Sind die 'weißen Götter' der Guanchen mit jenen der Tolteken identisch?

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Fortsetzung von: Die Suche nach der Herkunft der Ur-Kanarier

von Dr. Dominique Görlitz

Abb. 1 Auch die umstrittenen Pyaramiden von Güimar sind vermutlich das Ergebnis der Kanaren-Besiedlung durch aus dem Nordosten stammenden Kulturvölker, welche dorthin in mehreren Wellen verschiedene kulturelle Errungenschaften, wie den Pyramidenbau, die Mumifizierung Verstorbener sowie die Viehzucht mitbrachten.

Nachdem ich in den vorangegangenen Abschnitten die Landnahme der Kanarischen Inseln durch die aus dem Nordosten stammenden Kulturvölker beleuchtete, die in mehreren Wellen verschiedene kulturelle Errungenschaften, wie den Pyramidenbau, die Mumifikation oder Viehzucht mitbrachten, möchte in diesem Teil die mögliche kulturelle Verwandtschaft der Guanchen mit ursprünglichen Völkern in Mittelamerika beleuchten. Dieses wenig beachtete Thema könnte eine Schlüsselrolle bei der Klärung der Fragen liefern, ob es vor Kolumbus Kontakte in die Neue Welt gab.

Neben den bereits recht bekannten Kulturparallelen zwischen den Völkern der Alten und der Neuen Welt existierten in vielen Indianerkulturen alte Mythen über fremdländische Kulturbringer, die sich auf die Anfänge ihrer Kultur und Landwirtschaft beziehen. In Mittelamerika haben sich solche „Heroen-Mythen“ bis in die Neuzeit erhalten. Daniel Garrison Brinton leistete 1882 mit seinem Werk „American Hero-Myths – A Study in the Native Religions of the Western Continent“ wichtige Grundlagenarbeit zur Erhaltung dieses Legendengutes. Es hat ähnliche Bedeutung wie das Standardwerk von Leonardo Torriani über die Frühgeschichte der Kanaren.

Abb. 2 Eine Abbildung des Quetzakcoatl (Kukulkan) im Codex Telleriano-Remensis aus dem 16. Jahrhundert

Brinton überlieferte [1], dass in der Vorzeit die Vorfahren der Indianervölker von fremdländischen Menschen von der anderen Seite des Atlantiks kontaktiert und in allen Belangen der Zivilisation unterrichtet wurden. Diese Erinnerungen waren unter ganzen Nationen lebendig und bildeten die Grundlage der Geschichte und Religion dieser Völker. Wohin die Spanier auch vorrückten, von Mexiko und Zentralamerika bis Peru, sie wurden überall mit offenen Armen empfangen [2].

Abb. 3 Der Flaschenkürbis wurde schon 13.000 bis 11.000 Jahre v.Chr. voll domestiziert nach Amerika importiert.

Eine der zentralen Gottheiten der mexikanischen Religion war Kukulkan (aztekisch: Quetzalcoatl) (Abb. 2). Er war sowohl bei den Maya als auch bei Tolteken und Quiché der höchste Gott. Unter seiner Herrschaft sollen die Bauern Maisähren gezüchtet haben, die Armlänge hatten. Die Baumwolle soll nicht nur weiß aus ihren Fruchtkapseln gequollen sein, sondern in all ihren wundervollen Farben von gelb, grün, scharlachrot, orange bis blau. Die Flaschenkürbisse (Abb. 3) seien so groß gewesen, dass ein Mann sie nicht mit seinen Armen umfassen konnte.

In meiner Dissertation [3] konnte ich durch Driftstudien und mit Hilfe englischer Genetiker nachweisen, dass der Flaschenkürbis voll domestiziert schon unglaubliche 13.000 bis 11.000 Jahre v.Chr. durch noch unbekannte Menschen in die Landwirtschaft Mittelamerikas eingeführt wurde. Dort – so der Tenor der Völkerkundler – habe der Flaschenkürbis die Entstehung der amerikanischen Landwirtschaft stimuliert [4]. Die Übertragung weiterer Kulturpflanzen aus der Alten Welt sowie deren Züchtungsmethoden, wurden ebenfalls von den frühen Mesoamerikanern überliefert und immer wieder mit weißen, blonden oder rothaarigen Seefahrern in Zusammenhang gebracht.

Eine alte Überlieferung über das geheimnisvolle Volk der Xicalanc-Indianer deutet ebenfalls in diese Richtung. Darin heißt es, dass deren Vorfahren im Gegensatz zu den Olmeken (dem 'Volk aus dem Kautschuk-Land') aus dem >Land der Kürbisse< stammten [5]. Dass Brinton und andere frühe Mythenforscher zwei afrikanische Kulturpflanzen – den Flaschenkürbis und die spinnfähige Baumwolle – mit der Ankunft von seefahrenden Fremden in Verbindung brachten, ist in siesem Zusammenhang sehr bemerkenswert.

Die kanarischen Überlieferungen von Leonardo Torriani aus dem Jahr 1585 [6] können einen weiteren Hinweis für diese Hypothese liefern, denn die Guanchen verehrten wie ihre „Nachbarn“ in Mittelamerika einen weiß gekleideten, edlen Kulturbringer (Eranoranhan oder Abora), der per Schiff kommen werde und dem sie nach seiner Ankunft zu folgen haben. Wie die Ureinwohner Mexikos leisteten deshalb die Guanchen anfangs keinen Widerstand, als die ersten europäischen Seefahrer mit ihren Schiffen an ihren Gestanden auftauchten.

Sind diese Überlieferungen weißgekleideter Kulturbringer nur aus der Phantasie der Guanchen und Tolteken entstanden, weil sie keine bessere Erklärung für den Ursprung ihrer beider Kulturen hatten oder entstammen sie von tatsächlichen Begegnungen aus ihrer frühesten Vergangenheit?


(wird fortgesetzt)


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: Daniel Garrison Brinton, "American Hero-Myths – A Study in the Native Religions of the Western Continent", H.C. Watts & Company, 1882
  2. Siehe: Thor Heyerdahl, "Wege übers Meer: Völkerwanderungen in der Frühzeit", Bertelsmann, 1978, S. 105
  3. Siehe: Dominique Görlitz, "Prähistorische Ausbreitungsmechanismen transatlantisch verbreiteter Kulturpflanzen", Gotha, 2012, Hardcover (Format: 29,7 x 21,0 cm), 116 Seiten; ISBN 978-3-93918-246-7
  4. Quelle wird nachgereicht.
  5. Siehe: Lewis Spence, "The Civilization of Ancient Mexico", Cambridge University Press, 1912, S. 4-5
  6. Siehe: L. Torriani (1590), "Die Kanarischen Inseln und ihre Ureinwohner, eine unbekannte Bilderhandschrift vom Jahre 1590. Im italienischen Urtext und in deutscher Übersetzung, herausgegeben von Dominik J. Wölfel", Stuttgart (K.F. Köhler-Verlag), 1940

Zudem verwendetes Material:

  • Hooten, E.A., "Prelimary remarks on the archaeology and physical anthropology on Teneriffe", in: American Anthropologist, Vol. 18, 1916, 358ff.
  • Glass, G., "History of the discovering and conquest of the Canary Island. From a Spanish manuscript found Italy in the Island Palma etc.", London, 1774
  • Schmidt, B., "Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln", AT Edition, Münster, 1996


Bild-Quellen

1) Steffen Löwe Gera bei Wikimedia Commons, unter: File:Guimar 1.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“) (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Ptcamn~commonswiki (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Quetzalcoatl telleriano2.jpg
3) Grzegorz Polak~commonswiki (Autor) bei Wikimedia Commons, unter: File:Lagenaria flower fruit.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)