Harmonische Dreiecke in der Steiermark - Teil 3

oder: War der Teufelstein ein Mittelpunkt vorgeschichtlicher Kultstätten?

von unserem Gastautor Günter Bischoff

Fortsetzung:

Sagen und Bräuche rund um den Teufelstein

Zum besseren Verständnis der Gesamtproblematik soll zunächst auf einige Sagen sowie hervorhebenswerte Kirchen und Kultstätten näher eingegangen werden. Die Steiermark hat einen überaus reichen Sagenschatz und ein vielfältiges, zum Teil auch heute noch lebendiges Brauchtum aufzuweisen. Sehr detailliert und im großen Umfange ist H. Stolla in den zurückliegenden Jahren eine Darstellung dieses alten Kulturgutes gelungen. In gedrängter Form soll hier nur auf diejenigen Bräuche und Sagen eingegangen werden, die in einem besonderen Zusammenhang mit den am sichersten nachgewiesen trigonometrischen Konstellationen stehen.

1. Teufelstein und Königskogel

Der Teufelstein ist einer der höchsten Berge der Fischbacher Alpen in der Steiermark. Auf der Bergkuppe erhebt sich ein einzelner, etwa 6 m hoher bizarrer Felsklotz (M501). Peter Rosegger hat ihn um das Jahr 1869 auf einer Zeichnung dargestellt [14].

Abb.1: Teufelstein in den Fischbacher Alpen. Zeichnung von Peter Rosegger (um 1869) Quelle: "Mannus", 55. Band, Heft 3
Abb.2: Der Teufelstein mit behauener Westwand (rechts auf dem Foto), die etwa in Richtung Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende zeigt; Quelle: S. Rothwangl, Wartberg (Stmk.)

Die eigentümliche Gestalt des Felsens wird unterbrochen durch zwei nicht parallele plane Wände an der O- und W-Seite, die einen Winkel von etwa 25° bilden. Seit langem wird darum gestritten, ob die glatten Flächen durch natürliche Umwelteinflüsse oder durch Menschenhand ihr Aussehen erhielten. Johann Georg Haditsch konnte 1987 mit einem geologischen Gutachten zweifelsfrei die Ausgestaltung der beiden glatten Wände durch menschlichen Einfluß nachweisen .[1] Eine recht genaue Altersbestimmung erhofft man sich von einer neuen wissenschaftlichen Methode. Zu diesem Zweck schickte man 1993 Gesteinsproben des Teufelsteins in die USA. Ein Ergebnis liegt bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor.

Aber auch jetzt steht schon fest, daß eine der ältesten Kultstätten auf dem Teufelstein steht, und mit einem geschätzten Alter von 5.000 bis 10.000 Jahren ist es das älteste Bauwerk Österreichs überhaupt[2]. Zahlreiche Sagen ranken sich um diesen Berg und die umliegenden Ortschaften. Der sagenumwobene Teufelstein war zugleich ein Kult- und Festplatz. an dem bis zum Jahre 1890 Brauchtum gepflegt wurde.[3] Der Königskogel (M202) ist ein markanter Gipfel südöstlich von Langenwang. Der Berg soll zahlreichen Sagen nach innen ganz aus Gold sein, zumindest dort aber ein Goldschatz versteckt sein.[4] Für H. Stolla symbolisiert dieser Goldschatz eine einstige heidnische Kultstätte, die während der Verbreitung des Christentums wegen ihrer entfernten Lage nicht in eine Kirche umfunktioniert werden konnte. Die heilige Stätte wurde seitdem verwunschen und verpönt.


2. Die Pfarrkirche St. Oswald in Gasen

Sie ist eine von 4 Kirchen mit diesem Namenspatron im untersuchten Gebiet. Weder die Lage innerhalb der Ortschaft noch ihr Äußeres lassen eine so häufige Einbeziehung in ein System von Dreiecken vermuten. Eine Gründungssage, die vielleicht auf ein älteres Bauwerk aus heidnischer Zeit schließen läßt, konnte trotz eifriger Bemühungen nicht aufgespürt werden. Einzige Eigentümlichkeit und für christliche Kirchen untypisch ist die Darstellung eines Raben neben der Gottesfigur auf dem Hochaltar. Damit kann nun doch ein Zusammenhang mit einer heidnischen Kultstätte angenommen werden: St. Oswald gilt allgemein als christlicher Nachfolger des germanischen Gottes Wotan/Odin, und dieser wird sehr oft auf Abbildungen mit einem Raben im Gefolge dargestellt.

3. Die sagenhaften "Unterirdischen Gänge" von Kindberg

Die 4 Kirchen in und um Kindberg sowie die ehemalige Burgkapelle von Schloß Hart sind in Wirklichkeit nicht durch unterirdische Gänge miteinander verbunden. Schon die Unterführung des Flußbettes der Mürz hätte ernsthafte Schwierigkeiten bereitet. Laut der damit verbundenen Sage irrt durch die "unterirdischen Gänge" die Weiße Frau, die trotz ihres schweren Schlüsselhundes die Türen nicht öffnen kann. Die ursprünglichen mythologischen Beziehungen der Kultstätten sollten wohl mit den Sagen verschleiert werden.[5] Möglicherweise verbirgt sieh hinter den "Unterirdischen Gängen" die Erinnerung an die bewußt gleichlang gewählten Entfernungen der ehemaligen Kultstätten und an ein vergessenes Maßsystem.

4. Die Stanzer Osterbeichtbußwege

Es gibt zwei Varianten der Osterbeichtbußwege in der Nähe des Ortes Stanz i. M. Bei der größeren Variante mußten die Burschen nach der vorgeschriebenen Osterbeichte diese Wege zurücklegen, wobei in jeder der drei Kirchen (K402, K417, K423) je drei Vaterunser zu beten waren.

Kärntner Historikern zufolge soll der Ursprung der berühmten in Mittelkärnten gepflogenen Vier-Berge-Wallfahrt am Dreinagelfreitag in einem vorkeltischen Brauchtum zu suchen sein. Dieser Wallfahrtsweg führt noch heute vom Magdalensberg über den Ulrichsberg und Veitsberg zum Lorenziberg.

Nur noch wenig bekannt ist die kleinere Variante der Stanzer Osterbeichtbußwege (K402, K413, K419), von denen man bereits im 1. Weltkrieg abgekommen ist. Man konnte den mühevollen Beichtbußwegen entgehen, indem man an einem der Kindberger Kalvarienbergfreitage zur Beichte ging und dort nur die Stufen zur Kreuzigungsgruppe hinauf auf den Knien betend zurücklegte.[6]

5. Die Seewiesener Handschuhopferwallfahrtswege

Abb.3 Megalithisches Sieben-Steine-Altar-Heiligtum Althadersdorf (M402)
Abb.4 Vier-Hämmer-Kreuzstein im Wassertal bei Langenwang (M201) Quelle beider Fotos: S. Rothwangl, Wartberg (Stmk.)

Bis zum Jahre 1935, teilweise auch heute noch, pflegten die Aflenzer und Kindberger Bauern am Freitag vor dem dritten Fastensonntag unter Anführung eines Moars entweder zu Fuß oder zu Pferde nach Seewiesen zu wallfahren, um dort auf dem Altar des hlg. Leonhard (K002) je einen Handschuh abzulegen. Am 6. November, dem Leonharditag, zogen sie wiederum nach Seewiesen und holten ihre Handschuhe ab. In keiner anderen Gegend ist dieser eigenartige Volksbrauch bisher festgestellt worden. Hier handelt es sich sehr wahrscheinlich wie bei den Stanzer Osterbeichtbußwegen um Relikte aus heidnischer Zeit.[7]

6. Die Patrozinien "St. Katharina" und "St. Georg"

St. Katharina und St. Georg gehören neben St. Michael und St. Margaretha zu den vier Drachenheiligen. Die hlg. Katharina zählt außerdem zu den 14 Nothelfern. Von den 118 Kirchen und Kapellen im betrachteten Gebiet sind 6 der hlg. Katharina und 5 dem hlg. Georg geweiht. Möglicherweise wurden den Heiden in der Zeit der Christianisierung von den Missionaren auf päpstliche Anordnung anstelle der Sonnengöttin Sunna mit dem Sonnenradsymbol als Kirchenpatronin die hlg. Katharina mit ihrem Folterradsymbol vorgesetzt, um eine gewisse Symbolkontinuität zu gewährleisten. Bei der 1845 abgebrannten Wallfahrtskirche St. Georgen bei Neumarkt stieß man beim Abtragen der Grundmauern auf römische Säulenrelikte, auf einen römischen Meilenstein, auf keltische Kopfplastiken und auf einen keltisch-römischen Votivstein, eine Spiegelhalterin in norischer Tracht darstellend. Man schloß daraus, daß diese Kirche auf den Fundamenten eines keltisch-römischen Tempels stand.

Diese Funde bestätigen die Aussage von Univ.-Prof. Dr. Hans Pirchegger: "Wenn eine Kirche einem der vier Drachenheiligen geweiht ist, dann darf man fast sicher in der Nähe Antikes oder Prähistorisches annehmen, vielleicht sogar eine Kultstätte".[8]

Wurden die Dreiecke astronomisch ausgerichtet?

Vielfach ist bei vor- und frühgeschichtlichen Kulturen gleichzeitig ein hoher astronomischer und mathematisch-geometrischer Kenntnisstand anzutreffen. Bei vielen Steinsetzungen in England und Deutschland sind astronomische Ausrichtungen bei Bauwerken der Megalithkulturen festgestellt worden.

Auf eine derartige Orientierung der Dreiecke in der Steiermark kann man nicht ohne weiteres schließen. Während bei megalithischen Steinsetzungen, deren Endpunkte höchstens einige Dutzend Meter auseinander liegen, jederzeit astronomische Visuren denkbar sind, liegen die Dreieckspunkte in der Steiermark meistens außerhalb der direkten Sichtverbindung. Selbst bei Ausrichtung einer Dreieckseite in eine astronomisch bedeutungsvolle Richtung hätte dies bei den angestrebten metrischen Proportionen fast immer eine astronomisch bedeutungslose Ausrichtung der anderen beiden Seiten zur Folge. Das umfangreichste nachgewiesene Dreiecksnetz ist der "Wegweiser zum Teufelstein", aber genau dieser erfährt seine Orientierung durch die Verbindungslinie der beiden natürlichen Punkte Königskogel (M202) und Teufelstein (M501), die ohne astronomische Bedeutung ist. Auch wenn im Einzelfall doch eine Dreieckseite exakt N-S oder O-W ausgerichtet worden sein sollte, so kann eine generelle Planung der Dreieckseiten nach astronomischen Gesichtspunkten nicht nachgewiesen werden. Diese Erkenntnis deckt sich mit einer Untersuchung von Univ.-Prof. Hermann Haupt im Jahre 1990.[9]

Dennoch können den vorgeschichtlichen Geometern oder deren Vorfahren astronomische Kenntnisse bescheinigt werden, wie aus der künstlichen Schaffung zweier ebener Seitenflächen beim Teufelstein abgeleitet werden kann, die einen Winkel von 25° 8' bilden. Die Bedeutung der Visierlinien ist noch nicht eindeutig geklärt, aber Kurt E. Kocher vermutet die Ausrichtung der Flächen nach den Untergängen von Wega und Deneb zur Wintersonnenwende.[10]

Da schon bei den Megalithkulturen der Gebrauch eines Längenmaßes von etwa 83 cm nachgewiesen wurde, wäre die Anwendung dieses oder eines anderen Grundmaßes auch in der Steiermark naheliegend. H. Stolla stellte eine Häufung der Dreieckseitenlängen bei 12.043 m (Abweichung kleiner als 70 m) fest. Eine statistische Untersuchung mit dem Computer fand bisher nicht statt. Ein Vergleich der Seitenlängen der am sichersten nachgewiesenen Dreiecke ergab allerdings keinen Anhaltspunkt für ein verwendetes Längenmaß, wobei die Megalithische Elle (82,9 cm), die anglo-keltische Maßeinheit "Fuß" (30,48 cm) und die daraus abgeleitete Meile (5000 Fuß) besondere Berücksichtigung fanden.

H. Zschweigert vermutet bei der mit 31.410 m längsten Seite des "St.-Katharina-Drachens" ein Vielfaches der Odry-Rute (4,62 m), indem er jene durch die Jahreslänge (365,2422Tage) und den ekliptischen Mondzyklus (18,614 Jahre) teilt.[11] Aber auch das Odry-Maß ist aus anderen sicher nachgewiesenen Dreiecken nicht ableitbar, so daß diese besondere Herleitung nur dem Zufall zugeschrieben werden kann.

M. E. wird in der Steiermark die Konstruktion von Dreiecken mit bewußt gewählten absoluten Seitenlängen, die runde oder andere hervorstechende Maßzahlen aufweisen, die Ausnahme darstellen. Anders als im Flachland ist man im Gebirge darauf angewiesen, günstige Geländepunkte für die Errichtung von Kultstätten o. ä. auszusuchen, und die Einhaltung bestimmter Proportionen stellt hierbei schon eine große Einschränkung dar. Auch beim "Wegweiser zum Teufelstein" ist die Entfernung Königskogel - Teufelstein wiederum eine von der Natur bestimmte Länge, die sicher kein rundes Vielfaches der damals gebräuchlichen Maßeinheiten darstellt.


Anmerkungen und Quellen

  1. "Fischbacher Teufelstein sorgt für Aufregung"; in Obersteirische Zeitung vom 14.9.1996.
  2. "Österreichs ältestes Bauwerk" in "Die steirische Woche" vom 4.4.1991
  3. Stolla, H.: "Sagen vom Fischbacher Teufelstein", in: Mannus, 55. Bd. 1989, Heft 314, S. 273 ff.
  4. Stolla, H.: "Der Fischbacher Teufelstein im Netz Pythagoreischer Dreiecke"; "Teufelsteine - Heilige Steine"' aus: unveröffentlichtes Manuskript 1991; auszugsweise veröffentlicht in verschiedenen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.
  5. Stolla, H."Der Fischbacher Teufelstein im Netz Pythagoreischer Dreiecke"; "Teufelsteine - Heilige Steine"' aus: unveröffentlichtes Manuskript 1991; auszugsweise veröffentlicht in verschiedenen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.
  6. Stolla, H.: "Der Fischbacher Teufelstein im Netz Pythagoreischer Dreiecke"; "Teufelsteine - Heilige Steine"' aus: unveröffentlichtes Manuskript 1991; auszugsweise veröffentlicht in verschiedenen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.
  7. Stolla, H.: "Der Fischbacher Teufelstein im Netz Pythagoreischer Dreiecke"; "Teufelsteine - Heilige Steine"' aus: unveröffentlichtes Manuskript 1991; auszugsweise veröffentlicht in verschiedenen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.
  8. Stolla, H.: "Der Fischbacher Teufelstein im Netz Pythagoreischer Dreiecke“; "Teufelsteine - Heilige Steine"' aus: unveröffentlichtes Manuskript 1991; auszugsweise veröffentlicht in verschiedenen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.
  9. Haupt, H.: "Der Teufelstein – ein prähistorischer Kalender?", aus: Schrift aus dem Institut für Astronomie in Graz; 1990.
  10. Briefliche Mitteilungen an H. Stolla, 1992.
  11. Meier, G., Zschweigert, H.: "Die Hochkultur der Megalithzeit", Grabert-Verlag Tübingen, 1997; 14. Kapitel

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