Peter James' Centuries of Darkness

Rezension

von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich


Die Bedeutung und der Wert des Buches, das Peter James und vier mitbeteiligte Ko-Autoren herausgebracht haben (P. James, J. Frankish. N. Kokkinos, R. Morkot, I.J. Thorpe: Centuries of Darkness, London. Jonathan Cape, 1991, i 19.99), läßt sich, dem subjektiven Eindruck des Rezensenten zufolge, vielleicht am ehesten mit den zunächst folgenden beiden Punkten umreißen.

Erstens: Ein Buch von fünf Autoren, die - mit im akademischen Establishment erworbenen Spezialisten-Wissen zu Alter, Geschichte, Archäologie (speziell auch der Ägäis), Ägyptologie und Vorgeschichte bewaffnet - zu der Überzeugung gekommen sind, daß die ägyptische Chronologie zusammengeschoben werden muß und die berüchtigten "Dark Ages" real nicht existiert haben, kann nur höchst willkommen und "Wasser auf die Mühlen" jener sein, die sich außerstande sehen, den chronologiezusammenschiebenden Szenarien von G. Heinsohn (1988, 1990) und H. Illig (1988, 1990) ein erhebliches Maß an Plausibilität abzusprechen. Es verdient alle Beachtung, daß nun auch diese Autoren von der "hartnäckigen, ja arroganten Weigerung der heutigen Ägyptologen, eine Reduzierung ihrer Datierungen zu erwägen" sprechen (S, 257) und hinzufügen, daß "das Studium der ägyptischen Chronologie offenbar so verknöchert geworden ist, daß es seine fundamentalen Annahmen nicht mehr in Frage stellen kann" (S. 259).

Zweitens: Das Vorwort (S. xiii-xv) von Colin Renfrew - Archäologie-Professor an der Universität Cambridge und neuerdings Lord Renfrew of Kaimsthorn - ist ein wissenschaftsgeschichtliches Dokument von hohem Eigenwert. Hier spricht ein angesehenes Mitglied des akademischen Establishments von der "sehr wackeligen Natur der Datierungen, des ganzen Chronologie-Rahmens, auf dem unsere derzeitigen Interpretationen beruhen". Zur These der Autoren, die existierenden Chronologien würden um mehrere Jahrhunderte daneben liegen, stellt er die rhetorische Frage: "Kann die akkumulierte Gelehrsamkeit von über hundert Jahren so sehr im Irrtum sein?" und beantwortet sie auch gleich damit, "daß eine solche Konfusion nicht unvorstellbar ist". Renfrew zeigt sich mehr beeindruckt von der, wie er sagt, destruktiven Argumentation der Autoren, daß nämlich die existierenden Chronologien kein Vertrauen verdienen, als von ihrer Alternative. Er möchte die Chronologie lieber dehnen. Aber er bescheinigt den Autoren, "die Dürftigkeit der Querverbindungen, die das ganze wackelige Chronologie-Gerüst zusammenhalten", demonstriert zu haben, und er gibt seiner Überzeugung Ausdruck, "daß eine Chronologie-Revolution im Kommen ist".

Centuries of Darkness ist also zweifellos ein verdienstvolles Buch, dem man nur weite Verbreitung wünschen kann. In einer Rezension erwartet der Leser aber nicht nur Lob, sondern auch Kritik, insbesondere Hinweise auf mögliche Schwachstellen der präsentierten Rekonstruktion zu finden. Nach solchen Punkten mußte der Rezensent nicht lange suchen: sie fallen sofort ins Auge.

Drittens: Bei den mit den drei grundlegenden Werken von Heinsohn und Illig vertrauten Lesern wird Centuries of Darkness, das liegt auf der Hand, "keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken", wie man so sagt, denn auf sie muß das Buch - wenngleich in jedem Falle eines gründlichen Durchstudierens wert - wie eine Variation zu einer schon bestens bekannten Melodie wirken. In der Bibliographie wie im Text fallen Heinsohn und Illig genauso wie das "opus magnum" von J. Dayton (1978) durch gänzliche Abwesenheit auf. Da zwei der drei genannten Werke von Heinsohn und Illig schon 1988 erschienen waren, fragt man sich unwillkürlich, ob sie den Autoren bei der Abfassung von Centuries of Darkness wirklich noch unbekannt gewesen sein können. Zumindest der Haupt-Autor James müßte durch seine Verbindungen zur britischen SIS/ISIS-Gruppe von diesen deutschsprachigen Werken wie auch von der einschlägigen Seevölker-Arbeit des Rezensenten (Friedrich 1988, 1990') haben läuten hören. Oder war es ganz einfach die heute so verbreitete unübersteigbare Sprachbarriere, die notwendigerweise zu Insularität des Denkens verdammt?

Wie dem auch sei, in gewissem Sinne ist dadurch dieses Buch schon zum Zeitpunkt seines Erscheines veraltet. Eine aktualisierte zweite Auflage, die sich in angemessener Form mit Dayton, Heinsohn und Illig auseinandersetzt, sollte rasch herausgebracht werden, schon um die Autoren vor dem potentiellen Vorwurf eines sektiererischverengten Blickwinkels zu schützen.

Viertens: Gewiß kann niemand den Autoren zum Vorwurf machen, sie seien Neo-Katastrophisten. Das Thema der völlig unbezweifelbaren, protohistorischen globalen Kataklysmen - für die zeitgenössischen Neo-Scholastik eine wütend zu bekämpfende Irrlehre – kommt in dem Buch überhaupt nicht vor; die Autoren "mogeln sich darum herum", wie der Volksmund das nennt. Das von Claude Schaeffer (1948. x-xii, 1-6) präsentierte Szenario ausgedehnter und schwerster tektonisch-seismischer Aktivitäten während der Bronzezeit im Ostmittelmeerraum wird zwar erwähnt, aber jede Anspielung auf Katastrophismus vermieden (s. u.). Dieses "Herummogeln" um die Kataklysmen könnte sich rächen. Denn letztlich, dies erscheint dem Rezensenten als sichere Prophezeiung, wird erst mit Hilfe der Kataklysmen – sind sie einmal zuverlässig datiert - eine Synchronisation der Alten Geschichte(n) und damit auch das Urteil über die von James et al. vorgelegte Rekonstruktion möglich.

Fünftens: Die Hauptthese des Buches erscheint dem Rezensenten wie ein halbherziger, wenig überzeugender Kompromiß zwischen konventioneller Ägyptologie und Heinsohn/Illig, die Zeitreduktion wie ein Kompromiß zwischen Ägyptologie und Velikovsky. Einmal wird gesagt, "daß die konventionellen Datierungen für die Geschichte des alten Ägypten um 260 Jahre aufgebläht sind" (S. xxi), an anderer Stelle wird von "einer generellen Herunterdatierung für das Neue Reich (18.-20. Dynastie) um rund 250 Jahre" (S. 257) gesprochen. Der beste Prüfstein für dergleichen sind und bleiben Ramses III. und die Seevölker. James et al. machen aus Ramses III, einen Zeitgenossen des legendären Salomo der Bibel - dessen Urbild, J. Touchet (1988-90) zufolge, vielleicht im iberischen Westen, aber noch nicht in Kanaan. geherrscht haben mag - und vermuten in ihm jenen Pharao "Shishak", der um -926 das Reich Juda bekriegte (S. 375 Pn. 124). Die Seevölker-Angriffe und die, nach den Inschriften von Medinet Habu, sie offenbar verursachenden schweren Kataklysmen hätten also zur Zeit Salomos stattgefunden! Das angeblich Ägypten benachbarte blühende Reich Salomos wäre aber, ebenso wie die maritimen Aktivitäten seiner tyrischen Verbündeten, mit denen er die Fahrten nach "Ophir" - Arias Montano zufolge Mexiko und Peru (zit. bei Topper 1977, 261) - unternahm, von diesen beiden umwälzenden Ereignissen in keiner Weise berührt oder beeinträchtigt worden.

Dem Rezensenten scheint, daß ein Argument entscheidend gegen ein solches Szenario spricht: Hätte das mächtige Ägypten der 19./20. Dynastie wirklich ein - bibelfundamentalistisch geglaubtes - bis zum Euphrat reichendes Reich Salomos zum Nachbarn gehabt, so müßte dieses in den ägyptischen Inschriften auftauchen. Rätselhafte Tatsache aber ist, daß "Israel" dort nicht ein einziges Mal genannt wird, auch nicht auf der sogenannten "Israel-Stele" Merenptahs, wie J. Touchet (1989) überzeugend nachgewiesen hat. Eine solche Datierung Ramses' III. muß an den genannten Unglaubwürdigkeiten scheitern. Und da der Rezensent sich wegen gewichtiger Gegenargumente (u.a. zeitgenössische Kataklysmen, noch Bronzeschwerter) auch der Velikovsky-Heinsohn-Illigschen Datierung Ramses' III. kurz vor Alexander d. Gr. nicht anzuschließen vermag, bleibt er einstweilen lieber bei seiner Datierung um -700 (Friedrich 1988), in Übereinstimmung mit der "Glasgow Chronology" (Bimson 1981).

Sechstens: James et al. gehen so weit zu behaupten, mit ihrem Szenario könne "eine völlig neue Interpretation der Archäologie Israels geboten werden, die in perfekter Harmonie mit den Aussagen der Bibel ist" (S. 318). War dies quasi ein Zufallsergebnis ihrer Forschungen. oder ließen sie sich durch ein bibelfundamentalistisches Faible verleiten, von vornherein dieses Ziel anzupeilen? Fast könnte man es meinen, denn obwohl vom berühmten Salomonischen Tempel bis zum heutigen Tage - zumindest in Kanaan - nicht die allergeringste Spur gefunden worden ist, fügen die Autoren noch hinzu: "Die Suche nach den Reichtümern der Herrschaft Salomos kann beendet werden – sie sind bereits gefunden, aber einfach nicht erkannt worden in der materiellen Hinterlassenschaft der späten Bronzezeit" (S. 318). Dergleichen wird Labsal für all jene sein, die in der Bibel das "Wort Gottes" im buchstäblichsten Sinne sehen. Die weitaus zahlreicheren anderen aber, die in der Bibel zwar ein Vehikel zur Tradierung von "Göttlichem" akzeptieren, denen die barock-wuchernden legendarisch-historischen Umrankungen dieses Kerns aber doch sehr nach Menschenwerk aussehen, werden nicht aufhören zu fragen: Warum ist in den ägyptischen Inschriften von Israel und von den angeblichen Gesamtreichskönigen David und Salomo nicht ein einziges Mal die Rede?

Diese Frage muß jede Rekonstruktion, die ernstgenommen werden will, zuallererst beantworten. Der Rezensent könnte sich vorstellen, daß des Rätsels Lösung durch eine Amalgamierung von Heinsohn (1988, 1990) und Touchet (1988-90) zu haben ist. Dafür würde eine legendarische Überlieferung sprechen, die sich in Marokko erhalten hat, wonach das Reich Salomos nördlich dieses Landes lag, d.h. also wohl auf der Iberischen Halbinsel.

Siebtens: Dem Rezensenten hat Centuries of Darkness den Eindruck vermittelt, es hätten James et al. zwar als Chronologie-Revolutionäre in die Geschichte der Wissenschaften eingehen, es sich aber zugleich mit niemand verderben wollen. Die Agyptologen werden bei weitem nicht mit so drastischen Chronologie-Reduzierungen wie bei Heinsohn/Illig aufgeschreckt. An den morschen "Säulen" der Ägyptologie - der Einteilung in Altes, Mittleres und Neues Reich - wird nicht gerüttelt. Gegen die Archäologen wird nicht - wie bei Heinsohn – der massive Vorwurf erhoben, einer bibelfundamentalistischen Abraham-Datierung zuliebe und der stratigraphischen Evidenz entgegen "Geisterreiche" erfunden und die Chronologie gedehnt zu haben. Niemand wird durch einen Hinweis auf protohistorische Kataklysmen beunruhigt. Und die Vertreter der organisierten Religionen jüdisch-christlicher Provenienz können sich wie die Bibelfundamentalisten freuen. daß das neue Geschichtsbild den Text des Alten Testaments so glänzend bestätigt.

Sollte es In der Tat die strategische Überlegung der Autorengewesen sein, durch einen solcherart doppelten Schachzug – noch "verdaubare" Chronologie-Reduzierung um nur 250 Jahre, im übrigen "Kotau" vor der Neo-Scholastik - das Ziel zu erreichen, mit quasi weit geöffneten Armen vom Establishment willkommen geheißen zu werden, so dürfte ihnen möglicherweise eine herbe Enttäuschung bevorstehen. Es würde fast an ein Wunder grenzen, würde die Establishment-Ägyptologie den fünf Autoren, mögen sie sich auch noch so "zahm" gebärdet haben, ein "Willkommen!" gewähren. Der Rezensent hofft, daß die Autoren, nachdem sie den Mißerfolg ihres Kotaus vor den diversen konventionellen "Schibboleths" erlebt haben werden, in einer zweiten Auflage nicht mehr nach Anerkennung durch jene schielen, die ihr Weltbild nicht mehr ändern können, sondern - wie es Heinsohn und Illig getan haben - unbeirrt die Schwachstellen des neoscholastischen Szenarios aufdecken.

Als eine solche Schwachstelle würden sich ganz besonders die protohistorischen Kataklysmen anbieten, die von Velikovsky (1950) zwar mit mutiger Phantasie, aber letztlich noch nicht so recht überzeugend. und von Heinsohn/Illig eher lahm und am Rande behandelt wurden. Diesen Kataklysmen kommt eine Schlüsselrolle in jedem ernstzunehmenden Szenario zu, das hat Velikovsky ganz richtig gesehen. Sie zu leugnen heißt, den Kopf in den Sand zu stecken. Wenn Ramses III. in Medinet Habu sagt, daß "eine gewaltige Fackel Flammen vom Himmel schleuderte" und die Libyer vernichtete, so kann man nicht - wie die herrschende Ägyptologie - vor dem Ärgernis fest die Augen schließen, sondern man muß versuchen herauszufinden, was damals tatsächlich geschah. P. James sollte sich wieder daran erinnern, daß er 1976-1983 Editor des SIS-Review war - einer neben alternativen Chronologien stark mit vor- und frühgeschichtlichen Kataklysmen befaßten Zeltschrift -, und bedenken, daß er auf seinem Lieblingsgebiet, der Chronologie-Revision, erst dann überzeugend Erfolg haben wird, wenn er, mittels der Kataklysmen, die Chronologien verschiedener geographischer Regionen synchronisieren kann.


Literatur

Bimsen, J. (1981); Dating the Wars of Seti I.; in SIS-Revie V/1

Dayton, John (1978): Minerals Metals Glazing & Man; London

Friedrich, H. (1988, erweit. 1990): Velikovsky, Spanuth und die Seevölker-Diskussion etc; Worthsee;

Heinsohn, G. (1988): Die Sumerer gab es nicht; Frankfurt/M.

Heinsohn, G. / Illig, H. (1990): Wann lebten die Pharaonen?; Frankfurt/M.

Illig, H. (1988): Die veraltete Vorzeit; Frankfurt/M.

Kuhn, Th. (1967): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen; Frankfurt/M.

Schaeffer, C. (1948): Stratigraphie conparee et Chronologie de l'Asie occidentale (IIIe et IIe millénaire); Oxford

Topper, U. (1977); Das Erbe der Giganten; Olten/Freiburg

Touchet, J. (1988-90): La Grande Mystification; in Méditerranéa Nr. 29-31, 33-35, 37-38; Carcassonne

Touchet, J. (1989): Les oiseaux de la stele de Merenptah et la lecture "Israel"; in Méditerranéa Nr. 33; Carcassonne

Velikovsky, I. (1950): Worlds in Collision; New York


Anmerkungen und Quellen

Diese Buchbesprechung von Dr. Horst Friedrich wurde erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift VORZEIT-FRÜHZEIT-GEGENWART Nr. 5-91. Bei Atlantisforschung.de erscheint sie im Dr. Horst Friedrich Archiv nach der Online-Fassung unter: http://alt.geschichte-chronologie.de/l2-wahl/l2-autoren/l3-friedrich/Dunkle-Jh.html