Eiszeiten und Kometen

von Prof. Sir Fred Hoyle

Abb. 1 Noch vor dreizehntausend Jahren waren weite Gebiete der Erde von einem gewaltigen Eispanzer bedeckt, wie er heute über großen Teilen des tristen antarktischen Kleinkontinents liegt.

[...] Noch vor dreizehntausend Jahren war die Gegend, die wir heute als New York kennen, von einigen hundert Metern Eis bedeckt, ebenso, wie es auch während des größten Teils der vergangenen hunderttausend Jahre der Fall war. Dann verschwanden plötzlich die Gletscher Skandinaviens und Nordamerikas. In Großbritannien schoß die sommerliche Durchschnittstemperatur innerhalb weniger Jahrzehnte von 8 Grad Celsius auf 18 Grad Celsius hoch, was vom entwicklungsgeschichtlichen Standpunkt einer blitzartigen Veränderung entspricht.

Woher haben wir diese Kenntnisse? Sie stammen von Käfern. Falls das etwas ironisch geklungen haben sollte, so möchte ich jetzt ein wenig für den Ausgleich sorgen - indem ich meine Stimme für die Käfer erhebe, insbesondere für die britischen Käfer. Die einzelnen Käferarten entwickeln sich bei jeweils unterschiedlichen Temperaturen. Es gibt Arten, die bei 10 Grad Celsius gedeihen, aber nicht bei 8 Grad Celsius. Andere wiederum, die nur bei 12 Grad Celsius und nicht bei 10 Grad Celsius existieren können usw.

Die Schlammschichten, die sich jährlich am Boden der nicht vereisten Seen Südenglands absetzten, bilden einen Kalender von Ereignissen, der sich Jahr für Jahr ablesen läßt. Wenn man also die Schlammschichten sorgsam nach Überresten von Käfern absucht und dabei besonders die Temperaturempfindlichkeit der einzelnen Arten berücksichtigt, erhält man mittels dieses fossilen Thermometers die genauen Temperaturen, wie sie in den britischen Sommern vor 13 000 Jahren herrschten. Es zählt für mich zu den herausragenden Eigenschaften der menschlichen Rasse, daß sie einzelne Menschen hervorbringt, die bereit sind, ihr ganzes Leben lang Schlammschichten nach Käfern zu durchwühlen, um zu den eben geschilderten Erkenntnissen zu gelangen.

Ein ähnliches Ereignis fand vor etwa 40 000 Jahren statt. Damals kam es ebenfalls zu einer plötzlichen Erwärmung und einem ähnlich schnellen Abschmelzen der Gletscher Nordeuropas. In dieser Zeitepoche tauchte der Homo sapiens in Europa auf, ebenso wie die ersten Beispiele der wunderbaren Kunst der Höhlenmalerei. Aber in dieser frühen Phase hielt das wärmere Klima noch nicht an. Nach dem ersten Wärmeschub fielen die Temperaturen über mehrere tausend Jahre wieder bis zum voll ausgeprägten Eiszeitklima zurück.

Ein ähnlicher Abkühlungsprozess folgte auch nach der nächsten Wärmephase vor etwa 13 000 Jahren. Vor ca. 10 000 Jahren gab es wieder die alten Gletscher, wenn auch nicht im ursprünglichen Umfang. Im Norden Großbritanniens bedeckten sie die Bergspitzen, reichten aber nicht bis in die Täler. Zu dieser Zeit wurde die spektakuläre und wunderschöne Hochlandszenerie, die man in Schottland "upper corries" nennt, vom Eis ausgeformt - ich möchte behaupten, daß es sich mit den Bergen von New Hampshire ebenso verhält. Anschließend kam es zu einer weiteren Warmphase; wieder einmal stiegen die Temperaturen innerhalb einer Generation, was historisch gesehen einem kurzen Augenblick gleichkommt, um spektakuläre 10 Grad Celsius an.

Abb. 2 Der Mount Kea auf Hawaii war während des jüngsten Glazials völlig von Gletschereis bedeckt.

Mit diesem zweiten Wärmeimpuls schaffte es die Erde, aus der Eiszeit der letzten 100 000 Jahre in eine warme Periode zu gelangen, die eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der Geschichte unserer Zivilisation war. Bei der Beurteilung dieser Entwicklung geht es uns wie den Historikern, die sehr viele Fakten über vergangener Ereignisse zusammentragen, aber relativ wenig über die Ursachen dieser Ereignisse wissen. Es war denkbar schwierig, die Gründe für die Entwicklung der Eiszeiten herauszufinden. Tropische Berge, wie etwa der Mauna Kea in Hawaii, waren während der Eiszeiten von Gletschern bedeckt, was die Gültigkeit der in letzter Zeit populär gewordenen Theorien astronomischer Natur ausschließt, nach denen die Einstrahlung der Sonne auf die Erde im großen und ganzen konstant war. Die Eisbildung auf tropischen Bergen beweist vielmehr, daß sich die gesamte Erde wesentlich abgekühlt hatte.

Wenn man von einem Treibhausmodell ausgeht, bei dem das Reflexionsvermögen der Erde konstant bleibt, während die Menge an Wasserdampf deutlich absinkt, kommt man zu Klimabedingungen, wie sie in der Eiszeit herrschten. Diesem Modell folgend, käme es zu einem Abfall der Durchschnittstemperaturen von 10 Grad auf der ganzen Erde, währenddessen sich die Gletscher langsam aber unaufhaltsam, Millimeter um Millimeter, ausdehnen und die kühlen Ozeane nur sehr langsam verdampfen und so zum niedrigen Wasserdampfgehalt der Atmosphäre führen.

Diese Erklärung ist in sich selbst schlüssig, vorausgesetzt, daß die Erde damals genauso viel Sonnenlicht in den Weltraum zurückwarf wie heute. Genau an diesem Punkt ergibt sich jedoch ein Problem: Man würde nämlich bei weniger Wasserdampf in der Atmosphäre auch weniger Wolkenbildung und damit eine geringere Reflexion in den Raum hinaus zu erwarten, weil das dann besser zur Erde penetrierende Sonnenlicht einen kompensierenden Wärmeeffekt auslösen würde. Um das zuvor angenommene Erklärungsmodell nicht aufgeben zu müssen, muß man daher nach einer anderen Reflexionsquelle suchen, wie zum Beispiel einem Dunstschleier in der oberen Atmosphäre, wie er bekanntermaßen durch große Vulkanausbrüche erzeugt wird.

Der Ausbruch des Mount Tambora auf dem Malaiischen Archipel im Jahr 1815 führte im folgenden Jahr zu einer Mißernte im Staate New England, weil der durch kleinste hochgeschleuderte Partikel des Vulkans erzeugte Schleier der oberen Atmosphäre zu einer Abkühlung führte. Noch drastischere Folgen waren nach einem Vulkanausbruch im Jahre 535 zu beobachten, als die im Jahr danach eintretende Abkühlung zum Ausfall der Weinleese am Mittelmeer führte. Der von den Vulkanteilchen erzeugte Dunstschleier war damals so dicht, daß die Sonnenscheibe auch an klaren Tagen mit Ausnahme von ein oder zwei Mittagsstunden wie hinter einer Nebelwand verschwand.

Abb. 3 Die ständigen heftigen Vulkanausbrüche gegen Ende des Jungpleistozän bewirkten eine anhaltende Verdunkelung des Himmels.

Dieser Erklärungsversuch ist in sofern problematisch, als die vulkanischen Teilchenwolken unserer Zeit nur eine Lebensdauer von wenigen Jahren haben, weil sie vom Wasser aus der Atmosphäre ausgewaschen werden. Möglicherweise können solche Teilchenwolken unter trockeneren atmosphärischen Bedingungen jedoch wesentlich länger existieren. Eine andere Erklärungsmöglichkeit liegt darin, daß sich winzige Eiskristalle formen, so daß auch kleine Wassermengen zu einem wirksamen Dunstschleier führen könnten. Um solche Eiskristalle zu erzeugen, werden Temperaturen von -50 Grad Celsius benötigt, die, von Ausnahmen in arktischen Regionen abgesehen, glücklicherweise heutzutage nur selten vorkommen. Vielleicht war das aber während der Eiszeit anders. Schlußfolgernd läßt sich sagen, daß zur Entstehung einer Eiszeit eine Kombination von trockener Atmosphäre mit hochatmosphärischem Dunstschleier erforderlich zu sein scheint.

Meine Überlegungen beziehen sich jedoch im Wesentlichen nicht so sehr auf das Zustandekommen einer Eiszeit, als auf ihr Ende. Was kann dazu im Stande sein, eine klimatische Situation, die über zehntausende von Jahren andauert, in kurzer Zeit zu zerstören? Offensichtlich kommt nur irgendein katastrophales Ereignis in Frage, das den Dunstschleier in der oberen Atmosphäre beseitigt und den Treibhauseffekt genügend verstärkt, um die Temperaturen auf der Erde in kürzester Zeit um 10 Grad nach oben zu treiben, wie wir es anhand der Käferfossilien ablesen können.

Es wird aber noch komplizierter, weil die Temperaturen sich sehr bald wieder umkehren würden, sofern sich das kalte Meereswasser nicht ebenfalls ausreichend erwärmte; hierfür wird eine etwa zehnjährige Sonneneinstrahlung benötigt. Dies bedeutet also, daß die vom Treibhauseffekt erzeugte Wärmeperiode über wenigstens 10 Jahre anhalten muß, um die erforderliche Veränderung in den Meeren zu erzeugen. Das ist ziemlich genau die Zeitdauer, während der plötzlich in die Stratosphäre hochgeschleudertes Wasser in dieser Höhe verbleiben kann. Die hierfür benötigte Wassermenge ist so riesig, etwa eine Trillion Tonnen, daß hierfür nur eine mögliche Ursache denkbar erscheint, nämlich der Absturz eines Kometen in einen der großen Ozeane. Die Auswirkungen eines Vulkanausbruchs wären für die erforderlichen Effekte viel zu gering.

Wir wissen mit Sicherheit, daß viele solcher Kometeneinschläge die Geschichte der Erde bestimmt haben. Wenn sie auf dem Festland erfolgen, bilden sich nachweisbare Krater, wobei Felsgestein schmilzt und verdampft und kleine runde Glasstücke formt, die man Tektite nennt und die sich in großen Mengen weitgestreut um die Einschlagstellen herum finden. Das Erstaunliche daran ist, daß sich ein so gewaltiges Ereignis, das nur im Abstand von Millionen von Jahren vorkommt, erst so kürzlich, wie vor 13 000 Jahren, und dann erneut vor 10 000 Jahren ereignet haben soll.

Abb. 4 Ein gewaltiger Komet könnte nach Fred Hoyle vor etwa 15 000 Jahren zum Verursacher globaler Katastrophen auf der Erde geworden sein. (Foto: Eddy Echternach)

Dies wäre gewiß nicht möglich, wenn sich in den letzten 15 000 Jahren nicht etwas Außergewöhnliches in der Umgebung der Erde abgespielt hätte. Laut Victor Clube und Bill Napier bestand das Außergewöhnliche darin, daß ein gewaltiger Komet, der tausend bis zehntausendfach massiver als gewöhnliche Kometen, wie etwa der Halleysche, war, regelmäßig die Erdumlaufbahn kreuzte. Das bedeutet, daß er in seiner Umlaufbahn der Sonne näher kam als die Erde. Dies ist eine notwendige Bedingung für einen Kometen - oder Kometenbruchstücke -, um in den Anziehungsbereich der Erde zu gelangen.

Ein Komet wird dann als "periodisch" bezeichnet, wenn seine größte Entfernung von der Sonne zumindest nicht wesentlich größer ist als die des entferntesten Planeten, so daß er ein Umlaufzeit von einigen Jahren bis zu wenigen tausend Jahren hat. Die Kometen bewegen sich normalerweise in sehr großen Umlaufbahnen und gelangen niemals in die Nähe von Planeten. Solche normalen Kometen verändern gelegentlich ihre große Umlaufbahn in die viel kleinere eines periodischen Kometen, wenn zwei außergewöhnliche Ereignisse zusammentreffen. Das eine ist die Bewegung des Solarsystems als Ganzes durch unsere Galaxie und dessen Annäherung an Aggregationen von Materie, wie zum Beispiel an eine molekulare Wolke. Dies führt bei einem sehr kleinen Teil der vielen Kometen, die in den entferntesten Regionen des Sonnensystems angesiedelt sind, dazu, daß ihre Umlaufbahn gestreckt wird, so daß sie sehr nahe an der Sonne vorbeiführt und die Umlaufbahnen der äußeren Planeten kreuzt.

Zum zweiten verändert deren Gravitation erneut die Kometenbahn, besonders indem sie die Elongation verändert, so daß der entfernteste Punkt der Kometenbahn näher an die Erde rückt. Durch die Kombination dieser beiden Gravitationseffekte werden die Kometen im planetaren Bereich eingefangen. Obwohl dies ein ungewöhnlicher und unwahrscheinlicher Vorgang ist, kommt er wegen der großen Anzahl von Kometen dennoch ab und zu zustande, so etwa wie beim Auftauchen des Halleyschen Kometen. Clube und Napier vermuten nun, daß sich dieser Vorgang vor ungefähr 15 000 Jahren bei einem Kometen abspielte, der zudem noch wesentlich massiver als der Halleysche war, was einem dritten ungewöhnlichen Umstand gleichkommt.

Als ich auf diese Überlegungen stieß, war mein erster Eindruck der, daß die Annahme eines dritten außergewöhnlichen Umstandes ein wenig zuviel des Guten wäre. Ich konnte akzeptieren, daß unter den Hunderten von Milliarden Kometen, deren Existenz man vermutet, einige größer sein würden als andere, daß gelegentlich sogar einer , vielleicht einer von zehntausend zu den von Clube und Napier so genannten Riesenkometen gehören würde. Solch ein Monsterbrocken könnte möglicherweise ein periodischer Komet werden, was nicht alle paar tausend Jahre, vielleicht aber alle 10 Millionen Jahre vorkommt. Warum aber sollte sich dieses Ereignis ausgerechnet vor 15 000 Jahren abgespielt haben?

Abb. 5 Nahbegegnungen der Erde mit "Monsterkometen" ereignen sich nur etwa alle 10 Millionen Jahre. Impakte durch sie, wie hier dargestellt, sind glücklicherweise noch weit seltener.

Damals erkannte ich, daß die Antwort auf diese Frage in einem Gedankenmodell liegt, das man heutzutage anthropisches Prinzip nennt, welches besagt, daß allein die Existenz des Menschen als Erklärung ausreicht, um alle unwahrscheinlichen Ereignisse, die zu seiner Existenz geführt haben, außer acht lassen zu können. Sollte die Geschichte unserer Zivilisation von dem Erscheinen eines gigantischen periodischen Kometen abhängen, so sind die sich daraus ergebenden Ereignisse kein Zufall. Wir können also folgende Behauptung aufstellen:

Um dies richtig zu verstehen, müssen wir etwas detaillierter untersuchen, was ein Komet überhaupt ist. Ein Komet ist gewiß kein schmutziger Schneeball, wie es die geltende Theorie besagt, weil dies allen Merkmalen der Annäherung des Halleyschen Kometen 1986 und den späteren Beobachtungen widerspricht. Ein schmutziger Schneeball von -200 Grad Celsius kann nicht so explodieren, wie es der Halleysche Komet im März 1991 tat. Am 30.-31. März 1986 eine Million Tonnen feiner Partikel aus, die durch die Sonnenerwärmung eine Strahlung von sich gaben, die charakteristisch für organische Materie war und nicht für Schmutz, was immer man darunter verstehen mag.

Wenn man einen Schneeball ausreichend erhitzt, wird er allmählich verdampfen; während der Halleysche Komet sich in einer Reihe von Explosionen auflöste, die noch andauerten, als er sich schon wieder von der Sonne entfernte und nachdem jede gewöhnliche Verdampfung längst aufgehört hatte. Nichts im Verhalten des Halleyschen Kometen konnte mit einem uns bekannten normalen Objekt verglichen werden.

Es ist durchaus möglich, daß Kometen in ihrem Anfangsstadium ausreichend radioaktive Materie enthalten, die sie genügend aufheizt, um sie zum Schmelzen zu bringen. Nachdem die Radioaktivität aber abgebaut war und keine weitere Aufheizung erfolgte, würde der Komet wieder gefrieren, allerdings nicht in Form einer festen Eiskugel. Der Gefriervorgang würde von außen nach innen ablaufen. Sobald sich erst einmal eine gefrorene äußere Hülle gebildet hätte, würde das flüssige Wasser im Inneren keinen ausreichenden Raum zur Verfestigung finden, weil sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt, wie jeder Hauseigentümer weiß, der aus diesem Grund schon einmal mit einem Wasserrohrbruch im Winter zu tun hatte.

Abb. 6 Nicht nur die Sonne kann Kometen aufheizen. Auch radioaktives Material im Kometeninneren kann sie soweit erwärmen, dass sie zu schmelzen beginnen.

Die äußere Kometenhülle würde aufbrechen und Flüssigkeit aus dem Innern durch die Risse herausspritzen und an der Oberfläche gefrieren. Nur durch wiederholtes Aufbrechen, wobei die Flüssigkeit an die Oberfläche gelangt, könnte sich ein solcher Körper eventuell verfestigen. Das Eis würde dabei überall unter Spannung stehen, da der Gefriervorgang bei rund dreißig Atmosphären Druck erfolgte. Geht man von anderen Flüssigkeiten mit niedrigerem Gefrierpunkt als Wasser aus, was für viele organische Flüssigkeiten wie etwa Kohlenwasserstoffe zutrifft, so würde das Herausspritzen aus den zahlreichen Rissen des Kometen noch viel heftiger ablaufen, wobei die flüchtigen Anteile unter großem Druck nach außen gelangen oder sogar vollständig ins Weltall hinausgestoßen würden.

Man stelle sich vor, daß ein solches Objekt durch Gravitationskräfte in eine den Erdumlauf kreuzende Bahn gelenkt würde und sich dadurch sehr stark aufheizte. Bei den ersten Umläufen auf einer solchen Bahn käme es zu einer gewaltigen Verdampfung hochflüchtiger Materie des Kometen, gefolgt von einer allmählichen Auflösung der vielen Bruchstücke, die sich inzwischen aus dem ursprünglichen Kometenkörper gebildet hätten. Da die Verbindungen zwischen einzelnen Kometenteilen durch die wiederholte Erwärmung immer schwächer werden, würde die Ablösung nach der vorangegangenen Lockerung unter einem Druck von ungefähr 30 Atmosphären ziemlich plötzlich ablaufen und einer Explosion gleichkommen.

Obwohl sich der Komet Halley 1991 bereits jenseits der Saturnbahn befand und auf den Uranus zusteuerte, damit also etwa zwei Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt war, kam es dennoch zu einem sehr heftigen Zerfall, weil sich bereits bei seiner Annäherung 1986 intensive Bruchlinien gebildet hatten. Wie bei Festkörpern üblich, brach er in kürzester Zeit auseinander, wobei im Innern, ähnlich wie bei der plötzlichen Entlastung zusammengerollter Stahlfedern, sehr hohe Drücke frei wurden.

Nach dem anfänglichen Ausstoß verdampfter flüchtiger Substanzen setzte sich der Zerfallsprozeß mit der Aufteilung in viele kleinere Bruchstücke fort, wobei jedes Bruchstück nach hunderten von Umläufen von erhitztem organischen Material bedeckt wird, das man sich als teerartige Schicht vorstellen kann. So etwa hat der Halleysche Komet 1986 tatsächlich ausgesehen, wie ein von Teer bedecktes Objekt, und nicht wie ein schmutziger Schneeball - es sei denn, daß man unter "Schmutz" Teer versteht.

Abb. 7 Die gesamte Geschichte der Zivilisation hängt mit dem Erscheinen eines gigantischen periodischen Kometen zusammen, der vor etwa 15 000 Jahren die Erdumlaufbahn kreuzte.

Kehren wir nun zur Frage der Kometenbrocken zurück, die die Erde treffen. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenpralls mit dem ursprünglichen, intakten Kometen ist äußerst gering, pro Sonnenumlauf etwa 1 : 1 Milliarde. Folglich wäre das Risiko eines Zusammenstoßes des intakten Kometen mit der Erde im Verlauf von 10 000 Jahren wenig größer als 1 : 1 Million. Weil sich der Komet aber in immer mehr Bruchstücke aufteilt, wächst die Wahrscheinlichkeit, daß das eine oder andere davon die Erde trifft, sehr steil an, bis schließlich eines der Bruchstücke als Volltreffer auf unserem Planeten landen wird. Dies wird über einen Zeitraum von 10 000 Jahren geschehen, nachdem sich der ursprüngliche Komet in ungefähr 1 Million Bruch-stücke aufgeteilt hat.

Wenn eine solche Kollision dazu im Stande sein soll, eine Eiszeit zu beenden, muß das entsprechende Stück schon ziemlich groß sein, etwa 10 000 Millionen Tonnen schwer. Wenn dies nur einem Millionstel der ursprünglichen Kometenmasse entsprechen sollte, so müßte dieser vor dem Auseinanderbrechen eine Masse von 1016 Tonnen gehabt haben. Das ist genau das, was Clube und Napier als Riesenkometen bezeichnen.

Hieraus ergeben sich schreckliche Konsequenzen. Während die Bruchstücke immer kleiner werden, werden die Zusammenstöße immer häufiger, bis die Stücke von jeweils 1 Million Tonnen - was einer Größe von ca. 100 Metern entspricht - mit einer Trefferhäufigkeit von 1 pro Jahr je Umlauf einschlagen würden. Möglicherweise ereignete sich ein solcher Vorfall in den frühen Morgenstunden des 1. Juli 1908. Der dabei erzeugte Lichtblitz war so gewaltig, daß er von einem gewissen Fräulein K. Stephen in Godmanchester, Huntingtonshire, kurz nach Mitternacht gesehen werden konnte. Aber erst 1927 gelangte eine Expedition in die Gegend des Tunguska-Flusses in Sibirien und entdeckte eine eigenartige Szenerie der Zerstörung.

Statt auf dem Boden aufzuprallen, zerbrach der Himmelskörper bereits in der Atmosphäre in etwa 10 Kilometern Höhe. Die gewaltige Druckwelle hatte Bäume in einem Umfeld von vielen Kilometern entwurzelt oder sie infolge der großen freigesetzten Hitze verbrannt. Es muß dabei gekracht haben, als würden 10 000 Donnerschläge auf einmal erfolgen. Menschen hätten vermutlich in einem Umfeld von Tausenden von Quadratkilometern nicht überleben können.

Abb. 8 Impaktereignisse können infolge der enormen Hitzeentwicklung weltweite Waldbrände auslösen.

Solche Ereignisse, mit denen man auf der Erde während des Durchgangs eines Kometenschwarms durchschnittlich einmal pro Jahr rechnen muß, könnten ein verzwicktes Problem der jüngsten Frühgeschichte aufklären, nämlich das der Entdeckung des Metallschmelzens. Die Möglichkeit, blankes Metall aus einem Stück Stein zu gewinnen, hätte kaum jemand als abstraktes Konzept einfallen können, weil dieser Gedanke vor der tatsächlichen Entdeckung völlig unmöglich erschienen wäre. Diese Entdeckung geschah daher sicherlich rein zufällig. Bislang war es schwierig zu verstehen, wie sich so ein bemerkenswerter Zufall unabhängig voneinander an den vielen weit verstreuten Orten ereignen konnte, an denen archäologische Funde den Gebrauch von Kupferwerkzeugen ungefähr 4000 v. Chr. nachweisen.

Um nicht von örtlich unabhängiger Entdeckung des Kupfers ausgehen zu müssen, führten die Archäologen Anfang der fünfziger Jahre die sogenannte Diffusionstheorie ein, derzufolge die Entdeckung in einer einzigen Gegend gemacht worden war und sich von dort aus verbreitete. Das setzte allerdings eine größere Mobilität der Menschen voraus, als bisher vermutet worden war. Nachdem diese Theorie ungefähr zwei Jahrzehnte Geltung behielt, mußte man sich mit der Problematik auseinandersetzen, daß andere Artefakte, die sich gemeinsam mit der Fähigkeit der Kupferverarbeitung hätten verbreiten müssen, durchaus nicht überall aufzufinden sind. Inzwischen haben wir allerdings die Gewißheit, daß es sich in Wirklichkeit um voneinander un-abhängige, zufällige Ereignisse handelte, womit ein wichtiges prähistorisches Rätsel aufgeklärt wäre.

In bewaldeten Regionen der Erde müssen Ereignisse wie die am Tunguska-Fluß zu gewaltigen Bränden geführt haben, wodurch große Mengen glühende Holzkohle entstanden. Dort, wo gleichzeitig Erzadern an die Erdoberfläche traten, kam es vermutlich zu einem natürlichen Schmelzvorgang. Später könnten die nomadisierenden Stämme das so geschmolzene Kupfer an verschiedenen Stellen vorgefunden und mitgenommen haben. Es handelt sich nicht um eine Reinschmelze, was erklären würde, daß Kupfer das erste in archäologischen Funden nachweisbare Metall war.

Eisen mit einer geringprozentigen Verunreinigung ist spröde und kaum zu bearbeiten. Kupfer hingegen ist auch in unreiner Form hart und formbar genug, um den Menschen, die bislang nur den Umgang mit Steinwerkzeugen kannten, von unmittelbarem Nutzen zu sein. Kupfer konnte in eine Vielzahl von Formen geschlagen werden, in nützliche Werkzeuge aller Art und schließlich auch in Waffen - in Dolche, Schwerter, Speere, Pfeilspitzen und Schilde.




Anhang

Ungefähre vermutete Einschlagdaten von Kometenteilen im Abstand von 1600 Jahren und die dazugehörigen geschichtlichen Ereignisse nach F. Hoyle:

  • 10 700 v. Chr. Die Kollision mit einem größeren Kometen beendet die Eiszeit
  • 9 100 v. Chr. Kleinere Einschläge führen zum Aussterben des Wollmammuts
  • 7500 v. Chr. Ein zweiter großer Einschlag besiegelt das Ende der Eiszeit
  • 5900 v. Chr. Entdeckung der natürlichen Metallschmelze
  • 4300 v. Chr. Nutzung der Schmelztechnik durch den Menschen / Ursprung d. griechischen Mythologie
  • 2700 v. Chr. Ende der alten ägyptischen Dynastie, Beginn des Pyramidenbaues
  • 1100 v. Chr. Entstehung des Judentums (Josua)
  • 500 n. Chr. Verfall des römischen Reiches, Entstehung des Islam
  • 2100 n. Chr. Nächste Kometenkollision, möglicherweise mit geringerer Intensität





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Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Prof. Fred Hoyle ist als Auszug seinem Buch Kosmische Katastrophen und der Ursprung der Religion entnommen, das 1997 im Insel-Verlag, Frankfurt/Main erschienen ist. Wir präsentieren ihn hier mit freundlicher Genehmigung des Insel Verlags.

Bild-Quellen:

1) NASA, unter: http://www.topweb.gsfc.nasa.gov/antarctica_imagegal/ice_cutter.html (Bild nicht mehr online)
2) HAWAII HISTORICAL IMAGES 8
3) Sicilia in foto, unter: http://www.siciliainfoto.it/etna7.jpg
4) Eddy Echternach, unter: http://www.eddyechternach.nl/images/komeet.jpg
5) CASSIOPAEAN EXPERIMENT, unter: http://www.cassiopaea.org/images/earth_impact.jpg
6) NASA, unter: http://liftoff.msfc.nasa.gov/academy/universe/comets.gif (Bild nicht mehr online)
7) University of Leicester, Department of Physics and Astronomy - An Educational Guide to Space and Astronomy, unter: http://www.star.le.ac.uk/edu/comets/comearth.gif (Seite nicht mehr online)
8) http://www.seattle.about.com/library/photos/articles/forestfire.jpg (nicht mehr online)