Reisen nach 'Fusang' - Chinesen im präkolumbischen Amerika?

Abb. 5 Die Stein-Artefakte vermutlich altchinesischen Ursprungs, welche im Jahr 1980 vor der Küste Kaliforniens entdeckt wurden.

(bb) Frühchinesische Reisen nach Amerika werden in der alternativ-historischen Literatur seit langem diskutiert. So berichtete beispielsweise Henrietta Mertz in "Pale Ink, Two Ancient Records of Chinese Exploration in America" von überlieferten Reisen zweier chinesischer Exploratoren nach Arizona. Die erste dieser Amerikafahrten soll der Forscher Yu im Auftrag des Kaisers Shun um 2250 v. Chr. gewagt haben. Eine spätere Reise soll dann im Jahr 500 n. Chr. von einem buddhistischen Priester namens "Hwui Shan" unternommen worden sein. Andere alt-chinesische Berichte sprechen von Reisen zum fernen Land 'Fusang', das wiederholt mit dem amerikanischen Doppel-Kontinent in Verbindung gebracht wurde.

Aus der grenzwissenschaftlichen Sicht anomalistischer und krypto-archäologischer Forschung, wie etwa bei William R. Corliss aus den USA, scheinen derartige "Legenden" ihre Bestätigung durch harte Beweise zu finden, denn "Stück für Stück sammeln sich immer mehr Evidenzen an, die zeigen, dass chinesische und japanische Schiffe de amerikanische Pazifik-Küste lange vor den Europäern erreichten. Indianische Überlieferungen erzählen von vielen >Häusern<, die auf den Wassern des Pazifik zu sehen waren" und sogar "alte spanische Dokumente beschreiben orientalische Schiffe vor der mexikanischen Küste im Jahr 1576. Japanische Kundschafter und Händler hinterließen nachweislich Stahl-Klingen in Alaska und ihr spezielles Töpfergut in Ecuador." (aus: Das China-Syndrom der Archäologie von William R. Corliss)

Über archäologischen Evidenzen für eine frühe China-Amerika-Connection schrieb der bekannte Anomalist 1981: "Jüngste Unterwasser-Erkundungen vor der Küste Kaliforniens haben Stein-Artefakte (Abb. 7) erbracht, bei denen es sich um Anker und Seil-Gewichte (Mess-Lote?) gehandelt habe könnte. Ein Seil-Gewicht, das bei 2000 Faden gefunden wurde, ist mit genug Mangan bedeckt, um ein hohes Alter zu vermuten. Sein Stil und der Stein-Typus deuten bei all diesen Artefakten auf einen chinesischen Ursprung hin. Offenbar fuhren Schiffe aus dem Orient auf der Japan-Strömung zu den nordamerikanischen Küsten, lange bevor die Wikinger und Kolumbus den Kontinent erreichten." [1]

Natürlich: "Dies ist für die meisten Archäologen keine respektable Vorstellung, wie wir an der massiven Erwiderung von F.J. Frost in >Archaeology< [2] sehen können, die damit beginnt, dass er die schrecklichen Sphären [orig.: "horrrible spectres"; d. Ü.] Heyerdahl´s und von Däniken´s heraufbeschwört." [3] Offenbar reihte Frost sich hier in die offene Liga jener 'Schmalspur'-Wissenschaftler ein, die auf non- konformistische Menschheits- und Zivilisations-Forscher ähnlich reagieren, wie ein Katholik der Reformations-Zeit auf den Namen 'Martin Luther', und auch Corliss fragt sich und seine Leser zu Recht: "Sollen diese Namen benutzt werden, um Archäologen ins 'Bockshorn' zu jagen?" [4]

Doch werfen wir einmal - Corliss´ Darstellung folgend - einen kurzen Blick auf Frost´s Kritik: "Zu allererst 'versenkt' F.J. Frost, der Autor der Gegenrede, das Land der Fu Sang-Legende, indem er darauf hinweist, wie Gustaaf [Gustav; d. Ü.] Schlegel 1892 zeigte, dass die alt-chinesischen Kartographen sehr genau wussten, dass Fusan tatsächlich eine Insel war, die sich direkt vor der nordost-asiatischen Küste befand. Als Nächstes erzählt uns Frost, wie ein kürzlicher Versuch zur Wiederholung der Reise von China nach Amerika in einer chinesischen Dschunke auf der Kuroshio-Strömung ein trostloser Fehlschlag war." [5]

Natürlich sind dies keine validen Argumente. Würde Frost das gleiche Vertrauen, das er den altchinesischen Kartographen zollt, auch den europäischen Karten-Zeichnen des Zeitalters der Entdeckungen entgegen bringen, die "sehr genau wussten", wo sich putative Inseln wie "Antillia" befinden? Mit Sicherheit würde er das NICHT! Auch sein Verweis auf eine gescheiterte experimentelle Seereise von China nach Amerika ist im Kontext seiner einleitenden Bemerkung eine intellektuelle Zumutung: offenbar haben solche Experimente für Frost und Seinesgleichen nur dann Beweiskraft, wenn sie fehlschlagen, während sie im Erfolgsfall - wie bei Heyerdahl - allenfalls in die "schrecklichen Sphären" der Crackpots führen!

Abb. 6 Skizze einer alten Mixteken-Stele aus Tiaxiaco, Oaxaca, Mexico, zeigt das 'Kaninchen im Mond'-Motiv, das vor allem aus der chinesischen Mythologie bekannt ist.

Auch Corliss weist Frost´s "Argumentation" entschieden zurück: "Wenn dem so ist, was ist dann mit den Stein-Ankern, die in den flachen Gewässern vor Palos Verdes, Kalifornien, gefunden wurden?" Ihr chinesischer Ursprung scheint außer Zweifel zu stehen, aber welche MODERNEN Fischer chinesischen Ursprungs (die Frost als Urheber des Rätsels betrachtet) sollten in den kalifornischen Gewässern derart archaisches Gerät verwendet haben? Immerhin muss auch der Kritiker die Existenz einiger archäologischer Anomalien in diesem Seegebiet zugestehen: "Zum Schluss identifiziert Frost einige echte ungelöste Rätsel vor Palos Verdes. Es scheint, dass einige der Steine, die unter Wasser gefunden wurden, in der Tat höchst seltsam sind. Nahe der Fundstelle der Stein-Anker gibt es zwei mit Rillen versehene säulenartige Steine von mehr als einem Meter Länge mit Bohrlöchern. Zudem ist dort auch eine tonnenschwere Stein-Kugel [6] mit einer Furche, die um ihren Äquator verläuft." [7]

Auch kunstgeschichtliche bzw. mythologische Indizien lassen sich heranziehen, um früh-chinesische Amerika-Reisen und kulturelle Kontakte mit Präkolumbiern nachzuvollziehen. So schrieb Charles R. Wicke 1984 in ARCHAEOASTRONOMY über das "Kaninchen im Mond"-Motiv in Mittelamerika: "Darstellungen eines Hasen oder Kaninchen auf dem Mond wurden in der Kunst des alten China und im präkolumbischen Mexiko gefunden. Mythologien in beiden Gebieten plazieren ebenfalls ein Kaninchen auf dem Mond. Auch wenn eine solche Verbindung willkürlich erscheinen könnte, enthüllt ein Vergleich der sichtbaren Oberfläche des Vollmonds mit der Silhouette eines Kaninchens einen gewissen Grad von Übereinstimmung. Nicht nur die unverkennbaren Ohren des Kaninchens, sondern auch alle anderen Formen scheinen auf der Mondoberfläche skizziert zu sein." [8]

Die Möglichkeit, dass es sich bei dieser Parallele in Kunst und Mythen China und des alten Mexiko um eine zufällige Übereinstimmung handeln könnte, verwirft Wicke nach eingehender Diskussion: "Darüber hinaus erscheint, wenn man sich eingehend mit der Verbindung von Hasen und Mond als Ausdruck in Mythologie und graphischer Symbolik befasst, die Übereinstimmung zwischen denjenigen aus China und aus Mexiko gleichermaßen zu komplex und zu willkürlich, um unabhängig voneinander aufgekommen zu sein. In der Tat scheint dann der Mythos vom Hasen auf dem Mond in Mesoamerika aus transpazifischen Quellen zu stammen." [9]

Epigraphische Evidenzen stützen ebenfalls die These früher chinesischer Reisen nach Amerika. Auf eigentümliche Felszeichnungen mit alten, vermutlich chinesisch/tibetanischen, Buchstaben stieß beispielsweise der US-amerikanischen Alternativhistoriker Jack Andrews im Süden von Sedona, Arizona (siehe dazu: Chinesisch/tibetanische Piktographie in Arizona?). Bei Corliss finden wir zudem einen interessanten Hinweis auf chinesische Glyphen in Mexiko: "Dr. George Carter berichtete aufgeregt über einen möglichen Durchbruch bezüglich asiatischer Kontakte zum präkolumbischen Amerika. Dr H.M. Xu ist ein chinesischer Gelehrter, der an der Central Oklahoma State University in Enid, Oklahoma, Linguistik lehrt. Es gibt eine kleine Publikation, in der über Dr. Xu´s Fähigkeit berichtet wird, einige chinesische Schriftzeichen zu lesen, die deutlich auf mehreren zeremoniellen Jade-Beile aus La Venta, Mexiko, zu sehen sind. Ihre Datierungen dürften bei etwa 1100 v. Chr. liegen, was gut mit den Anfängen der Olmeken passt." [10]

Abb. 7 Im Januar 2006 stellte der chinesische Anwalt und Sammler Liu Gang (Bild) in Peking die Reproduktion einer alten chinesischen Landkarte vor, bei der es sich um die Kopie einer Karte von 1418 handelnn soll. Auf ihr sind nicht nur alle Kontinente, sondern auch die Antarktis, der Nordpol und Grönland verzeichnet. (Foto: REUTERS)

Bereits 1940 schrieb der Atlantologe Colonel Alexander Braghine: "Einige prähistorische mexikanische Hieroglyphen ähneln verblüffend den alt- ägyptischen sowie den sogenannten >Trigrammen< [orig.: "trigrams"; d. Ü.] des legendären chinesischen Kaisers Fo-Hi, die wir auf den ältesten chinesischen Monumenten sehen können. Wie lässt sich solch eine Ähnlichkeit erklären?" [11] Es erscheint auf Grundlage der hier vorgestellten Evidenzen durchaus naheliegend, dass das Chinesische Meer schon seit Jahrtausenden als 'Sprungbrett' für ozeanische Reisen in den "fernen Osten" diente. Konnten kaiserlich-chinesische Nautiker möglicherweise noch auf 'vorsintflutliches' Wissen zurückgreifen?

Die Annahme, dass 'Paläo-Chinesen' zur See bis in den Pazifikraum vorstießen, wird jedenfalls auch durch anthropologische Erkenntnisse gestützt: "Dr. Alan Thorne von der Australian National University schlussfolgert, nachdem er frühe Menschen-Fossilien sowohl aus Australien als auch aus China studiert hat, dass es vor mindestens 10 000 Jahren eine signifikante Migration von Menschen der chinesischen Küstengebiete nach Nord-Australien gegeben hat. Er stellt die Hypothese auf, dass die Chinesen seetaugliche Bambus-Flöße bauten und sowohl Indonesien als auch die australische Küste erforschten. [...] Die Reise von China nach Australien wird durch 'Insel-Hüpfen' erleichtert, doch die Existenz früher nautischer Fähigkeiten der Chinesen hat auch einige Signifikanz für [die Besiedlung] Amerikas." [12]

Ein weiteres Indiz für die "Entdeckung" Amerikas durch kaiserlich-chinesische Seefahrer wurde im Januar 2006 in Form einer alten Weltkarte aus dem Jahr 1763 präsentiert. Die Journalistin Petra Kolonko berichtete in der FAZ über diese Karte, "die nach Meinung ihres Besitzers, des chinesischen Anwalts und Sammlers Liu Gang, beweisen könnte, daß tatsächlich der kaiserliche Admiral Zheng He aus der Ming-Dynastie mit seiner Flotte die Welt früher als die Europäer umsegelt hat und daß spätere Weltkarten sich auf die ursprünglichen chinesischen beziehen könnten."

Liu Gang stellte in Peking eine Fotokopie dieser alten Landkarte vor (Abb. 8), "die eine aus dem Jahr 1763 stammende Kopie einer Karte von 1418 sein soll. Die Karte trägt den Titel >Allgemeine Karte der gesamten Welt<, gezeichnet wurde sie, so steht auf ihr zu lesen, von einem Mo Yidong auf der Grundlage einer Zeichnung aus dem Jahr 1418 zur Vorlage beim Kaiser. Auf ihr sind nicht nur alle Kontinente, sondern auch die Antarktis, der Nordpol und Grönland verzeichnet. Außerdem gibt sie Beschreibungen der Bevölkerung der fernen Länder.

Nachforschungen über Zheng Hes Expeditionen werden dadurch erschwert, daß alle Dokumente in chinesischen Archiven über seine Entdeckungen verbrannt wurden oder verschwunden sind, vermutlich, weil die nachfolgenden Kaiser der Ming- und Qing-Dynastie kein Interesse mehr an maritimen Expeditionen hatten. Fest steht, daß Zheng Hes Flotte 1405, also vor gut 600 Jahren, zum ersten Mal in See stach und mit einer längeren Unterbrechung bis zum Jahr 1433 sieben ausgedehnte Fahrten unternahm. Die Flotte umfaßte bis zu dreihundert Schiffe mit fast 28 000 Mann Besatzung. Sie erreichte das Handelszentrum Kalikut in Südwestindien, Hormuz am Persischen Golf und Dschidda am Roten Meer, auch Timor und Madagaskar. Die größten Schiffe der Flotte hatten neun gewaltige Masten, waren bis zu 120 Meter lang und bis zu 50 Meter breit. Zum Vergleich: Die „Santa Maria” des Christoph Kolumbus war 27 Meter lang.

Fragen bleiben - die Geschichte der Landkarte, deren Echtheit gerade untersucht wird, ist nicht zweifelsfrei rekonstruiert. [...] In ersten Reaktionen von chinesischen Historikern werden Zweifel an der Echtheit der Karte, deren Original sie allerdings noch nicht gesehen haben, geäußert. Liu Gang bleibt davon überzeugt: Die chinesischen Seefahrer haben siebzig Jahre vor Kolumbus Amerika entdeckt." [13]


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: Pierson, Larry J. und Moriarty, James R, "Stone Anchors: Asiatic Shipwrecks off the California Coast", Anthropological Journal of Canada, 18:17, 1980; nach William R. Corliss, Science Frontiers Nr. 14, Winter 1981; online unter http://www.science-frontiers.com/sf014/sf014p01.htm
  2. Siehe: Frank J. Frost, "The Palos Verdes Chinese Anchor Mystery," Archaeology, 35:23, January/February 1982
  3. Quelle: William R. Corliss, "MORE ON THOSE CHINESE ANCHORS IN CALIFORNIA WATERS", Science Frontiers Nr. 21, Mai / Juni 1982, online unter http://www.science-frontiers.com/sf021/sf021p03.htm
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.
  6. Red. Anmerkung: Zu ähnlichen Objekten in Mittelamerika siehe Die Steinkugeln von Costa Rica (bb) sowie Was wissen wir über die Steinkugeln von Costa Rica? von William R. Corliss.
  7. Quelle: William R. Corliss, "MORE ON THOSE CHINESE ANCHORS IN CALIFORNIA WATERS", Science Frontiers Nr. 21, Mai / Juni 1982, online unter http://www.science-frontiers.com/sf021/sf021p03.htm
  8. Quelle: Wicke, Charles R.; "The Mesoamerican Rabbit in the Moon: An Influence from Han China?", Archaeoastronomy, 7:46, 1984; nach: William R. Corliss, Science Frontiers Nr. 45, Mai Juni 1986, online unter: http://www.science-frontiers.com/sf045/sf045p03.htm
  9. Quelle: ebd.
  10. Quelle: William R. Corliss, MORE EVIDENCE OF PRECOLUMBIAN CONTACTS FROM ASIA, Science Frontiers Nr. 108, Nov. / Dez. 1996, online unter http://www.science-frontiers.com/sf108/sf108p13.htm ; Corliss zitiert dort einen ungenannten Autor in NEARA Transit, 8:7, no. 2, September 1996 (NEARA = New England Antiquities Research Association)
  11. Quelle: Alexander Braghine, "The Shadow of Atlantis", THE ATLANTIS REPRINT SERIES, ADVENTURES UNLIMITED PRESS, Kempton, Illinois (USA), 1997, S. 28
  12. Quelle: Anonymus, "Chinese 'First to Australia", Melbourne Sun, 14. August 1982; nach William R. Corliss, "EARLY CHINESE VOYAGES TO AUSTRALIA", Science Frontiers Nr. 24, Nov. / Dez. 1982
  13. Quelle: Petra Kolonko, Peking, "Haben die Chinesen Amerika entdeckt?", FAZ Online, unter http://www.faz.net/s/Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/Doc~EE9731856F9994646A9A53C70D9B992F5~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Bild-Quellen

(5) http://www.science-frontiers.com/sf014/sf014p01.htm

(6) http://www.science-frontiers.com/sf045/sf045p03.htm

(7) http://www.faz.net/s/Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/Doc~EE9731856F9994646A9A53C70D9B992F5~ATpl~Ecommon~Sdetail_image~Aimg~E1.html?back=/s/Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/Doc~EE9731856F9994646A9A53C70D9B992F5~ATpl~Ecommon~Scontent%A7Phtml