Oreichalkos

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Eine rätselhafte Substanz bei Platon

(red) Platons Atlantisbericht wird nicht ohne Grund "Die Königin der Legenden" genannt. Eines der vielen Einzel-Probleme, das sich auf dem weiten Feld seiner Erforschung neben der geographischen und chronologischen Lokalisierung eines oder mehrerer historischer Vorbilder für Atlantis ergibt, ist die Identifikation des mysteriösen Stoffes "Oreichalkos" (lat.: orichalcum; griechisch ὀρείχαλκος, aus ὄρος óros "Berg" und χαλκός chalkós "Erz", insbesondere Kupfer).

Als direkte Übersetzung des Wortes Oreichalkos ins Deutsche bietet sich also der Begriff "Bergerz" an. Der Verfasser einer deutschsprachigen Referenz-Übersetzung platonischer Texte, Rudolf Rufener [1], verwendet dagegen die deutsche Transformation "Goldkupfererz". Das Random House Dictionary wiederum präsentiert als wörtliche Übersetzung für den von Platon verwendeten Ausdruck im Englischen "copper-mountain". Zu Deutsch heißt dies: "Kupfer-Berg". Die Assoziation mit einer Form von Kupfererz, bzw. einer natürlich vorkommenden Kupfer-Legierung, erscheint somit naheliegend, ist aber nicht zwingend.

Abb. 1 Bernstein, eines der wertvollsten Handelsgüter der sogenannten "Bronzezeit", wurde von Jürgen Spanuth als Oreichalkos identifiziert - eine von vielen Hypothesen.

Bei Platon heißt es über die Atlanter und diese Substanz: "...dank ihrer Herrschaft flossen ihnen große Einkünfte von den auswärtigen Gebieten zu; das meiste indessen zum Lebensunterhalt lieferte die Insel selbst. Zunächst alles, was im Bergbau an harten und geschmolzenen Metallen geschürft wird, auch das, wovon wir heute nur noch den Namen kennen, das aber damals mehr als nur ein Name war, nämlich das Goldkupfererz, das man an vielen Orten schürfte und das nächst dem Golde unter den Menschen jener Zeit am höchsten geschätzt wurde." (Kritias, 114e) An anderer Stelle heißt es dort, die Königsburg der Atlanter sei mit "Goldkupfererz" überzogen gewesen, "das wie Feuer funkelte" (Kritias 116c), also offenbar einen rötlichen Schimmer aufgewiesen haben muss. Dies ist aber auch schon alles, was er darüber zu berichten weiß.

Der Oreichalkos bei anderen antiken Autoren

Allerdings ist Platon keineswegs der einzige Autor des Altertums, der von dieser mysteriösen Substanz spricht. Die ersten Erwähnungen des Oreichalkos finden sich bei Hesiod [2] im 7. Jahrhundert v. Chr., sowie in einem homerischen, der Göttin Aphrodite gewidmeten, Hymnus, der um 630 v. Chr. datiert wird. [3] Nähere Angaben dazu, was genau wir darunter zu verstehen haben, lassen sich diesen Quellen jedoch offenbar nicht entnehmen. Anders in der nachplatonischen Literatur, wo der Oreichalkos z.B. bei dem griechischen Geographen Strabon (circa 63 v. Chr. bis 26 n. Chr.) Erwähnung findet: "Nah bei Andeira gibt es einen Stein, der [...] Zink absondert, und dies unter Zufügung von Kupfer ergibt die 'Mischung', wie man sagt, die von manchen Oreichalkos genannt wird." [4]

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Abb. 2 Messing gehört ebenfalls zu den diversen Substanzen, die als Kandiaten zur Identifizierung des ominösen Oreichalkos in Frage kommen.

Mit dieser Aussage hat Strabon in nicht geringem Maße zu der modernen, hauptsächlich im schulwissenschaftlichen Bezirk populären Auffassung beigetragen, bei dem von Platon in seinem Atlantisbericht erwähnten "Bergerz" habe es sich um die Kupfer-Zink-Legierung Messing gehandelt.


Die antike, kleinasiatische Stadt Andeira befand sich 80 Kilometer südöstlich von Troja, in der Gegend des heutigen Edremit.


In Palästina wurde Messing bereits in der späten Bronzezeit hergestellt.


Pausanias gebraucht den Begriff Oreichalkos etwa 500 Jahre nach Platon einmal in seiner „Perihegese“. Da er den Begriff nicht erklärt und auch sonst kein weiteres Wort darüber verliert, scheint Oreichalkos zu seiner Zeit (etwa 150 n. Chr) allgemein bekannt gewesen zu sein, was die Messingthese, die auch in den meisten Wörterbüchern vertreten wird, stützt.


"Orichalcum wird auch in den Antiquitates Judaicae - Buch VIII, Abschnitt 88 - von [Flavius] Josephus erwähnt, der feststellte, dass die Gefäße im Salomonischen Tempel aus Orichalcum (oder einer Bronze, die in ihrer Schönheit dem Golde gleich kam) gefertigt waren.

Plinius der Ältere hebt hervor, dass dieses Metall nicht mehr im Umlauf sei, weil seine Minen erschöpft seien."

Pseudo-Aristoteles beschreibt Oreichalkos in De mirabilibus auscultationibus als ein schimmerndes Metall, welches beim Schmelzen von Kupfer unter Zusatz von >calmia< gewonnen werde, einer Art Erde, die vormals an den Gestaden des Schwarzen Meeres gefunden wurde." [5]


Die alten Römer übernahmen den Begriff als lat. Aurichalkum [richig: Aurichalcum] und bezeichneten damit eine messingähnliche Kupfer-Zink-Legierung von goldähnlicher Farbe, der man mehr Wert als reinem Kupfer beimaß und die zur Münzprägung verwendet wurde. Seit der Münzreform des Augustus wurden der 27,3 Gramm wiegende Sesterz und sein Halbstück Dupondius aus dieser Legierung im Verhältnis von etwa vier Teilen Kupfer zu einem Teil Zink hergestellt. Unter Philippus Arabs sank der Zinkanteil auf bis zu fünf Prozent


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Arbeitshypothese

Wenn wir die - höchst spärlichen - älteren Informationen zugrunde legen, die bis hin zu Platon über den Oreichalkos 'auf uns gekommen sind', wie man früher zu sagen pflegte, so drängt sich der Eindruck auf, dass diese Substanz auch für die frühen Griechen etwas höchst Geheimnisvolles gewesen zu sein scheint, mithin ein Metall, das mit Göttern - bei Homer: mit Aphrodite [6] - und Halbgöttern - bei (Pseudo-)Hesiod mit Herakles, und bei Platon mit den titanenstämmigen Atlantern - in Verbindung gebracht wurde, das ansonsten aber nur noch dem Namen nach bekannt war.

Wenn wir dagegen die Angaben späterer Autoren betrachten, so wissen diese erstaunlich gut, wovon sie reden, wenn sie von Oreichalkos sprechen, auch wenn sie offenbar nicht immer ein und dieselbe Substanz meinen. Während z.B. der Oreichalkus bei Plinius dem Älteren - analog zu Platons Angaben - geschürft wurde, sprechen Pseudo-Aristoteles und Strabon von artifiziellen Kupfer-Legierungen, und zwar, mehr oder weniger eindeutig, von Messing. Spätestens im historischen Umfeld des graeco-romanischen Kultur-Komplexes scheint diese Bedeutung sich dann durchgesetzt zu haben.




Einige Interpretationen

Auf der folgenden Tafel finden Sie eine - noch unvollständige - Auflistung wesentlicher Oreichalkos-Identifizierungen aus neuerer Zeit (20. u. 21. Jahrhundert). Wir möchten darauf hinweisen, dass die hier genannten Substanzen nicht unbedingt erstmalig von den bezeichneten Forschern und Autoren identifiziert wurden. Wir nennen hier vor allem diejenigen "Entdecker", welche die betreffenden Identifikationen im deutschen Sprachraum bekannt gemacht haben.

Team Atlantisforschung.de


Übersicht


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Anmerkungen und Quellen

  1. Siehe: Rudolf Rufener: Platon - Spätdialoge, 2. Übersetzung, Zürich / München, 1974; wesentliche Textpassagen daraus finden Sie bei Atlantisforschung.de unter: Platons Werke
  2. Anmerkung: Nach der deutschsprachigen Wikipedia bei einem 'Pseudo-Hesiod' "in seinem >Schild des Herakles<, worin aus diesem Metall unter anderem Beinschienen gefertigt werden." Siehe: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Oreichalkos, (Stand: 5. Aug. 2010)
  3. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: Orichalcum (Stand: 5. Aug. 2010)
  4. Quelle: Strabon, Geographie, XIII, 56, zit. nach: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Oreichalkos, (Stand: 5. Aug. 2010)
  5. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: Orichalcum (Stand: 5. Aug. 2010) --- Dort bezieht man sich auf: Nicholas F. Zhirov, "Atlantis: Atlantology: Basic Problems", The Minerva Group, Inc, 2001. ISBN 0-89875-591-3
  6. Anmerkung: Interessanter Weise


Bild-Quellen

(1) Collegium Josephinum Bonn, unter: http://cojobo.bonn.de/~p_niesem/mineralien-bilder/bernstein.jpg

(2) Wikimedia Commons, unter: File:Metal cube brass.jpg

(3) Wikimedia Commons, unter: File:Obsidian 1.jpg