Die gravierte Muschel aus der Red Crag Formation, England

Eine Schnitzerei aus dem späten Pliozän?

Einige Bemerkungen von Michael Cremo zu diesem vermutlich 2 bis 2,5 Millionen Jahre alten Spezimen

Abb. 1 Diese - nach einem Original-Foto angefertigte - Darstellung der gravierten Muschel aus der Red Crag Formation, über deren Entdeckung bei Walton-on-the-Naze in Essex der Privatgelehrte (Paläonthologe und Fossiliensammler) Henry Stopes 1881 berichtete, wurde 1913 von seiner Tochter, Dr. Marie Stopes, veröffentlicht.

(red) Im Jahr 1881 berichtete Henry Stopes, F.G.S. (Fellow of the Geological Society), auf einem Treffen der British Association for the Advancement of Science über die Entdeckung einer Muschel (Pectunculus glycimeris, Linn.) (Abb. 1) bei Walton-on-the-Naze in der Grafschaft Essex.

Was dieses Exemplar so bemerkenswert macht, ist das krude Gesicht, das eindeutig von Hand in die Oberseite der Muschel geschnitzt wurde, in Verbindung mit der Tatsache, dass sich sein Fundort in der geologischen Red Crag Formation befindet, einer Serie mariner Ablagerungen aus dem Pliozän und frühen Pleistozän in East Anglia, UK. Seiner stratigraphischen Datierung zufolge muss das Spezimen also zwischen ca. 2,0 und 2,5 Millionen Jahren alt sein. Dies wiederum legt nahe, dass bereits während dieses Zeitraums Menschen im Gebiet des heutigen England lebten. Dazu machte der international bekannte Krypto-Anthropologe Michael A. Cremo in seiner Kolumne 'The Forbidden Archaeologist' (Abb. 3) im Magazin Atlantis Rising im Jahr 2010 folgende Anmerkungen:

"Das ist außergewöhnlich. Nach dem heutigen Verständnis des [akademischen] Mainstreams traten die ersten symbolischen Markierungen durch Menschen vor weniger als 100.000 Jahren auf. Eines der frühesten Beispiele, die von Mainstream-Wissenschaftlern anerkannt werden, sind die markierten Knochen aus der Blombos-Höhle in Südafrika. Diese markierten Knochen sind etwa 77.000 Jahre alt. Die beschnitzte Muschel aus der Red Crag Formation zeigt jedoch, dass Menschen, die zu symbolischen Markierungen fähig waren, schon etwa 2 Millionen Jahre davor existierten.

Doch was ist mit der Möglichkeit, dass, obwohl die Muschel selbst wirklich alt ist, das Gesicht erst vor kurzem geschnitzt wurde? Henry Stopes hat diese Möglichkeit in seinem Bericht angesprochen und zurückgewiesen. Er bemerkte, dass die Muschel eine rötlich-gefleckte Farbe habe und dass die Marken auf der Muschel die gleiche Art und den gleichen Grad von Verfärbung aufwiesen. Stopes schrieb: >Jede Muschel, die jetzt angeschnitten wird, zeigt [sich] weiß und nimmt nicht leicht selbige Farbe an.< [1]

Abb. 2 Einige durchbohrte Muscheln aus der Blombos-Höhle in Südafrika. Dort ebenfalls entdeckte beschnitzte Knochen mit menschlichen Bearbeitungsspuren werden auf ein Alter von ca. 77.000 Jahren datiert. Sie sind die ältesten von Menschen symbolhaft bearbeiteten Objekte, deren Authentizität vom fachwissenschaflichen Mainstream akzeptiert wird.

Wie wurde nun der Bericht von Henry Stopes über die beschnitzte Muschel von seinen Mitwissenschaftler-Kollegen aufgenommen? Marie Stopes, die Tochter von Henry Stopes und selbser Geologin, schrieb in einem Artikel im Geological Magazine (Juni 1912, S. 285-286), dass es >1881, als Henry Stopes [das Spezimen] auf einer Sitzung der British Association vorstellte, als abwegig angesehen wurde, dass der Mensch bereits zu einem so frühen Zeitpunkt hätte existieren können<. (S. 285) Im selben Artikel und in mehreren anderen verteidigte Marie Stopes als Geologin das extreme Alter der beschnitzten Muschel.

In einem dieser Artikel [2] lieferte Marie Stopes zusätzliche Details zur Entdeckung und den Reaktionen von Wissenschaftlern auf den kurzen Bericht von Henry Stopes. Sie schrieb (S. 324): >Ich habe oft sehr bedauert, dass mein Vater selbst vor Jahren keine vollständige und illustrierte Darstellung der Muschel veröffentlicht hat. Aber als er erstmals seine Ansichten über das [hohe] Alter des Menschen vorbrachte und unter anderem die Muschel als Beweis für seine Ansichten in Anspruch nahm, wurde er sogar von den meisten der 'fortschrittlichen' Wissenschaftler seiner Zeit derart verspottet und geschmäht, dass er sich damit zufrieden gab, die Angelegenheit in Erwartung einer zukünftigen Bestätigung ruhen zu lassen.<

Abb. 3 Die erste Seite des hier auszugsweise zitierten Artikels The Red Crag Carved Shell: Found and Lost aus seiner Kolumne 'The Forbidden Archaeologist' bei Atlantis Rising

In einer Rede vor dem Dulwich Eclectic Club im Jahre 1887 schrieb [3] Henry Stopes: "Ein Geologe und Freund von mir fand eine Muschel, auf der ein menschliches Gesicht grob eingraviert war. Aus Furcht vor den Konsequenzen für die christliche Orthodoxie, wenn bewiesen würde, dass tatsächlich schon Menschen lebten, als diese Ablagerung gebildet wurde, dachte er, dass es am besten wäre, diese Muschel zu zerstören. Zum Glück hat er es nicht getan. Er konsultierte mich mit dem Ergebnis, dass sie in meinen Besitz kam, und heute Abend ist sie hier. Sie wurde von ihm aus der Oberfläche [orig: "from the face"; d.Ü.] des Red Crag bei Walton-on-the-Naze an der Küste von Essex geborgen.<

1913 gründete die Prehistoric Society of East Anglia ein spezielles Komitee, um die beschnitzte Muschel zu untersuchen. Das Komitee bestand aus Dr. Allen Sturge (Präsident der Gesellschaft), J. Reid Moir [4] (Mitglied der Geologischen Gesellschaft), W. G. Clarke (Sekretär der Gesellschaft) und W. H. Rowell (Mitglied der Linnaean Society). Das Komitee hatte die beschnitzte Muschel zu untersuchen, und auch Marie Stopes war anwesend, um die Sicherheit des wertvollen Spezimens zu gewährleisten. Nach ihrer Untersuchung schrieben die Mitglieder des Komitees, dass sie >einstimmig der Meinung seien, das Gewicht der Beweise spreche für ein pliozänes Alter der menschlichen Bearbeitung der Muschel<. Dies konnten sie zwar nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen, aber es ist eben die Natur wissenschaftlicher Arbeit, dass sie stets ein Stück weit vorläufig ist, und abhängig von weiteren Forschungen.

Solche weiteren Forschungen wären sehr hilfreich, wenn die geschnitzte Muschel nun gefunden werden könnte. Bis jetzt hat es sich als unmöglich erwiesen, sie zu lokalisieren. Zusammen mit dem Forscher Richard Dullum habe ich versucht herauszufinden, wo [sie] sich jetzt befindet. Ich erfuhr, dass eine Kollektion von Artefakten aus der Sammlung von Henry Stopes einem Museum in Cardiff, Wales, übergeben worden war. Vor kurzem hat ein Team der Abteilung Archäologie der Universität Southampton in England diese Sammlung katalogisiert. Ich fragte Francis Wenban-Smith, den Leiter des Teams, ob er die beschnitzte Muschel in der Sammlung gefunden habe. Er schrieb mir zurück, dass er [...] nicht wisse, wo sie sein könnte. Richard Dullum hat eine weitere Spur verfolgt. Harry Stopes-Roe, ein Sohn von Marie Stopes, lebt heute noch. [5] Er ist gegenwärtiger Präsident [6] der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union, die von Marie Stopes gegründet wurde. Richard Dullum hat durch den Sekretär des IHEU versucht, sich mit Harry Stopes-Roe bezüglich des gegenwärtigen Verbleibs der beschnitzten Muschel in Verbindung zu setzen. 1913 war die Muschel noch vorhanden. Wir haben eine diesbezügliche Aufzeichnung. Angesichts seiner Bedeutung für Henry Stopes und seine Tochter Marie Stopes sind wir zuversichtlich, dass die beschnitzte Muschel irgendwo im Besitz der Familie Stopes ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Richard jedoch keine Antwort von Harry Stopes-Roe erhalten. [...]

Henry Stopes schrieb 1887 [7], dass der >Mensch, wie sicherlich bewiesen werden wird, so alt wie der Crag ist.< Und noch älter, sage ich." [8]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung des Übersetzers: Im englischsprachigen Original-Text heißt es: “Any shell now cut shows white and does not readily take the same colour.” Mit "the same colour" ist vermutlich die rötliche Tönung gemeint.
  2. Siehe: Marie Stopes, "The red crag shell portrait", in: Proceedings of the Prehistoric Society of East Anglia 1 (Part III), 1913, S. 323-326
  3. Siehe: Marie Stopes, op. cit. (1913), S. 324
  4. Red. Anmerkung: Der britische Archäologe und Geschäftsmann J. Reid Moir (1879-1944) gehörte - neben Aimé Louis Rutot und Hermann Klaatsch – zu den seinerzeit profilierten Verfechtern der Ansicht, dass es sich bei den so genannten Eolithen um Beweise für eine sehr frühe, vorpaläolithische Existenz des Menschen handelt.
  5. Red. Anmerkung: Harry Stopes-Roe ist zwischenzeitlich (am 11. Mai 2014) verstorben
  6. Red. Anmerkung: Seit 2015 ist der Pseudoskeptiker Andrew Copson Präsident der IHEU.
  7. Siehe Marie Stopes, op. cit. (1913), S. 325)
  8. Quelle: Michael A. Cremo, "The Red Crag Carved Shell: Found and Lost", in Atlantis Rising, Mai/Juni 2010 - #81 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach der Online-Version des Artikels in der 'Library' von atlantisrisingmagazine.com; abgerufen am 27. Okt. 2017)

Bild-Quellen:

1) Marie Stopes, "The red crag shell portrait", in: Proceedings of the Prehistoric Society of East Anglia 1 (Part III), 1913, S. 285; nach: Forbidden Krowledge, Abschnitt: Carved Shell from the Red Crag, England, between 2.0 and 2.5 million years old, bei bibliotecapleyades.net
2) Chenshilwood (in der Wikipedia auf Englisch) bei Wikimedia Commons, unter: File:BBC-shell-beads.jpg
3) Michael A. Cremo, "The Red Crag Carved Shell: Found and Lost", in Atlantis Rising, Mai/Juni 2010 - #81