Pedro Cieza de Leons 'Cronica de Peru'

von unserem Gastautor Ferdinand Speidel


Wer war Pedro Cieza de Leon?

Pedro Cieza de Leon (Abb. 1) war ein spanischer Eroberer, vor allem aber ein Chronist und Historiker der andinen Welt. Über das Jahr seiner Geburt in Llerena, im südlichen Spanien, gibt es unterschiedliche Angaben. In einer Ausgabe von 1922 seines Werkes wurde das Jahr 1518 genannt, das auch die spanischsprachige Wikipedia verwendet [1], während die deutschsprachige Wikipedia 1520 nennt.

Nach eigenen Angaben verließ er Spanien mit noch nicht einmal dreizehn Jahren und verbrachte siebzehn Jahre in den heutigen Ländern Kolumbien und Peru, vor allem mit Eroberungen und Entdeckungen. Schon früh begann er, seine Erlebnisse und das gesammelte Wissen aufzuzeichnen. 1548 wurde er nach eigenen Angaben zum Chronisten „de las Indias“ ernannt und zog im Landesinneren bei Augenzeugen und Konquistadoren weitere Informationen ein. Er würdigte die Leistungen der Inka und gestand ihnen zu, dass sie „in vieler Hinsicht uns in Spanien überlegen waren.“ 1550 beendete er seine Geschichte der Andenvölker und ließ sie in Lima von der Zensurbehörde bestätigen.

1551 kehrte er nach Spanien zurück, der erste der drei Teile seines Werkes wurde 1553 veröffentlicht. Da er darin deutliche Kritik am König und den von ihm berufenen Offiziellen in den Kolonien und den verübten Gräueln bei der Eroberung übte, wurde sein Werk drei Jahrhunderte lang von weiterer Veröffentlichung ausgeschlossen. Cieza arbeitete am zweiten und dritten Band für den Druck, war inzwischen gelähmt und starb noch vor der Fertigstellung 1554 in Sevilla; die Ausgabe von 1922 nennt das Jahr 1560 als sein Todesjahr.


Die vorzeitlichen Riesen aus der “Cronica de Peru” von Pedro Cieza de Leon

Cieza de Leon widmete seine Cronica de Peru dem spanischen König Philip II. In seinem Vorwort stellt er sich ihm vor als ein junger Mann, der mit noch nicht einmal dreizehn Jahren sein Land verließ und fast siebzehn Jahre in den „Indien des Ozeans“ verbrachte, große Teile davon bei Eroberungen und Entdeckungen. Es überkam ihn der Wunsch, sein erworbenes Wissen über geschichtliche Ereignisse niederzuschreiben, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Im Folgenden erläutert er die Gliederung seiner Aufzeichnungen in vier Teile:

Abb. 1 Don Pedro Cieza de Leon (vermutl. 1518-1560)
  • Der erste Teil handelt von der Begrenzung und Einteilung der Provinzen Perus, sowohl in Bezug auf das Meer als auch das Land betreffend; die Beschreibung des Ganzen; die Gründung neuer Städte durch Spanier; wer die Gründer waren; die Riten und Bräuche und andere seltsame Dinge, die die Indianer in alter Zeit hatten, welche Wert sind, aufgezeichnet zu werden.
  • Im zweiten Teil werden die Herrschaft der Inka, ihre großen Tagen und ihre Regierung beschrieben; ihre bewundernswerten Tempel; Straßen von eigenartiger Größe [2]. In diesem Teil wird auch berichtet, was die Indianer über die Flut erzählen.
  • Der dritte Teil geht auf die Entdeckung und Eroberung Perus durch Francisco Pizarro und die Niederschlagung eines Aufstandes der Indianer ein.
  • Der vierte Teil ist der wichtigste, er ist in fünf Bücher unterteilt, die er unter den Titel „Die Bürgerkriege von Peru“ stellt. Diese Kriege waren alle Konflikte zwischen verschiedenen spanischen Eroberern.

Der Hauptaugenmerk Ciezas liegt auf der Beschreibung der Geographie des Vizekönigreichs Peru, das neben dem heutigen Peru auch Kolumbien, Ecuador und Bolivien bis zum Norden Chiles umfasste, sowie Sitten und Gebräuche der Völkerschaften, die dieses Land bevölkerten. Im Kapitel 52 seiner „Cronica de Peru“ gibt Cieza de Leon die Sage von Indianern aus dem Gebiet von Santa Elena im heutigen Ecuador wieder, die über Riesen berichtet.

Hier die Übersetzung eines Auszugs des 52. Kapitels:

Der Beginn dieses Werkes berichtete über die Namen der Häfen entlang der Küste Perus, im Norden von Panama bis hinunter zur Provinz Chile ... Ich beschrieb auch bereits die wichtigsten Völkerschaften der Region. Da es in Peru das Gerücht über Riesen gab, die an der Küste der Landspitze von Santa Elena, die außerhalb der Stadt Puerto Viejo liegt, landeten, wollte ich Nachricht geben über das, was ich darüber hörte und wie ich es verstand, ohne Erachtung der volkstümlichen Meinung, welche die Dinge immer übertreibt.

Abb. 2 Das Deckblatt des ersten Bandes der 'Cronica de Peru'

Die Eingeborenen erzählen, was sie von ihren Vätern hörten, und was jene seit langer Zeit bewahrten, dass vom Meer in mehreren Schilfflößen Männer von solcher Größe kamen, denen ein gewöhnlicher Mann nur bis zum Knie reichte, auch wenn er von stattliche Größe war. Ihre Glieder stimmten mit der Größe ihrer Körper überein, derart riesig, dass es schrecklich war, ihre großen Köpfe und ihre Haare, die bis zu den Schultern hingen, zu sehen. Es heißt, die Augen waren so groß wie kleine Teller. Sie versichern, dass sie keine Bärte hatten, und dass einige von ihnen Tierfelle trugen und andere Kleider, die ihnen die Natur gab. Sie hatten keine Frauen bei sich.

Nachdem sie sich an dem Ort in der Art eines Dorfes niedergelassen hatten (noch heute erhalten sie die Erinnerung an die Plätze, die diese Häuser einnahmen) und kein Wasser fanden, machten sie zur Abhilfe dieses von ihnen empfundenen Mangels sehr tiefe Brunnen. Ein Werk, das der Erinnerung Wert ist, ausgeführt von solch überaus starken Männern, wie man es von ihnen vermutet, denn derart war ihre Größe. Sie gruben diese Brunnen in den gewachsenen Fels bis sie Wasser fanden. Danach bearbeiteten sie den Fels bis nach oben, so dass es lange Zeiten überstehen sollte. In den Brunnen ist sehr gutes und schmackhaftes Wasser und immer so kühl, dass es Zufriedenheit erzeugt, es zu trinken.

Nachdem sich diese großen Männer oder Riesen ihren Wohnsitz und diese Brunnen oder Zisternen, aus denen sie tranken, eingerichtet hatten, zerstörten und aßen sie alles, was sie in dem Gebiet zum Lebensunterhalt finden konnten. Es wird auch berichtet, dass sie so viel aßen wie fünfzig gewöhnliche Menschen dieser Gegend. Als würde das Essen, das sie fanden nicht ausreichen, um sie zu erhalten, töteten sie viele Fische im Meer mit ihren Netzen und Geräten. Die Eingeborenen lebten in großer Abscheu vor ihnen, denn um ihre Frauen zu missbrauchen, töteten sie und taten das auch aus anderen Gründen. Die Indianer erachteten sich zu gering, um diese neuen Menschen, die gekommen waren und ihre Erde einnahmen, zu töten, auch wenn sie große Versammlungen abhielten, um über sie zu sprechen. Aber sie wagten es nicht, sie anzugreifen.

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Abb. 3 Das Vizekönigreich Peru (1542–1818) Farbiger Bereich insgesamt: De-jure-Ausdehnung zum Gründungszeitpunkt (1542) Dunkel getönter Bereich: die effektiv beherrschten Gebiete zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung (um 1650) Hell getönte Bereiche: theoretisch beanspruchte, aber effektiv niemals kontrollierte Gebiete Brauner Bereich: die Ausdehnung beim Ende des Vizekönigreichs im Jahr 1818. (Bild und Legende nach Wikipedia)

Nach einigen Jahren waren diese Riesen immer noch in dem Gebiet. Da ihnen aber die Frauen fehlten und die Eingeborenen sie wegen ihrer Größe nicht annahmen, oder weil durch den Rat und die Eingebung des verdammten Dämonen das Laster über sie gekommen war, nutzten sie unter sich die schändliche Sünde der schrecklichen Unzucht. Und sie taten dies öffentlich und ungeschützt ohne Gottesfurcht und geringem Schamgefühl.

Die Eingeborenen bestätigen alle, dass Gott, unser Herr, dem solch unverhohlene, böse Sünde nicht taugte, ihnen die Strafe entsprechend der Hässlichkeit der Sünde sandte. Sie sagen, als sie [die Riesen] alle in ihrer verfluchten Unzucht zusammen lagen, kam ein schreckliches Feuer vom Himmel, das großen Lärm machte, und aus dessen Mitte trat ein glänzender Engel mit einem scharfen, leuchtenden Schwert, mit dem er mit einem einzigen Schlag alle tötete und sie von dem Feuer verzehren ließ, so dass nichts als einige Knochen und Schädel übrig blieben, die Gott als Erinnerung an die Strafe hinterlassen wollte.

Das berichten sie über die Riesen. Und wir glauben, dass es so geschah, denn es wird gesagt, dass in dieser Gegend riesige Knochen gefunden wurden und immer noch gefunden werden. Ich hörte von Spaniern, die ein Stück Backenzahn sahen, das sie auf mehr als ein halbes Pfund schätzten, und auch, dass sie ein anderes Stück Knochen einer >canilla< (Schienbein oder Elle) gesehen hatten, das von bewundernswerter Größe und Zeuge für das Geschehene war. Denn man kann sehen, wo die Orte ihrer Behausungen und die Brunnen oder Zisternen waren, die sie machten.[3]

Aus welcher Richtung oder auf welchem Weg sie kamen, kann ich nicht sagen, denn ich weiß es nicht. Im Jahr 1550 hörte ich, als ich in der >Ciudad de los Reyes< war, in der Don Antonio de Mendoza Vizekönig und Regent von Neuspanien war, dass sich in ihr bestimmte Knochen von solch großen Menschen waren wie von diesen Riesen und sogar größere.[4]

Außerdem hörte ich auch früher, dass in einem uralten Grab in der Stadt von Mexiko oder einem anderen Teil dieses Reiches Knochen von Riesen gefunden wurden. Daraus, dass so viele es sahen und bestätigen, lässt sich schließen, dass es diese Riesen gab, und dass es noch einige geben könnte. Bei diesem Kap Santa Elena, das wie ich sagte, an der Küste Perus außerhalb der Stadt Puerto Viejo liegt, kann man etwas Bemerkenswertes sehen: Es gibt dort einige Löcher und Gruben von Teer, mit denen man alle Schiffe, die man wollte, abdichten könnte. Und dieser Teer muss aus einer Grube sein, die an diesem Ort vorbeiläuft, da er sehr heiß heraustritt. Und solche Teergruben habe ich nirgendwo in den Teilen der Indies gesehen, in denen ich war. Ich meine aber, dass Gonzalo Hernandez de Oviedo im ersten Teil seiner >Historia natural y general de Indias< [5] von dieser und anderen spricht. Da ich aber nicht im Allgemeinen über die Indies spreche, sondern über die Besonderheiten und Ereignisse von Peru, behandle ich die anderen Teile nicht und beschließe damit das die Stadt Puerte Viejo Betreffende.

Abb. 4 Die zeitgenössische Darstellung eines jener peruanischen Riesen, von denen auch Cieza de Leon berichtete.

Diese Geschichte Ciezas über die Riesen von Santa Elena ist nur eine von vielen Erzählungen über solche Riesen. Bleibt noch hinzuzufügen, dass eine Expedition von George G. Heye von 1906 bis 1908 nördlich von Kap Santa Elena eine einzigartige indigene Zivilisation entdeckte, zu deren Monumente auch gemauerte Brunnen wie in der Erzählung gehörten.

Auch in dem Kapitel 82 kommt Cieza noch einmal auf Riesen zu sprechen. Er beschreibt die Provinz Guaraz bei Piscobamba im Norden Perus. Die einheimischen Indianer bauten dort Silber ab und zahlten es den Inka als Tribut.

Zwischen den antiken Behausungen sieht man eine Befestigung von eckiger Form, die 140 Schritt lang und noch mehr in der Breite ist. An vielen Stellen davon sieht man Gesichter und menschliche Statuen von vorzüglicher Arbeit. Manche der Indianer sagen, die Inka hätten dies zum Zeichen ihres Triumpfes in einer Schlacht und als Zeichen ihrer Stärke errichtet hätten.

Andere sagen mit größerer Sicherheit, dass es nicht so war, sondern dass es vor sehr langer Zeit, bevor die Inka hier herrschten, in diesen Teilen Menschen wie Riesen gab, so gewachsen, wie es die Figuren zeigen, die in den Stein gemeißelt waren. Aber mit der Zeit und dem großen Krieg, den sie mit denen hatten, die jetzt die Herren dieser Gegend sind, wurden sie dezimiert und verloren, ohne dass von ihnen eine andere Erinnerung blieb als die Steine und Fundamente, von denen ich berichtete.


Die leider nicht vorhandene Flutgeschichte von Cieza

Abb. 5 Sintflutdarstellung auf einem Wandteppich, entstanden ca. 1550

In Kapitel 100 kündigt Cieza eine Flutgeschichte an, die im zweiten Band erzählt werden soll:

Viele dieser Indianer erzählen, dass sie von ihren Vorvätern hörten, dass es vor langer Zeit eine große Flut gab, von der ich im 3. Kapitel des zweiten Teils erzählen. Sie geben zu verstehen, dass es eine sehr lange Vergangenheit ihrer Vorfahren war, von deren Ursprung sie so viele Sagen und Legenden haben. Ich möchte mich nicht zurückhalten, es zu schreiben, denn einige sagen, sie kamen aus einem Brunnen, andere aus einem Fels und wieder andere aus einer Lagune. Nichts anderes ist aus ihnen herauszubringen.

Leider ist das erwähnte 3. Kapitel des zweiten Teils von Ciezas Werk nicht vorhanden. In den verfügbaren Ausgaben des zweiten Buches fehlen die ersten drei Kapitel.


Die unbekannten Erbauer von Tiahuanaco nach Cieza de Leon

Abb. 6 Die steinernen Relikte von Tiahuanaco lösten bereits bei Cieza Erstaunen aua - und sind auch heute noch rätselhaft.

In Kapitel 105 berichtet Cieza über Tiahuanaco, ein aus seiner Sicht unbedeutendes Dorf, in dem er jedoch auf höchst staunenswerte Dinge stieß. Er beschreibt Reste von Mauern, Fundamenten, Statuen, die sein Erstaunen und seine Bewunderung hervorriefen. Zugleich bringt er sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, mit welchen Werkzeugen eine derart kunstfertige Bearbeitung von Stein gemacht werden konnte, und er stellte auch fest, dass in dem ganzen Gebiet keine Felsen und Steine zu sehen oder zu finden waren, die von den Erbauern hier verwendet werden konnten.

Ich fragte die Eingeborenen in Anwesenheit von Juan Varagas, ob diese Baulichkeiten während der Zeit der Inka gemacht wurden, und sie lachten über die Frage. Sie bestätigten das schon Gesagte, dass sie schon vor der Zeit ihrer Herrschaft errichtet wurden. Sie konnten aber weder sagen noch bestätigen, wer sie machte, außer dass sie von ihren Vorfahren hörten, dass das, was man hier sieht, in einer Nacht gemacht wurde. Deshalb und auch weil sie sagen, sie hätten auf der Insel von Titicaca bärtige Männer gesehen und ähnliche Menschen, die das Gebäude von Vinaque gemacht hatten, sage ich, dass vielleicht vor der Herrschaft der Inka Menschen mit großen Fähigkeiten dort regierten, deren Herkunft unbekannt ist. Sie werden diese Dinge gemacht haben und da sie wenige waren, die Eingeborenen aber viele, werden sie in den Kriegen gestorben sein.

Die nachfolgenden Teile entstammen dem zweiten Teil der „Cronica de Peru“, in einer von Marcos Jiménez de la Espada (Abb. 7) kommentierten Fassung aus dem 19. Jahrhundert. [6]


Die Geschichte von Viracocha nach den von Cieza de Leon gesammelten Überlieferungen

Im zweiten Teil seiner „Cronica de Peru“ berichtet Cieza de Leon über Ticiviracocha (Viracocha) und die hohe Meinung der Eingeborenen über ihn.

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Abb. 7 Marcos Jiménez de la Espada (1831–1898)

Vor der Herrschaft der Inka in diesen Gebieten und bevor sie überhaupt bekannt waren, gab es nach diesen Indianern etwas noch Größeres, denn sie lebten lange Zeit ohne Sonne. Durch diesen Mangel hatten sie große Erschwernisse, und sie sandten viele Anrufungen und Gebete an die, die sie für Götter hielten und baten sie um Feuer, das ihnen fehlte. Und zu ihrem Glück kam von der Insel von Titicaca, die in der großen Lagune von Collao ist, die strahlende Sonne hervor und erfreute alle.

Und nachdem dies geschah, so sagen sie, erschien aus südlicher Richtung ein weißer Mann von ansehnlichem Körper, der große Autorität und Verehrungswürdigkeit ausstrahlte. Dieser Mann hatte solch große Macht, dass er aus Bergen Ebenen und aus den Ebenen große Berge und Quellen aus festem Fels machte. Da sie diese Macht anerkannten, nannten sie ihn Schöpfer aller Dinge, deren Ursprung, Vater der Sonne, denn er erschuf auch andere große Dinge, denn er gab den Menschen und Tieren Leben und von seinen Händen erhielten sie große Wohltaten.

Und er, sagten mir die Indianer, die es von ihren Vorfahren hörten, die es wiederum aus den Liedern ihrer Urahnen kannten, ging weit nach Norden und wirkte diese Wunder auf dem Weg durch das Gebirge, und sie sahen ihn niemals wieder. An vielen Orten gab er den Menschen Anweisungen, wie sie leben sollten, und er sprach mit großer Sanftmut zu ihnen und ermahnte sie, dass sie gut zueinander seien und sich keinen Schaden oder Verletzungen zufügen sollten, sondern in Nächstenliebe miteinander leben. Zumeist nennen sie ihn Ticiviracocha, obwohl er in der Provinz Collao Tuapaca heißt, an anderen Orten auch Arnauan. Es wurden ihm in vielen Gebieten Tempel errichtet, in denen sie nach ihm gebildete Statuen stellten, und vor ihnen brachten sie Opfer. Von den großen Statuen im Dorf Tiahuanacu nimmt man an, dass sie aus jener Zeit sind. Sie erzählen das, was ich über Ticiviracocha berichte, nach den Überlieferungen der Vergangenheit, und dass er in keinen Teil dieses Reiches zurückkam.

Sie sagen weiter, dass sie nach einiger Zeit einen dem beschriebenen ähnlichen Mann sahen, dessen Namen sie nicht erwähnen, und dass sie von ihren Ahnen sehr sicher erfuhren, dass, wohin er kam, er die Kranken heilte und den Blinden mit wenigen Worten das Sehen ermöglichte. Für solch gute und nützliche Werke wurde er von allen geliebt.

Abb. 8 Überall stießen die Conquistadores bei ihren blutigen Eroberungs- und Raubzügen in 'Neuspanien' auf Mythen und Legenden über den Schöpfergott und Kulturbringer Viracocha.

Indem er so mit seinen Worten große Dinge schuf, kam er in die Provinz der Canas, in der bei einem Dorf mit Namen Cacha, wo jetzt der Capitano Bartholomé de Terrazas seinen Sitz hat, sich die Einheimischen mit Unbedacht erhoben, um ihn zu steinigen. Sie sahen ihn niederknieend mit zum Himmel erhobenen Händen, so als erbitte er göttlichen Beistand, um sich aus der Bedrängnis zu befreien, die er sah. Diese Indianer geben dann vor, dass dann ein sehr großes Feuer vom Himmel herabkam, sodass sie dachten, alle verbrannt zu werden. Ängstlich und innerlich bebend gingen sie zu dem, den sie töten wollten, und mit großem Klagen baten sie ihn, sie vor dieser Bedrohung zu befreien, denn sie erkannten die Sünde, die sie begehen wollten, ihn zu steinigen.

Sie sahen dann, dass er dem Feuer befahl, wegzugehen, und es erlosch, aber von dem Feuer verblieben die verbrannten Steine, die Zeugen dafür sind, dass das von mir Geschriebene wahr ist. Denn sie waren danach so leicht, dass man sie wie Kork mit der Hand anheben konnte. Darüber sagen sie weiter, dass er von hier wegging bis zur Meeresküste, wo er seinen Mantel ausbreitete und auf den Wellen ging und nie wieder gesehen wurde.

Als er ging, gaben sie ihm den Namen Viracocha, denn das bedeutet >Schaum des Meeres<. Nachdem das geschehen war, erbaute man einen Tempel in dem Dorf von Cacha, an einem westlich vorbeifließenden Fluss stellten sie an einem engen Ort ein sehr großes Steinidol auf. Und dieses ist nicht so groß und massig wie die, die in Tiahuanaco in Erinnerung an Ticiviracocha stehen, und es scheint auch nicht die Form der Kleidung wie dort zu haben. Auch etwas Gold fand sich dort in der Nähe.


Die Errichtung von Sacsayhuaman (Saqsaywaman) durch die Inka, nach Cieza de Leon

Im 51. Kapitel des zweiten Buches berichtet Cieza über die Errichtung eines Bauwerks auf einem Hügel nördlich von Cuzco, das die Spanier als eine Befestigungsanlage betrachteten. Unter dem Namen Sacsayhuaman (Abb. 9), auch Saqsaywaman, hat der Ort einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt.

Abb. 9 Die Festung von Sacsayhuaman ist eine der wohl beeindruckendsten präkolumbischen Anlagen Südamerikas. Die Inka mögen sie genutzt haben, ihre Erbauer waren aber mit Sicherheit Angehörige einer viel älteren Kultur.

Nach Ciezas Verständnis wurde der Bau von Inka Yupanqui, der von 1471 bis 1493 regierte, angeordnet. Er wollte dort ein neues >Casa del Sol< (Sonnenhaus) haben, in das alle denkbaren Dinge gebracht werden sollten, wie Gold, Silber, Edelsteine, kostbare Kleidung, alle von ihnen benutzten Waffen, Kriegsmunition, Hanfschuhe, Rundschilde, Federn, Leder von Tieren und Vögeln, Koka, Wollsäcke, Spielzeug aller Arten.

Über den Bau berichtet Cieza folgendes:

Dieses Werk wurde mit solchem Hochmut begonnen, dass es, würde er heute noch herrschen, noch nicht beendet wäre. Es wurden Boten in die Provinzen gesandt, damit sie 20.000 Mann schickten und mit Proviant versorgen sollten; im Falle einer Erkrankung sollten sie einen Ersatz schicken, obwohl diese Indianer nicht immer am Bauort bleiben sollten, sondern nur eine begrenzte Zeit, bevor sie wieder ersetzt wurden, um die Last der Arbeit zu ertragen. Viertausend von ihnen brachen und schlugen die Steine; sechstausenden trugen sie mit großen Seilen aus Leder und Cabuya;[7]

...die anderen öffneten die Baugrube und begannen mit dem Fundament, einige schlugen das Holz für die Pfosten und Träger für das Holzwerk. Diese Leute richteten sich ihre Unterkunft nach ihrem Gefallen dort ein, wo sie arbeiteten. Aufseher und große Herren beobachteten die Arbeiten. So wurde auf einem Hügel im nördlichen Teil der Stadt, wenig weiter als ein Büchsenschuss entfernt, die Befestigung, die die Einheimischen Casa del Sol nennen, wir aber Fort, gebaut. So wurde mit großer Mühe das Fundament ausgegraben und verstärkt und so stark gemacht, dass es so lange bestehen wird wie die Welt. Nach meiner Meinung hatte es 330 Schritt Länge und 200 Breite.

Abb. 10 Die Bearbeitung, der Transport und die Verbauung von Megalithen wie diesem Exemplar in Sacsayhuaman konnte Cieza sich nicht erklären.

Es hatte so viele Umgrenzungen, dass es keine Artillerie gäbe, die es brechen könnte. Es war zu sehen wie der Haupteingang zuerst war und wie die Mauern aufeinander abgestimmt waren, dass keine über den Kreis der anderen hinausging. In diesen Eingrenzungen gibt es solch große und prächtige Steine, dass der Verstand beim Gedanken ermüdet, wie sie getragen und eingesetzt wurden und wen es bedurfte, sie zu bearbeiten, denn bei ihnen sieht man so wenige Werkzeuge. Einige dieser Steine sind zwölf Fuß breit und länger als zwanzig, und andere sind dicker als ein Ochse, und alle sind so fein gesetzt, dass man zwischen sie noch nicht einmal einen Real bringen könnte.

Ich ging zweimal dieses Bauwerk zu betrachten: Einmal mit dem Conquistador Tomas Vázquez, das andere Mal mit Hernando de Guzman und Juan de la Playa; und glaubt mir, Ihr, die es lesen werdet, was ich Euch sage. Als ich, mich umschauend, dort ging, sah ich nahe bei dem Fort einen Stein, den ich maß, und er hatte ungefähr 270 meiner Palmos (Fingerspannweite, etwa 22 cm, insgesamt also etwa 60 m) und so hoch, dass es schien, er sei dort geboren, und alle Indianer sagen, dass dieser Stein an dem Ort ermüdete, und dass sie ihn nicht mehr weiter bewegen konnten. (Abb. 10)

Und sicher würde ich, wenn man nicht sähe, dass er bearbeitet wurde, nicht glauben, auch wenn sie es fest behaupten, welche menschliche Kraft ausreichen würde, ihn dorthin zu bringen, wo er Zeuge der Urheber eines solch großen Werkes ist. Denn die Spanier haben ihn schon zerstört und übel zugerichtet, weswegen ich nicht die große Schuld der Regierenden, es erlaubt zu haben, sehen möchte, und dass eine solch vorzügliche Sache zerstört und niedergerissen wurde, ohne künftige Zeiten und Erfolge zu erachten, so dass es besser wäre, sie zu erhalten.

Es gab viele Unterkünfte in diesem Fort; ... und es gab zwei Würfel, einer größer als der andere, und die Steine waren so gut bearbeitet und gesetzt. Und sie sagen, unter der Erde gibt es noch größere Baulichkeiten und weitere Dinge, die ich nicht schreibe, weil ich sie nicht für sicher halte ... Als die Spanier Cuzco einnahmen, entnahmen die Indianer von Quizquiz große Schätze und auch die Spanier fanden noch etwas...[8]


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Ferdinand Speidel © wurde von ihm für Atlantisforschung.de verfasst. Erscheinungsdatum: 12. Feb. 2014

Fußnoten:

  1. Siehe: Wikipedia - La enciclopedia libre, unter: Pedro Cieza de León (abgerufen: 12.02.2014)
  2. Red. Anmerkung: Siehe zu letztgenanntem Punkt bei Atlantisforschung.de auch: "Kann das Inka-Reich die »Inka-Straßen« angelegt haben?" von Dr. Horst Friedrich (1996)
  3. Anmerkung im Buch: "Vielleicht wurden hier zwei verschiedene Dinge vermischt. Die Knochen sind offensichtlich nicht von Menschen, sondern von ausgestorbenen, fossilen Säugern und wurden mit einer vagen, ängstlichen Erinnerung an ein lange vergangenes ozeanisches Volk von Melanesiern oder Polynesiern verbunden." Red. Anmerkung: Die Annahme möglicher früher Kontakte zwischen präkolumbischen Südamerikanern und Polynesiern bzw. Melanesiern erscheinen im Licht neuerer Erkenntnisse fast 'prophetisch'. Zu den "fossilen Säugern" als moderne Erklärung der Fundberichte siehe Fußnote 4.
  4. Anmerkung im Buch: "Ohne Zweifel Knochen von ausgestorbenen, fossilen Säugern." Red. Anmerkung: Dies ist ein schulwissenschaftliches Standard-'Argument', um alte Berichte über Funde riesenhafter Human-Relikte schnell als Fehlinterpretationen 'vom Tisch wischen' zu können, wozu es aus gigantologischer Sicht festzuhalten gilt: In der Tat hat es bis ins 18. Jahrhundert hinein derartige Fehlinterpretationen gegeben (im 19. Jahrhundert war die Wissenschaft bereits so forgeschritten, dass derartige Verwechslungen kaum mehr möglich waren). Allerdings lassen sich auf diese Weise durchaus nicht alle frühen Funde 'wegerklären' - zumindest nicht jene, bei denen von mehr oder weniger vollständigen Skeletten die Rede ist, welche in Grabstätten beerdigt aufgefunden wurden. Vergleiche dazu bei Atlantisforschung.de: F.S. Clavijero und die Riesen von Anahuac (bb)
  5. Siehe online: Gonzalo Fernández de Oviedo, Historia natural y general de Indias (Ausgabe von 1851), bei: Internet Archive
  6. Quelle für den zweiten Teil der „Cronica de Peru“ ist: Cieza de Leon, "Segunda parte de la crónica del Perú, que trata del señorio de los Incas", online bei: Project Gutenberg
  7. Anm. des Bearbeiters Marcos Jimenez de la Espada: "Cabuya ist röhrenförmige Agavefaser, oder peruanische Agave."
  8. Anmerkungen von M. Jimenez de la Espada: "Es gibt verschiedene Versionen von Überlieferungen zu dem Monolithen, dem Müden Stein (saicum, saicusa oder auch Calla cunchu). Die am wenigsten bekannteste und vielleicht kurioseste ist von P. Morua in seiner >Historia de los Incas<. Er schreibt, ein Inka von königlichem Blut mit Namen Urco oder Urcon, ein großer Architekt, habe den Transport des >Müden Steins< geleitet und sei an der Stelle, wo er >ermüdete<, von den Indianern, die ihn schleppten, getötet wurden. Dieser Urcon entwarf und erbaute das Fort von Cuzco, und außerdem plante er, von Quito die beste Erde für Kartoffeln herbeibringen zu lassen, um die Mesa des Herrschers mit dieser Pflanze versorgen zu lassen. Mit dieser Erde ließ er den Hügel >Allpa Suntu< machen, der östlich des Forts liegt."
    Zur Beurteilung der Ansicht Ciezas bemerkt M. Jimenez: "Die Schuld an der Entrüstung Ciezas tragen nicht die Spanier, sondern der Mangel Ciezas an archäologischen Kenntnissen und seine ausgeprägte Gutgläubigkeit in die Erzählungen der Noblen und Abkömmlinge der Inka, für die alles Gute und Große, das wir dort finden, ausschließliches Werk dieser Herrscher waren. Heute weiß man und erachtet es als nachgewiesen, dass die zyklopischen und uralten Werke von Cuzco von Menschen viel früherer Zeit als dem Inka Yupanqui und auch Manco Capac, falls dieser zum Beginn des 11. Jahrhunderts in diesem Gebiet erschien, stammten. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die gleichen Inka immer wieder Bauwerke und Monumente ihrer Feinde zerstörten..."

Bild-Quellen:

1) EcuRed - La enciclopedia cubana en la red. unter: Pedro Cieza de León
2) Mariocossio bei Wikimedia Commons, unter: File:Cronicadelperu.jpg
3) Antoniodelemus bei Wikimedia Commons, unter: File:Theviceroyaltyofperu.png (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
4) Tim Beckley, "Legends of the Peruvian Giants", bei: UFO DIGEST - UFO AND PARANORMAL NEWS FROM AROUND THE WORLD
5) Kpalion bei Wikimedia Commons, unter: File:Arras Deluge detail.JPG
6) Clairette bei Wikimedia Commons, unter: File:Tiwanaku4.jpg
7) Valérie75 bei Wikimedia Commons, unter: File:Jiménez de la Espada 1831-1898.png
8) Bildarchiv Atlantisforschung.de
9) Christophe Meneboeuf bei Wikimedia Commons, unter: File:Sacsayhuaman (pixinn.net).jpg
10) Håkan Svensson (Xauxa), bei Wikimedia Commons, unter: File:Sacsahuaman huge stone.jpg