Europäische Stufenpyramiden verlangen eine neue Geschichtsschreibung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 27. Januar 2020, 23:59 Uhr

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Leseprobe aus »Schilfboot ABORA - Segeln gegen den Wind im Mittelmeer«

von Dominique Görlitz (2000)

Abb. 1 Schon der flüchtige Vergleich einiger alter (NICHT neuzeitlicher, wie bisweilen noch immer behauptet wird!) pyramidaler Bauwerke auf Sizilien, den Kanarischen Inlseln und den Azoren legt die vormalige Existenz eines kulturellen Pyramidenbauer-Komplexes nahe, der sich einst vom westlichen Mittelmeer-Raum bis in das Gebiet Makaronesiens im östlichen Atlantik hinein erstreckte. Eine besondere Rolle bei der Rekonstruktion dieses Kulturraums spielt die

"Eine Stufenpyramide auf Sardinien? Unmöglich junger Mann, sie haben sich offenbar von den Großsteinbauten, den Nuraghen mit ihren Wällen und Steintürmen beeindrucken lassen. Ich arbeite seit 30 Jahren in der Feldforschung, habe in dieser Zeit auch Ausgrabungen auf Sardinien geleitet und Sie können mir glauben, wenn es dort eine Stufenpyramide gäbe, hätte ich sie sicher gesehen", erklärt mir Prof. Hermann Müller-Karpe, ein Fachmann füe vergleichende Archäologie. Ich versuche noch einmal in ruhigen Worten, den Archäologen von der Existenz einer solchen Pyramide zu überzeugen: "Ich habe sogar auf diesem Bauwerk gestanden. Es existiert wirklich. Und das nicht nur aud Sardinien, sondern auch auf anderen Mittelmeerinseln!"

Doch der Professor schenkt meinen Worten keinen Glauben. Wir beenden das Telefonat. Diesen Ausgang habe ich nicht erwartet, denn Prof. Müller-Karpe gilt unter deutschen Archäologen, obwohl heute im Ruhestand, als einer der Engagiertesten, wenn es um die Klärung der Verwandtschaft und Vergleiche zwischen verschiedenen Kulturen geht. Wie gern hätte ich ihm meine Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt, um meine Ansichten durch einen anerkannten Fachmann beurteilen zu lassen. Doch dazu sollte es leider nicht kommen.

Warum eigentlich nicht? Liegt es wirklich an der "Arroganz des gesicherten Wissens", wie mir ein Freund und Sprachforscher aus Leipzig, Gerhard Joachim Richter, einige Tage später zu erklären versuchte? Sollte es sein, dass man diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, unübersehbare Hinweise aus längst vergangenen Zeiten, einfach nicht wahrhaben will? Ist es wirklich so schwer, sich von altgewohntem Wissen und Theorien zu trennen? Dabei ist doch jede wissenschaftliche Erkenntnis nur historisch bedingt. Das historische Wissen von heute kann durch einen einzigen Fund von Morgen auf den Kopf gestellt werden. Die Vergangenheit ist nicht in Stein gemeißelt. Aber unsere Geschichte bietet eine Menge steinerner Zeugen. Was sagen uns diese Monumente heute? - Ich philosophiere. Wenden wir uns wieder den Tatsachen zu!

Abb. 2 Hier eine der Stufenpyramiden auf Sizilien (Foto: world-pyramids.com)

Eine der häufigsten Fragen, die mir von Fachkollegen gestellt wird, ist die, warum wir im östlichen Mittelmeer keine Pyramidenfunde vorweisen können. Es ist eine Sache, so argumentieren sie, die Stufenpyramiden auf Sizilien, Pantelleria, Korsika, vermutlich auch auf den Balearen sowie der Bretagne als Argumente für eine Pyramidenverbreitung bis zu den Kanarischen Inseln [1] vorzuweisen. Wo aber sind die Bindeglieder in der Ägäis oder in Kleinasien, die die Verwandtschaft mit dem Zweistromland belegen könnten? Haben wir es vielleicht mit einem zweiten, unabhängigen Pyramidenzentrum zu tun? Sollten mesopotamische Völkergruppen aufgebrochen sein, dann müssten sie Siedlungsspuren und Tempelreste auch auf Zypern, Kreta oder in der Türkei hinterlassen haben. Diese Länder liegen doch dem Mutterland sehr viel näher.

Diese Fragen sind in der Tat berechtigt. Wir können sie heute zufriedenstellend beantworten. Zuvor möchte ich aber einige Einleitende Erklärungen abgeben. Abgesehen von den Pyramiden in der Bretagne und in Falicon bei Nizza, die aber auch an der Küste stehen, dokumentiert ihr Vorkommen auf Inseln, dass die Pyramidenarchitektur nur durch frühgeschichtliche Seefahrer dorthin gebracht worden sein kann. Jedoch besitzen Seefahrer im Allgemeinen nicht die Kenntnisse und Erfahrungen im Bau großer Heiligtümer. Deshalb können wir von größeren Kolonisationen oder Entdeckungsfahrten ausgehen, auf die sich ausgewählte Volksgruppen für die Fortsetzung ihrer Kultur begaben.

Gleichzeitig wird spätestens im 4. Jahrtausend v.Chr. im gesamten Westmittelmeerraum der Einfluss der Megalthkultur spürbar. Viele frühe Kultplätze der megalithischen Kultur weisen eine hohe Übereinstimmung im Entwurfskonzept der Großsteinbauten auf (Dolmen, Menhire und Großsteingräber). Woher diese Völkergruppe kommt, ob sie überhaupt ein einheitliches Volk war und wann die Megalithkultur zu existieren begann, darüber führen Archäologen seit Jahrzehnten leidenschaftliche Debatten, die ebenfalls bis in die heutigen Tage anhalten. Die Mehrheit plädiert für das südliche Territorium der Iberischen Halbinsel, während andere das atlantische Küstengebiet der Bretagne als Ursprungszentrum vorschlagen. Ohne diese strittigen Fragen weiter zu vertiefen, können alle megalithischen Bauwerke im Westmittelmeerraum diesem Kulturträger zugeschrieben werden, gleichgültig ob sie in Südspanien oder Westfrankreich zuerst errichtet worden sind.

Völlig anders verhält es sich mit den Stufenpyramiden. Sie wurden in der Trockensteinbauweise aus kleinen, sorgfältig übereinandergeschichteten Steinen errichtet. Sie entziehen sich sowohl durch ihre Architektur als auch durch ihre nichtmegalithische Bauweise einem jeden Vergleich mit den Werken der Megalithleute. Weder im zentralen Mittelmeer noch auf den Kanaren sind ursprüngliche Bauwerke, also Entwicklungsreihen, wie in Sumer für die Stufenpyramidenarchitektur vorhanden. Sie tauchen unvermittelt an Küsten des Mittelmeers auf. Ein Blick auf die Landkarte des Mittelmeers bietet eine plausible Erklärung, aus welcher Richtung die Erbauer der ersten Stufenpyramiden gekommen sein könnten, wenn man die frühe Seefahrt und die Westströmung als Entstehungsfaktoren mit einbezieht.

Doch zwischen den östlichen Stufenpyramiden Siziliens und den westlichen Stufentürmen in Syrien bei Habuba klaffen beinahe 1500 Kilometer offene See. Jede Beeinflussung aus Altmesopotamien könnte somit reine Spekulation sein und müsste ins Reich der Phantasie verwiesen werden. Eine mögliche Antwort für dieses Rätsel lässt sich in der Vor-Pyramidenzeit finden. Sie führt uns zu einer Erklärung, die eng mit der Geschichte der kretischen Hochkultur verbunden ist. Die archäologischen Funde belegen, dass die Kreter ihre Religion und ihre Gottheiten bereits in der Steinzeit aus Kleinasien übernommen haben. Der berühmte englische Archäologe Arthur Evans befürwortete eine Besiedlung ab 6500 v.Chr. Nur hier im Bereich des östlichen Muttelmeeres und in Kleinasien gibt es Hinweise auf eine Verbindung der Muttergottheit mit der Gestalt des Stieres [2]

Der Sierkult [3] findet seine Anfänge bereits im anatolischen Çatal Hüyük und in Hacılar, die als älteste Ackerbau- und Kulturzentren im östlichen Mittelmeer angesehen werden. Dieser Kult wurde den kretischen Vorfahren als Mitgift für die Gründung der minoischen Hultur mitgegeben und zum eigenständigen Religionssystem weiterentwickelt. Die friedliche Bevölkerung besaß durch den Schutz der Insellage alles, was sie zur Fortsetzung ihrer Kultur brauchte. Die Aufnahme fremder und zugleich herrischer religiöser Elemente stellte sowohl zu Beginn als auch während der Glanzzeit minoischer Zivilisation keine Motivation für eine Übernahme neuer Glaubensvorstellungen dar. Diese über Jahrhunderte gewachsene Religion versperrte die Einführung altmesopotamischer Götter und denen Stufentempel.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich für die noch im Aufbau begriffenen Inselvölker im Westen, die durch den zunehmenden Kupferhandel und wirtschadtlichen Aufschwung im östlichen Mittelmeer verstärkt in die Handelsnetze einbezogen wurden. Hier war es möglich, kulturelles Neuland zu erobern. Eine gleichartige gefestigte Religion wie auf Kreta existierte auf den Inseln im zentralen Mittelmeer nicht. Dort herrschte ein ausreichend großer Freiraum, quasi eine Art religiöse Nische, für die erfolgreiche Einführung neuer Glaubensvorstellungen und Bauformen.

Ein weiteres Argument für diese Übernahme stellt der höhere kulturelle Stand der Neuankömmlinge dar, die nicht nur durch neue Methoden der Landwirtschaft und im Bauwesen für eine Verbesserung der Lebensqualität sorgten, sondern auch den einfachen Inselvölkern eine höher stehende Religion überbringen konnten.

Eine brandneue Enthüllung der neunziger Jahre macht dem Rätselraten und Spekulieren unwiderruflich ein Ende. Griechischen Altertumsforschern gelang der Sensationsfund: Auf der Halbinsel Peloponnes entdeckten sie zwei aus Kalksteinblöcken errichtete, glattwandige Pyramiden. Das Wissenschaftsjournal "PM" präsentierte diese Entdeckung in seiner Ausgabe 7/1996 sogar mit dem Aufmacher "Wurden die Pyramiden in Griechenland erfunden?" Den Grund für diese Überlegung stellten die Datierungen, die durch die Thermoluminiszenz-Methode erstellt wurden, dar. Den Altersbestimmungen zufolge wurden sie um das Jahr 2720 v.Chr. errichtet. Damit wären sie 150 Jahre älter als die Cheopspyramide in Ägypten. Der griechische Prof. Perikles Theocharis will nicht ausschließen, dass "der Pyramidenbau eventuell in Griechenland erfunden und später ins Pharaonenland exportiert wurde... Die griechischen Baumeister verstanden anscheinend viel mehr von ihrem Handwerk als später die ägyptischen. Während im Niltal die Pyramidenkanten einen Neigungswinkel zwischen 43 und 53 Grad haben, beträgt er bei den peloponnesischen Bauwerken exakt 54,6 Grad. Das soll nach Ansicht neuzeitlicher Architekten der ideale Winkel sein. So gebaut, überstehen Gebäude selbst extremste Belastungen. Obwohl sie mitten in einer berüchtigten Erdbebenzone errichtet wurde, fehlt der Hellinikon-Pyramide nur die Spitze." [4]

Das Alter und das Vorkommen dieses Bauwerkes schließt die auffallrnde Lücke im Ost-Mittelmeer. Die Pyramiden des Peloponnes sind wie die Sardische aus großen Kalksteinplatten gemauert. Wir können sie deshalb durchaus in Zusammenhang mit dem Erscheinen der Stufenpyramide auf Sardinien sehen. Sie sind steinerne Zeugen jener vorantiken Ost-West-Beziehungen, die stumm in den Himmel ragen. Ob es jemals gelingen wird, den geistigen Träger dieser Monumente zu identifizieren, ist fraglich. Unfraglich bleibt jedoch, dass die unsichtbaren Handelswege über das Meer lange vor den Pyramidenbauern seit dem Neolithikum befahren wurden. Ohne eine bestimmte Richtung im Auge zu haben, unterstützt von der westwärts gerichteten Nordmittelmeersströmung und befördert durch eine hochentwickelte Seefahrt konnten in verschiedenen Schüben ab Mitte der Jungsteinzeit größere Bevölkerungsgruppen die Küsten Süd- und Westeuropas erreichen.


Anmerkungen und Quellen

Abb. x Von der ersten Idee und dem Bau des Schilfbootes über den Stapellauf in Sardinien bis zur letzen Etappe nach Elba. In 13 Kapiteln erzählt dieses Buch die spannende Geschichte des Schilfbootes ABORA I - illustriert mit zahlreichen beeindruckenden Bildern.

Dieser Beitrag von Dr. Dominique Görlitz (©) wurde - mir freundlicher Genehmigung des Verfassers - seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch "Schilfboot ABORA - Segeln gegen den Wind im Mittelmeer" (Abb. x) (nach wie vor erhältlich) entnommen (S. 30-32). Redaktionelle Bearbeitung und alternative Illustration (eine Übernahme des Original-Bildmaterials war aus technischen Gründen nicht möglich) durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Im Verlauf seiner späteren Forschungen hat Dr. Dominique Görlitz auch die Pyramiden auf der Azoreninsel Pico in dieses Verbreitungsmodell einbezogen. Siehe dazu: Derselbe: "Die vergessenen Pyramiden der Azoren - Ein transdisziplinärer Blick auf die Bedeutung dieser Entdeckung für transatlantische Handelsfahrten vor Kolumbus"
  2. Siehe: Günther Kehnscherper, "Kreta, Mykene, Santorin", Leipzig (Urania Verlag), 1973, S. 32ff.
  3. Red. Anmerkung: Vergl. zu diesem bei Atlantisforschung.de auch [[|Alexander Tollmann]]. "[[]]",
  4. 78

Bild-Quellen:

1)

Peter Krampe (Herausgeber), Dominique Görlitz (Autor): Schilfboot ABORA - Segeln gegen den Wind im Mittelmeer", Deutscher Segler-Verband (DSV), 2000, 176 S., Softcover, üppig illustriert, 19,95 € - ISBN-10: 3884123297 / ISBN-13: 978-3884123294