Verifizierende Atlantida-Exegese

"Es muss akzeptiert werden, dass Atlantis kein wundersames Ereignis darstellte, sondern dass es schlicht und einfach Teil unserer frühen Geschichte war..." Egerton Sykes (1968)

"Es gibt keinen zwingenden Grund für die Annahme, Platon habe die Geschichte erfunden. Doch es gibt gute Gründe für das Gegenteil." James W. Mavor Jr. (1969)

Abb. 1 Im Gegensatz zu konventionellen Ur- und Frühgeschichtsforschern müssen Atlantologen zur Verifizierung ihrer Annahmen weitgehend ohne physische, archäologisch greifbare, Evidenzen auskommen, und sind daher vor allem auf die stichhaltige Exegese alter Überlieferungen angewiesen.

(bb) Die Verifizierende Atlantida-Exegese sucht nach Anhaltspunkten und Indizien zur Klärung der Frage nach dem historischen Wahrheitsgehalt des platonischen Atlantisberichts und anderer Quellen, bzw. stellt diesen grundlegenden Aspekt der Untersuchung an den Anfang oder ins Zentrum ihrer Überlegungen. Somit folgt sie der grundsätzlichen Frage, ob und inwiefern der Inhalt der Atlantida auf historischen Tatsachen beruht (Historizitäts-These), oder ob es sich bei ihm um ein Phantasie-Produkt mit fiktionalem Charakter (Fiktionalitäts-These) handelt.

Damit stellt die Verifizierende Exegese das wesentliche Instrument zur Legitimierung jeder atlantologischen Forschung dar, welche die geographische und chronologische Lokalisierung historischer Vorbilder für Platons Atlantis ins Zentrum ihrer Tätigkeit stellt. [1]

Verifizierende-AE muss sowohl diachron als auch synchron und reflektiv angelegt sein (vergl. dazu: Die Atlantida-Exegese - zentrales Instrument der Atlantisforschung), um wirklich umfassende, stringente und letztlich valide Ergebnisse erbringen zu können:

  • Reflektiv ist die Verifizierende AE dann, wenn sie mit einer stichhaltigen methodischen Konzeption verbunden ist, und zunächst eine nachvollziehbare und stringente Festlegung der einzelnen exegetischen Arbeitsschritte vorgenommen wird.
  • Textorientiert (synchronisch) ist die Verifizierende AE dort, wo sie sich auf die Suche nach text-immanenten Hinweisen (z.B. logische Brüche oder inhaltliche Diskontinuitäten) macht. Sie untersucht auch die Bedeutung inhaltsich-stilistische Figuren, wie z.B. Platons wiederholte Beteuerungen der Authentizität seines Berichts, oder die Konstruktion der Rahmenhandlung eines Diskurses nach einem heiligen Opferfest, usw. wobei fast zwangsläufig auch Übergänge zu diachronischen Ansätzen oder anderen exegetischen Feldern wie der Biographischen Exegese entstehen müssen.
  • Diachronisch ist sie z.B., indem sie dem literarischen Charakter der Atlantis betreffenden Texte Platons im Kontext ihrer Entstehungsgeschichte betrachtet, um daraus Rückschlüsse auf ihren Wahrheitsgehalt bzw. auf den Wahrheitsgehalt einzelner Segmente des Atlantisberichts zu ziehen.

Tatsächlich wird in der Praxis bisher kaum eine Atlantida-Exexese diesem hehren Anspruch gerecht, obwohl der Verifizierenden Atlantida-Exegese neben der Lokalisierungorientierten AE von den meisten empirischen Atlantisforschern in ihren Betrachtungen starke Beachtung geschenkt wird - nicht zuletzt deshalb, um die bisweilen hahnebüchenen Ergüsse von sogenannten "Skeptikern" (im Gegensatz zu den echten und wirklich respektablen Vertretern skeptischen Denkens!) zu widerlegen. Wie auch ihre, die Existenz historischer Vorbilder für Platons Atlantis verneinenden, Kontrahenten sind leider auch viele Atlantologen gedanklich eher auf eine Verifizierung der eigenen Hypothesen fokussiert als auf diejenige der Aussagen Platons in der Atlantida.


Anmerkungen und Quellen

  1. Anmerkung: Diejenigen, die Atlantis 'in Raum und Zeit' verorten, stellen nit Sicherheit die weitaus größte Gruppe unter den Atlantisforschern. Andere, vergleichsweise wenig entwickelte Teilgebiete und Ansatzpunkte atlantologischer Forschung haben, wie die Atlantologie-Kritik oder auch Atlantologie-Historik, meta-atlantologischen Charakter (vergl.: Metawissenschaft), bzw. bewegen sich im Bereich der Grundlagenforschung in der Atlantologie.


Bild-Quelle

(1) culture.gr, unter: http://www.culture.gr/2/21/211/21101a/00/lk01a015.jpg (Bild nicht mehr online)