Silberbergwerk Dippoldiswalde - eine Zwergen-Mine?

Abb. 1 Luftbild von Dippoldiswalde vom 6. August 2003

von unserem Gastautor Wilfried Stevens

Sicherlich gibt es Hunderte an Zwergensagen und Geschichten über Zwerge in Deutschland, darunter wahrscheinlich einige oder mehr, die man als ausgedachte Geschichte oder Aberglauben beiseite schieben kann. Die meisten wurden etwa ab der Zeit des Mittelalters überliefert, und nach meiner Überzeugung gibt es einige Dutzend dieser Sagen und Geschichten, die mit aller Voraussicht nach einem wahren Kern enthalten. Ich glaube nicht, das alles Phantasie war und alles nur auf Aberglauben beruht, und selbst in den noch älteren Mythologien der Nordischen Zwergen-Sagen, steckt ein Kern von Gegebenheiten, die vermutlich doch stattgefunden haben. Das es auch kleine Menschenarten gab, hatte ich ja im Beitrag Homo floresiensisatlant – der kleinste Mensch der Welt praktisch bewiesen. Gab es also Zwerge oder ein Zwergen-Volk, das unter der Erde oder/und Berge lebte. Und wenn, wo mögen sie gelebt haben, wo könnten sie noch leben? In meinem Artikel Die Querkel von Staffelberg & Lußberg erfahren wir, das sie sich unsichtbar machen können und mancherlei Tricks auf Lager haben, um sich zu verstecken und ihre Spuren zu verwischen. Doch der Hinweis im Beitrag, das die Querkel nach Osten flüchteten, machte mich noch zunächst noch nicht aufmerksam. In meinem Artikel Die Zwerge vom Hutberg bei Dresden wurde ich schon nachdenklicher, auch weil es in dieser Region viele Zwergensagen gab, sowie den Hinweisen, das die Zwerge zu ihren Brüdern und Schwestern nach Böhmen flüchteten. Hier gab es also eine regionale Konzentration an Zwergen-Geschichten, was kein Zufall sein konnte. So forschte ich speziell nach Sagen und Hinweisen von alten Minen in Sachsen, weil die Zwerge ja mit Eifer nach Erzen und Kristallen tief in der Erde suchten und diese abbauten. Aber noch sind die Hinweise spärlich und sehr gewagt, um zu lokalisieren zu können, wo vielleicht Zwerge ihre Bergwerke hatten.

Dann war es fast Vater Zufall, als ich auf die Zwergensage von Scheibenberg] stieß, wovon es einige Versionen gab. Die sehr kleine Bergstadt Scheibenstadt ist ein Ort in Sachsen und liegt ca. 10 km östlich vom Schwarzenberg/Erzgebirge bzw. ca. 40 km südlich von Chemnitz. Eine Gegend, die reich an Erzen ist. Nordwestlich liegt der gleichnamige 807 m hohe Basaltberg, worin einst ein Zwergen-Volk gelebt haben soll. Und so wird in einer Sage über den Zwergen-König Oronomassan] folgendes erzählt, der oft die Menschen auf seiner Art prüfte.

Einst lebten nur die Zwerge in den Bergen und bewohnten auch den finsteren Wald Miriquidi, der auch von Fabelwesen und den Schwarzalben im Moor bewohnt war, der neben dem Wald lag. Die Menschen fürchteten den dunklen Wald, wo die uralten Bäume flüsterten, verirrte Menschen nicht mehr zurückkehrten und die Zwerge mit ihren fliegenden Äxten nicht gestatteten, ihre Ruhe in den Bergen zu stören und die Schwarzalben nicht gestatteten ihre Wälder zu betreten. Doch als einst drei Bergleute von den reichen Silbererzen hörten, die es dort gibt, wollten sie mit den Zwergen einen Handel eingehen und auch Silber schürfen. Sie wählten Alberlin aus, der im Frühling zum Scheibenberg gehen sollte, um mit den Zwergen zu verhandeln. Kehrte er nicht nach sieben Tagen zurück, sollte keiner nach ihm suchen, so sprachen sie es ab. Voller Mut im Herzen und mit der Angst in seinen Beinen stand der Auserwählte schließlich vor einer 30 Meter hohen Wand aus Basalt. Weil er dachte, die Zwerge hätten sie errichtet und das sie hinter der Mauer wären, rief er laut nach den Zwergen, doch kein Laut kam zurück. Weil die Dunkelheit, die im Wald einkehrte, Menschen verschlucke, schlug er sein Lager an der Mauer auf und schlief ängstlich ein. Als er wach wurde, erschrak er, den vor ihm saß ein kleines Zwerglein mit einem großen Hut, roten Bart, eine Pfeife aus Meerschaum im Mund und so klein, noch nicht zwei Schuh groß, das er ihm nur bis zum Knie reichte. Und hinter ihm zwei Handvoll Zwerglein, kleine Äxte, Spitzhacken und Hämmer in der Hand, die alle grimmig schauten.

Da sprach das Zwerglein vor ihm mit kleiner dunkler Stimme...Ich habe es gewusst, das ihr wegen Eurer Größe so dumm seid, Mensch, was ist euer Begehr, unsere Ruhe und unser Reich zu stören ? Alberlin antwortet... Meine zwei Freunde schickten mich, alle Bergleute wie ich, und wir suchen das Glück bei Euch, um Silber zu schürfen, und Euch mit einem großen Anteil davon zu gedenken.... Das Zwergenmännlein lachte, und Alberlin erschrak, den seine Stimme grollte so laut, das die Stimme vom Wald zurückkam. Dann lachten auch alle anderen Zwergenmännlein, und wieder sprach es lachend zu Alberlin...Dumm ist er, ehrlich dazu ist er, das gefällt mir, das muss belohnt werden...knie dich nieder, das Deine Augen meinen Blick näher sehen....... Und so begann das Zwergenmännlein zu erzählen, und schnaufte dabei an seiner Pfeife.

Ich bin Oronomassan, der König des Volkes im Berge und in den Wäldern. Du begehrst was Dir nicht gehört, und bietest mir einen Anteil von dem was Dir nicht gehört. Doch ich sehe keine Hinterlist in Deine Augen, aber merke Dir, das Gold und Silber die Sinne der Menschen trübt, und sind es erst mal nur drei, wird es bald Kunde und es kommen dreihundert unser Silber zu stehlen. Überlegt es Euch gut Mensch, was ihr sagt, den 500 Jahre kam kein Mensch hierher und auch kein Mensch kehrte je zurück.

Abb. 2 Dippolzwalde: Stadtansicht Mitte des 19. Jahrhunderts

Ängstlich schwor Alberlin, dass er es ehrlich meinte, und Oronomassan nahm ihm ins Zwergenloch am Berg mit, das er vorher nicht sah. Er rutschte hinunter und saß plötzlich in einer kleinen Silber-Höhle wo er viele emsige Zwergen sah, die das Silber abklopften und in Stollen rein- und raushuschten. Er konnte nicht aufstehen und sah tief unter sich eine dunkle Leere, so das er nicht wagte sich zu bewegen. Dann sah er ein Lämplein mit Oronomassan auf einer Fuhre unter sich und dieser rief ihn zu, er solle runterspringen und sich hinlegen. Kaum lag Alberlin auf der Fuhre, fuhr sie geschwind in den Berg hinein, so schnell, dass ihm schwindelig wurde, er die Augen schloss und er an sein Ende dachte. Es dauerte Stunde um Stunde, da hielt die Fuhre und Alberlin stand an einer Wand voller Silber.

Hier wirst Du dein Glück finden Mensch, sprach Oronomassan zu ihm, komm nicht mehr zurück zu uns, bei uns würde es Dir nicht bestimmt nicht wohlergehen. Gehe die Leiter hoch und behalte das Geheimnis für Dich, das der Neid Dich nicht niederschlägt... und geschwind verschwand Oronomassan mit der schnellen Fuhre in den Berg zurück. Als Alberlin nach oben mühsam auf die viel zu kleine Leiter kletterte, sah er unweit eine Stadt, ging dort hin und fragte am Tore wo er sei. Da hörte er den Namen Freiberg wo er sei und erschrak abermals, das er nur wenige Stunden brauchte, sind es doch fast zwei Tagesreisen von Scheibenstadt.

War Alberlin wirklich einem Zwergen-König begegnet, der das Geheimnis seines Berges nicht verriet, weil er die Habgier und Neugier der Menschen fürchtete, und statt Alberlin zu töten, er ihm zu seinem Glück verhalf? Von Scheibenberg nach Freiberg sind es rund 60 Kilometer, wie konnte eine Fuhre unter der Erde so schnell dahin reisen, und hatten die Zwerge eine Art unterirdisches Verkehrsmittel? Auch in anderen Sagen wird erzählt, das die Zwerge geschwind unter der Erde von einem Ort zum anderen gelangten, aber niemand das Geheimnis kannte, so das es in den Augen der Menschen nur Zauberei sein konnte oder die als geschickte Handwerker geltenden Zwerge ein schnelles Fuhrwerk bauten. In dieser Sage befindet sich wiedermal die Bestätigung, das die Zwerge mit Vorliebe Bergbau betrieben haben. Sie waren misstrauisch, konnten sich unsichtbar machen und ihre Spuren verwischen, so das es eigentlich kein Wunder ist, das man anscheinend noch nie eine Spur oder Bergwerk gefunden hatte. Doch bei meinen Recherchen über alte Silberminen, fand ich doch schon einen sehr interessanten Hinweis über ein gefundenes Silberbergwerk nahe Dresden, das entdeckt wurde und unter den Archäologen sogar als Sensation gilt, was man ja nicht so oft in der klassischen Archäologie vernimmt. Die Beschreibungen sind derart interessant, weil es hier tatsächlich ein Indiz geben könnte, das auch Zwerge am Werk waren.

Die mittelalterlichen Silberbergwerke in Dippoldiswalde

Als sich 2003 in Dippoldiswalde, nahe bei Dresden, an einigen Stellen die Erdoberfläche gesenkt hatte, konnte noch keiner ahnen, das unter der Erde eine Sensation wartete. Dort fand man ein mittelalterliches Silberbergwerk, das etwa aus dem 12.Jahrhundert stammte, aber bis dahin weder bekannt noch in irgendein Bergwerkverzeichnis aufgezeichnet war. Es stellte sich heraus, dass diese Schachtanlage wohl einer der älteste noch im Original erhaltene Silberbergwerke im deutschsprachigen Raum ist. Die Archäologen und Bergfachmänner waren vom guten Zustand begeistert, als wenn es noch vor einiger Zeit dort Bergleute gearbeitet hätten. Bevor das alte Bergwerk überhaupt untersucht werden konnte, mussten Fachleute der Bergsicherung viele Stellen mit Beton stabilisieren, um Einstürze zu verhindern. In den Schächten, Stollen und Abbaustrecken, die noch nicht von Grundwasser überflutet waren, fand man alte Arbeitsgeräte wie Arbeitsbühnen, Leitern, spezielle Holzwinden, Rinnen für die Wasserhaltung und eine Förderrutsche. Insgesamt konnten die Archäologen 15 Schächte innerhalb einer Fläche von 875 m² entdecken, wobei die Schächte, die man erforschen konnte, bis fast 30 Meter Tiefe gingen. Manche Stellen sind so eng, das dort kniend oder liegend gearbeitet werden musste. Es ist ungewiss, ob es noch mehr Schächte und noch tiefere Spuren im Bergwerk gibt. Weil eine ungewisse Freisetzung zu kostspielig wäre, ist es nicht eingeplant ist, noch größere Tiefen zu untersuchen. Nach Abschluss der Erkundungen wird ein 3-D-Modell erstellt, Stollen mit Beton stabilisiert und danach mit Grundwasser geflutet, damit es nicht mehr zu weiteren Bodenabsenkungen kommt.

Das große Rätsel?

Es ist bekannt, das auch kniend und im Liegen Stollen abgebaut wurden, und das es auch Kinderarbeit in Bergwerken gab, doch ein Rätsel bleibt ungelöst, denn man fand einige Stollen die nur etwa 30 Zentimeter breit sind. Dabei schließt man ganz aus, das hier auch keine Kinder liegend das Silbergestein abgebaut haben könnten, dafür sind die Schächte zu klein. Es sind auch keine Abflusskanäle oder Zuluft Stollen, sondern Abbaustollen. Die Archäologen stehen vor dem Rätsel, wie in dieser Enge überhaupt Erz abgebaut werden konnte, aber Zwerge, nein das wagte keiner zu vermuten. Doch ich stelle mir die Frage, ob es nicht möglich sei, das das von Menschenhand angelegte und später aufgegeben Bergwerk nicht doch von Zwergen weiter bewirtschaftet wurde. Dies würde zu den örtlichen Zwergen-Sagen aus Sachsen übereinstimmen, die immer wieder bestätigen, das ihre liebste Tätigkeit der Bergbau und das Handwerk war. Auch der Hinweis von dem bald verschwindenden, bald sichtbar werdenden Zwergen-Volk passt dazu, das die Zwerge alles daransetzten, das ihre Bergwerke ein Geheimnis blieben. Für die nur etwa 30 Zentimeter breiten Stollen gibt es keine Erklärung, ich denke aber, das dies zu den örtlichen Sagen passen könnte...

Bildquellen

Abb. 1: Harald Weber Hawedi, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons

Abb. 2: Grimm, Public domain, via Wikimedia Commons