Lew Semjonowitsch Berg

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Kurzportrait

Abb. 1 Lew Semjonowitsch Berg (1876-1950)

(bb) Lew Semjonowitsch Berg (Abb. 1) (auf Russisch: Лев Семёнович Берг; englischspr. Transkription: Lev Semyonovich Berg; * 14. März 1876 in Bender - ✝ 24. Dezember 1950 in Leningrad) war ein führender sowjetischer Geograph und Biologe (Ichthyologe). Zwischen 1940 und 1950 fungierte er als Präsident der Sowjetischen Geographischen Gesellschaft. Internationale Bekanntheit erlangte er vor allem durch die Entwicklung einer, den Theorien Darwins und Lamarcks entgegengesetzten, als 'Nomogenese' [1] bezeichneten Evolutionstheorie. In der atlantologischen Debatte wurden Bergs Forschungergebnisse - er befasste sich auch intensiv mit der Topograpie der Meeresböden und Biogeographie - von sowjetischen Atlantisforschern, wie N. Zhirov zur Stützung der Annahme eines während rezenter Perioden versunkenen Atlantis im Atlantik herangezogen.

Leben und Werk

Im damaligen Gouvernement Bessaarabien als Sohn von Simon Gregorewitsch Berg, einem Notar, und Klara L. Bernstein-Kogan zur Welt gekommen, absolvierte Lew Berg 1894 das Kischinjow-Gymnasium. [2] Wie auch andere Angehörige seiner jüdischstämmigen Familie konvertierte er zum Christentum, um an der Universität Moskau ein Studium aufnehmen zu können. [3] Dort studierte er zunächst Hydrobiologie und Geographie, später auch Ichthyologie, und graduierte schließlich im Jahr 1898. [4]

Zwischen 1903 und 1914 arbeitete Lew Berg am Zoologischen Museum in Sankt Petersburg, und tat sich als einer der Mitbegründer des Geographischen Instituts hervor, der heutigen Geographischen Fakultät der Universität St. Petersburg. Zu dieser Zeit (1910) heirateten er und die ebenfalls aus Bender stammende Polina Abramowna Kotlowker. Die beiden trennten sich allerdings schon bald nach der Geburt ihres zweiten Kindes wieder, woraufhin Bergs Mutter sich an ihrer Betreuung der beiden - Simon (* 1911) und Raissa (* 1913) - beteiligte. 1923 heiratete Berg erneut, und zwar Maria Michailowna Iwanowa, die Tochter eines Kapitäns. [5] 1928 wurde ihm die Mitgliedschaft in der Russischen Akademie der Wissenschaften angetragen. [6]

Abb. 2 Eine Satellitenaufnahme des Yssykköl in Kirgisistan. Seine subaquatische Topographie wurde - ebenso wie die vieler anderer Seen Zentralasiens - erstmals von Lew Semjonowitsch Berg genau erforscht.

Berg erforschte und bestimmte die Tiefen der Seen Zentralasiens, daunter den Balchaschsee und den Yssykköl. (Abb. 2) Er baute 'Dokutschajews Doktrin der Natur-Zonen' aus, die zu einer der Grundlagen sowjetischer Biologie wurde. Zu seinen bahnbrechenden Monographien über Klimatologie gehören "Klima und Leben" (1922) sowie "Grundlagen der Klimatologie" (1927). [7]

Was das Gebiet der Ichthyologie betrifft, war Lew Semjonowitsch Berg, der auch der Akademie der Wissenschaften der UdSSR angehörte, seinerzeit eine herausragende Kapazität. [8] 1916 publizierte er eine vierbändige Studie über die Fische Russlands. Die vierte Edition erschien 1949 unter dem Titel "Süßwasserfische der Sowjetunion und angrenzender Länder", und brachte ihm den Stalin-Preis ein. [9] Ihm wird die Entdeckung der symbiotischen Beziehung zwischen Neunaugen und Lachsen zugeschrieben, und sein Name findet sich in den lateinischen Fachbezeichnungen von mehr als sechzig Spezies von Pflanzen und Tieren. Im jahr 2001 gab die the Zentralbank von Transnistrien im Rahmen einer Reihe von Gedenkmünzen auch eine Silbermünze zu Ehren Bergs (seine Heimatstadt Bender gehört heute zu Transnistrien) heraus. [10] [11]

Lew S. Berg und die Atlantis-Debatte

Sowohl was die naturwissenschaftliche als auch die atlantologische Diskussion um in jüngster erdgeschichtlicher Vergangenheit im Atlantik versunkene Landstrecken angeht, konnten die Verfechter eines dort vermuteten Atlantis sich in der UdSSR lange auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens stützen, der dieser These eine geologische Basis verschaffte. Auch L.S. Berg machte hier keine Ausnahme, und so konnte ihn der prominente sowjetische Atlantisforscher Nikolai F. Zhirov in seinem Hauptwerk "Atlantis - Atlantologie: Grundsätzliche Probleme" [12], bezüglich der jüngsten Stadien der geologischen Geschichte des Nordatlantiks folgendermaßen zitieren:

Abb. 3 Lew S. Berg war davon überzeugt, das Teile des Atlantischen Rückens erst während des Quartärs untergingen - zu Zeiten des modernen Menschen.

"Allgemein akzeptierten Meinungen zufolge schuf am Ende des Pliozäns und dem Beginn der quartären Periode ein schmaler Landstreifen zwischen Britannien, den Färöern und Island eine Verbindung von Europa nach Grönland. Es würde ausreichen, den jetzigen Meeresspiegel um 500 Meter abzusenken, um diese Verbindung wieder herzustellen. Zerstört wurde diese Brücke, als der Atlantische Rücken endgültig versank, d.h. relativ rezent." [13] [14]

Aus Bergs Sicht als Biologe hatte der - vormals zumindest in Teilen subaerische - Mittelatlantische Rücken, den er als riesiges Gebirgssystem betrachtete, eine wesentliche Rolle bei der transatlantischen Verbreitung von Flora und Fauna: "Es ist nicht bekannt, wann dieser Rücken in der See versank. Möglicherweise, wie Kober meint, im Mesozoikum. Zumindest ein Teil davon versank erst in rezenter Zeit. Die unterseeischen Canyons sind Evidenzen dafür, dass in dieser Region des Atlantik vor kurzem Transgressionen stattfanden, die Landgebiete in eine Tiefe von wenigstens 1000 Meter unter dem Meeres-Spiegel beförderten." [15]

Und somit gelangte Berg zu seiner biogeographischen Schlussfolgerung: "Es gibt Betrachtungen aller Art bezüglich der Biogeographie der Atlantik-Länder [Anrainer; bb], doch darf der Untergang des Atlantischen Rückens nicht übersehen werden, von dem ein Teil im Quartär versank. Der Austausch von Flora und Fauna fand hier statt, nicht über irgendwelche hypothetische Brücken, sondern mitten über die Sporne [orig.: "spurs"; d. Ü.] des Atlantischen Rückens oder die Kette von Inseln, die sich vom Atlantischen Rücken gen Osten und Westen zu den Kontinenten hin erstreckten." [16]

Es bleibt abschließend zu bemerken, dass Lew Semjonowitsch Berg trotz seiner - zumindest indirekten - argumentativen 'Schützenhilfe' für die Verfechter eines 'Atlantis im Atlantik' selber offenbar eine andere Auffassung zu Platons versunkenem Inselreich vertrat. Zumindest scheint dies noch Ende der 1920er Jahre der Fall gewesen zu sein, wie wir bei Tony O’Connell erfahren. Bei ihm heißt es über Berg: "1928 schrieb er einen Artikel [17] für Priroda, das Journal der Russischen Akademie der Wissenschaften, in welchem er argumentierte, dass Atlantis südlich von Kreta im Mittelmeer gelegen habe. Seine Ansichten ähneln jenen seines Landsmannes Karnozhitsky." [18]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe online: L.S. Berg: "NOMOGENESIS OR EVOLUTION DETERMINED BY LAW", The M.I.T. Press, 1926 (PDF-Datei - hohe Ladezeit)
  2. Siehe: V. V. Tikhomirov, "Berg, Lev Simonovich", Complete Dictionary of Scientific Biography (2008), Encyclopedia.com (abgerufen: 15. Mai 2015)
  3. Siehe: Elena Aronova, "Raissa L'vovna Berg", bei: Jewish Women's Archive (abgerufen: 15. Mai 2015)
  4. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: Lev Berg (abgerufen: 15. Mai 2015)
  5. Siehe: Elena Aronova, op. cit.; sowie: V. V. Tikhomirov, op. cit.
  6. Quelle: ebd. (Wikipedia)
  7. Quelle: ebd. (Wikipedia)
  8. Siehe: "Obituary: L. S. Berg". Geographical Review 41 (4). Oct 1951. JSTOR 210715
  9. Siehe: Joint Committee on Slavic Studies (U.S.); American Council of Learned Societies; Social Science Research Council (U.S.); American Association for the Advancement of Slavic Studies (Februar 1951). The Current digest of the Soviet Press. S. 18
  10. Siehe: Smalley, Ian Markovic; Slobodan O’Hara-Dhand, Ken Wynn, Peter (June 2010). "A man from Bendery: L.S. Berg as geographer and loess scholar". Geologos (Bogucki Wydawnictwo Naukowe) 16 (2): 111–119. ISSN 1426-8981. hdl:10593/566
  11. Quelle: ebd. (Wikipedia)
  12. Siehe: Nikolai Zhirov, "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Honolulu / Hawaii, 2001 (Orig.: Moskau, 1959-1963, englischsprachige, neu überarbeitete Erstausgabe: Moskau, Jan. 1968, Zweitaufl. 1970)
  13. Siehe: L. S. Berg, "O predpolagayemom razdvızhemi materıkov" ("The Surmised Separation of Continents"), in: News of the Academy of USSR Academy, Geology Series, No. 3, 1948
  14. Quelle: N. Zhirov, op. cit., S. 310
  15. Quelle: L. S. Berg, "Nekotorye soobrazheniya o teorii peredvizhemıya materıkov" ("Some Considerations Regarding the Theory of of the Movement of Continents"), in: News of the USSR Academy of Geography, 1947, No. 74, S. 7-12; nach: N. Zhirov, op. cit., S. 311
  16. Quelle: ebd.
  17. Siehe: L.S. Berg, "Atlantida I Egeida", in: Priroda, 1928, No.4, S. 383
  18. Quelle: Tony O’Connell, "Berg, Lev Semenovich (i)", 5. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 15. Mai 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)

Bild-Quellen:

1) Tony O’Connell, op. cit.
2) NASA / .:Ajvol:. bei Wikimedia Commons, unter: File:Issyk Kul.jpg
3) NOAA / Interiot~commonswiki et al. bei Wikimedia Commons, unter: File:Atlantic bathymetry.jpg