Der Untergang des vermuteten 'Osiris-Empire'

Die Ägypter - Erben eines uralten Wissens, Teil II

Abb. 4 Wenn einst wirklich ein von Osiris und anderen "Göttern" beherrschtes, 'erstes Ägypten existiert hat - warum und unter welchen Umständen ging es unter?

(red) Konservative Kritiker der Vorstellung eines primhistorischen Ägypten machen häufig - und zu Recht! - geltend, dass die archäologischen Erkenntnisse vom späten Paläolithikum bis zum Neolithikum und der prädynastischen Periode dort keinerlei Hinweise auf eine weit prähistorische Hochkultur liefern (vergl. dazu z.B.: Ägypten, Schatzinsel der Überlieferung von Jürgen Hepke), doch tatsächlich mag dieser Mangel an charakteristischen Funden auch die Vermutung stützen, dass das 'erste Ägypten' des vermuteten Osiris-Reiches n i c h t am Nil gelegen haben kann. Das vormalige Hochland des späteren Ober- und Unterägypten gehörte allenfalls zum 'Outback' dieses Reichs. Der Große Sphinx mag zu jener Zeit durchaus als monumentaler Wächter gedient haben, um symbolisch das Tor zum fruchtbaren und reichen Tiefland zu hüten.

Sollte sich das Szenario einer rezenten Flutung des mediteranen Beckens weiter untermauern lassen, so wäre mit einem solchen Modell sowohl der der Mangel an offensichtlichen archäologischen Evidenzen (z.B. in Form von Ruinen) erklärt, als auch die Kluft zwischen 'osirischem' und (prä-) dynastischem Ägypten. Das Ende "Zep-Tepis", des mythisch verklärten Ur-Zeitalters der Menschheit, und der Untergang des prädiluvialen Osiris-Reiches muss mit solcher Geschwindigkeit und Gewalt über die Menschen des afro-europäischen Tieflands gekommen sein, dass nur in den seltensten Fällen - in Randgebieten der Katastrophe - Gelegenheit zur Flucht blieb.

Auf die ungeheure Vernichtungs-Kraft des Mega-Tsunamis (Abb. 5), der das mediterrane Becken überrollt haben soll, wies Ende der 1990er Jahre der maltesische Atlantologe Joseph S. Ellul unter Verweis auf die Ruinen der Megalith-Anlagen der heutigen Insel hin: "All diese Zerstörung, die von einer kolossalen Welle verursacht wurde, welche von Westen nach Osten rollte, können die steinzeitlichen Megalith-Ruinen von Hagar Quim bezeugen. Wenn man diese Ruinen eingehend untersucht, wird man unschwer erkennen, dass die nach Westen gerichtete Mauer vollständig zerstört wurde.

Diese Mauer, die de vollen Wucht dieser gigantischen Flutwelle [...] direkt ausgesetzt war, konnte dem Anprall nicht standhalten, ganz gleich wie massiv sie war - und den übrigen verbliebenen Außenwänden nach zu schließen, muss sie sehr massiv gewesen sein. Gewaltige Steinblöcke aus der Westmauer wurden regelrecht von ihrer ursprünglichen Position weggesprengt und etwa zehn Meter ostwärts in einem wirren Haufen aufgestapelt, als habe es sich um Holzkisten und nicht um Steinblöcke von fast einem Meter Durchmesser und drei Metern Länge gehandelt. [1]

Abb. 5 Wenn wir das Szenario einer rezenten Flutung des mediterranen Beckens voraussetzen, kam das Ende des osirischen Reichs in Form eines ungeheuren Mega-Tsunamis, der fast alle Spuren dieser putativen Hochkultur im Osten des vormaligen afroeuropäischen Tieflands vernichtet haben muss.

Außerdem stellte Ellul fest, dass der Pegelstand des neu entstandenen Mittelmeers zunächst beträchtlich höher als heute gewesen sein muss: "Diese Blöcke bezeugen eine weiteren sehr bedeutsame Tatsache. An ihnen haftet eine Menge versteinerter Mörtel und einiges davon verbindet noch jetzt die Steine miteinander. Dieser verhärtete Mörtel beweist zweifelsfrei, dass zu jener Zeit Mörtel verwendet wurde und er beweist außerdem, dass sich die Steine, als dieses Bauwerk zusammenstürzte, eine Zeit lang unter Wasser befanden, sodass der Mörtel aufweichen und in einer anderen Position wieder aushärten konnte. Wären die Steine unter trockenen Bedingungen gefallen, dann wäre der Mörtel zerkrümelt und zu Staub zerfallen, und hätte nie wieder gehaftet." [2]

Im übrigen bestätigt auch die Entdeckung einer weiteren, zerstörten Megalith-Anlage ("Gebel Gol Bahar" = "Große Steine im Meer versunken") durch den Atlantologen Dr. h.c. Hubert Zeitlmair im Jahr 1999 nachdrücklich Elluls Beobachtungen. Auch das Destruktions-Muster dieser, seit ihrer Überflutung von Menschenhand unberührten, Anlage, die sich etwa zwei Kilometer vor der heutigen Nordostküste Maltas befindet, lässt, so Zeitlmair, "keine Zweifel" über "die Art der Zerstörung" zu. Der Grenzwissenschaftler stellt dazu fest: "Ebenso wie bei den Grabungsergebnissen von Prof. Sir Temi Zammit am Tempel Hagar Quim konnte auch ich bei dem Tempel unter Wasser Schwemmablagerungen an den Westseiten der noch stehen gebliebenen Umfassungswände feststellen. [...]

Das Ausmaß der Zerstörung, das sich mir auf dem Bildschirm des Unterwassersonars bot, ist überwältigend. Neben den Resten der Wandflächen, die eine Höhe von vier Metern nicht mehr übersteigen, sind Wände, die in der Flutrichtung stehen, noch über zehn Meter hoch. Einige Steinquader von bis zu sechs Meter befinden sich in einer circa fünfzehn Meter entfernten, etwas tiefer gelegenen Senke. Diese Quader sind in zwei bis drei Teile zerbrochen, liegen aber als noch erkennbare Quader am Meeresgrund." [3]

Abb. 6 Die Neith-Priester in Saïs führten die, vermeintlich über 10 000 Jahre währende, kulturelle und zivilisatorische Kontinuität Ägyptens auf die 'katastrophensichere' geographische Lage ihres Reichs zurück. So soll z.B. der Nil (Bild) bei Sintbränden Schutz geboten haben.

Wenn der Mega-Tsunami, dessen Auswirkungen Ellul und Zeitlmair hier beschreiben, selbst im damaligen Bergland Maltas und Siziliens noch eine derart monströse Zerstörungskraft entwickelte, so lässt sich erahnen, was mit Bauwerken im afro-europäischen Tiefland geschehen sein muss: sie wurden beim Aufprall der vermutlich hunderte von Metern hohen Riesen-Woge regelrecht desintegriert, und ihre Überreste müssen über Quadrat-Kilometer verteilt worden sein. Deutliche Spuren primhistorischer Baukunst in Form klar erkennbarer Unterwasser-Ruinen dürfen wir dort, wo wir die Zentren "osirischer" Zivilisation vermuten, somit kaum erwarten. Von ihr blieben neben einigen entlegenen Monumenten - etwa dem Großen Sphinx - nur die schemenhaften Überlieferungen "barbarischer" Nachbarn, also z.B. der Urahnen der pharaonischen Ägypter.

Ägyptischen Priester-Historikern und -Chronisten wie Manetho, der immerhin erst im Klassischen Altertum seine Zusammenfassung des noch vorhandenen quasi-historischen Materials verfasste, waren diese Diskontinuitäten in der Ur- und Frühgeschichte ihres Landes vermutlich kaum noch bewusst. Zumindest waren sie anscheinend darauf bedacht, die katastrophalen Umbrüche der ägyptischen Vor- und Frühgeschichte vor späteren Generationen zu verschleiern. Solche Überlegungen und Folgerungen widersprachen nämlich zutiefst der nachhaltigen und dominanten Ideologie im Alten Ägypten, die Traditionspflege, Verherrlichung des Reichs und seiner historischen Große sowie seiner herausragenden Kontinuität zum religiösen Aspekt und zu einer Frage der Staatsraison erhob.

Auch die Neith-Priester in Saïs, die Platon in seiner Atlantida mit Solon sprechen ließ, versuchten offenbar den Eindruck zu erwecken, die Entwicklung Ägyptens sei seit Anbeginn aller Zeiten weitgehend ungestört verlaufen. So erklären sie, die vielen "und mannigfache[n] Heimsuchungen der Menschen" seien in der Folge von Bahn-Abweichungen der Gestirne und aufgrund niederstürzender Himmelskörper (z.B. 'Phaethon') erfolgt.

Zu den dadurch bewirkten 'Sintbränden' betonen sie: "... uns aber rettete damals der Nil (Abb. 6) durch seine Überschwemmungen aus solcher Not, wenn seine Fesseln gelöst werden." Und bezüglich der erfolgten Sintfluten heißt es: "Wenn dagegen die Götter die Erde, um sie zu läutern, mit Wasser überschwemmen [..., werden] die bei euch wohnenden [...] von den Fluten ins Meer fortgerissen. Hierzulande aber ergießt sich weder dann noch bei anderen Gelegenheiten Wasser von oben her über die Fluren, sondern es pflegt von Natur aus von unten herauf sich zu erheben. Daher und aus diesen Gründen erhält sich bei uns die Geschichte lebendig und ist das Älteste, was man erzählt." (Timaios 22c, 22d)

Bei dieser Darstellung wird einerseits - vermutlich nicht zu Unrecht - die relativ 'katastrophensichere' geographische Lage des 'Zweiten Ägypten' betont, andererseits unterschlägt der hier zitierte alte Priester jedoch die Tatsache, dass es offenbar kaum eine Kontinuität zwischen jenen "ägyptischen" Zeitgenossen des primhistorischen Atlantis und dem späteren Pharaonen-Reich gab. Wenn das hier skizzierte, erste Ägypten tatsächlich existiert haben sollte, dann kann der 'Fackelstab der Zivilisation' keineswegs auf direktem Weg von den "Göttern" der Vorzeit an die ersten, prädynastischen Herrscher des späteren Pharaonen-Reichs weitergegeben worden sein, wie es z.B. der hellenische Historiker Diodorus Siculus in seinem 'Traktat über Isis' [4] nahelegt, sondern es muss auch hier einen 'Hiatus' gegeben haben, eine Schwellenzeit, nach deren Verlauf die Nachkommen ehemaliger Nachbarn des 'Osiris-Empire' nur noch über eine fragmentarische, stark mythisierte Erinnerung an die prädiluviale Welt verfügten.


Fortsetzung:


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Joseph S. Ellul, nach: David Hatcher Childress, "Lost Cities of Atlantis , Ancient Europe & the Mediterranean", Adventures Unlimited Press, 1996, Seite 206
  2. Quelle: ebd.
  3. Quelle: Hubert Zeitlmair, "Die Säulen von Atlantis - MALTA", Ancient Mail Verlag (Groß Gerau), 2001, S. 104
  4. Anmerkung: eine englischsprachige Fassung dieser Abhandlung finden Sie mit dem Titel Diodorus Siculus on Isis (Library of History I.13-27), online unter http://duke.usask.ca/~niallm/252/Diodisis.htm

Bild-Quellen:

4) http://www.sden.org/jdr/whitewolf/momie/images/osiris.jpg
5) Präastronautikwelt, Atlantis
6) Wikimedia Commons, unter: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Egypt_Nil.jpg