: Der hierzu bei der angelsächsischen Wikipedia als Beleg angegebene Bericht der BBC ist leider nicht mehr online.

Bild-Quellen:

1) Richerman (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Submerged forest at Ynyslas, Ceredigion.jpg
2) Wereon (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:CardiganBay.svg
3) Peacay (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Ptolemy Cosmographia 1467 - Great Britain and Ireland.jpg