Ein Zeusenkel über Atlantis

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Bemerkungen zur 'Atlantisforschung' des Karl Georg Zschaetzsch

von Alexander Bessmertny (1932)

Abb. 1 Karl Georg Zschaetzschs Weltkarte mit Atlantis im Atlantik

Jedes große Ereignis der Geschichte findet seine parodistische Wiederholung. so gibt es auch in der Atlantisliteratur ein Buch, das nur als Parodie auf jede ernsthafte Untersuchung, als Groteske zum platonischen Atlantismythos betrachtet werden kann: das Atlantisbuch [1] von Karl Georg Zschaetzsch (Abb. 2), der schon früher eine Forschungsergebnisse in seinem Buch "Herkunft und Geschichte des arischen Stammes" eingehend behandelt hat. Aus wirklicher Kenntnis mythischen Materials, aber ohne allen kontrolierenden Verstand ist hier ein groteskes Gemisch von Phantastik und Banalität zustande gekommen und es würde sich nicht lohnen, auf dieses Produkt zurückzukommen, wenn der Atlantisgedanke nicht auch durch diesen Nebel hindurchleuchtete.

Zschaetzsch nimmt an, daß Atlantis zwischen Europa und Amerika lag (Abb. 1) und die Urheimat der blonden und blauäugigen Arier war. Das letzte der Weltalter wurde durch [den] Untergang von Atlantis beendet, wo die Atlantier, also die Arier, seit Beginn der Weltalter in Zucht und Ordnung lebten. Durch den Sintbrand, den durch einen Kometen verursachten Feuerhagel, wurde der südliche Teil von Atlantis vernichtet. Es retteten sich nur drei arische Menschen: Wotan, Wotans Schwester und deren Tochter. Die Schwester gebiert während des Sintbrandes ein Kind, und von diesem Kind stammen die überlebenden Arier ab.

Abb. 2 Der Ario-Atlantist Karl Georg Zschaetzsch
(* anno 1870 - † unbek.)

Der seinem Wunschbild nachjagende Verfasser weiß über die Vergangenheit auf's genaueste Bescheid. Platons Atlantis, das biblische Eden und urgeschichtliche Mythen amerikanischer Völker fügen sich bei ihm, der von Erfüllungszwang bedrängt ist, wie selbstverständlich zur arischen Urgeschichte zusammen. Nach dem "Bewässerungsbetrieb" in Eden-Atlantis schildert er ausführlich die Ernährung der Arier: "Das Essen von Fleischnahrung ist unter der arischen Bevölkerung erst in der nachsintbrandlichen Zeit aufgekommen, als durch zugewanderte Nichtarier und Mischlinge aus den Siedlungen auf Atlantis selbst, eine Mischbevölkerung entstanden war, welche die Gewohnheiten ihrer nichtarischen Vorfahren nicht ganz ablegen konnte. Während die nichtarischen Rassen alles verzehrten, was zur Füllung des Magens und zur Sättigung dienen konnte, hatten die Arier bis dahin nur von Pflanzenkost gelebt, die zudem sorgfältig auf ihre Bekömmlichkeit hin ausgesucht war.

Abb. 3 Die große Ebene von Atlantis mit dem Weltenbaum Yggdrasil nach K.G. Zschaetzsch

Als sie nun später Fleischnahrung versuchten, stellte es sich heraus, daß dieselbe nicht nur der Gesundheit weniger zuträglich war, sondern daß sich, je nach Genuß der verschiedenen Arten, mehr oder weniger Beschwerden einstellten, die eine Beschränkung des Fleischgenusses und bei manchen Arten ein völliges Verbot rätlich erscheinen ließen. Es wird infolgedessen zu Erlässen gekommen sein, die manche Fleischarten direkt verboten, und bei anderen die Unterbrechung des Fleischgenusses für eine gewisse Zeit vorschrieben, d.h. Fasten anordneten. Die Wohltätigkeit des Fastens und der Enthaltsamkeit in jeder Beziehung wird vermutlich schon von früher her in Atlantis bekannt gewesen und ausgeübt worden sein". -- Die Speisegesetze, welche man daher bei den verschiedenen Völkern antrifft, gingen somit teilweise auf diese alten atlantischen Vorschriften zurück.

Vor dem Sintbrand war nach Zschaetzsch übrigens der Hauptsitz der Verwaltung mitten in der großen Ebene (Abb. 3), später aber wurde er in die Gegend von Yggdrasil und des Wurdbrunnens im nördlichen Atlantis verlegt, wo er als Idafeld wieder erscheint. in der dann beginnenden Zeit zwischen Sintbrand und Sintflut wurde die Kalenderveränderung vorgenommen, die dann später von den Ariern nach Germanien gebracht wurde, wo bereits vor Einführung des Christentums der Montag als Feiertag galt. Darum spricht man heute noch vom 'blauen Montag', weil blau die heilige Farbe war.

Abb. 4 Das Frontcover von Karl G. Zschaetzschs skurrilem Atlantisbuch aus dem Jahr 1922

Dieser puritanische Atlantisforscher erzählt, daß durch ein Mädchen namens Heid [, das] die Kunst des Sudens, d.h. des Brauens verstand, und [das] von nichtarischer fremder Herkunft war, berauschende Getränke in Atlantis bekannt wurden. Auch die Geschichte von Eva und der verbotenen Frucht erklärt sich so ganz einfach: "In der Bibel ist es nun Eva, die durch den Genuß einer vebotenen Frucht eine derartige Sünde begeht, daß sie nebst ihrem Mann aus dem Paradiese verjagt wird. Durch das Essen einer ungiftigen Frucht konnte kein Unheil angestiftet werden, wohl aber durch die Sudkunst, durch die Herstellung von berauschenden Getränken schon unsägliches Unheil angerichtet werden. Es wird sich demnach wohl um eine Frucht, vielleicht sogar um Weintrauben, handeln, die statt sie frisch zu essen, mal versuchsweise ausgepreßt wurden. Nach einem solchen Versuch läßt sich die Erfindung eines berauschenden Getränkes leicht verstehen, denn ausgepreßter Saft geht nach kurzer Zeit in Gärung über und wirkt dann berauschend."

Nach einer unvermittelt angeführten peruanischen Quelle wird dann erzählt, daß der atlantische Fürst Cnexteco bei einer solennen Kneiperei gelegentlich eines Festes auf dem Schaunberg, sich so betrunken habe, daß er seine Scham entblößte. "Dieser bis dahin einzig dastehende Vorfall veranlaßte dann die Arier, dem ganzen Treiben durch Ausweisung aus dem Idafeld ein Ende zu machen." Die Ausgewiesenen, "wohl Tursen" -- also keine Arier -- sondern Stammesangehörige des bösen Mädchens Heid, büßten ihr verdientes Schicksal damit, daß sie in den bergigen und wenig fruchtbaren Gegenden von Atlantis "im Schweiße ihres Angesichts den Acker bestellen mußten."

Komisch ist auch die Stelle, wo unser Forscher davon spricht, daß der Atlantisbegründer 'Poseidon' mit dem Meergott Poseidon nichts zu tun habe und er im Anschluß daran den Platonischen Bericht zu korrigieren weiß: "Die Nachricht, daß, als Kleito herangewachsen war, ihr Vater und Mutter starben, stimmt nicht ganz, denn die Mutter hauchte kurze Zeit nach dem Aufhören des Feuerregens ihr Leben aus, indessen der Pflegevater noch lange lebte und nicht nur seinen Pflegesohn, sondern vermutlich auch noch dessen Kinder in der vorsintbrandlichen Wissenschaft unterrichtet hat ... Derartige Unstimmigkeiten, die bei mündlicher Weitergabe gar nicht zu vermeiden waren, kommen noch weiterhin vor, sie lassen sich aber durch eine Vergleichung mit anderen Mythologien leicht richtig stellen." Also: Hier irrt Plato!

Zschaetzsch führt schließlich aus, dass die Atlantier Kolonien in Europa gegründet haben und daß eines dieser Kolonistenvölker die alten Hellenen gewesen seien. ein hervorragender Führer der Hellenen sei 'Zeus' gewesen, dessen Familie, die ebenfalls 'Zeus' hieß, nach Germanien ausgewandert sei. Überraschend kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, daß sein eigener Name, 'Zschaetzsch', nur eine verdorbene Abwandlung von 'Zeus' sei und wir sehen zum Schluß, daß alle Götter, Völker und Persönlichkeiten der Frühgeschichte mobilisiert wurden, um schließlich nur zu erweisen, daß der Verfasser ein Zeussohn sei. Auf diese Vermutung wären wir [...] allerdings kaum gekommen. (Ähnliches finden wir nur bei Wendrin, der durch einen Versuch, das Paradies in Mecklenburg nachzuweisen, die Welt erheitert hat. [2])


Siehe zu diesem Thema auch:


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag wurde Alexander Bessmertnys Buch "Das Atlantisrätsel - Geschichte und Erklärung der Atlantishypothesen" (Kapitel: "Ein Zeusenkel über Atlantis", S. 148-151) entnommen, das 1932 im Verlag R. Voigtländer, Leipzig, publiziert wurde. Bei Atlantisforschung.de erscheint er in einer redaktionell bearbeiten Online-Fassung als wissenschaftsgeschichtliche und atlantologie-historische Dokumentation zu Studien- und Forschungszwecken.

Fußnoten:

  1. Siehe: Karl Georg Zschaetzsch, "Atlantis: Die Urheimat der Arier", Arier-Verlag, Berlin, 1922
  2. Siehe: Franz von Wendrin, "Die Entdeckung des Paradieses", Verlag Germanische Welt, 1926

Bild-Quellen:

1) Metilsteiner bei Wikimedia Commons, unter: File:ZSCHAETZSCH(1922) Karte von Atlantis im Atlantischen Ozean.jpg
2) Karl Georg Zschaetzsch, "Herkunft und Geschichte des arischen Stammes", Arier-Verlag, 1920; Bild-Archiv Atlantisforschung.de
3) Roxanna bei Wikimedia Commons, unter: File:Zschaetzsch Atlantis Urheimat der Arier.jpg
4) Karl Georg Zschaetzsch, "Atlantis: Die Urheimat der Arier", Arier-Verlag, Berlin, 1922; Bild-Archiv Atlantisforschung.de