Ignatius Donnelly - 'Vater' der modernen Atlantisforschung: Unterschied zwischen den Versionen

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''"Die Tatsache, das die Geschichte von Atlantis tausende von Jahren lang für eine Fabel gehalten wurde, beweist gar nichts. Es gibt einen Unglauben, der nur der Unwissenheit entstammt, ebensogut, als es eine Skepsis gibt, die das Ergebnis erweiterter Bildung ist. Die Völker, die der Vergangenheit am nächsten  
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''"Die Tatsache, das die Geschichte von [[Atlantis]] tausende von Jahren lang für eine Fabel gehalten wurde, beweist gar nichts. Es gibt einen Unglauben, der nur der Unwissenheit entstammt, ebensogut, als es eine Skepsis gibt, die das Ergebnis erweiterter Bildung ist. Die Völker, die der Vergangenheit am nächsten stehen, sind darum keineswegs mit derselben auch am besten bekannt."'' '''Ignatius L. Donnelly'''
stehen, sind darum keineswegs mit derselben auch am besten bekannt."''  
 
[[Ignatius Donnelly]]
 
  
(bb) Der amerikanische Jurist, Politiker, Forscher und Autor Ignatius Donnelly (Abb. 1) war ohne Zweifel die zentrale Persönlichkeit der Atlantisforschung des 19. Jahrhunderts. Sein Buch "Atlantis - the Antediluvian World" darf als wesentlicher Grundstein der heutigen nonkonformistischen Atlantologie betrachtet werden. Außerhalb des Kreises wissenschaftlicher Häretiker, 'unbelehrbarer Laien', Nonkonformisten und Atlantomanen haftet seinem Namen und Werk für gewöhnlich der Ruch des 'Unqualifizierten', 'längst Widerlegten' und 'Spinnerten' an. Wie so häufig haben die wenigsten, die ihre Nase über Ignatius Donnelly rümpfen (Abb. 3), seine Atlantis-Bücher selber gelesen oder sich damit beschäftigt.
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[[Bild: Donnelly.jpg|thumb|310x310px|'''Abb. 1''' Ignatius Donnelly (1831-1901), einer der Begründer der modernen, nonkonformistischen Atlantisforschung]]
  
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([[bb]]) Der amerikanische Jurist, Politiker, Forscher und Autor Ignatius Loyola Donnelly '''(Abb. 1)''' war ohne Zweifel die zentrale Persönlichkeit der [[Atlantisforschung]] des 19. Jahrhunderts. Sein Buch ''[https://archive.org/details/atlantisantedilu00donnuoft Atlantis - the Antediluvian World]'' darf als wesentlicher Grundstein der heutigen nonkonformistischen [[Atlantologie]] betrachtet werden. Außerhalb des Kreises wissenschaftlicher 'Häretiker', 'unbelehrbarer Laien', Nonkonformisten und '[[Atlantomanie|Atlantomanen]]' haftet seinem Namen und Werk für gewöhnlich der Ruch des 'Unqualifizierten', 'längst Widerlegten' und 'Spinnerten' an. Wie so häufig haben die wenigsten, die ihre Nase über Ignatius Donnelly rümpfen '''(Abb. 3)''', seine [[Atlantis]]-Bücher selber gelesen oder sich damit beschäftigt.
  
'''Abb. 1: ''' Ignatius Donnelly (1831-1901), einer der Begründer
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Ignatius Donnelly wurde am 3. November 1831 als Sohn irischer Einwanderer in [http://de.wikipedia.org/wiki/Philadelphia Philadelphia] geboren. Dort besuchte er zuerst die Schule, um danach Rechtswissenschaften zu studieren. 1852 nahm er in seiner Heimatstadt die Anwaltstätigkeit auf, übersiedelte dann aber 1857 nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Minnesota Minnesota], wo er sich in der Kleinstadt [http://en.wikipedia.org/wiki/Nininger_Township,_Minnesota Nininger] bei [http://en.wikipedia.org/wiki/Saint_Paul,_Minnesota St. Paul] niederließ und eine örtliche Zeitung herausgab. Dort begann er auch sein politisches Engagement und wurde bereits zwei Jahre später zum stellvertretenden Gouverneur des Staates gewählt (von 1860 bis 1863).
der modernen, nonkonformistischen [[Atlantisforschung]]
 
  
Ignatius Donnelly wurde am 3. November 1831 als Sohn irischer Einwanderer in [http://de.wikipedia.org/wiki/Philadelphia Philadelphia] geboren. Dort besuchte er zuerst die Schule, um danach Rechtswissenschaften zu studieren. 1852 nahm er in seiner Heimatstadt die Anwaltstätigkeit auf, übersiedelte dann aber 1857 nach Minnesota, wo er sich in der Kleinstadt Nininger bei St. Paul niederließ und eine örtliche Zeitung herausgab. Dort begann er auch sein politisches Engagement und wurde bereits zwei Jahre später zum stellvertretenden Gouverneur des Staates gewählt (von 1860 bis 1863).  
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Dann gelang ihm der Sprung nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Washington_D._C. Washington D.C.] in den US-Kongress, dem Donnelly als Abgeordneter ("congressman") von 1863 bis 1869 angehörte, und wo er sich als Kandidat der von ihm gegründeten "Populist Party" zwei mal vergeblich um das Amt des Vizepräsidenten bewarb. Danach war er für mehrere Legislaturperioden (1874-78, 1887, 1891-93, und 1897) Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von [http://de.wikipedia.org/wiki/Minnesota Minnesota]. Am 1. Januar 1901 starb er in [http://de.wikipedia.org/wiki/Minneapolis Minneapolis]; seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Calvary Cemetery, [http://en.wikipedia.org/wiki/Saint_Paul,_Minnesota St. Paul], [http://de.wikipedia.org/wiki/Minnesota Minnesota].
  
Dann gelang ihm der Sprung nach Washington D.C. in den US-Kongress, dem Donnelly als Abgeordneter ("congressman") von 1863 bis 1869 angehörte, und wo er sich als Kandidat der von ihm gegründeten "Populist Party" zwei mal vergeblich um das Amt des Vizepräsidenten bewarb. Danach war er für mehrere Legislaturperioden (1874-78, 1887, 1891-93, und 1897) Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Minnesota. Am 1. Januar 1901 starb er in [http://de.wikipedia.org/wiki/Minneapolis Minneapolis]; seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Calvary Cemetery, St. Paul, Minnesota.
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Ignatius Donnellys berufliches und politisches Engagement hielt ihn nicht davon ab, bisweilen skurrile Ideen zu verfolgen, die ihm in England vermutlich das Prädikat "spleenig" eingebracht hätten. "''Weltweite Aufmerksamkeit erregte seine >Entdeckung<, die Werke [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Shakespeare Shakespeares] seien in Wirklichkeit von [http://de.wikipedia.org/wiki/Francis_Bacon Sir Francis Bacon] geschrieben''", notierte etwa der Wissenschaftsjournalist [http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Khuon Ernst v. Khuon] 1976, und fügte bezüglich Donnellys Glaubwürdigkeit als Atlantisforscher ausdrücklich hinzu: "''Dies alles mag die schillernde Persönlichkeit, den hochintelligenten und einfallsreichen Donnelly hinreichend charakterisieren. Der von ihm aufgegriffene'' <ref>Anmerkung: Möglicherweise irrt v. Khuon hier, oder hat nicht ganz klar formuliert. Jedenfalls scheint Donnelly tatsächlich der erste POPULÄRE Forscher und Autor gewesen sein, der [[Atlantis]] exakt auf dem Delphin-Rücken lokalisierte. Immerhin lag die legendäre [http://de.wikipedia.org/wiki/Challenger-Expedition Challenger-Expedition] erst wenige Jahre zurück, als er 1882 "Atlantis - the Antedeluvian World" veröffentlichte.  
  
Ignatius Donnellys berufliches und politisches Engagement hielt ihn nicht davon ab, bisweilen skurrile Ideen zu verfolgen, die ihm in England vermutlich das Prädikat "spleenig" eingebracht hätten. ''"Weltweite Aufmerksamkeit erregte seine >Entdeckung<, die Werke Shakespeares seien in Wirklichkeit von Sir Francis Bacon geschrieben"'', notierte etwa der Wissenschaftsjournalist Ernst v. Khuon 1976, und fügte bezüglich Donnellys Glaubwürdigkeit als Atlantisforscher ausdrücklich hinzu: ''"Dies alles mag die schillernde Persönlichkeit, den hochintelligenten und einfallsreichen Donnelly hinreichend charakterisieren. Der von ihm aufgegriffene (+1)<ref>Anmerkung: Möglicherweise irrt v. Khuon hier, oder hat nicht ganz klar formuliert. Jedenfalls scheint Donnelly tatsächlich der erste POPULÄRE Forscher und Autor gewesen sein, der Atlantis exakt auf dem Delphin-Rücken lokalisierte. Immerhin lag die legendäre Challenger-Expedition erst wenige Jahre zurück, als er 1882 "Atlantis - the Antedeluvian World" veröffentlichte.
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Sollte es, was durchaus möglich ist, z. B. in Europa andere Autoren gegeben haben, die [[Atlantis]] vor ihm auf dem Delphin-Rücken lokalisiert haben, dann dürften sie ihm nicht bekannt gewesen sein. Als Forscher und Autor war er zumindest im atlantologischen Bereich "autochthon" und griff bei den Recherchen für sein Buch scheinbar kaum auf zeitgenössische atlantologische Quellen (18./19. Jahrhundert) zurück. Querverweise auf andere [[Atlantis]]-Autoren aus dieser Zeit (z.B. auf Carli), oder entsprechende Zitate, wird man dort vergeblich suchen, während es eine reichhaltige Auswahl an Zitaten aus der klassischen Literatur beinhaltet.''</ref> ''Grundgedanke, [[Atlantis]] auf dem Delphinrücken zu lokalisieren, könnte dennoch richtig sein, und in der Tat ist dieser Gedanke auch bis zum heutigen Tag lebendig geblieben.''" <ref>Quelle: '''Ernst v. Khuon''', "[[Rätsel Atlantis]]", ein Vorwort zu Otto Muck, "Alles über Atlantis", Econ Verlag, Düsseldorf-Wien, 1976</ref> 
  
Sollte es, was durchaus möglich ist, z. B. in Europa andere Autoren gegeben haben, die Atlantis vor ihm auf dem Delphin-Rücken lokalisiert haben, dann dürften sie ihm nicht bekannt gewesen sein. Als Forscher und Autor war er zumindest im atlantologischen Bereich "autochthon" und griff bei den Recherchen für sein Buch scheinbar kaum auf zeitgenössische atlantologische Quellen (18./19. Jahrhundert) zurück. Querverweise auf andere Atlantis-Autoren aus dieser Zeit (z.B. auf Carli), oder entsprechende Zitate, wird man dort vergeblich suchen, während es eine reichhaltige Auswahl an Zitaten aus der klassischen Literatur beinhaltet.''</ref>
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Als [[Atlantologie|Atlantologe]] war Ignatius Donnelly durchaus kein "Revolutionär", der mit spektakulären neuen Thesen von sich Reden machte. Vielmehr stellte er sich ganz auf den Boden der klassischen Interpretation der [[Platon|platonischen]] Texte, welche die historischen Existenz einer - im Wortsinn - untergegangenen Zivilisation im Zentral-Atlantik '''(Abb. 2)''' annimmt. "''Sein Werk gründete auf der Annahme, die bereits von den Amerikanern Hosea und Thompson (und ein Jahrhundert zuvor von [[Giovanni Rinaldo Carli|Conte Carli]]) vertreten worden war und besagte, daß die [http://de.wikipedia.org/wiki/Maya Maya]-Kultur und andere frühe Zivilisationen auf [[Atlantis]] zurückgingen.''" <ref>Quelle: [http://de.wikipedia.org/wiki/Lyon_Sprague_de_Camp L. Sprague de Camp], Versunkene Kontinente, Heyne / München, 1970, S. 49</ref>  
''Grundgedanke, Atlantis auf dem Delphinrücken zu lokalisieren, könnte dennoch richtig sein, und in der Tat ist dieser Gedanke auch bis zum heutigen Tag lebendig geblieben."''<ref>Quelle: Ernst v. Khuon, "Rätsel Atlantis", ein Vorwort zu Otto Muck, "Alles über Atlantis", Econ Verlag, Düsseldorf-Wien, 1976</ref> (+2) 
 
  
Als Atlantologe war Ignatius Donnelly durchaus kein "Revolutionär", der mit spektakulären neuen Thesen von sich Reden machte. Vielmehr stellte er sich ganz auf den Boden der klassischen Interpretation der platonischen Texte, welche die historischen Existenz einer - im Wortsinn - untergegangenen Zivilisation im Zentral-Atlantik (Abb. 2) annimmt. "Sein Werk gründete auf der Annahme, die bereits von den Amerikanern Hosea und Thompson (und ein Jahrhundert zuvor von Conte Carli) vertreten worden war und besagte, daß die [http://de.wikipedia.org/wiki/Maya Maya]-Kultur und andere frühe Zivilisationen auf Atlantis zurückgingen. (+3)<ref>Quelle: L. Sprague de Camp, Versunkene Kontinente, Heyne / München, 1970, S. 49</ref>
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[[Bild:Roter Gürtel.jpg|thumb|left|250x250px|'''Abb. 2''' Donnellys zentralatlantisches Atlantis auf dem Delphin-Rücken und (weiß markiert) der von ihm angenommene Diffusionsraum der atlantischen Hochkultur.]]
  
'''Abb. 2:''' Donnellys zentralatlantisches Atlantis auf dem Delphin-Rücken und (weiß markiert) der von ihm angenommene Diffusionsraum der atlantischen Hochkultur.  
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Tatsächlich könnte man Donnelly eher als Reformator und Modernisierer der [[Atlantologie]] seiner Zeit bezeichnen. Die besondere Bedeutung seiner Arbeit - insbesondere ''"Atlantis, the Antediluvian World"'' (1882) - für die spätere [[Atlantisforschung]] liegt u.a. gerade darin begründet, dass mit ihr seit [http://de.wikipedia.org/wiki/Athanasius_Kircher Athanasius Kirchers] "Mundus subterraneus" von 1665 die erste komplexe Studie vorgestellt wurde, in der in eine klassische Interpretation der [[Atlantida]] auf der Grundlage breitgefächerter wissenschaftlicher Erkenntnis ihrer Zeit erfolgt. Wesentlich erscheint außerdem, dass Donnelly methodologisch den inter- und [[transdisziplinär|transdisziplinären]] Denk-, Forschungs- und Argumentations-Ansatz popularisiert sowie in jene Form gebracht hat, die heute für die meisten [[Personalia atlantologica|Atlantisforscher]] zur Selbstverständlichkeit geworden ist:
  
Tatsächlich könnte man Donnelly eher als Reformator und Modernisierer der Atlantologie seiner Zeit bezeichnen. Die besondere Bedeutung seiner Arbeit - insbesondere ''"Atlantis, the Antediluvian World"'' (1882) - für die spätere Atlantisforschung liegt u.a. gerade darin begründet, dass mit ihr seit [http://de.wikipedia.org/wiki/Athanasius_Kircher Athanasius Kirchers] "Mundus subterraneus" von 1665 die erste komplexe Studie vorgestellt wurde, in der in eine klassische Interpretation der Atlantida auf der Grundlage breitgefächerter wissenschaftlicher Erkenntnis ihrer Zeit erfolgt. Wesentlich erscheint außerdem, dass Donnelly methodologisch den inter- und transdisziplinären Denk-, Forschungs- und Argumentations-Ansatz eingeführt bzw. In jene Form gebracht hat, die heute für die meisten Atlantisforscher zur Selbstverständlichkeit geworden ist:
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Hatte [http://de.wikipedia.org/wiki/Athanasius_Kircher Kircher] im 17. Jahrhundert den Betrachtungshorizont der [[Atlantisforschung]] - der zuvor auf historisch-mythologische Überlegungen und allenfalls geographische Analogieschlüsse reduziert war - bereits um die Komponente der Geologie erweitert, [[Giovanni Rinaldo Carli|Graf Giovanni (Gian) Rinaldo Carli]] im 18. Jahrhundert die [[Astronomie - eine uralte Wissenschaft!|Astronomie]] und Ethnologie ins Spiel gebracht, so ergänzte Donnelly das Arsenal atlantologischer 'Hilfswissenschaften' im 19. Jahrhundert u.a. um Anthropologie, historische Zoo-Geographie und Ethno-Botanik. Besondere Bedeutsamkeit kommt zudem der Tatsache zu, dass er - wie [[Giovanni Rinaldo Carli|Graf Carli]] - auch die [[Astronomie - eine uralte Wissenschaft!|Astronomie]] mit in sein Arbeitsmodell einbezog.  
  
Hatte Kircher im 17. Jahrhundert den Betrachtungshorizont der Atlantisforschung - der zuvor auf historisch-mythologische Überlegungen und allenfalls geographische Analogieschlüsse reduziert war - bereits um die Komponente der Geologie erweitert, Graf Gian Rinaldo Carli im 18. Jahrhundert die Astronomie und Ethnologie ins Spiel gebracht, so ergänzte Donnelly das Arsenal atlantologischer 'Hilfswissenschaften' im 19. Jahrhundert u.a. um Anthropologie, historische Zoo-Geographie und Ethno-Botanik. Besondere Bedeutsamkeit kommt zudem der Tatsache zu, dass er - wie Graf Carli - auch die Astronomie mit in sein Arbeitsmodell einbezog.  
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In seinem zweiten alternativhistorischen Werk [http://books.google.de/books?id=DRGpzKVisTsC&printsec=frontcover&dq=Donnelly+Ragnar%C3%B6k:+the+Age+of+Fire+and+Gravel Ragnarök: the Age of Fire and Gravel] (1883) griff Donnelly nämlich das [[Kataklysmus|kataklysmische]] Grundmotiv der platonischen [[Atlantida]] noch einmal gesondert auf und knüpfte faktisch an eine Hypothese an, die bereits sein Vorgänger Carli entwickelt hatte. Nach dieser Hypothese, die auch heute noch von den meisten Katastrophisten favorisiert wird, führte der Einschlag eines oder mehrerer extraterrestrischer Objekte auf der Erde zum plötzlichen und mehr oder weniger völligen Verschwinden der vermuteten [http://de.wikipedia.org/wiki/Pleistoz%C3%A4n pleistozänen] Hochkulturen bzw. von [[Atlantis]]. Womöglich noch weitsichtiger war die Annahme Donnellys in diesem Buch, die Ursache der jüngsten [http://de.wikipedia.org/wiki/Eiszeitalter Eiszeit] sei ebenfalls der Zusammenstoß eines [http://de.wikipedia.org/wiki/Komet Kometen] mit der Erde gewesen; eine These, die heute im Licht moderner astronomischer Erkenntnisse neu diskutiert werden muss (siehe z.B. [[Prof. Emilio Spedicato|Prof. E. Spedicatos]] Arbeit: [[Galaktische Begegnungen, APOLLO-Objekte und ATLANTIS]]).  
  
In seinem zweiten alternativhistorischen Werk "Ragnarök: the Age of Fire and Gravel" (1883) griff Donnelly nämlich das kataklysmische Grundmotiv der platonischen Atlantida noch einmal gesondert auf und knüpfte faktisch an eine Hypothese an, die bereits sein Vorgänger Carli entwickelt hatte. Nach dieser Hypothese, die auch heute noch von den meisten Katastrophisten favorisiert wird, führte der Einschlag eines oder mehrerer extraterrestrischer Objekte auf der Erde zum plötzlichen und mehr oder weniger völligen Verschwinden der glazialen Hoch-Kulturen bzw. von Atlantis. Womöglich noch weitsichtiger war die Annahme Donnellys in diesem Buch, die Ursache der jüngsten Eiszeit sei ebenfalls der Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde gewesen; eine These, die heute im Licht moderner astronomischer Erkenntnisse neu diskutiert werden muss (siehe z.B. E. Spedicatos Arbeit: Galaktische Begegnungen, APOLLO-Objekte und ATLANTIS).  
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[[Bild: Donnelly-Karikatur.jpg|thumb|250x250px|'''Abb. 3''' Donnellys ungebrochene Aktualität spiegelt sich auch in den fortgesetzten Versuchen mancher Kritiker wider, ihn lächerlich zu machen: Eine moderne Donnelly-Karikatur, Ende 20. Jahrhundert.]]
  
 
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Donnelly bewies zudem als Exeget ein tiefes Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeiten der Autoren des [[Atlantisbericht]]s ([[Platon]] und [[Solon]]) So erkannte nicht nur die besondere historische Bedeutung "''einer Überlieferung, welche die menschliche Geschichte nicht nur tausende von Jahren vor die Aera der griechischen Zivilisation zurückführte, sondern sogar noch weiter rückwärts viele Jahrtausende vor den Beginn der ägyptischen Herrschaft''" <ref>Quelle: '''Ignatius Donnelly''', "Atlantis - Die vorsintflutliche Welt", Eßlingen, 1911 </ref>; er verstand zudem auch, welche herausragende Bedeutung diese Überlieferung für [[Platon]] und [[Solon]] gehabt haben muss. Über Letzteren schrieb Donnelly: ""''es ist wohl zu begreifen, daß er bemüht war, diese unschätzbaren Nachrichten aus der allerältesten Vergangenheit seinen halbzivilisierten Landsleuten zu erhalten."'' <ref>Quelle: ebd.</ref> 
'''Abb. 3:''' Donnellys ungebrochene Aktualität spiegelt sich auch in den fortgesetzten Versuchen mancher Kritiker wider, ihn lächerlich zu machen: Eine moderne Donnelly-Karikatur, Ende 20. Jahrhundert.
 
  
Donnelly bewies zudem als Exeget ein tiefes Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeiten der Autoren des Atlantisberichts (Platon und Solon) So erkannte nicht nur die besondere historische Bedeutung "einer Überlieferung, welche die menschliche Geschichte nicht nur tausende von Jahren vor die Aera der griechischen Zivilisation zurückführte, sondern sogar noch weiter rückwärts viele Jahrtausende vor den Beginn der ägyptischen Herrschaft" (+4)<ref>Quelle: Ignatius Donnelly, "Atlantis - Die vorsintflutliche Welt", Eßlingen, 1911  </ref>; er verstand zudem auch, welche herausragende Bedeutung diese Überlieferung für Platon und Solon gehabt haben muss. Über Letzteren schrieb Donnelly:'' "es ist wohl zu begreifen, daß er bemüht war, diese unschätzbaren Nachrichten aus der allerältesten Vergangenheit seinen halbzivilisierten Landsleuten zu erhalten."'' (+5)<ref>Quelle: ebd. </ref>  
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Natürlich wird kaum ein moderner [[Personalia atlantologica|Atlantisforscher]] Donnellys Ergebnisse und Aussagen heute noch insgesamt übernehmen. Der [[Atlantologie]]-Historiker [[Dr. Martin Freksa]] stellt dazu sachlich fest: "''Donnellys Stärke lag in der vergleichenden Forschung, die er konsequent und mit großer Begeisterung betrieb. Allerdings sind später etliche seiner Detailergebnisse und noch mehr so manche spekulativen Schlüsse, die er aus ihnen zog, zu Recht kritisiert worden. Sein Werk enthält aber auch unzählige Einzelinformationen, die noch nicht genügend ausgewertet wurden, nicht zuletzt dadurch ist es aktuell geblieben.''" <ref>Quelle: [[Dr. Martin Freksa|Martin Freksa]], "Das verlorene Atlantis", Klöpfer & Meyer, 1997, S. 121</ref>  
  
Natürlich wird kaum ein moderner Atlantisforscher Donnellys Ergebnisse und Aussagen heute noch insgesamt übernehmen. Der Atlantologie-Historiker Dr. [[Martin Freksa]] stellt dazu sachlich fest: ''"Donnellys Stärke lag in der vergleichenden Forschung, die er konsequent und mit großer Begeisterung betrieb. Allerdings sind später etliche seiner Detailergebnisse und noch mehr so manche spekulativen Schlüsse, die er aus ihnen zog, zu Recht kritisiert worden. Sein Werk enthält aber auch unzählige Einzelinformationen, die noch nicht genügend ausgewertet wurden, nicht zuletzt dadurch ist es aktuell geblieben."'' (+6)<ref>Quelle: Martin Freksa, "Das verlorene Atlantis", Klöpfer & Meyer, 1997, S. 121</ref>  
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Bei der Bewertung von Donnellys forscherischem Schaffen aus heutiger Sicht sollte man somit auch nicht vergessen, in welchem wissenschafts-historischen Umfeld seine Arbeit stattfand. Der österreichische Atlantisforscher [[Otto Muck und „Die Welt vor der Sintflut“|Otto Muck]], ebenfalls ein entschiedener Verfechter der mittelatlantischen [[Atlantis-Lokalisierung]], meinte 1956 dazu: "''Um ihm heute gerecht zu werden, muß man berücksichtigen, wie wenig an exaktem Prüfungsmaterial damals vorlag. Um so so höher sind seine Versuche einzuschätzen, neue, naturwissenschaftliche Argumente aufzufinden.''" <ref>Quelle: '''Otto Muck''', "Alles über Atlantis", Knaur, 1977, S. 57  (Erstveröffentl. 1956)</ref>  
  
Bei der Bewertung von Donnellys forscherischem Schaffen aus heutiger Sicht sollte man somit auch nicht vergessen, in welchem wissenschafts-historischen Umfeld seine Arbeit stattfand. Der österreichische Atlantisforscher [[Otto Muck]], ebenfalls ein entschiedener Verfechter der mittelatlantischen Atlantis-Lokalisierung, meinte 1956 dazu: ''"Um ihm heute gerecht zu werden, muß man berücksichtigen, wie wenig an exaktem Prüfungsmaterial damals vorlag. Um so so höher sind seine Versuche einzuschätzen, neue, naturwissenschaftliche Argumente aufzufinden."'' (+7)<ref>Quelle: Otto Muck, "Alles über Atlantis", Knaur, 1977, S. 57  (Erstveröffentl. 1956)</ref>  
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Der Wissenschaftshistoriker [[Dr. Horst Friedrich]] hob 1998 zudem hervor: ''"Die Bedeutung Donnellys liegt wohl vor allem darin, daß just zu dem Zeitpunkt, als die moderne, >exakte< positivistische [[Schulwissenschaft|Schulnaturwissenschaft]] in die andere Richtung ging, hier von einem fähigen Katastrophisten ein ganz anderes, [[Kataklysmus|kataklysmisches]] Bild der Erd- und Menschheitsgeschichte präsentiert wurde. Tausende interessierter Leser wurden sich dadurch ewußt, daß der an den Universitäten und Schulen gelehrte [[Lyellismus]] und der [[Darwinismus]] vielleicht nur >ausgedachte Geschichte< waren."'' <ref>Quelle: [[Dr. Horst Friedrich|Horst Friedrich]], "Erdkatstrophen und Menschheitsentwicklung - Unser kataklysmisches Ur-Trauma", Hohenpreißenberg, 1998, S. 28</ref>
  
Der Wissenschaftshistoriker [[Dr. Horst Friedrich]] hob 1998 zudem hervor: ''"Die Bedeutung Donnellys liegt wohl vor allem darin, daß just zu dem Zeitpunkt, als die moderne, >exakte< positivistische Schulnaturwissenschaft in die andere Richtung ging, hier von einem fähigen Katastrophisten ein ganz anderes, kataklysmisches Bild der Erd- und Menschheitsgeschichte präsentiert wurde. Tausende interessierter Leser wurden sich dadurch ewußt, daß der an den Uni-versitäten und Schulen gelehrte Lyellismus und der Darwinismus vielleicht nur >ausgedachte Geschichte< waren."'' (+8)<ref>Quelle: Horst Friedrich, "Erdkatstrophen und Menschheitsentwicklung - Unser kataklysmisches Ur-Trauma", Hohenpreißenberg, 1998, S. 28</ref>
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Völlig "''vom Tisch''", "''überholt''" oder "''gänzlich widerlegt''" ist Ignatius Donnellys Werk also auch zu Beginn des neuen Jahrtausends keineswegs. Die Diskussion um das Ausmaß möglicher Landhebungen und Senkungen im Zentrum und an der Peripherie des [http://de.wikipedia.org/wiki/Atlantischer_Ozean Atlantischen Ozeans] ist jedenfalls bis heute im Gange und dem Lager der '[[Altzeitler]]' unter den Atlantisforschern stehen zu Beginn dieses Jahrhunderts mehr archäologische Evidenzen denn je zur Verfügung, um die Annahme entwickelter Menschheitskulturen gegen Ende der jüngsten [http://de.wikipedia.org/wiki/Eiszeitalter Eiszeit] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Rezent rezenter] [[Kataklysmus|Kataklysmen]] zu untermauern. 'Donnellys Erben' haben wieder Konjunktur!
  
Völlig "vom Tisch", "überholt" oder "gänzlich widerlegt" sind Ignatius Donnelly und sein Werk also auch zu Beginn des neuen Jahrtausends keineswegs. Die Diskussion um das Ausmaß möglicher Landhebungen und Senkungen im Zentrum und an der Peripherie des Atlantischen Ozeans ist jedenfalls bis heute im Gange und dem Lager der 'Altzeitler' unter den Atlantisforschern stehen zu Beginn dieses Jahrhunderts mehr archäologische Evidenzen denn je zur Verfügung, um die Annahme entwickelter Menschheitskulturen gegen Ende der jüngsten Eiszeit und rezenter Kataklysmen zu untermauern. 'Donnellys Erben' haben wieder Konjunktur!
 
  
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'''Weitere Beiträge zu Ignatius Donnelly bei Atlantisforschung.de:'''
  
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* [[Die 13 Thesen des Ignatius Donnelly]] ([[Das Team|red]])
  
Weitere Beiträge zu Ignatius Donnelly bei atlantisforschung.de:
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* [[Eine historische Presseschau zu Ignatius Donnelly]] ([[bb]])
  
[[Die 12 Thesen des Ignatius Donnelly]] (red)
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* [[Ragnarok, The Age of Fire and Gravel]] '''- Einführung''' ([[Das Team|red]])
  
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* [[Zeitgenössische Pressestimmen zu Ignatius Donnellys 'Ragnarok']] ([http://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn83025287/ Daily Globe]), 1883
  
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* [[Bifröst (Mythologie)]] ([[Das Team|red]])
  
Anmerkungen und Quellen:
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* [[Thorwald C. Franke über Ignatius Donnelly]] ([[bb]])
  
<referneces />
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* [[Ignatius Donnelly zur Plausibilität des Atlantisberichts]] ([[Das Team|red]])
  
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(+5) Quelle: ebd.
 
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Bild-Quellen:
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(1) http://www.sacred-texts.com/atl/ataw/
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(2) Donnelly, "Atlantis, the Antedeluvian World"
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(3) http://www.thehallofmaat.com/maat/article.php?sid=67
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===Anmerkungen und Quellen===
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'''Fußnoten:'''
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<references />
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'''Bild-Quellen:'''
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 +
:1) [http://www.sacred-texts.com Internet Sacred Text Archive], unter: [http://www.sacred-texts.com/atl/ataw/ 'Atlantis, the Antediluvian World' by Ignatius Donnelly (1882)]
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:2) '''I. Donnelly''', "Atlantis, the Antediluvian World", nach: [http://www.alien-girl.de/ alien-girl.de], unter: [http://www.alien-girl.de/msr/Wissen/Atlantis.htm Atlantis... von Solons Bericht bis heute] (Bild-Bearbeitung durch ''Atlantisforschung.de'')
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:3) [http://www.thehallofmaat.com thehallofmaat.com], unter: http://www.thehallofmaat.com/maat/article.php?sid=67 (nicht mehr online)

Aktuelle Version vom 9. Mai 2020, 15:54 Uhr

"Die Tatsache, das die Geschichte von Atlantis tausende von Jahren lang für eine Fabel gehalten wurde, beweist gar nichts. Es gibt einen Unglauben, der nur der Unwissenheit entstammt, ebensogut, als es eine Skepsis gibt, die das Ergebnis erweiterter Bildung ist. Die Völker, die der Vergangenheit am nächsten stehen, sind darum keineswegs mit derselben auch am besten bekannt." Ignatius L. Donnelly

Abb. 1 Ignatius Donnelly (1831-1901), einer der Begründer der modernen, nonkonformistischen Atlantisforschung

(bb) Der amerikanische Jurist, Politiker, Forscher und Autor Ignatius Loyola Donnelly (Abb. 1) war ohne Zweifel die zentrale Persönlichkeit der Atlantisforschung des 19. Jahrhunderts. Sein Buch Atlantis - the Antediluvian World darf als wesentlicher Grundstein der heutigen nonkonformistischen Atlantologie betrachtet werden. Außerhalb des Kreises wissenschaftlicher 'Häretiker', 'unbelehrbarer Laien', Nonkonformisten und 'Atlantomanen' haftet seinem Namen und Werk für gewöhnlich der Ruch des 'Unqualifizierten', 'längst Widerlegten' und 'Spinnerten' an. Wie so häufig haben die wenigsten, die ihre Nase über Ignatius Donnelly rümpfen (Abb. 3), seine Atlantis-Bücher selber gelesen oder sich damit beschäftigt.

Ignatius Donnelly wurde am 3. November 1831 als Sohn irischer Einwanderer in Philadelphia geboren. Dort besuchte er zuerst die Schule, um danach Rechtswissenschaften zu studieren. 1852 nahm er in seiner Heimatstadt die Anwaltstätigkeit auf, übersiedelte dann aber 1857 nach Minnesota, wo er sich in der Kleinstadt Nininger bei St. Paul niederließ und eine örtliche Zeitung herausgab. Dort begann er auch sein politisches Engagement und wurde bereits zwei Jahre später zum stellvertretenden Gouverneur des Staates gewählt (von 1860 bis 1863).

Dann gelang ihm der Sprung nach Washington D.C. in den US-Kongress, dem Donnelly als Abgeordneter ("congressman") von 1863 bis 1869 angehörte, und wo er sich als Kandidat der von ihm gegründeten "Populist Party" zwei mal vergeblich um das Amt des Vizepräsidenten bewarb. Danach war er für mehrere Legislaturperioden (1874-78, 1887, 1891-93, und 1897) Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Minnesota. Am 1. Januar 1901 starb er in Minneapolis; seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Calvary Cemetery, St. Paul, Minnesota.

Ignatius Donnellys berufliches und politisches Engagement hielt ihn nicht davon ab, bisweilen skurrile Ideen zu verfolgen, die ihm in England vermutlich das Prädikat "spleenig" eingebracht hätten. "Weltweite Aufmerksamkeit erregte seine >Entdeckung<, die Werke Shakespeares seien in Wirklichkeit von Sir Francis Bacon geschrieben", notierte etwa der Wissenschaftsjournalist Ernst v. Khuon 1976, und fügte bezüglich Donnellys Glaubwürdigkeit als Atlantisforscher ausdrücklich hinzu: "Dies alles mag die schillernde Persönlichkeit, den hochintelligenten und einfallsreichen Donnelly hinreichend charakterisieren. Der von ihm aufgegriffene [1] Grundgedanke, Atlantis auf dem Delphinrücken zu lokalisieren, könnte dennoch richtig sein, und in der Tat ist dieser Gedanke auch bis zum heutigen Tag lebendig geblieben." [2]

Als Atlantologe war Ignatius Donnelly durchaus kein "Revolutionär", der mit spektakulären neuen Thesen von sich Reden machte. Vielmehr stellte er sich ganz auf den Boden der klassischen Interpretation der platonischen Texte, welche die historischen Existenz einer - im Wortsinn - untergegangenen Zivilisation im Zentral-Atlantik (Abb. 2) annimmt. "Sein Werk gründete auf der Annahme, die bereits von den Amerikanern Hosea und Thompson (und ein Jahrhundert zuvor von Conte Carli) vertreten worden war und besagte, daß die Maya-Kultur und andere frühe Zivilisationen auf Atlantis zurückgingen." [3]

Abb. 2 Donnellys zentralatlantisches Atlantis auf dem Delphin-Rücken und (weiß markiert) der von ihm angenommene Diffusionsraum der atlantischen Hochkultur.

Tatsächlich könnte man Donnelly eher als Reformator und Modernisierer der Atlantologie seiner Zeit bezeichnen. Die besondere Bedeutung seiner Arbeit - insbesondere "Atlantis, the Antediluvian World" (1882) - für die spätere Atlantisforschung liegt u.a. gerade darin begründet, dass mit ihr seit Athanasius Kirchers "Mundus subterraneus" von 1665 die erste komplexe Studie vorgestellt wurde, in der in eine klassische Interpretation der Atlantida auf der Grundlage breitgefächerter wissenschaftlicher Erkenntnis ihrer Zeit erfolgt. Wesentlich erscheint außerdem, dass Donnelly methodologisch den inter- und transdisziplinären Denk-, Forschungs- und Argumentations-Ansatz popularisiert sowie in jene Form gebracht hat, die heute für die meisten Atlantisforscher zur Selbstverständlichkeit geworden ist:

Hatte Kircher im 17. Jahrhundert den Betrachtungshorizont der Atlantisforschung - der zuvor auf historisch-mythologische Überlegungen und allenfalls geographische Analogieschlüsse reduziert war - bereits um die Komponente der Geologie erweitert, Graf Giovanni (Gian) Rinaldo Carli im 18. Jahrhundert die Astronomie und Ethnologie ins Spiel gebracht, so ergänzte Donnelly das Arsenal atlantologischer 'Hilfswissenschaften' im 19. Jahrhundert u.a. um Anthropologie, historische Zoo-Geographie und Ethno-Botanik. Besondere Bedeutsamkeit kommt zudem der Tatsache zu, dass er - wie Graf Carli - auch die Astronomie mit in sein Arbeitsmodell einbezog.

In seinem zweiten alternativhistorischen Werk Ragnarök: the Age of Fire and Gravel (1883) griff Donnelly nämlich das kataklysmische Grundmotiv der platonischen Atlantida noch einmal gesondert auf und knüpfte faktisch an eine Hypothese an, die bereits sein Vorgänger Carli entwickelt hatte. Nach dieser Hypothese, die auch heute noch von den meisten Katastrophisten favorisiert wird, führte der Einschlag eines oder mehrerer extraterrestrischer Objekte auf der Erde zum plötzlichen und mehr oder weniger völligen Verschwinden der vermuteten pleistozänen Hochkulturen bzw. von Atlantis. Womöglich noch weitsichtiger war die Annahme Donnellys in diesem Buch, die Ursache der jüngsten Eiszeit sei ebenfalls der Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde gewesen; eine These, die heute im Licht moderner astronomischer Erkenntnisse neu diskutiert werden muss (siehe z.B. Prof. E. Spedicatos Arbeit: Galaktische Begegnungen, APOLLO-Objekte und ATLANTIS).

Abb. 3 Donnellys ungebrochene Aktualität spiegelt sich auch in den fortgesetzten Versuchen mancher Kritiker wider, ihn lächerlich zu machen: Eine moderne Donnelly-Karikatur, Ende 20. Jahrhundert.

Donnelly bewies zudem als Exeget ein tiefes Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeiten der Autoren des Atlantisberichts (Platon und Solon) So erkannte nicht nur die besondere historische Bedeutung "einer Überlieferung, welche die menschliche Geschichte nicht nur tausende von Jahren vor die Aera der griechischen Zivilisation zurückführte, sondern sogar noch weiter rückwärts viele Jahrtausende vor den Beginn der ägyptischen Herrschaft" [4]; er verstand zudem auch, welche herausragende Bedeutung diese Überlieferung für Platon und Solon gehabt haben muss. Über Letzteren schrieb Donnelly: ""es ist wohl zu begreifen, daß er bemüht war, diese unschätzbaren Nachrichten aus der allerältesten Vergangenheit seinen halbzivilisierten Landsleuten zu erhalten." [5]

Natürlich wird kaum ein moderner Atlantisforscher Donnellys Ergebnisse und Aussagen heute noch insgesamt übernehmen. Der Atlantologie-Historiker Dr. Martin Freksa stellt dazu sachlich fest: "Donnellys Stärke lag in der vergleichenden Forschung, die er konsequent und mit großer Begeisterung betrieb. Allerdings sind später etliche seiner Detailergebnisse und noch mehr so manche spekulativen Schlüsse, die er aus ihnen zog, zu Recht kritisiert worden. Sein Werk enthält aber auch unzählige Einzelinformationen, die noch nicht genügend ausgewertet wurden, nicht zuletzt dadurch ist es aktuell geblieben." [6]

Bei der Bewertung von Donnellys forscherischem Schaffen aus heutiger Sicht sollte man somit auch nicht vergessen, in welchem wissenschafts-historischen Umfeld seine Arbeit stattfand. Der österreichische Atlantisforscher Otto Muck, ebenfalls ein entschiedener Verfechter der mittelatlantischen Atlantis-Lokalisierung, meinte 1956 dazu: "Um ihm heute gerecht zu werden, muß man berücksichtigen, wie wenig an exaktem Prüfungsmaterial damals vorlag. Um so so höher sind seine Versuche einzuschätzen, neue, naturwissenschaftliche Argumente aufzufinden." [7]

Der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich hob 1998 zudem hervor: "Die Bedeutung Donnellys liegt wohl vor allem darin, daß just zu dem Zeitpunkt, als die moderne, >exakte< positivistische Schulnaturwissenschaft in die andere Richtung ging, hier von einem fähigen Katastrophisten ein ganz anderes, kataklysmisches Bild der Erd- und Menschheitsgeschichte präsentiert wurde. Tausende interessierter Leser wurden sich dadurch ewußt, daß der an den Universitäten und Schulen gelehrte Lyellismus und der Darwinismus vielleicht nur >ausgedachte Geschichte< waren." [8]

Völlig "vom Tisch", "überholt" oder "gänzlich widerlegt" ist Ignatius Donnellys Werk also auch zu Beginn des neuen Jahrtausends keineswegs. Die Diskussion um das Ausmaß möglicher Landhebungen und Senkungen im Zentrum und an der Peripherie des Atlantischen Ozeans ist jedenfalls bis heute im Gange und dem Lager der 'Altzeitler' unter den Atlantisforschern stehen zu Beginn dieses Jahrhunderts mehr archäologische Evidenzen denn je zur Verfügung, um die Annahme entwickelter Menschheitskulturen gegen Ende der jüngsten Eiszeit und rezenter Kataklysmen zu untermauern. 'Donnellys Erben' haben wieder Konjunktur!


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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Möglicherweise irrt v. Khuon hier, oder hat nicht ganz klar formuliert. Jedenfalls scheint Donnelly tatsächlich der erste POPULÄRE Forscher und Autor gewesen sein, der Atlantis exakt auf dem Delphin-Rücken lokalisierte. Immerhin lag die legendäre Challenger-Expedition erst wenige Jahre zurück, als er 1882 "Atlantis - the Antedeluvian World" veröffentlichte. Sollte es, was durchaus möglich ist, z. B. in Europa andere Autoren gegeben haben, die Atlantis vor ihm auf dem Delphin-Rücken lokalisiert haben, dann dürften sie ihm nicht bekannt gewesen sein. Als Forscher und Autor war er zumindest im atlantologischen Bereich "autochthon" und griff bei den Recherchen für sein Buch scheinbar kaum auf zeitgenössische atlantologische Quellen (18./19. Jahrhundert) zurück. Querverweise auf andere Atlantis-Autoren aus dieser Zeit (z.B. auf Carli), oder entsprechende Zitate, wird man dort vergeblich suchen, während es eine reichhaltige Auswahl an Zitaten aus der klassischen Literatur beinhaltet.
  2. Quelle: Ernst v. Khuon, "Rätsel Atlantis", ein Vorwort zu Otto Muck, "Alles über Atlantis", Econ Verlag, Düsseldorf-Wien, 1976
  3. Quelle: L. Sprague de Camp, Versunkene Kontinente, Heyne / München, 1970, S. 49
  4. Quelle: Ignatius Donnelly, "Atlantis - Die vorsintflutliche Welt", Eßlingen, 1911
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle: Martin Freksa, "Das verlorene Atlantis", Klöpfer & Meyer, 1997, S. 121
  7. Quelle: Otto Muck, "Alles über Atlantis", Knaur, 1977, S. 57 (Erstveröffentl. 1956)
  8. Quelle: Horst Friedrich, "Erdkatstrophen und Menschheitsentwicklung - Unser kataklysmisches Ur-Trauma", Hohenpreißenberg, 1998, S. 28

Bild-Quellen:

1) Internet Sacred Text Archive, unter: 'Atlantis, the Antediluvian World' by Ignatius Donnelly (1882)
2) I. Donnelly, "Atlantis, the Antediluvian World", nach: alien-girl.de, unter: Atlantis... von Solons Bericht bis heute (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) thehallofmaat.com, unter: http://www.thehallofmaat.com/maat/article.php?sid=67 (nicht mehr online)