Charles Berlitz über die Thesen Brasseur de Bourbourgs und A. le Plongeons

Abb. 1 Der französische Historiker, Ethnologe und Archäologe Charles Étienne Brasseur de Bourbourg (1814-1874)

(bb) Im Kapitel "Einige Atlanis-Theorien" seines, von Karin S. Krausskopf ins Deutsche übersetzten, 1976 mit dem Titel "Das Atlantis Rätsel" [1] (Abb. 6) veröffentlichten Buches befasste sich der atlantophile amerikanische Grenzwissenschafts-Autor Charles Berlitz (1914- 2003) auch mit den Werken der beiden französischen Forscher Charles Étienne Brasseur de Bourbourg (Abb. 1) (1814-1874) und Augustus Le Plongeon (Abb. 4) (1826-1908), die er kritisch beleuchtete. Dazu zitieren wir ihn nachfolgend aus der im Paul Zsolnay Verlag erschienenen Erstausgabe des Buches:

"Ein gutes Beispiel dafür, wie eine falsche Theorie Forscher in die Irre führen kann, ist die Übersetzung des Codex Troano der Mayas. Dieser Codex ist ein Teil jener drei Maya-Texte, die der allgemeinen Schriftenverbrennung entgingen, welche im 16. Jahrhundert durch den Bischof von Yucatán, Landa, angeordnet worden war. Brasseur de Bourbourg und später Le Plongeon hatten im 19. Jahrhundert im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten über Atlantis diese Übertragung vorgenommen und versucht, eine Verbindung zwischen der Maya-Kultur von Yucatán und der des atlantischen Inselreichs nachzuweisen.

1864 entdeckte Brasseur de Bourbourg in den Archiven von Madrid ein Maya-Alphabet, das Bischof Landa (Abb. 3) zusammengestellt hatte - ironischerweise gerade jener Mann, , der mehr als irgendjemand anders zur Vernichtung der gesamten Maya-Literatur beigetragen hatte.

Abb. 2 Hier eine Abbildung von drei Seiten aus dem Maya-Codex Tro-Cortesianus (Madrid) auf den Brasseur de Bourbourg und Le Plongeon zur Stützung ihrer Atlantis-Thesen zurückgriffen

Dieses Alphabet basiert auf völlig falschen Voraussetzungen, denn Landa das Alphabet der Mayas durch seine Entsprechungen zu unserem eigenen aufzuzeichnen, nicht, daß die Mayas wahrscheinlich gar kein Alphabet besaßen, sondern vermutlich eine Mischung aus Hierohlyphen und phonetischen Symbolen benutzten.

Als Landa die Indianer nach den Buchstaben fur >a<, >b<, >c< und so weiter fragte, erhielt er deshalb von ihnen nur das Wort, das dem spanischen Klang von >a<, >b<, >c< usw. am ähnlichsten war; sein >Alphabet< ist folglich nichts als eine Zusammenstellung kurzer klangähnlicher Wörter und keineswegs ein Alphabet oder phonetisches System. (Dies ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Gefahren, die die Arbeit mit >Eingeborenen< beinhaltet, die den Sinn der ihnen gestellten Fragen nicht verstehen.)

Abb. 3 Ein Portrait Diego de Landas, des zweiten Bischofs von Yucatán. Der katholische Fanatiker gab die Anweisung zur Verbrennung der gesamten Maya-Literatur und der Vernichtung 'heidnischer' Relikte.

Brasseur de Bourbourg, der mit diesem völlig falschen >Alphabet< in der Sprache der Mayas, die er beherrschte, arbeitete, fertigte damit eine teilweise Übersetzung des Codex Troano an, durch die Donnelly und andere nachhaltig beeinflusst wurden. Diese >Übersetzung< lautete folgendermaßen:

>Im sechsten Jahr Cans, am 11. Muluc des Monates Zac, ereigneten sich schreckliche Erdbeben und dauerten bis zum dreizehnten Chuen. Das Land der Lehmhügel Mu und das Land von Moud waren [die] Opfer. Sie wurden zweimal erschüttert und verschwanden plötzlich in der Nacht. Die Erdkruste stieß durch die unterirdischen Kräfte an vielen Stellen ständig höher und sank [an anderen] ab, bis sie solchem Druck nicht mehr standhielt, und viele Länder wurden durch tiefe Schluchten voneinander getrennt. Schließlich konnten beide Provinzen solch ungeheurem Druck nicht standhalten und sanken in den Ozean mit 64 000 000 Bewohnern. Es geschah vor 8060 Jahren.<" [2]

Nach diesem aufschlussreichen Exkurs zu Brasseur de Bourbourg, Diego de Landa und der vermeintlichen Teilübersetzung des Codex Troano befasst sich Berlitz - immerhin ein studierter Linguist - weiterführend mit dem zweiten, atlantologiegeschichtlich bedeutsamen 'Maya-Atlantisforscher' des 19. Jahrhunderts:

"Augustus Le Plongeon, ein anderer französischer Archäologe, der ebenfalls die Sprache der Mayas beherrschte, und Ausgrabungen alter Maya-Städte vornahm [3], deren ehemalige Lage er ermittelte, fertigte eine Übersetzung derselben Textstelle an, die wie folgt lautet:

Abb. 4 Der Französische Archäologe und Atlantisforscher Augustus Le Plongeon (1826-1908)

>In dem Jahre 6 Kan, an dem 11. Muluc in dem Monat Zac, ereigneten sich schreckliche Erdbeben, die ohne Unterbrechung bis zum dreizehnten Chuen andauerten.. Das Land der Lehmhügel, das Land vonMu wurde geopfert: zwei mal emporgehoben, verschwand es plötzlich in der Nacht, während das Talbecken dauernd von den vulkanischen Kräften erschüttert wurde. Dies ließ das Land mehrmals an verschiedenen Stellen absinken und emporsteigen. Zuletzt gab die Oberfläche nach, und zehn Länder wurden auseinandergerissen und getrennt. Da sie den Erdbeben nicht standhalten konnten, versanken sie mit ihren 64 000 000 Bewohnern 8060 Jahre, bevor dieses Buch geschrieben wurde.<

Le Plongeon versuchte außerdem eine interpretierende Übersetzung der Hieroglyphen auf der Xochicalco-Pyramide (Abb. 5) bei Mexiko City, und zwar mit Hilfe des altägyptischen hieratischen Systems. Seine Übersetzung lautete gleichermaßen: >Ein Land in dem Ozean ist zerstört, und seine Bewohner [sind] getötet, um sie in Staub zu verwandeln...<

Abb. 5 Das historische Foto eines in Ruinen liegenden Bereichs des Pyramiden-Komplexes von Xochicalco

Diese >Übersetzungen< von Brasseur und Le Plongeon wurden häufig zitiert und waren Donnelly zweifellos bekannt. Man kann sich nur wundern, wieso ernsthafte Gelehrte, die sich die Mühe machten, alte Indianersprachen zu erlernen und die Dschungelruinen des ehemaligen Maya-Reichs zu erforschen, zum Zwecke persönlichen Vorteils oder Ruhms absichtlich Inschriften falsch übersetzten. Vielleicht geschah es [auch] nicht absichtlich, und sie interpretierten die Inschriften und Texte nur entsprechend der Theorie, die zu beweisen sie sich bemühten. Mit anderen Worten, sie sahen in einer Art Wunschdenken in den Inschriften das, was sie sehen wollten - diese menschliche Schwäche haben bekanntlich nicht nur die Atlantologen.

Bis zum heutigen Tage ist jedoch noch keines der alten Manuskripte der Mayas, sind keine ihrer Inschriften erfolgreich übersetzt worden, obwohl die russischen Archäologen mit Hilfe von Computern versuchen sollen, das Geheimnis des Schriftensystems der Mayas zu lüften." [4]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

Abb. 6 Hier das Frontcover der Erstausgabe (1976) der deutschsprachigen Fassung von Charles Berlitz’ Werk 'The Atlantis-ystery'
  1. Siehe: Charles Berlitz, "Das Atlantis Rätsel", Wien (Paul Zsolnay Verlag), 1976
  2. Quelle: Charles Berlitz (1976), S. 139-141
  3. Red. Anmerkung: Zu den gemeinsamen archäologischen Leisungen Augustus Le Plongeons und seiner Gattin Alice Dixon Le Plongeon siehe: Lawrence G. Desmond, Ph.D., "EXAVATION OF THE PLATFORM OF VENUS, CHICHÉN ITZÁ, YUCATÁN, MÉXICO: THE PIONEERING FIELD WORK OF ALICE DIXON LE PLONGEON AND AUGUSTUS LE PLONGEON (abgerufen: 04. Juli 2018)
  4. Quelle: Charles Berlitz (1976), S. 141-142

Bild-Quellen:

1) CJLL Wright (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Brasseur de Bourbourg.jpeg
2) GDK (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Codex Tro-Cortesianus.jpg
3) Robert B. Stacy-Judd, "Atlantis: Mother of Empires", Santa Monica, CA. (USA), 1939, S. 98b / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
4) CJLL Wright (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Augustus-le-plongeon-photo.jpeg
5) (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Ancient civilizations of Mexico and Central America (1928) (20468237279).jpg
6) Paul Zsolnay Verlag (Wien) / Bild-Archiv Atlantisforschung.de