Neues Papier zu den ägyptischen 'Kokain-Mumien'

...sowie zur transatlantischen Verbreitung alter Nutzpflanzen, protohistorischen maritimen Fernreisen und früher transozeanischer kultureller Interaktion bzw. Diffusion

Abb. 1 Der mumifizierte Schädel der altägyptischen Priesterin Henut Taui (ca. 1000 v.d.Z.; 21. Dynastie). In ihrer Mumie fanden S. Balabanova und F. Parsche 1992 erstmals Spuren von Nikotin und Kokain. Später konnten sie diese Alkaloide auch in anderen ägyptischen Mumien nachweisen.

(red) Nach der Entdeckung von Nikotin- und Kokainspuren in altägyptischen Mumien durch Dr. Svetlana Balabanova (1929-2015) und F. Parsche in den frühen 1990er Jahren [1] gab es eine Zeit lang heftige Diskussionen um diese Funde, die dem Diffusionismus bzw. der Annahme weit präkolumbischer Kontakte zwischen Menschen der Alten und der Neuen Welt Auftrieb gaben. Bezeichnend war dabei allerdings das beschämend niedrige Argumentations-Niveau so mancher Fachwissenschaftler - allen voran isolationistisch orientierte Altamerikanisten und verbeamtete Mainstream-Ägyptologen -, die mittels Phrasendrescherei und wilden Spekulationen versuchten, die missliebigen neuen Erkenntnisse vom Tisch zu wischen. [2]

Dies sowie die hartnäckige Diskursverweigerung eines Großteils der zuständigen scientific community führten letztlich dazu, dass insbesondere in der englischsprachigen Öffentlichkeit, aber auch bei jüngeren Akademikern der Eindruck entstand, die Anglegenheit sei mangels Substanz als 'erledigt' zu betrachten. Was den universitären Bezirk betrifft, so könnte jetzt ein aktuelles wissenschaftliches Papier mit dem Titel "The Occurrence of Cocaine in Egyptian Mummies..." frischen Wind in den Streit um das 'Koks der Pharaonen', zu vermutende präkolumbische Amerikafahrten und die frühe Verbreitung wichtiger Nutzpflanzen rund um den Globus bringen.

Dieser vom Thüringer Experimental-Archäologen Dr. Dominique Görlitz beim Institut für Kartographie der Technischen Univerität Dresden publizierte Artikel basiert auf Auszügen aus der 2012 erschienenen Dissertation [3] des Autors, der mit seiner diesbezüglichn Forschung das Werk von Svetlana Balabanova weiterführt. Bei Atlantisforschung.de stellen wir nachfolgend eine Übersetzung ins Deutsche des Abstracts dieses aktuellen Papiers von Dr. Görlitz vor.


Das Auftreten von Kokain in ägyptischen Mumien... - Abstract

Eines der ungelösten Probleme moderner Wissenschaft ist [die Frage; d.Ü.], ob sich die präkolumbischen Völker der Neuen Welt völlig unabhängig von kulturellen Einflüssen aus der Alten Welt entwickelt haben, oder ob es transozeanischen Kontakt gab.

Abb. 2 Die Toxikologin Svetlana Balabanova anno 2009 im Gespräch mit dem Experimental-Archäologen Dominique Görlitz

Eine Anzahl von Wisenschaftlern stimmt [der Ansicht; d.Ü.] zu, dass es viele – und häufig bemerkenswerte – Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen des präkolumbischen Amerika und jenen der mediterranen Welt gibt. Nichtsdestotrotz gibt es bisher kein Einvernehmen darüber, wie kulturelle Diffusion von unabhängiger Erfindung unterschieden werden kann. Die wissenschaftliche Analyse zeigt, dass akademische Positionen oftmals stark durch Paradigmata (wissenschaftlich basierte Voraussetzungen) vorgeformt werden, welche dazu neigen, die Berücksichtigung solider wissenschaftlicher Daten zu verhindern, wie sie [im vorliegenden Fall; d.Ü.] durch die Geobiologie und die transdisziplinäre Begutachtung des hier untersuchten Gegenstands dargebracht werden.

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, was für historische Prozesse zur Entstehung der altamerikanischen Agrikultur führten, ist noch nicht gegeben worden. Allerdings unterstützt die archäologische Entdeckung von Nutzpflanzen eindeutig transozeanischen Ursprungs, nebst Fortschritten in der Molekularbiologie, in zunehmendem Maße die Hypothese, dass Menschen sich in ferner Vergangenheit, schon während eines viel früheren Stadiums [als bisher zugestanden; d.Ü.], über die Ozeane hinweg gegenseitig beinflussten. Vegetation und Zoogeographie indizieren anhand zahlreicher Beispiele, dass manche Spezies sich nur durch - unter Umständen unbeabsichtigte (passive) - menschliche Übertragung verbreiten konnten [4].

Es gibt zwei sehr alte Nutzpflanzen, die in der „Neuen Welt‟ zu finden sind, welche dem Paradigma eines vollständig unabhängigen Ursprungs der amerikanischen Agrikultur widersprechen. Dies sind der afrikanische Flaschenkürbis (Lagenaria siceraria L.) und die anzestrale Baumwollart (Gossypium herbaceum L.) der domestizierten spinnbaren Untergattung tetraploider Baumwolle. Die historische Verbreitung beider Arten ist seit Jahrzehnten diskutiert worden, vor allem in Hnsicht auf transozeanische menschliche Kontakte mit dem amerikanischen Kontinent. Es hat [...] seit der Entdeckung von Nikotin und Kokain in ägyptischen Mumien auch eine anhaltende Debatte gegeben, in deren Mittelpunkt die Frage stand, ob Pflanzen der „Neuen Welt‟ (oder ihre Inhaltsstoffe) in die entgegengesetzte Richtung weitergeleitet worden sein könnten, zurück zu ihrem vermuteten Ausgangspunkten in Zentren der ältesten Zivilisationen der altertümlichen Welt.



The Occurrence of Cocaine in Egyptian Mummies - New research provides strong evidence for a trans-Atlantic dispersal by humans

Dominique Görlitz
Technische Universität Dresden, Institut für Kartographie, Germany
(received 22 May 2016, accepted 29 June 2016)


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de einführend: Bernhard Beier, "Das Koks der Pharaonen"
  2. Sehr aufschlussreich dazu folgendes analytische Papier: S. A. Wells, "American Drugs in Egyptian Mummies", online bei University of Caliornia, Riverside - FACULTY SUPPORT (abgerufen: 15. Juli 2016)
  3. Görlitz, D. (2012): Prähistorische Ausbreitungsmechanismen transatlantisch verbreiteter Kulturpflanzen. D M Z Verlag, Gotha und Universität Nürnberg-Erlangen.
  4. Fukarek, F., Hübel, H., König, P., Müller, G.K., Schuster, R. &Succow, M. (2000): UraniaPflanzenreich– Vegetation. Band 12. Urania Verlag, Berlin.

Bild-Quellen:

1) Bild-Archiv Dominique Görlitz
2) ebd.