Meropisforschung

Definition

Abb. 1 Der Weise Silenos, 'Berichterstatter' in der Rahmenhandlung der Erzählung über das Land der Meropen, mit deren Entschlüsselung sich die Meropisforschung befasst (Foto: Silenos-Statuette im Museo di Napoli)

(red) Analog zur enzyklopädischen Definition der Atlantisforschung stellt die Meropisforschung ein komplexes, inter- bzw. transdisziplinär angelegtes Studien- oder Forschungsgebiet dar, das sich „unter Einsatz der jeweils angemessenen Forschungsmethoden“ mit der systematischen "Sammlung, Vertiefung, Ordnung und laufenden Verbesserung des Wissens" [1] bezüglich aller Fragen und Probleme befasst, die im Zusammenhang mit dem - durch Claudius Aelianus überlieferten [2] - Bericht des Theopompos von Chios über das sagenhafte Land Meropis (auch: Meropa oder Meropia) sowie mit der Exegese dieser Erzählung stehen.

Eingeführt wurde der Begriff Meropisforschung um 1975 [3] durch den Schweizer Altertumskundler Emil Orgetorix Forrer (1894-1986) als Bezeichnung für ein, an der Analyse des Meropisberichts [4] (auch: Anostida) orientiertes Teilgebiet der Erforschung anzunehmender, prähistorischer Kulturkontakte zwischen Bewohnern Europas und Amerikas. Emil Forrer legte als erster Forscher eine umfassende, interdisziplinäre Argumentation zur Stützung der Annahme vor, dass mit dem "jenseits des Okeanos" gelegenen Land Meropis der amerikanische Kontinent gemeint gewesen sei. [5]

Heute wird Meropisforschung vorwiegend im Bereich der grenzwissenschaftlichen, diffusionistisch orientierten Atlantologie betrieben. Zahlreiche Atlantisforscher, unter ihnen Ignatius Donnelly [6], Harold T. Wilkins [7], Nikolai F. Zhirov [8], Martin Freksa [9] und Peter James [10], haben sich zumindest am Rande ihrer Beschaftigung mit dem Atlantisproblem auch mit Meropis befasst. [11] Jean Gattefossé [12] und Egerton Sykes [13] betrieben zudem die Suche nach Spuren der Meropier (auch: Meropes und Meropiden) im westlichen Nordafrika.

Mit ihrer Annahme, dass der Meropisbericht einen harten, prähistorisch-geographischen Kern aufweise, stellen sie sich die Meropis- bzw. Atlantisforscher bewusst in Gegensatz zur gängigen Lehrmeinung der Klassischen Philologie, nach der es sich bei Theopompos´ Bericht um eine rein fiktionale Erzählung, sowie um eine ironische Nachahmung von Platons Dialog Kritias [14] bzw. um eine Persiflage auf den Atlantisbericht handeln soll. [15]


Anmerkungen und Quellen

  1. Zit. übernommen aus: Horst Schaub und Karl G. Zenke, "Wörterbuch Pädagogik", 6. Aufl., München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 2004, S. 594
  2. Siehe: Claudius Aelianus, Varia historia, Buch III, c. 18
  3. Siehe: Emil Orgetorix Forrer, "Homerisch und silenisch Amerika", San Salvador (Selbstverlag), 1975
  4. Siehe: "Theopompus´ Bericht von Anostos - Von der Unterredung des Midas aus Phrygien mit dem Silen, und den von Silen erzählten Fabeln, aus: J. H. F. Meineke, "Des Claudius Aelianus vermischte Erzählungen. Aus dem Griechischen überseɮt und mit Anmerkungen versehen", Quedlinburg, 1787
  5. Robert Oberheid, "Emil O. Forrer und die Anfänge der Hethitologie: Eine wissenschaftshistorische Biografie", Berlin (Walter de Gruyter), 2007, S. 323-324
  6. "Atlantis, die vorsintflutliche Welt", Eßlingen, 1911, S. 30
  7. Harold T. Wilkins, "Secret Cities of old South America", aus der ATLANTIS REPRINT SERIES bei ADVENTURES UNLIMITED PRESS, Kempton, Illinois (USA), Juli 1998 [Erstveröffentl. 1952], S. 113, 114
  8. Nikolai F. Zhirov, "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Progress Publishers, Moskau, 1968 u. 1970, S. 39
  9. Martin Freksa, "Das verlorene Atlantis", Klöpfer & Meyer, 1997, S. 87
  10. Peter James, "The Sunken Kingdom", London (Jonathan Cape), 1996, S. 293
  11. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Bernhard Beier, "Ein >Satyr< berichtet von Riesen aus Amerika"
  12. Siehe: Jean Gattefossé, "Atlantis and the Western Tritonis", bei: Moroccan Society for Prehistory, 1932
  13. Siehe u.a.: Egerton Sykes, "The Sahara Inland Sea", 1967 (in: 'Atlantis')
  14. Siehe: Pierre Vidal-Naquet, "Atlantis - Geschichte eines Traums", München (C.H. Beck), 2006, S. 39
  15. Siehe: Heinz-Günther Nesselrath, "Theopomps Meropis und Platon. Nachahmung und Parodie", in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 1, 1998, S. 1–8. (Online als PDF-Datei 38,06 KB)

Bild-Quelle

(1) Wikimedia Commons, unter: File:Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 5427 - Sileno (Museo di Napoli) - Cornell University website.jpg