Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis« (3)

Die Atlantis-'Diskussion' vom 26. Oktober 1953 in Schleswig

von Pastor Jürgen Spanuth (editiert von Bernhard Beier)

Der nächste Schritt der "Aktion »Gripp contra Atlantis«" bestand in dem Versuch, Spanuth nun öffentlich, quasi coram publico zu 'demontieren'. Darüber berichtet Spanuth in seinem Papier aus dem Jahr 1964 folgendes:

Abb. 1 Schloss Gottorp in Schleswig. Hier fand am 26. Oktober 1953 eine inszenierte Veranstaltung statt, auf der Jürgen Spanuth, den man unter Vorspiegelung falscher Tatsachen als Referenten eingeladen hatte, vor großem Publikum öffentlich 'demontiert' werden sollte. Diese abstoßende Schmierenkomödie stellte einen der Höhepunkte der Aktion »Gripp contra Atlantis« dar.

"Am 28. 9. 1953 erhielt ich von dem Leiter der >Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung< [Schleswig; bb], Herrn P. Ingwersen [1], folgende Einladung: >Sehr geehrter Herr Pastor Spanuth! Namens der 'Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung' frage ich ergebenst an, ob sie bereit sind, am Montag, d. 26. Oktober in unserem Kreis über Ihre Atlantis-Forschung zu sprechen. Ich nehme an, dass sie etwa 1 1/2 bis 2 Stunden brauchen. Mit freundlichen Grüßen, ihr sehr ergebener Ingwersen<.

Ich kannte diesen Kreis von früheren Veranstaltungen her und schrieb am 30. 9. 1953 an Herrn Ingwersen: >Herzlichen Dank für Ihre freundliche Einladung. Ich werde sehr gerne vor Ihrem Kreis über meine Atlantisforschungen am 26. 10. sprechen. Ich werde etwa 100 Dias mitbringen. Ich möchte Sie bitten, eine Projektionsleinwand im Vortragsraum aufstellen zu wollen. Ich hoffe, mit dem so umfangreichen Thema in zwei Stunden fertig werden zu können. Mit herzlichen Grüßen, Ihr sehr ergebener J. Spanuth<. Ich hörte nun nichts mehr von Ingwersen, ebenfalls hörte ich nichts mehr von Gripp. Ich hoffte, dass mit meiner Erklärung [2] die Angelegenheit beendet sein würde.

Als ich am 26. Oktober 1953 um 10,00 Uhr zur vereinbarten Zeit in Schleswig eintraf, wurde ich in den grössten Saal des Schlosses Gottorp (Abb. 1) geführt. Ich sah, dass die Stühle der ersten Reihe für zahlreiche führende Persönlichkeiten des Landes Schleswig-Holstein (Ministerpräsidenten, Kultusminister, Rektor der Universität [3] usw. usw.) reserviert worden waren. In der zweiten Reihe sass Professor Gripp und die Professoren Weyl, Diller, Otto, Hofmann, Schwantes, Sprockhoff, Jankuhn, Schott, Wetzel, die Dozenten oder Assistenten Schwabedissen, Kagelmann, Bantelmann, Schüttrumpf, Böhnecke. Ich nahm an, dass man mich in den falschen Raum geführt habe, denn niemand hatte mich von dem Aufmarsch dieser Herren unterrichtet. Daher verliess ich den Saal, um den Raum der >Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung< aufzusuchen. Man erklärte mir aber, dass ich im richtigen Saal gewesen sei und dort mein Vortrag stattfinden solle.

Herr Ingwersen eröffnete sichtlich betreten über seine Irreführung die Versammlung und erklärte, dass ich
n i c h t, wie er mir geschrieben hatte, 1 1/2 bis 2 Stunden für meinen Vortrag Zeit hätte, sondern nur 10-15 Minuten. Ich bat, wenigstens alle Dias zeigen zu dürfen, weil diese das wichtigste und eindrucksvollste Beweismaterial für meine Thesen darstellen. Da sprang Gripp auf und rief erregt: >Wir haben keine Zeit für diesen Blödsinn!< (Wortlaut nach dem Stenogramm meiner Tochter Christa und nach meinem eigenen Stenogramm). Ich konnte nur ganz kurz sagen, dass ich aus Zeitmangel nur meine 6 Grundthesen vortragen könne. Ich bat die Herren, sich mit diesen 6 Grundthesen befassen zu wollen und nicht mit nebensächlichen Fragen, die für das ganze Problem bedeutungslos seien. >Schiessen Sie nicht ins Blaue oder auf Federn, sondern treffen Sie ins Leben, ins Herz des Problems. Es gibt kein Buch, in dem diese oder jene nebensächliche Frage nicht kritisiert werden könnte. Eine Kritik an nebensächlichen Fragen würde dieses Riesenaufgebot an gelehrten Herren nicht rechtfertigen. Bleiben Sie also bei der Sache! Treffen Sie den Vogel ins Herz - wenn Sie können, und widerlegen sie meine 6 Grundthesen!< Diese 6 Grundthesen stellte ich dann auf. Man kann Sie in meiner Entgegnung an Gripp: '...und doch; Atlantis enträtselt!' S. 5-6 nachlesen.

Nach einiger Zeit wurde mir mitten im Vortrag das Wort entzogen, dann begannen die obenerwähnten Herren ohne Rücksicht auf die von mir vorgetragenen 6 Grundthesen, ihre vorher ausgearbeiteten Manuskripte vorzulesen. Mit einer kurzen Unterbrechung etwa um 13 Uhr dauerten diese Ausführungen Gripps und seiner Anhänger bis gegen 18.00 Uhr. Dann, als alle Zuhörer ermattet waren, bekam ich zum Schluss noch für etwa 10 Minuten das Wort zu einer Entgegnung, in der ich nur kurz folgendes feststellte: >Ich stelle fest, dass Sie den Vogel n i c h t ins Herz getroffen haben. Der Kern der Sache wurde n i c h t angerührt. Der Kern der Sache sind meine 6 Grundthesen. Ich bin der Überzeugung, wenn vielleicht Federn geflogen sind: Der Vogel fliegt weiter!<

Während der Ausführungen Gripps und seines Gefolges war ich etwa zehnmal aufgesprungen und hatte gerufen: >Das habe ich nicht behauptet< oder >Das Gegenteil von dem, was Sie jetzt sagen, haben Sie, Herr Professor, selbst geschrieben!< Immer wieder war ich vor allem von den Herren Gripp, Schott und Weyl niedergebrüllt und am Weiterreden gehindert worden. Als Sprockhoff sogar die Behauptung aufstellte, ich hätte die Verbreitungskarte der >gemeingermanischen Griffzungenschwerter geändert<, es hiesse tatsächlich >gemeine Griffzungenschwerter<, hatte ich gebeten, ein Dia, das ich aus Sprockhoffs Buch mit der Unterschrift >Verbreitung des gemeingermanischen Griffzungenschwertes Um etwa 1200 c. [?] Chr.Geb.< angefertigt hatte und bereithielt, zeigen zu dürfen, wurde mir das untersagt." [4]



Fortsetzung: »Fälschungen, Unterschiebungen, Unwahrheiten, Verfälschungen«

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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Vermutlich handelt es sich um Dr. Peter Ingwersen, über den es in einer Beständeübersicht des Landesarchivs Schleswig-Holstein kurz heißt: "Dr. Peter Ingwersen wurde am 6. Dezember 1885 in Flensburg geboren. Er war Lehrer, Oberregierungs- und -schulrat und verstarb am 15. Februar 1958 in Schleswig." (Quelle; abgerufen: 19. Okt. 2017)
  2. Siehe: Jürgen Spanuth / red, "Presseerklärung vom 14.9.1953 - Ein Dokument zum 'Wissenschafts'-Streit um den 'Atlantis-Pastor' (Jürgen Spanuth)"
  3. Anmerkung: Laut Wikipedia war der Mathematiker Karl-Heinrich Weise (1909-1990) in den Jahren 1952/1953 Rektor der Universität Kiel. (Quelle; abgerufen: 19. Okt. 2017)
  4. Quelle: Jürgen Spanuth, "Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis«" (unveröffentlichtes Manuskript), West-Bordelum, 04. 10. 1964, S. 12-14

Bild-Quelle: