Rose und Rand Flem-Ath: Atlantis und Hapgoods Polverschiebungsthese

(rmh) Im Jahr 1996 erschien im deutschsprachigen Raum das Buch „Atlantis - Der versunkene Kontinent unter dem ewigen Eis“ von den Bibliothekaren Rose und Rand Flem-Ath, einem Ehepaar.


Abb. 1: Rand und Rose Flem-Ath. Die Autoren von „Atlantis - Der versunkene Kontinent unter dem ewigen Eis.

Die Flem-Aths berufen sich im Wesentlichen auf die Polverschiebungstheorie von Charles H. Hapgood, der mit dem Buch „Earth’s Shifting Crust“ versucht hatte, das große Rätsel der Eiszeiten zu lösen. Außerdem wollte er Erklärungen für Katastrophen finden. Hapgood ging von der Idee aus, dass die großen Eiskappen an den Polen die Erde aus dem Gleichgewicht brachten. Offensichtlich zeigte auch Albert Einstein Interesse an dieser These. Rand und Rose Flem-Ath schreiben (S.21):

Der Plattentektonik wie auch der Idee von der Verschiebung der Erdkruste liegt die gleiche Annahme zugrunde, nämlich dass die Kruste beweglich ist. Die beiden Ideen schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen einander. Die Plattentektonik bietet eine Erklärung für langfristige, langsame Veränderungen wie den Aufbau von Gebirgen, Vulkantätigkeit und örtlich begrenzte Erdbeben.

Die Theorie von der Verschiebung der Erdkruste erkennt an, dass es solche allmähliche Vorgänge gibt, unterstellt aber zusätzlich viel drastischere, plötzliche Bewegungen der Kruste, mit denen sich Rätsel wie das massenhafte Aussterben von Tieren und Pflanzen, Veränderungen der Vereisung und der plötzliche Anstieg der Landwirtschaft erklären lassen. Ganz anders als bei der langsamen Bewegung einzelner Platten gemäß der Plattentektonik verändert die von Hapgood postulierte ‚Erdkrustenverschiebung’ plötzlich alle Platten als zusammenhängende Einheit. Der Kern, das schwere Zentrum dieses Planeten, verändert sich bei dieser Bewegung nicht, und deshalb behält auch die Erdachse ihre Lage bei.

Die Flem-Aths verweisen darauf, dass um das Jahr 9600 v. Chr. zahlreiche Arten plötzlich ausgestorben sind und mutmaßen, dass damals eine dieser Erdkrustenverschiebungen stattgefunden habe. Hapgood hatte sich ausgiebig mit der so genannten Piri-Reis-Karte (Abb. 2) und anderen alten Karten beschäftigt, auf der er die Konturen der eisfreien Antarktis zu erkennen glaubte. Er war davon überzeugt, dass nur eine fortgeschrittene weltweite Zivilisation von Seefahrern diese Karten hervorgebracht haben könnte. Er und die Flem-Aths assoziieren das Volk, das vor der letzten Erdkrustenverschiebung auf der eisfreien und gemäßigten Antarktis gelebt haben sollen, mit Platons Atlantis.


Abb. 2: Die: Piri-Reis-Karte von 1513. Zeigt sie die eisfreie Antarktis?

Legenden von der unberechenbaren Sonne, wie sie von einem Indianerstamm, den Ute, tradiert wurden, sind nach den Flem-Aths als einen entfernten Widerhall der letzten Erdkrustenverschiebung zu verstehen. Für jene müsse es so ausgesehen haben, als taumelten Himmel, Sonne und Sterne von ihren angestammten Plätzen am Himmel. Erdbeben hätten riesige Tsunamis erzeugt, die die empfindlichen Küsten zerschmetterten. Die Eiskappen seien geschmolzen und der Meeresspiegel immer höher gestiegen. Die Flem-Aths fanden noch weitere derartige Legenden und führen sie in ihrem Buch auf. Bei einigen Völkern wird eine mythische Flut mit einer Insel in Zusammenhang gebracht, die weit weg von der Mitte des Ozeans gelegen haben soll. Und diese ist nach Meinung der Flem-Aths die Antarktis - das ehemalige Atlantis.

Offenbar hatte Albert Einstein eine Erklärung dafür, durch welche Mechanismen die Kruste sich verschieben könnte. Sie zitieren ihn auf S. 73 aus dem Vorwort von Hapgoods Buch: „In einem Polargebiet wird ständig Eis abgelagert, das um den Pol herum nicht gleichmäßig ver-teilt ist. Auf diese asymmetrisch abgelagerten Massen wirkt die Erdrotation; sie erzeugt eine Zentrifugalkraft, die über die starre Erdkruste übertragen wird. Wenn die auf diese Weise ständig zunehmende Zentrifugalkraft eine gewisse Stärke erreicht hat, wird sie auf der übrigen Erde eine Verschiebung der Erdkruste herbeiführen, so dass sich die Polargebiete in Richtung des Äquators bewegen.

Bei diesem Vorgang gelängen auch manche gemäßigte Regionen in Polnähe, so dass sie bis zum Eintreten der nächsten Erdkrustenverschiebung wieder vereist sind. Nach diesem Ereignis sind sie wieder vom Eis befreit. Nachdem Einstein bezweifelt hatte, dass das Gewicht der Polkappen für eine derartige Verschiebung ausgereicht hatte, gab Hapgood die Suche nach den Ursachen für die Verschiebung auf und suchte stattdessen den Nachweis dafür, dass seine Theorie ungelöste Probleme der Geologie und Evolution erklären könnte. Die Flem-Aths sind der Meinung, dass der Schwerkrafteinfluss der Sonne zunähme, wenn die Form der Erdbahn um mehr als ein Prozent von der Kreisform abweiche, da die Erde der Sonne dann an bestimmten Punkten näher sei, denn dann übe die Sonne eine größere Zugkraft auf den Planeten und seine gewaltigen Eisschichten aus.


Abb. 3: Die Linien der stärksten und geringsten Verschiebung.

Deren riesiges Gewicht wirkt abwechselnd ziehend und schiebend auf die Erdkruste, und der dabei entstehende immense Druck sorgt im Zusammenhang mit einer stärkeren Neigung der Erdachse und dem verstärkten Zug durch die Schwerkraft der Sonne dafür, dass die Kruste sich verschiebt.“ (S. 74)

Immer dann, wenn eine solche Verschiebung stattgefunden habe, schmölzen die Eisschichten, und der Meeresspiegel steige dadurch bedingt an. Der Schmelzvorgang würde verstärkt, wenn die Verschiebung mit dem Beginn einer Zwischeneinzeit einhergingen, denn die Temperaturen stiegen dann ohnehin. Und die Flem-Aths glauben: „Das war nach der letzten Krustenverschiebung vor 11600 Jahren der Fall.“ Wenn sich anschließend innerhalb des nördlichen und südlichen Polarkreises wieder mehr Schnee ansammelte, begänne der der ganze Kreislauf von neuem, wobei zunächst der Meeresspiegel auf einen niedrigeren Stand zurückkehren würde.

Die Flem-Aths sind der Meinung, dass sich bei jeder Erdkrustenverschiebung die Himmelsrichtungen verändert hätten. Nach jeder Erdkrustenveränderung verändere sich die Rotationsrichtung der Erde, so dass die Sonne einmal - wie heute - im Osten auf- und im Westen untergehe, und einmal umgekehrt. Als Beleg für ihre These sehen die Flem-Aths die Tatsache, dass es vor fast 12 000 Jahren in Amerika, Australien und dem Nordpolgebiet zu einem heftigen Massensterben kam, während Europa und Afrika nur schwach betroffen waren.

Die Flem-Aths schreiben (S. 77): „Vor dem Hintergrund von Hapgoods Befunden können wir das Aussterben im Pleistozän in einem klaren Licht erkennen. Anhand seiner Angaben über die Lage der Erdkruste vor 9600 Jahren v. Chr. können wir beobachten, welche Veränderungen der Breitengrade nach der Verschiebung eintraten. Ein gedachter Kreis um die Erde, der durch die Orte von Nord- und Südpol verläuft, zeigt den am stärksten betroffenen Bereich. Wir nennen ihn ,Linie der stärksten Verschiebung.’ (LSV). Diese Linie verläuft durch Nordamerika und den Westen Südamerikas und teilt die Antarktis in zwei Teile, zieht sich über Südostasien nach Sibirien und dann zurück nach Nordamerika. Dieser Kreis entspricht genau den Gegenden der Erde, die das stärkste Massenaussterben erleben.

Und über die „Linien der stärksten Verschiebung“ schreiben die Autoren, diese würde jene Klimazonen durchschneiden, die sowohl vor als auch nach der Katastrophe relativ stabil blieben. Sie verlaufe durch Grönland, Europa und Afrika, trenne Australien und Neuseeland, passiere Hawaii und ziehe dann wieder nach Grönland. Sie falle unmittelbar mit den Gegenden zusammen, in denen das Aussterben am geringsten war.


Abb. 4: Ist der Nordpol der Nabel der Welt, wie es Dr. William Fairfried Warren vermutete? Lag dort das verlorene Inselparadies?

Die Flem-Aths berufen sich zudem auf zahlreiche Mythen von der Großen Flut, die auch von Indianerstämmen tradiert wurden. Dazu werden die Geheimnisse Ägyptens und Sumers als Belege dafür herangezogen, dass es einmal eine hoch entwickelte Kultur gegeben haben müsse, von der wir heute nichts mehr wissen. Aus einigen Legenden ziehen die Flem-Aths den Schluss, dass diese in Polnähe gelegen haben müsse. So ist in einer Indianderlegende die Rede von einem Speer, der zur Erdachse wurde, „die sich […] ständig drehen muss.“ Nach dem Autor Dr. William Fairfield Warren, dem Gründer der Universität von Boston, sei die Erde damals viel wärmer gewesen sein und habe sich erst in jüngerer Zeit abgekühlt. Er schrieb das Buch Paradise found: The cradle of the human Race at the north pole (1985).

Die Flem-Aths schreiben (S.101): “Hitze aus dem Erdinneren ließ im Zusammenhang mit den Oberflächentemperaturen in tropischen und sogar gemäßigten Breiten ein Klima entstehen, das für Lebewesen viel zu heiß war. Nur in den Polargebieten war es zu jener Zeit so kühl, dass sie sich für die Besiedlung durch Menschen eignete. Nach Warrens Ansicht wurde dieses Polarparadies zerstört, als ein entscheidender Temperatursturz zu den weltweiten geologischen Umwandlungen führte. Im Erdinneren stürzten große Massen nach innen zusammen, und dabei rissen sie Teile der Erdkruste mit. Anschließend kühlte sich die Erde ab - und das frühere Inselparadies erstickte unter Schnee und Eis.

Warren war überzeugt davon, dass dieses einstige Paradies im Nordpolargebiet gelegen haben müsse. [siehe: B. G. Tilak, W. F. Warren und ihr nordpolares Inselreich der Vorzeit; d. Red.] Die Antarktis käme nicht in Frage, da sie ja heute noch eine Landmasse sei. Es sei der „Nabel der Welt“.


Abb. 5: Ohne Eiskappe erkennt man die Antarktis als Insel mit mehreren kleinen vorgelagerten Inseln, die sich Richtung Südamerika verteilen

Die Flem-Aths dagegen sind der Meinung, dass die Antarktis einen wesentlich natürlicheren Nabel der Welt darstelle. Sie berufen sich auch Überlieferungen, nach denen die mythologische Heimat der Okanagan in der „Mitte des Meeres“ läge und dass das mythische Atzlan der Azteken weiß ist, und auch das verlorene Land der Perser sei von einer dicken Eisschicht bedeckt.

Rose und Rand Flem-Ath weisen auf die Unterschiede der West- und der Ostantarktis hin. So besteht die Westantarktis aus Gebirgen und einer dünnen Eisschicht. Es schneit dort häufig. In der Ostantarktis dagegen finden wir den größten Teil aller Eismassen der Erde. Die Eisschicht ist über 300 km dick. Dort schneit es kaum. Den Widerspruch zwischen der heutigen jährlichen Schneefallmenge in den verschiedenen Teilen der Antarktis sowie die Dicke der Eisschicht ist für die Flem-Aths ein deutlicher Hinweis dafür, dass der Kontinent früher ein vollkommen anderes Klima gehabt haben müsse.

Auch Grönland, das auf den der entgegengesetzten Seite des Globus wie die Ostantarktis liegt, liegt wie jene unter einer dicken Eisschicht. Die Flem-Aths erklären die ungewöhnliche Verteilung der Eisschichten mit der Polverschiebungstheorie. Nach dieser bewegt sich die Erdoberfläche durch die Klimazonen, und Gebiete gemäßigten Klimas wurden in die Polargebiete gedrückt. So fiel nun mehr Schnee, während andere Gebiete aus der Polnähe in wärmere Breiten wanderten - ihre Eisschichten schmolzen. Da Grönland und die Ostantarktis vor der Verschiebung in Polnähe lagen und danach auch dort blieben, bildete sich die dicke Eisschicht.

Ganz anders die Westantarktis: Sie lag in der Zeit bis 9600 v. Chr. - wenn wir den Flem-Aths folgen - nicht im Polargebiet. Die Autoren zitieren Forschungsergebnisse, nach denen das Klima in Nordnorwegen, der schottischen Insel Lewis, dem arktischen Alaska, Beringia und Nordsibirien, in der letzten Eiszeit wärmer war. Sie fragen sich: „War es in der Westantarktis genau so?" Ohne Eiskappe erkennt man, dass die Antarktis eine Insel mit mehreren vorgelagerten Inseln ist. So erklären die Autoren Platos „gegenüberliegenden Inseln“.

Die Flem-Aths werden bei den Bemühungen, Anerkennung für ihre These zu finden, von Colin Wilson und Antony West unterstützt.


Bild-Quellen:

(1) Rand und Rose Flem Ath 1996, Schutzumschlag

(2) ebenda, S 171

(3) ebenda, S. 78

(4) ebenda, S. 102

(5) ebenda, S. 137