Pygmäen

Eine historisch-kryptoanthropologische Betrachtung (Teil 1)

Der antike Ursprung des Begriffs 'Pygmäen' und dessen Bedeutung

Abb. 1 Afrikanische Pygmäen auf Elefantenjagd (phantasievolle Zeitungs-Illustration aus dem späten 19. Jahrhundert)

(bb) Pygmäen - d.h. "Fäustlinge", "Faustgroße", auf Altgriechisch: "πυγμαῖος" (pygmaíos) [1] - war bereits ursprünglich eine Bezeichnung der Alten Griechen für besonders kleinwüchsige Völkerschaften in Afrika und Asien, die heute gerne verfälschend als altgriechische "Bezeichnung für Fabelvölker" dargestellt wird, welche dort nur "angeblich" gelebt haben sollen. Zudem wird behauptet: "Erst im 19. Jahrhundert wurde der ursprünglich mythologische Begriff Pygmäen auf tatsächlich existierende Gesellschaften in Zentralafrika übertragen, deren gemeinsames Merkmal eine relativ geringe Körpergröße ist." [2]

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Alten Griechen bereits über vage Kenntnisse zur Existenz im Inneren Afrikas lebender 'Kleiner Menschen' hatten, die mangels direkter Kontakte mit diesen immer stärker mythisiert wurden, so wie dies auch im Fall der Gorgonen, Atlantioi und Amazonen der Fall war. So bemerkt z.B. das Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon (1. Ausgabe, 1837–1841) sehr zu Recht: "Die ausgeschmückte Sage läßt sie ihre Wohnungen von Eierschalen bauen, ihr Getreide mit verhältnißmäßig gleichem Kraftaufwande schneiden, wie wenn Menschen starke Bäume fällen, und die Kraniche ihre ärgsten Feinde sein. Ein Pygmäenheer wollte einst mit dem schlafenden Hercules anbinden, der beim Erwachen die winzigen Feinde lächelnd betrachtete, sie dann in seine Löwenhaut wickelte und zum König Eurystheus von Mycen trug. Pygmäenhaft heißt zwergähnlich oder sehr klein." [3]

Abb. 2 Darstellung eines Pygmäen im Kampf mit einem Kranich auf einer attischen Vase (ca. 360 v. Chr.)

Gestützt wird die Annahme, dass die Hellenen bereits über ein vages Wissen über kleinwüchsige Afrikaner südlich der Libyschen Wüste verfügten, durch einen Bericht des Geographen Herodot aus dem 5. Jahrhundert v.d.Z.. Darin berichtet er, wie es in der deutschsprachigen Wikipedia heißt, "dass fünf junge Abenteurer die Wüste von Libyen aus durchquerten; sie gerieten in die Gefangenschaft kleiner Menschen, die an einem großen Fluss lebten." [4] [5] Dass Herodot diese zwergenhaften Afrikaner nicht explizit als Pygmäen bezeichnete, bedeutet keinesfalls, er habe damit "klar zwischen dem Pygmäenmythos und dem Bericht über die Expedition" unterschieden, wie die Wikipedia-Autoren nachfolgend spekulieren. Auch dass der antike Geograph Strabon im ersten nachchristlichen Jahrhundert die bereits zu seiner Zeit altertümlichen Berichte früherer Autoren - z.B. Homer, Aristoteles, Ktesias und Megasthenes (die beiden letztgenannten Autoren machten die Pygmäen in Indien aus) - für Märchen bzw. Erfindungen hielt, bezeugt letztlich nur sein gesundes Misstrauen gegenüber den phantastischen Ausschmückungen der Überlieferung, denn gegen die Existenz der Zwergmenschen konnte er nur das Argument vorbringen, es gebe keine glaubwürdige Augenzeugen-Berichte, die sie bestätigten. [6]

Abb. 3 Links: Bild eines indischen Yaksha (eine Art zwergenhafter Naturgeist), vermutl. 2. Jahrhundert v. Chr. Rechts: Ägyptische Skulptur eines deformierten Zwergs (Bes?), 3. Jahrhundert v. Chr. Beide ähneln stark den Patäken der Phönizier.

Einiges spricht dafür, dass die Alten Griechen ihre Kenntnis der Pygmäen nicht eigenständig gewannen, sondern auf dem 'Umweg' über die Phönizier und / oder Ägypter erhalten hatten. Was einen möglichen phönizischen Ursprung dieses Wissens betrifft, so sei z.B. an die legendäre Afrika-Umschiffung einer Expeditionsflotte der Phönizier zwischen 596 und 594 v.d.Z. im Auftrag des Pharaos Necho II. erinnert [7], dem weitere - unbekannt gebliebene - Afrika-Expeditionen dieses Seefahrer- und Händlervolkes gefolgt sein dürften, die sicher auch Gelegenheit zu Begegnungen mit Pygmäen boten.

Einen konkreteren Anhaltspunkt liefert aber wiederum Herodot, der über den Achämeniden-König Kambyses schrieb, dass dieser "auch alte Grüfte öffnete, und die Leichen besah. So ging er auch in das Hepästusheiligthum, wo er das Bild sehr verlachte. Dieses Bild des Hephästus kommt nämlich den Phönizischen Patäken am nächsten, welche die Phönizier am Vordertheil ihrer Dreiruder führen. Wer nun diese noch nicht gesehen hat, dem sage ich zur Bezeichnung, daß es das Abbild eines Pygmäenmannes ist." [8] Außerdem erklärte Herodot zu besagten Patäken, "dass diese dem Ptah (gr. Hephaistos) von Memphis sehr ähnlich gewesen seien." [9]

Damit bei anzunehmenden ägyptischen Quellen der hellenischen Pygmäen-Überlieferung angekommen, liefert uns die Wikipedia durchaus relevante Informationen zum Wissen über die 'Kleinen Leute' Afrikas im Pharaonenreich: "Die älteste schriftliche Quelle, die von Pygmäen berichtet [10], ist ein Brief des ägyptischen Pharaos Pepi II. (6. Dynastie, 23. Jahrhundert v. Chr.). Dort ist von einer Handelsexpedition die Rede, die aus dem Reich Jam (heutiger Sudan) [11] einen >Zwerg des Gottestanzes< mitbrachte, bei dem es sich anscheinend um einen Pygmäen handelte. Dieser wurde als Geschenk von höchstem Wert betrachtet. Der gleiche Brief erwähnt außerdem, dass bereits unter Pharao Djedkare (5. Dynastie, 24. Jahrhundert) ein Ägypter einen kleinen Mann aus Punt mitgebracht hatte. Eine Passage in den Pyramidentexten (Spruch 517) erwähnt ebenfalls einen >Zwerg der Gottestänze<. [12]

Abb. 4 Links: Antike Abbildung eines Pygmäen auf Kranich-Jagd auf einer griechischen Vase (Theben, 5. Jahrh. v.Chr.); rechts die moderne Zeichnung eines Pygmäen von Alexander E. Jakowleff (1925)

Schon ab der Zeit der 1. Dynastie (um 3000 v. Chr.) finden sich auf Grabbildern Zwergendarstellungen. Vermutlich handelt sich bei den oft abgebildeten Tanzzwergen am Königshof zumindest teilweise nicht um pathologische Zwerge, sondern [um] Pygmäen aus dem Regenwald. [13] Ob die Ägypter eine besondere Bezeichnung für Pygmäen zur Unterscheidung von pathologischen Zwergen hatten, ist umstritten. [14] Nach dem 22. Jahrhundert v. Chr. gibt es keine sicheren Belege für die Existenz von Pygmäen in Ägypten mehr." [15]

Augenscheinlich gab es in Ägypten aber auch in späterer Zeit noch Darstellungen solcher Zwerge, wie die hier abgebildete Statuette (Abb. 3, rechts) zeigt, die vermutlich aus dem 2. Jahrhundert v.d.Z. stammt. Auch diese Statuette weist bereits Anzeichen einer Verfremdung [16] auf - und ist keineswegs ohne weiteres als afrikanischer Pygmäe zu identifizieren. Vermutlich war auch bei den Ägyptern im Verlauf von 2000 Jahren eine gewisse Mythisierung ihrer kleinwüchsigen 'Nachbarn' im Süden oder Südwesten erfolgt, nachdem diese wieder aus ihrem Gesichtskreis verschwunden waren.

Dementsprechend phantasievoll dürften dann eventuelle Antworten ausgefallen sein, die neugierige Besucher aus Griechenland zu hören bekamen, wenn sie sich nach der Bedeutung solcher Skulpturen erkundigten. Eine weitere Legendenbildung im alten Griechenland voraussetzend, erscheint es dann kaum noch verwunderlich, was für phantastische Geschichten Autoren wie Homer oder Ktesias über die Pygmäen zu Papyros brachten.

Fassen wir zusammen:

Die derzeit vorwiegend vertretene schulwissenschaftliche Auffassung, bei den Pygmäen, von denen in den Schriften der altgriechischen Autoren - oder bei dem römischen Gelehrten Plinius - die Rede ist, handele es sich um (erfundene) "Fabelwesen", ist sehr wahrscheinlich unzutreffend. Vielmehr haben wir es bei diesen Überlieferungen vermutlich mit stark mythisierten und sagenhaft gewordenen Berichten über die kleinwüchsigen Bewohner Afrikas (oder auch Asiens) zu tun, die aus ägyptischen und/oder phönizischen Quellen stammten.





Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Die Pygme war ein antikes Längenmaß "von der Ellenbogenspitze bis zur geballten Faust" (Quelle)
  2. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Pygmäen (Mythologie) (abgerufen: 05. Okt. 2015)
  3. Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Bd. 3 , Seite 598, "Pygmäen"; zit. nach der digitalisierten Fassung bei Zeno.org; Unterstreichung durch Atlantisforschung.de
  4. Siehe: Herodot II, 32–33; übersetzt und kommentiert bei: Martin Gusinde "Kenntnisse und Urteile über Pygmäen in Antike und Mittelalter", Leipzig (Barth), 1962, S. 6f.
  5. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Pygmäen" (abgerufen: 05. Oktober 2015)
  6. Siehe: Strabon, Geographika 17,2,1
  7. Siehe dazu z.B.: Thomas Ritter, "Im Namen des Pharao", bei. Mysteria 3000 - Alternative und interdisziplinäre Archäologie im Fokus, Ausgabe 1/2002 (abgerufen: 05. Oktober 2015)
  8. Quelle: Herodot's von Halikarnass Geschichte, Band 1, Verlag der J.B. Metzler'schen Buchhandlung, 1829, Kap. 37, S. 336-337 (zit. nach der digitalisierten Fassung bei Google Books)
  9. Quelle: Ägyptologie Forum (Lexikon), unter: "Patäke" (abgerufen: 05. Oktober 2015)
  10. Anmerkung des Verfassers (bb): Möglicherweise gibt es auch noch ältere Berichte. In einer Publikation der Zeugen Jehovas wird jedenfalls - leider ohne genaue Quellenangabe - erklärt: "Von der ersten Begegnung mit den Pygmäen wurde berichtet, als Pharao Neferirkare [nach Thomas Schneider, Lexikon der Pharaonen, von 2475 bis 2465 v. Chr. dritter Pharao der 5. Dynastie im Alten Reich; bb] auf der Suche nach der Quelle des Nil eine Expedition losschickte. Diese Expedition meldete, dass sie in den Wäldern im Innern Afrikas kleinwüchsige Menschen gesehen hatte." (Quelle: o.A., "Mit der biblischen Wahrheit bei den Pygmäen", 2004 in Erwachet!; abgerufen 10. Okt. 2015)
  11. Anmerkung bei Wikipedia: Zur Lokalisierung von Jam (auch: Yam) siehe: Armin Heymer, "Der ethno-kulturelle Werdegang apotropäischer Verflechtungen von Pygmäen, Chondrodystrophen und Zwergenfiguren", in: Saeculum 44, 1993, S. 116–178, hier: 132–135.
  12. Anmerkung: Véronique Dasen, "Dwarfs in Ancient Egypt and Greece", Oxford 1993, S. 25–29, 132f. Eine deutsche Übersetzung des Briefs Pepis II. findet sich bei: Martin Gusinde, "Kenntnisse und Urteile über Pygmäen in Antike und Mittelalter", Leipzig (Barth) 1962, S. 8; sowie: Heymer (1993) S. 132.
  13. Fußnote bei Wikipedia: Heymer (1995) S. 41–57; zur damaligen Ausdehnung des Rgenwalds Heymer (1993) S. 134.
  14. Fußnote bei Wikipedia: Heymer (1993) S. 130f.
  15. Quelle: Wikipedia - die freie Enzyklopädie, unter: "Pygmäen", Abschnitt: "Altertum und Mittelalter" (abgerufen: 5. Oktober 2015)
  16. Anmerkung: Offenbar war dies bei weitaus älteren Abbildungen von Pygmäen in Ägypten noch nicht der Fall. So heißt es in der Encyclopedia Britannica von 1911: "Darstellungen von Pygmäen wurde skulpturiert auf Grüften in Sakkara gefunden, die der V. Dynastie Ägyptens (3366 v.Chr.) zugeschrieben werden. Die an den Grüften im Flachrelief abgebildeten Pygmäen geben wirklichkeitsgetreu die rassischen Charakteristika der heutigen Rasse von Pygmäen wieder, welche die Wälder von Ituri und Semliki bewohnen." (Quelle: Encyclopedia Britannica, 1911; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach der Online-Version bei The 1911 Classic Encyclopedia (nicht mehr online)

Bild-Quellen:

1) Bildarchiv Atlantisforschung.de
2) © Marie-Lan Nguyen (Jastrow) bei Wikimedia Commons, unter: File:Fight Pygmy crane MAN.jpg (Lizenz: Creative Commons Attribution 2.5 Generic)
3) Saryu Doshi, "India and Egypt", 1993, S. 70-71; nach: Sushama Londhe, A Tribute to Hinduism - India and Egypt (nicht mehr online)
4) Links: Bibi Saint-Pol bei Wikimedia Commons, unter: File:Kabireic skyphos Allard Pierson Museum 582.jpg; rechts: A. Yakovlev (1925) / Shakko bei Wikimedia Commons, unter: File:Le pygmee Oulouvere by A.Yakovlev (1925).jpg