Das Rätsel der gefrorenen Mammuts

von Alexander Braghine (1940)

Abb. 1 Chinesische Schnitzereien auf einem Mammut-Stoßzahn. Seit ca. 1600 Jahren wird sibirisches Mammut-Elfenbein nach China exportiert.

Den ältesten chinesischen Chroniken zufolge wurden die ersten Mammut-Stoßzähne im vierten Jahrhundert n.Chr. aus den fernen nordöstlichen Regionen Sibiriens nach China gebracht. von jenem Zeitraum bis heute, d.h. im Verlauf von 1600 Jahren, sind viele tausend Tonnen dieser Stoßzähne von den Sibiriern an die Chinesen verkauft worden. (Abb. 1) Noch heute liefern das nordöstliche Sibirien und das Archipel von Nowosibirsk zwei Drittel des weltweiten Gesamt-Aufkommens von Elfenbein. Während der jüngsten 150 Jahre wurden pro Jahr durchschnittlich 250 Mammuts pro Jahr in der Permafrost-Zone des polaren Sibirien ausgegraben. Daher ist Russland, wo Elefanten nur in Menagerien und zoologischen Gärten zu finden sind, weltweit der führende Lieferant von Elfenbein.

Die Kadaver und Skelette der Mammuts werden nicht sehr tief unter dem Eis und dem gefrorenen Boden der arktischen Zone begraben entdeckt: Die niedrige Temperatur ist verantwortlich für die Erhaltung dieser rieseigen Körper in einem Zustand perfekter Frische. Pallas, der diese Regionen im 18. Jahrhundert beuchte, berichtet uns, dass er ein Steak aus Mammut-Fleisch aß und es sehr schmackhaft fand. Polarfüchse verzehren die Kadaver von Mammuts, die Eingeborenen sind stets begierig, viele tausend Jahre altes Fleisch zu schlemmen, und füttern auch ihre Hunde damit. Das Alter der Schichten, in welchen die Mammut-Überreste gefunden werden, beträgt schätzungsweise 12.000 Jahre.

Abb. 2 Seit mehr als 12.000 Jahren liegen solche gut erhaltenen Mammut-Kadaver im Permafrostboden Sibiriens und Alaskas begraben.

Einige Jahre vor dem Großen Krieg wurde der Kadaver eines Mammut-Jungtiers nach St. Petersburg gebracht; er war gut erhalten und wurde in dem enormen Eisblock dorthin geschafft, in dem er entdeckt wurde. Die 7800 Meilen lange Reise vom Archipel von Nowosibirsk zur russischen Hauptstadt, die mehrere Monate dauerte, verursachte keinen Verfall des 12000 Jahre alten Kadavers, der so frisch blieb wie irgendein Stück Fleisch aus einer Metzgerei. Die russischen Wissenschaftler zogen ihren Nutzen aus dieser Gelegenheit, indem sie einige histologische Untersuchungen vornahmem, und dann wurde das Fleisch gastronomischen Zwecken zugeführt: Der Koch des Geologischen Museums bereitete aus ihm einige hervorragende Steaks zu, und die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften waren begeistert von dieser prähistorischen Mahlzeit.

Nun sind die Funde gänzlich wohlerhaltener Kadaver allerdings selten: Im Verlauf der jüngsten 150 Jahre wurden nur 84 solcher Überreste entdeckt, während es sich bei den anderen um mehr oder weniger gut erhaltene Skelette handelte. Eine Analyse unverdauter Nahrung in den Mägen der [besser erhaltenen] Mammuts zeigte, dass sich diese riesigen Dickhäuter fast ausschließlich von den Nadeln von Kiefern, Lärchen und Tannen ernährten, die zu jener Zeit im arktischen Bereich Sibiriens gewaltige Wälder bildeten. Heute ist diese reiche Flora verschwunden, und stattdessen wachsen dort nur Zwergbirken, Flechten und arktische Moose.

Abb. 3 Paläontologische Rekonstruktion eines nordamerikanischen Wollhaarmammuts, wie es auch in Alaska beheimatet war.

Offenbar ereignete sich die Vernichtung der unzähligen Mammut-Herden im nordöstlichen Sibirien plötzlich und sogar augenblicklich, da ihre Mägen viel unverdaute Nahrung enthalten. Hätte diese mysteriöse Vernichtung einen allmählichen Charakter aufgewiesen, hätten die schlauen Dickhäuter rechtzeitig südwärts abwandern können, um dem Tod zu entgehen und ihre Jungtiere zu retten. Eine Flora, die jener entspricht, welche zu ihrer Zeit auf dem Archipel von Nowosibirsk existierte, ist heute erst auf der Höhe des Baikalsees zu finden, das heißt etwa 3600 Meilen südwärts.

Die Kadaver wurden bisweilen auch in aufrecht stehender Position gefunden. Insbesondere dieser Umstand belegt, dass der Tod die Mammuts plötzlich ereilte, während sie friedlich auf ihren prähistorischen Weidegründen ästen, und sie kamen augenblicklich ums Leben, wie auch die Mastodonten bei Bogotá in Kolumbien.

Bestimmte Forscher sind der Meinung, dass einige der Mammuts von einer kolossalen Schlammflut erstickt wurden, welche einmal das nordöstliche Sibirien überschwemmte, während andere durch das plötzliche Gefrieren dieser Sintflut umkamen. In jedem Fall wurde anatomisch nachgewiesen, dass viele von ihnen an Asphyxie starben. Vermutlich die selben Ursachen löschtrn auch die Mammuts in Alaska aus, doch besagte Gründe können schwerlich auch für das Verschwinden der europäischen Mammuts verantwortlich sein, welche sehr zahlreich waren.

Abb. 4 Künstlerische Darstellung einer Mammutjagd im ausgehenden Paläolithikum (1885)

Das Mammut und das Wollnashorn, die überall in der Alten Welt - von den Küsten des Pazifik bis hin nach Gibraltar - lebten, verschwanden zweifellos nach und nach: Die urzeitlichen Bewohner des Alten Kontinents jagten (Abb. 4) diese nützlichen Tiere energisch und müssen sie in Europa zu der Zeit fast ausgerottet haben, als die asiatischen Rassen dort zu siedeln begannen. Es ist gut möglich, dass die Veränderung des europäischen und asiatischen Klimas eine beträchtliche Rolle bei der Ausrottung unserer Dickhäuter spielte.

Einige Wissenschaftler erklären ihr Verschwinden mit der 'Gigantismus'-Hypothese: Sie behaupten, dass die gigantischen Organismen aufgrund ihrer übertiebenen Dimensionen mit Mängeln behaftet und, sozusagen aus Sicht der Natur unzweckmäßig. Dementsprechend machten sie nach und nach kleineren und 'zweckmäßigeren' Formen platz. Man könnte sagen, dass die Natur mit verschedenen Sorten von Tieren experientierte und graduell jene Spezies fallenließ, die sich als nicht erfolgreiche Versuche herausstellten.

Diese Sichtweise stellt ein schlagendes Beispiel für moderne 'wissenschaftliche Metaphysik' dar: Zweifellos waren die Ursachen für das Verschwinden der Mammuts, wie auch für das der Riesen-Echsen vorausgegangener Perioden simpler, aber wir können sie trotzdem nicht bestimmen. Ich vermag nicht zu glauben, dass die Natur in der Lage ist, bei der Schaffung neuer Spezies Fehler zu machen, aber ich meine, dass jede Spezies ein bestimmtes Maß an Vitalität besitzt: Wenn dies erschöpft ist, dann nehmen neue Spezies den Platz der erloschenen Formen ein. Diese Qualität ist womöglich jenes kaum zu erkennende Wesen, das von Maeterlinck als "l'ésprit colléctif de l'éspèce" bezeichnet wird; allerdings ist dieser Ausdruck ebenfalls ein metaphysischer.

Lassen Sie uns von diesen Mutmaßungen zurückkehren zum Problem des Verschwindens der Mammuts im Nordosten Sibiriens, wo noch heute 'Elfenbein-Minen' existieren. Die augenscheinlich simultane und plötzliche Vernichtung der Mammuts auf dem Archipel von Nowosibirsk und in Alaska stellt ein sehr interessantes wissenschaftliches Problem dar. Die Ureinwohner des nordöstlichen Sibirien bestätigen, dass diese Mammuts bei der Großen Flut zugrunde gingen. [...]

Abb. 5 Die Vorliebe afrikanischer Elefanten für Wasser- und Schlammbäder dürfte letztlich zur Entstehung des Mythos von den 'Elefanten-Friedhöfen' geführt haben. Die Anhäufungen von Mammut- und Mastodon-Kadavern lassen sich aber nicht auf diese Weise erklären.

Es dürfte nicht abwegig sein, hier auch die Umstände des natürlichen Todes moderner Elefanten (Abb. 5) zu betrachten. Es ist bekannt, dass Afrika sehr reich an Elefanten ist, und dass sie wegen ihrer Stoßzähne stark bejagt werden. Doch es ist sehr seltsam, dass kein Jäger, sei es Europäer oder Schwarzer, jemals die Leiche eines Elefanten fand, der an natürlichen Ursachen gestorben war. Wenn der Kadaver eines Elefanten entdeckt wird, so ist es stets der Leichnam eines Tieres, das aufgrund irgendwelcher Jagdwunden, oder infolge eines Unfalls verendet war. Die English Hunters' Annals, welche diesbezüglich die beste Literatur der Welt darstellen, erwähnen nur einen einzigen Fall während der jüngsten 25 Jahre, in dem ein Elefanten-Kadaver entdeckt wurde, der augenscheinlich zu einem Tier gehörte, das an natürlichen Ursachen starb.

Dieses seltsame Faktum war die Ursache dafür, dass der Glaube entstand, Elefanten würden sich für gewöhnlich immer dann, wenn sie den Tod nahen fühlen, an irgendwelche geheimen Plätze, die so genannten 'Elefantenfriedhöfe', in den Dschungel zurückziehen. Diese Ansicht scheint aber recht unbegründet zu sein, und die Ansammlungen von Elefanten-Skeletten können mit der Vorliebe der Elefanten für Gewässer erklärt werden. Sie verbringen viele Stunden in Flüssen und Morästen, und es ist zum Beispiel festgestellt worden, dass selbst verwundete Elefanten sich geradewegs ins Wasser begeben, das sich offenbar wohltuend auf sie auswirkt. Daher sterben alte oder kranke Elefanten fast ausnahmslos im Wasser, wo ihre Körper nach und nach unter dem Schlamm begraben, oder von den Sümpfen verschlungen werden. Somit liegen vermutlich tausende von Elefanten-Kadavern am Grunde des Nils und in jenen gewaltigen Sümpfen, welche den Albertsee umgeben. Vielleicht gschah es zu irgendeiner Zeit, dass einer dieser Sümpfe austrocknete, und dass die Eingeborenen an seinem Grund viele Elefanten-Skelette fanden - und dadurch entstand die Legende von den Elefantenfriedhöfen.

Abb. 6 Viele Mammuts erfroren schlichtweg im Gefolge eines plötzlichen Temperatursturzes, der große Teile ihres nördlichen Lebensraums für sie lebensfeindlich machte.

Diese Erklärung ist plausibel in Bezug auf das Schicksal afrikanischer und womöglich asiatischer Elefanten, aber völlig ungeeignet zur Erklärung des Verhängnisses der sibirischen Mammuts und noch weniger desjenigen der Mastodonten, deren Überreste das 'Feld der Giganten' in Kolumbien bedecken. Für diese beiden Phänomene offeriere ich meine eigene hypothetische Erklärung.

Der heftige Schlag, den die Erde vor 12.000 Jahren erlitt, störte die Balance der Erdachse. Sie wurde unmittelbar zur Ebene der Ekliptik hin geneigt [...] und begann zu pendeln (das Phänomen der Nutation der Pole). Das Klima des nordöstlichen Sibirien und Alaskas veränderte sich unmittelbar, und das Absinken der Temperatur sowie die enormen Schlamm-Massen, die durch Überflutungen vom Meeresgrund mitgebracht wurden, töteten die Mammuts. Was die Vernichting der kolumbianischen Mastodonten betrifft, so ereignete sie sich infolge der massiven Anhebung ihrer Weidegründe [...]

Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Phänomen die Konsequenz des Niedergangs eines großen Meteoriten auf die Erdoberfläche war. Sicherlich muss dieser Meteorit von außergewöhnlich großen Dimensionen gewesen sein, um die Balance der Erde zu stören. Damit erhebt sich eine sehr natürliche Frage: Wo ist dieser Meteorit jetzt? Unter all den bekannten Meteoriten kann kein einziger Dimensionen für sich beanspruchen, die ausreichen, um solch bedeutsame Konsequenzen für den ganzen Planeten zu verursachen.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Alexander Braghine (1878-1942) wurde dem Reprint seines 1940 erschienenen Buches "The Shadow of Atlantis" entnommen (S. 113-117), das 1997 bei Adventures Unlimited Press erschienen ist. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de.

Bild-Quellen:

1) Tidemammoth, bei Wikimedia Commons, unter: File:Mammoth Ivory Handcrafted Chinese Happy Kids Whole Tusk Carving (37733).JPG Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Roblespepe bei Wikimedia Commons, unter: File:Mamut enano-Beringia rusa-NOAA.jpg
3) R. Cedric Leonard, "PALEONTOLOGICAL TESTIMONY - The Pleistocene Extinction", bei Quest for Atlantis - Adventures in Science
4) FunkMonk bei Wikimedia Commons, unter: File:A Mammoth Hunt.jpg
5) Bernard Dupont (Frankreich) bei Wikimedia Commons, unter: File:African Elephants (Loxodonta africana) (8290540827).jpg (Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)
6) Das Schwarze Auge, unter: Folge dem Drachenhals, Teil X