François de Sarre: Als das Mittelmeer trocken war (Rezension II): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 16. Januar 2020, 02:11 Uhr

Eine Buchbesprechung von Uwe Topper

Abb. 1 François de Sarre, "Als das Mittelmeer trocken war - Die katastrophische Geschichte des mediterranen Gebietes", EFODON e.V., 1999, 126 Seiten, ISBN-10: 3932539192 / ISBN-13: 978-3932539190 (vergriffen)

Einer der wenigen französischen Katastrophisten, der zweisprachige Zoologe François de Sarre, Nizza, hatte mit dem Vordenker Jacques Touchet in Carcassonne Kontakt und in dessen Zeitschrift "Méditerranéa" 1995 einen ersten Artikel in Französisch über seine Mittelmeer-These veröffentlicht, der nun hier erweitert in deutscher Sprache vorliegt und bisher zu wenig Beachtung fand.

Die Landbrücke von Gibraltar ist als solche keine aufregende neue These - die meisten Geologen haben sich darauf geeinigt - nur die Zeiträume, die für das Zerbrechen der Landverbindung Afrika-Europa angesetzt werden, sind völlig kontrovers. In der Überschrift des 1. Kapitels nennt F. de Sarre diese Landbrücke "spät-prähistorisch", und hierin liegt der eigentlich neue Gedanke, den die Wissenschaftskollegen von de Sarre erst erwägen müssen. Der Sprung von den Jahrmillionen zu wenigen Jahrtausenden als Maßstab für erdgeschichtliche Ereignisse dieses Ausmaßes ist vollkommen ungewohnt. Der Zeitraffer läßt einen überraschenden Blick auf das Erdgeschehen zu: Statt allmählichen Hebungen und Senkungen ereigneten sich die großen Veränderungen in Blitzesschnelle und katastrophisch bedingt. Der Mensch könnte das alles miterlebt haben.

Meine Forschung auf Iberien und in Marokko vor dreißig Jahren [1] haben ergeben, daß diese beiden westlichsten Gebiete Europas einst miteinander verbunden gewesen sein müssen: trockenen Fußes konnte man von der Sierra Morena zum Rifgebirge gehen, die Kultur beider Gebiete war einheitlich. Auch eine Landbrücke zu den Kanareninseln hatte ich als beweisbar angenommen. Außerdem hatte ich große Gebiete dieser beiden Festlandmassen als durch Meeresarme aufgerissen und vom Mer überflutet dargestellt (siehe "Das Erbe der Giganten" 1977, Karte). Die Zerstörung der Landbrücken und die Veränderung des Küstenverlaufs sah ich katastrophenartig in jeweils kürzesten Zeiträumen.

Unter Benützung zahlreicher neuer Gedanken und Hinweise gelingt es François de Sarre nun, diese Vorstellung als plausibel erscheinen zu lassen, vor allem durch Verwendung seiner biologischen Fachkenntnisse. Zoogeographische Untersuchungen, die er kritisch verwendet, ergeben, daß in verhältnismäßig junger Zeit der Maghreb mit Andalusien noch verbunden gewesen sein muß, und daß das Hereinbrechen des kälteren atlantischen Meeres in ein ursprünglich viel kleineres Mittelmeerbecken an Hand zoologischer Fakten nachweisbar ist.

Von allen von ihm angeführten Beispielen hat mich die Feststellung, daß gewisse Süßwasserfischarten nur in Südwesteuropa und in Nordafrika vorkommen, am meisten überzeugt. Und diese Fischarten (Schmerlen und Barben) sind noch dazu so wenig voneinander differenziert, daß ein sehr kurzer Zeitraum als Trennung angenommen werden muß.

Zur Erklärung für den katastrophischen Bruch des betischen Ringgebirges entwirft de Sarre ein beliebtes - aber leider noch immer nicht näher beweisbares - Modell, das schon vor Hörbigers Welteislehre angedacht wurde und seit der jahrzehntelangen Diskussion um die Glazialkosmogonie immer noch mehr eingesetzt wird: Ein riesiger Schneeball - ein Eiskomet - zerplatzte über der Nordhalbkugel der Erde, und die Bruchstücke stürzten in den nördlichen Atlantik. Die davon ausgelöste Flutwelle überströmte das westliche eurafrikanische Festland und brachte die Zerstörung hervor, die zur heutigen Verteilung von Land und Meer geführt hat (Karte S. 58).

Abb. 2 François de Sarre, der Autor von 'Als das Mittelmeer trocken war'

Die Karte S. 86 zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner damaligen auf, die ja auf ganz anderen Beobachtungen beruhte. Meine Überlegungen waren aus der sichtbaren geologischen Situation, nämlich dem teilweise noch heute im Inland erkennbaren früheren Küstenverlauf, und den archäologischen Ergebnissen über die frühere Besiedlung, ergänzt durch ethnografische Beobachtungen, entwickelt.

De Sarre bringt zum Vergleich auch einen Ausschnitt aus der Piri-Reis-Karte (S. 102), die erstaunlich ähnliche Küstenlinien (wenn auch schematisch) anzeigt. Die relative Übereinstimmung der Aussagen, die aus verschiedenen Bereichen gewonnen wurden - auch hinsichtlich des vorgeschlagenen Zeitraffers - bestärkt mich in der Überzeugung, daß diese Theorie wissenschaftlich vertretbar ist.

An einigen Stellen ist natürlich auch Kritik anzubringen. Wo sich de Sarre von seinem Wissensgebiet zu weit entfernt, etwa bei der Beurteilung der Mythen, sollten strenge Maßstäbe angelegt werden. Sein Modell des polaren Impakts (S. 58) verbindet er mit der Katastrophe von Noahs Sintflut, wie es ja lange üblich war und auch heute noch einigen Geologen gefällt. Nun hat aber eine durch einen Kometen ausgelöste riesige ozeanische Flutwelle mit dem vierzigtägigen Regen der "Noahschen Sintflut" (Legende zur Abbildung) nichts gemein, hier liegen höchstens theoretische Zusammenhänge zwischen den Ereignissen. Es ist sowieso schwierig, geologisch erschlossene Ereignisse mit antiken Texten zu verbinden, noch fragwürdiger wird dies, wenn ein biblischer Text, also religiöse Literatur, herangezogen wird. Die erzieherische Aussage solcher Texte läßt selten noch irgendwelche naturwissenschaftlich erfaßbaren Momente herausfiltern. Wer da unvorbereitet Schlüsse zieht, versinkt im Sumpf der Religionshüter.

Um beim Beispiel zu bleiben: Noahs Sintflut wird bei den Imazighen (Berbern) in Nordafrika ganz anders geschildert: Das Wasser quoll unter den drei Herdsteinen hervor! Offensichtlich sind hier die Wasser der Tiefe gemeint, die durch Aufbrechen der Erdkruste hervorgeschossen und das Land überfluteten. Von Regen ist nicht die Rede. Dennoch stammen beide Aussagen aus demselben monotheistischen Religionsfeld.

Auch das in den Mythen mehrfach erwähnte Zerschlagen der Landbrücke mit der Keule durch Herkules bedarf einiger Überlegung. So einfach hat der alte Grieche das nicht überliefert.

Zum Herkules-Mythos hatte ich in "Das Erbe der Giganten" (1977, S. 112) geschrieben, daß auch Herkules, wie Abram-Abraham oder [ Noah], der Sintflutüberleber und Noah, der Weinbauer, wie auch Dionysos-Bacchus jeweils zwei nach längerer Zeit wieder auftretende Gestalten sind, die zuweilen als ihre Wiedergeburt angesehen wurden. So setzt Herkules, als er die Stiere des Geryon rauben will, von Afrika nach Andalusien über die Meeresenge auf einem Sonnenboot über, das Festland ist also schon zerbrochen (10. Tat). Ich bin der Meinung, daß sich hierin zwei Stufen der Landhebung erkennen lassen. Sicher ist, daß sich in der Herkulesgestalt - bildlich hervorgehoben durch die primitive Ausstattung wie Löwenfell als einzige Bekleidung und Keule als Waffe - eine ursprüngliche Mythe verbirgt, die von Ankömmlingen am äußersten Westrand des europäisch-afrikanischen Festlandsockels berichtet (Non plus ultra - weiter geht’s nicht!) und somit an Augenzeugen der geologischen Veränderungen anknüpft. Das alles stützt die These von de Sarre, daß dieser Bruch, der das westliche Mittelmeer entstehen ließ, in menschlicher Erinnerung erhalten blieb und demnach vor nicht allzulanger Zeit stattgefunden haben muß.

Völlig ungewohnt ist de Sarres Gedanke zu den bemalten Höhlenheiligtümern in Westeuropa: Vor den Höhleneingängen, so schlägt er vor, befanden sich einst architektonische Strukturen in Form von tempelartigen Portalen (Zeichnung S. 78), die zu künstlerisch hochwertigen Malereien im Erdinneren passen. Durch die große Überflutung haben wir keine Zeugnisse mehr davon. Ob eine solche Konstruktion nötig ist, halte ich für fraglich. Grundlegend richtig ist die Erkenntnis, daß der Mensch, der derartig hochentwickelte Malereien schuf, wie wir sie aus den letzten Phasen der Altsteinzeit kennen, kein primitiver Jäger mit Zauberhandlungen war, sondern eher ein Eingeweihter, der die Zusammenhänge in der Natur durchschaute. Das muß er aber nicht unbedingt durch kubische Architektur unter Beweis gestellt haben.

Mehrfach beruft sich de Sarre bein seinen Folgerungen auf Heinsohn und Friedrich, deren Arbeiten zu diesem Thema ihm wichtige Anstöße gaben. Auch der Rückgriff auf ältere Arbeiten, etwa Muck und Spanuth, bereichert diese neue Arbeit, die als Pionierleistung in der geologischen Forschung betrachtet werden sollte.


Literatur:

  • Dacqué, Edgar (1924) : Urwelt, Sage und Menschheit (7. Aufl., München und Berlin 1931).
  • Muck, Otto H. (1956): Atlantis, die Welt vor der Sintflut (Olten).
  • Muck, Otto H. (1978): Geburt der Kontinente (Econ; durch die Hrg. stark verändertes postumes Ms.).
  • Topper, Uwe (1977): Das Erbe der Giganten (Olten/Freiburg).


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Uwe Topper (©) wurde der Webseite Site miroir du Centre d’Etude et de Recherche sur la Bipédie Initiale, unter: BIPEDIA N°23 - 5 Commentaires sur le livre de François de SARRE : << ALS DAS MITTELMEER TROCKEN WAR >> 21 novembre 2004 entnommen. Wie dort - leider ohne weitere Informationen - angemerkt wird, wurde er im Magazin EFODON SYNESIS erstveröffentlicht. Redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de.

Fußnote:

  1. Red. Anmerkung: Diese Rezension wurde zwischen 1999 und 2004 erstveröffentlicht.

Bild-Quellen:

1) BIPEDIA N°23 - 5 Commentaires sur le livre de François de SARRE : << ALS DAS MITTELMEER TROCKEN WAR >> 21 novembre 2004
2) Tetrapod Zoology, "Aquatic proto-people and the theory/hypothesis of initial bipedalism" (Darren Naish)