Diffusionismus

Abb. 1 Der norwegische Naturforscher Dr. Thor Heyerdahl (1914-2002) gehört zu den zentralen Persönlichkeiten des modernen Diffusionismus.

(red) Der moderne [1] Diffusionismus ist ein durchaus heterogenes Ideengebäude zur Erklärung kultureller und zivilisatorischer Entwicklung des Menschen sowie zur Entstehung so genannter 'Hochkulturen', vor allem durch Untersuchung der Weiterverbreitung und der, mit ihr einher gehenden, Veränderung bestimmter Kulturelemente.

Im Gegensatz zum - im universitären Bezirk schulwissenschaftlicher Ethnologie derzeit vorherrschenden - Modell des 'Isolationismus' [2] wird dabei Interaktion als grundlegende Triebkraft kultureller Entwicklungsprozesse verstanden: "Nach diffusionistischer Auffassung ist jede kulturelle Höherentwicklung [...] ein Produkt aus übergreifenden Kontakten." (Naudiet, 1996) Der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich, sieht, "in jeder neu entstandenen Hochkultur ein »ethno-linguistisches und kulturelles Amalgam«. In diesem Begriff verbinden sich Ethnie, Sprache und Kulturausdruck zu einer spürbaren Einheit. Betrachten wir die frühen und auch heutigen Kulturen der Erde, so wird unvermittelt deutlich, dass kulturelle Entwicklung prinzipiell diffusionistisch angelegt sein muss". (Def. nach Naudiet [3], Friedrich [4] und Beier [5])

Zu den herausragenden Repräsentanten des modernen Diffusionismus des 20. und 21. Jahrhunderts gehören neben Thor Heyerdahl (Norwegen) (Abb. 1) u.a. auch George F. Carter, Gordon F. Ekholm, Barry Fell und Ivan van Sertima (USA), Peter Marsh (Australien), Paul Gallez (Argentinien), Robert von Heine-Geldern und Christine Pellech (Österreich) [6], Alexander von Wuthenau, Paul Kirchhoff, Josefine Huppertz, Horst Friedrich und - für die nachrückende Forscher-Generation - Dominique Görlitz (Deutschland).

Die - von Isolationisten - häufig kolportierten Behauptungen, die Annahme weltweiter kultureller Diffusionsprozesse während prä- und protohistorischer Perioden (vulgo häufig auch als "Hyper-Diffusionismus" deklariert) müsse "vor allem mit einer Ideologie von unterschiedlicher Wertigkeit von Kulturen und dementsprechend mit Herrschaftsansprüchen in Zusammenhang gesehen werden" [7], oder der Diffusionismus sei tendentiell 'rassistisch' motiviert [8], sind - was die heutige Forschungslandschaft betrifft - völlig substanzlos und entsprechen nachweislich nicht den Tatsachen. [9]


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Stichwort: Diffusionismus


Anmerkungen und Quellen

  1. Anmerkung: 'modern' im Gegensatz zum 'klassischen', heliozentrischen Diffusionismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Vergl. dazu: Historische Forscher-Persönlichkeiten des Diffusionismus (Gail King und Megan Wright)
  2. Anmerkung: Zur historischen Kontroverse zwischen Diffusionismus und Isolationismus vergl. auch: Geschichte des Niedergangs der Diffusions- und Migrations-Theorien (Michael Arbuthnot)
  3. Vergl.: Wie entstehen Hochkulturen? Aktualisierende Betrachtungen zur Kulturmorphologie (Armin Naudiet,), 1996
  4. Vergl.: Dr. Horst Friedrich, "Die Entstehung von Ober- und Unter-Ägypten in diffusionistischer Sicht" (1995)
  5. Vergl.: Der Diffusionismus - Zur Diskussion eines umstrittenen Konzepts - Teil I und Teil II (Bernhard Beier)
  6. Anmerkung: Dr. Christine Pellech ist u.a. Herausgeberin der derzeit vermutlich wichtigsten diffusionistischen Online-Publikation Migration & Diffusion (in englischer Sprache) mit explizit wissenschaftlichem Anspruch.
  7. Quelle: Ursula Thiemer-Sachse: "Max Uhle und seine Ideen über den Ursprung der vorspanischen andinen Kulturen" (ohne Angaben zur Originalveröffentlichung als PDF-Datei bei: Ibero-Amerikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz; abgerufen: 04.09.2011)
  8. Siehe etwa: Jason Colavito, Lost Civilizations Uncovered - Atlantis, Mu and the Maya - Early theories attributing Mesoamerican civilization to lost civilizations continue to deprive Native Americans of their cultural legacy today (abgerufen: 04.09.2011
  9. Siehe dazu: Rote, gelbe, schwarze und weiße Präkolumbier - Eurozentrisch-rassistischer Diffusionismus? (bb)


Bild-Quelle

Wikimedia Commons, unter: File:ThorHeyerdahl.jpg