Chryse (Ägäis)

Abb. 1 Lage der Ägäis-Insel Lemnos (rot markiert), in deren Nachbarschaft Chryse einst gelegen haben soll.

(red) In der Mythologie des alten Griechenland ist Chryse (auf Griechisch: Χρύση, Χρύσα „die goldene“; romanisiet: Khrúsē) [1] ist der Name einer sagenumwobenen Insel, die sich in der Nähe von Lemnos (Abb. 1) in der nördlichen Ägäis befunden haben soll. Sie war, wie es heißt, nach ihrer göttlichen Patronin Chryse [2] benannt, und es soll dort auch ein bedeutender Tempel des Apollon existiert haben. [3]

Die früheste erhalten gebliebene Erwähnung von Chryse ist offenbar in Homers Ilias in einer Episode nachzulesen, die vor Beginn der Kampfhandlungen bei Troja angesiedelt ist. In diesem Zusammenhang findet Chryse später auch in den Philoktetes-Dramen des Aischylos, Sophokles und Euripides Erwähnung. In der deutschsprachigen Wikipedia wird die betreffende Passage bei Sophokles folgendermaßen nacherzählt:

Abb. 2 Der 'blinde Sänger' Homer erwähnte in seiner Ilias als früherster bekannter Autor die Insel Chryse. (Bild: Hellenistische Büste des Homer im Louvre zu Paris)

"Auf ihrer Fahrt nach Troja zum Trojanischen Krieg machte die griechische Flotte in Chryse halt, um ihre Wasservorräte aufzufrischen. Als Philoktetes auf der Insel einen von Iason errichteten Altar der Pallas Athene fand, wollte er der Göttin dort opfern. Dabei wurde er von einer Schlange gebissen. Da die übrigen Griechen sich auf der Weiterfahrt durch den Gestank der eiternden Wunde und die Schmerzensschreie des Philoktetes unerträglich belästigt fühlten, beauftragten sie Odysseus, ihn auf Lemnos auszusetzen. Später holte dieser ihn mit einer List wieder zurück, da sie vor Troja auf seinen magischen Bogen nicht verzichten konnten." [4]

Laut dem aus Kleinasien stammenden Geographen und Reiseschriftsteller Pausanias [5] soll Chryse später in den Fluten des Mittelmeers versunken sein. Er und auch der Historiker Appian von Alexandria [6] geben - wie es in der englischsprachigen [https://en.wikipedia.org/wiki/Main_Page Wikipedia heißt - an, die Insel sei im 2. nachchristlichen Jahrhundert verschwunden. [7] Der US-amerikanische Privatforscher J.D. Brady dagegen setzt dieses Ereignis, das er auf Erdbeben und Tsunamis zurückführt, bereits für das Jahr 569 v. Chr. an. Zudem macht Brady geltend, Chryse sei identisch mit Tyros, auf das sich der alttestamentarische Prophet Hesekiel (27.3) bezog, und das Brady mit Atlantis gleichsetzt. [8]

Während Bradys Datierung des Untergangs von Chryse aus atlantologischer Sicht als 'zu spät' auf der Zeitlinie anzusehen ist, könnten konventionelle Altertumsforscher sie auch als 'zu früh' zurückweisen. Immerhin soll der römische Senator und Feldherr Lucius Licinius Lucullus dort (laut Appian) während des Dritten Mithridatischen Krieges (75-63 v.Chr.) drei Kommandeure des gegnerischen Königreichs Pontos gefangen genommen haben. [9] Allerdings müssen wir uns die Frage stellen, ob die von Pausanias und Appian erwähnte Chryse mit jener identisch ist, auf welche sich Jahrhunderte zuvor Homer bezogen hatte,

Dazu hielt der Philologe und Bibliograph Samuel Friedrich Wilhelm Hoffmann (1803-1872) anno 1841 fest: "Ueber die erwähnte Insel Chryse muss man auf die Nachricht des Eustahios zur Ilias Rücksicht nehmen, obwohl dieselbe verwirrt ist; es sind aber heute versiegte Quellen benutzt. Es gab mehrere Orte Chryse. Eine Stadt dieses namens setzte man in die Nähe von Lemnos, eine in die Nähe von Skyros, eine andere an den Hellespont, nicht fern von Abydos. Auch sagte man, Chryse sei ein Vorgebirge bei Hephaestia auf Lemnos, das nach Tenedos hinschaute. So erklärte man verschieden das homerische Chryse. [Eustathios, ad Iliad, L 38]" [10]

Immerhin gab es auch in jüngerer Vergangenheit mindestens einen Versuch zur archäologischen Lokalisierung von Homers Chryse. So erklärte im Jahr 1960 ein Amateur-Unterwasserarchäologe, die Insel bei seinen Tauchgängen wiederentdeckt zu haben. Er identifizierte sie mit "einer versunkenen Landmasse, die als Kharos Bank bekannt ist, einem 10 Quadratmeilen großen Gebiet in der Nähe der Insel Lemnos". [11] Die besagte Untiefe sei auf britischen Seekarten verzeichnet und liege heute ungefähr 12 m unter der Meeres-Oberfläche. Weiße Bausteine, die der Entdecker dem oben erwähnten Apollon-Tempel zuschrieb, sollen auf dem Meeresgrund zu sehen sein. [12] Die Kharos Bank wurde auch von anderen als möglicher Standort erwähnt, aber es scheint dort keine weiteren Forschungs-Arbeiten gegeben zu haben. [13] [14]



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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Annerkung: Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen sagenhaften Insel Chryse im Indischen Ozean. Siehe zu dieser bei Atlantisforschung.de: "Chryse und Argyre" (red)
  2. Anmerkung: Als 'Athene Chryse' war diese auch Schutzgöttin von Ilion. Siehe: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge: Dritte Section: O-Z, Band 23, Brockhaus, 1847, S. 366-367
  3. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Chryse (Island)" (abgerufen: 18.Dezember 2019)
  4. Quelle: Sophokles, Philoktetes 194. 270; Philostrat, Heroicus 5,3; nach: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Chryse (Insel)" (abgerufen: 18. Dezember 2019)
  5. Siehe: Pausanias, "Beschreibung von Griechenland" (8, 33, 4), Hoffman'sche Verlags-Buchhandlung, 1860 (online frei abrufbar)
  6. Siehe: Mithridat. c. 72 et seq.
  7. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Chryse (Island)" (abgerufen: 18. Dezember 2019
  8. Quelle: Tony O’Connell, "Chryse", 10. Januar 2011, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 18.Dezember 2019)
  9. Siehe: John Gillies, "XXVII: From Alexander to Augustus". The history of ancient Greece: its colonies and conquests; from the earliest accounts till the division of the Macedonian empire in the East. Including the history of literature, philosophy, and the fine arts", Volume 4, Part 2. 4., T. Cadell and W. Davies, 1820, S. 249. Gillies beruft sich dort auch auf Appian, Mithridat. c. 72 et seq.
  10. Quelle: Samuel Friedrich Wilhelm Hoffmann, "Griehenland und die Griechen im Alterthum, Buch 6: Die Inseln und Kolonien der Griechen", Leipzig (Dyk'sche Buchhandlung), 1841, S. 1516
  11. Siehe: TIME Magazine, 19. Dezember 1960 "Science: Philoctetes Was Here" (abgerufen: 18. Dezember 2018)
  12. Siehe: ebd.
  13. Siehe: S. J. Harrison, "Sophocles and the Cult of Philoctetes", 1 Januar 1989, in: The Journal of Hellenic Studies 109: 173–175. doi:10.2307/632045. JSTOR 632045
  14. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Chryse (Island)" (abgerufen: 18.Dezember 2019)

Bild-Quellen:

1) M.Minderhoud (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:GR Lemnos.PNG
2) Marie-Lan Nguyen (Urheberin) bei Wikimedia Commons, unter: File:Homeros Caetani Louvre Ma440 n2.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung 3.0 nicht portiert“)