Walter Stender

Zur Erinnerung an einen bemerkenswerten Atlantisforscher

von Bernhard Beier und Günter Bischoff


"Sagen wurden früher nicht besonders ernst genommen. Wer hätte wohl das für möglich gehalten, wenn in einer wohlbekannten griechischen Sage erzählt wird, Phaéton habe den Wagen seines Sonnenvaters Helios nicht lenken können? (Abb. 2) In Irrfahrten habe er schreckliches Unheil angerichtet. Der Sonnenwagen war zwar ein Missverständnis, doch sonst war es ein wirkliches Geschehen." (Walter Stender, 1997)


Vorbemerkung

Für Chronisten der Atlantisforschung (die so genannten Atlantologie-Historiker) stellt sich leider nur allzu häufig das Problem, dass über viele interessante Persönlichkeiten aus diesem Bereich nach deren Ableben kaum noch etwas Substanzielles zu ihrer Vita zu ermitteln ist. Sofern die Verblichenen nicht bereits zu Lebzeiten durch zahlreiche – oder auch spektakuläre bzw. publikumswirksame - Veröffentlichungen ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gerückt sind, lassen sich häufig auch die bisweilen bemerkenswerten Ergebnisse ihrer Forschertätigkeit kaum noch rekonstruieren und würdigen. Einer dieser – zu Unrecht - schnell in Vergessenheit geratenen Atlantisforscher war Walter Stender (Abb. 1, 1905-2000), an den in diesem Beitrag erinnert werden soll. Das, was sich bisher über W. Stenders Leben und Werk in Erfahrung bringen lässt, basiert weitgehend auf einem Nachruf aus dem Kreis seiner Familie, einem Artikel in der Fachzeitschrift aerokurier sowie auf Informationen, die Günter Bischoff, der Ko-Autor dieses Artikels, im Rahmen von Gesprächen der beiden von ihm persönlich erhielt.


Leben und berufliche Laufbahn

Abb. 1 Walter Stender (1905-2000), Pionier des modernen Flugzeugbaus und Atlantisforscher (Die Aufnahme entstand ca. 1950; Foto: Bild-Archiv aerokurier)

Walter Wilhelm James Stender, wie er mit vollem Namen hieß, wurde am 21. Juli 1905 in Baldone (deutsch: Baldohn) geboren, einem für seine Schwefelquellen bekannten Kurort, der. ca. 30 km südöstlich von Riga in Lettland liegt, das zu dieser Zeit noch Bestandteil des russischen Kaiserreiches war. Zur Schule ging er zunächst in Riga. Nach dem I. Weltkrieg und vermutlich auf Grund der innenpolitischen Wirren in Lettland, das am 18. November 1918 seine Unabhängigkeit von der neu entstandenen 'Russischen Sowjetrepublik' proklamierte, wanderte seine Familie von Baldone nach Deutschland aus. Hier setzte er erst in Breslau seinen Schulbesuch fort und studierte danach an den Ingenieurschulen in Mittweida und Frankenhausen.

Im Jahr 1927 begann Walter Stender seine berufliche Tätigkeit bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin-Adlershof in der Abteilung von Heinrich Hertel, dem späteren Professor für Flugzeugbau an der TU Berlin. Dort fing er - zur Untersuchung mehrerer Flugunfälle hinzugezogen, als deren Ursache Schwingungsvorgänge vermutet wurden - damit an, sich mit dem 'Flatterproblem' bei Flugzeugen zu befassen - ein Thema, das ihn Zeit seines Berufslebens nicht mehr loslassen sollte. "1929 erwarb er", wie es 2000 beim aerokurier hieß, "auf privater Basis den Flugzeugführerschein, um sich auch von der fliegerischen Seite her mit der Unfallforschung beschäftigen zu können. [...] 1930 gewann ihn die Akaflieg Berlin als Berater für die Projektleitung [der] Neukonstruktion eines Motorflugzeugs verbunden mit dem Angebot, im Rahmen des Gruppenflugbetriebs kostenlos fliegen zu dürfen. Zwischen 1933 und 1935 arbeitete Walter Stender in Schweden an der Konstruktion eines kunstflugtauglichen Übungsflugzeugs, das aber nach internen Schwierigkeiten in der Firma nicht über das Prototypstadium hinauskam." [1]

Zu dieser Zeit war Walter Stender in der 'Fliegerszene' bereits recht populär, und die großen 'Asse' der zivilen Motorfliegerei, z.B. Hanna Reitsch, kannte er, wie der Wissenschaftsphilosoph Dr. Horst Friedrich dazu anmerkt, fast alle persönlich. [2] Zu seiner weiteren Berufslaufbahn erfahren wir im aerokurier: "Ab Dezember 1935 bis in die beiden ersten Kriegsjahre leitete Walter Stender die Abteilung Forschung bei dem zu Blohm & Voss gehörenden Hamburger Flugzeugbau, berühmt durch den Bau von Wasserflugzeugen und Flugbooten, zuletzt der Großflugboote BV 222 und BV 238. Dann wechselte er zu Messerschmitt und gehörte vom 1. April 1942 bis Frühjahr 1943 zur Mannschaft um Alexander Lippisch, die zu dieser Zeit das Raketenflugzeug Me 163 entwickelte. Die beiden letzten Kriegjahre war Stender verantwortlich für die Flugzeugbauabteilung bei den Zeppelinwerken in Friedrichshafen, die unter anderem die Weiterentwicklung des sechsmotorigen Großtransporters Me 323 und die Betreuung der Serienfertigung übernommen hatte."[3]

Abb. 2 Die Legende vom 'Sturz des Phaethon' auf einem Stich aus dem Jahr 1614 (Bild: Bibliothèque Nationale de France - Est. Ed. 11, rés. fol. 82 -, Paris)

Nach Ende des II. Weltkriegs wohnte Walter Stender in Konstanz am Bodensee, und er scheint auch nach 1945 beruflich im Bereich der Luftfahrt-Industrie tätig gewesen zu sein (allerdings nicht als Konstrukteur), wobei ihm offenbar seine alten Verbindungen zum zivilen und militärischen Flugzeugbau zugute kamen. Dass er nicht gerade in einer subalternen Funktion arbeitete, erschließt sich aus einer Äußerung von ihm, er sei von seiner Nachkriegsfirma wiederholt tageweise zu Kurzreisen in die USA geschickt worden. [4] Die dafür nötigen Englisch-Kenntnisse (und solche des Spanischen) hatte er sich nach eigenen Angaben durch die Lektüre von Fachliteratur angeeignet. Zeitweilig arbeitete er auch (als Ingenieur? G.B.) in Coburg in einer Fabrik, die Hobelbänke herstellte. Ab 1960 kehrte er aber wieder in den Flugzeugbau zurück: "Er stellte dann bis zu seinem Ruhestand Mitte 1971 sein Wissen und Können in den Dienst der Firma Dornier in Neuaubing [5] bei der Entwicklung und dem Bau der Motorflugzeuge Do 27, Do 28, Do 28b und Skyservant und deren verschiedener Baureihen." [6] Außerdem war er Mitverfasser des 1959 von Georg Brütting - einem Mitbegründer des Deutschen Aero-Clubs - veröffentlichten Sachbuchs "Taschenbuch des Motorfliegers". Nach seiner Pensionierung lebte Walter Stender in seinem Alterssitz in Germering bei München, wohin er 1970 gezogen war. Bei seinem Tod am 17. Januar 2000 (in Nürnberg) hinterließ der 95-jährige Pionier des modernen Flugzeugbaus eine erwachsene Tochter (sein Sohn Björn war bereits 1963 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen [7]).


Walter Stender als Privatforscher: Atlantis und andere Rätsel der Vergangenheit

Auch in den letzten Dekaden seines Lebens blieb Walter Stender augenscheinlich der Fliegerei verbunden, denn er soll - zumindest zeitweilig - in einem Segelflugklub mitgearbeitet haben. Daneben frönte er aber nun auch einer ganz anders gearteten Leidenschaft: der Beschäftigung mit Platons Atlantis sowie mit alten Mythen, welche er mit dem Atlantisbericht in Verbindung brachte. Ob er erst als Rentner zum passionierten Atlantisforscher wurde, läasst sich heute wohl nicht mehr klären, aber es steht außer Frage, dass er in zentralen Aspekten ein überzeugter Anhänger der Thesen Jürgen Spanuths war, an deren Fortentwicklung er keinen geringen Anteil hatte.

Die Interessen- und Wissensgebiete des Germeringer Privatforschers waren allerdings breiter gefächert. So befasste er sich neben Impakt- und Atlantisforschung beispielsweise auch mit mysteriösen Metallkugeln in Südafrika, mit ungewöhnlichen Leuchterscheinungen in Schweden und der zentralen Figur des christlichen Glaubens. Jesus lebte nach seiner Auferstehung weiter, ging als Missionar nach Indien und starb erst dort hoch betagt, war Walter Stender nach eingehender Beschäftigung mit diesem Thema überzeugt. Er war bis zuletzt geistig aktiv. Seine Arbeiten ließ er nach seiner Pensionierung in mehreren Zeitschriften veröffentlichen.

Abb. 3 Eine Skizze der hypothetischen 'Einflug-Schneise' des vermuteten Kometen Phaethon oder Sekhmet vor seinem Einschlag in der Nordsee. Walter Stender war davon überzeugt, dass der Impaktor die Erde zuvor auf kleiner werdenden Ellipsenbahnen umkreist hatte, wobei er nicht nur Angst und Schrecken unter den Menschen verbreitet, sondern auch bereits einige Verwüstungen angerichtet hatte.

Was Walter Stenders Atlantisforschungen betrifft, so ist bisher leider nur eine einzige Arbeit von ihm einem breiteren Publikum bekannt geworden, nämlich sein, 1997 in der Zeitschrift EFODON-SYNESIS (Nr.24) erschienenes, Traktat "Die Wirklichkeit der Phaéton-Sage", das auch online frei abrufbar ist. Darin lieferte er äußerst bedenkenswerte Argumente, um "die Vernichtung von Atlantis mit der Phaéton-Sage in Verbindung zu bringen, die er als die katastrophalen Auswirkungen eines vorbeiziehenden und schließlich auf die Erde stürzenden Himmelskörpers deutet." [8] Dieses Ereignis soll in seinen primären Auswirkungen vor allem Atlantis betroffen haben, doch seine Folgen seien auch für die damalige Menschheit insgesamt "dermaßen gravierend" gewesen, "dass sich die Erinnerung an diese globale Katastrophe tief in die Erinnerungs- und Vorstellungswelt der Menschheit einprägte." [9]

Günter Bischoff kam mit dem Privatforscher und seinen Erkenntnissen das erste Mal in Berührung, als ihm ein Bekannter aus München 1994 Stenders Manuskript „War Phaéthon ein Planetoid?“ zuschickte. [10] Die geniale Grundidee des Artikels überzeugte ihn sogleich: Nach Stenders Meinung umkreiste der Himmelskörper vor seinem Einschlag erst mehrere Male auf kleiner werdenden Ellipsenbahnen die Erde. Dieses extrem selten auftretende Naturereignis hatte bis dahin kein anderer Impaktforscher in Erwägung gezogen.

Nach anfänglichen telefonischen Kontakten lud Walter Stender G. Bischoff erstmals 1996 in seine Wohnung in Germering ein. Dieser lernte ihn als korrekten, vielseitig gebildeten und liebenswürdigen älteren Herrn kennen, mit dem er viele Fragen diskutieren konnte. Besonders beeindruckte ihn in Stenders Wohnung ein großer Schrank voller Ordner mit Korrespondenzen und Materialsammlungen zu verschiedenen Wissensgebieten. Nachdem Günter Bischoff ihm seinen 1988 veröffentlichten Artikel über Spanuths Atlantistheorie zuschickte, übereignete Stender ihm den Ordner mit der gesamten Korrespondenz, die er viele Jahre mit dem großen Atlantisforscher geführt hatte, wodurch diese Unterlagen erhalten geblieben sind.

Somit lässt sich z.B. belegen, dass Walter Stender mit seinen Ideen zum Sturz des Phaéthon maßgeblichen Einfluss auf die späteren Veröffentlichungen von Jürgen Spanuth hatte. Dieser schloss sich den Ergebbnissen von Stenders astronomischen Studien in seinen später erschienenen Büchern an und verwarf auf deren Grundlage seine bis dahin geäußerten Vermutungen zur Ursache der end-bronzezeitlichen Klimakatastrophe - und zum Untergang von Atlantis.


Danksagung

Die Autoren sowie die Redaktion Atlantisforschung.de bedanken sich ausdrücklich bei Frau Gabriele Beinert, Redaktion aeorokurier, für ihre freundliche und kollegiale Unterstützung bei den Recherchen zu diesem Beitrag und für die Beschaffung des Portraitfotos von Walter Stender (Abb. 1).


Publikationen von Walter Stender

  • "A Study About RINGERIKE, the Home Base of a Prehistoric Expedition to North America", in: Jahrbuch ESOP Volume 15, 1986 der Epigraphic Society, San Diego, S. 230 - 240
  • "The Cross of the Inca”, in: Jahrbuch ESOP Volume 17, 1988 der Epigraphic Society, San Diego, S. 179 – 186
  • "Weitere Untersuchungen und Überlegungen zum Väddö-Objekt” (Inhalt: mögliche UFO-Sichtung in Schweden), in: „Magazin für Grenzwissenschaften“, Juli-August 1995, Verlag MG, Plaidt, S. 674 – 679
  • "Das wirkliche Atlantis“ (Inhalt: Weitere Ausführungen zur Spanuth-Theorie),in: „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 1, CTT-Verlag Suhl, 1997, S. 11 – 29
  • "Die veränderlichen Vorstellungen vom Kosmos“ (Inhalt: Infragestellung der Urknall-Theorie), in: „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 1, CTT-Verlag Suhl, 1997, S. 289 - 303
  • "Der historische Jesus“, in: „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 2, CTT-Verlag Suhl, 1998, S. 181 – 219
  • "Das rätselhafte Bermuda-Dreieck“, in: „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 3, CTT-Verlag Suhl, 1999, S. 68 – 80
  • "Die mysteriösen Kugeln von Transvaal", in: Sammelband „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 3, CTT-Verlag Suhl, 1999 (S. 102 – 105)
  • "War Phaéton ein Planetoid?", in: ZEITENSPRÜNGE Nr. 2/1995.
  • "Leben wir auf fremder Erde?", in: Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart, Nr. 3/1992


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Manfred Reinhard, Hans Zacher, Peter F. Selinger, "Ein Leben für die Flattersicherheit - Walter Stender 1905 - 2000", in: aeorokurier, 6/2000, S. 89
  2. Quelle: Dr. Horst Friedrich (der Walter Stender und dessen Gattin nach eigenen Angaben in den 1970ern kennen lernte) in einem Telefonat mit Bernhard Beier am 04.011.2012
  3. Quelle: Manfred Reinhard, Hans Zacher, Peter F. Selinger, op. cit. (aerokurier, 2000)
  4. Anmerkung: Bis weit in die 1950er Jahre hinein waren die individuellen Reisekosten für Transatlantik-Flüge noch 'astronomisch' hoch, sodass solche Flüge, z.B. in die USA und zurück, einen ausgesprochenen Luxus für 'privilegierte Kreise' darstellten.
  5. Red. Anmerkung: Nach der Wikipedia war Neuaubing bis 1993 Sitz eines Zweigunternehmens der Dornier-Werke (Stand: 30.01.2013)
  6. Quelle: Manfred Reinhard, Hans Zacher, Peter F. Selinger, op. cit. (aerokurier, 2000)
  7. Siehe dazu: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Glasflügel BS-1 (abgerufen: 26..01.2014)
  8. Quelle: Walter Stender, "Die Wirklichkeit der Phaéton-Sage", in EFODON-SYNESIS Nr. 24/1997
  9. Quelle: ebd.
  10. Red. Anmerkung: Interessanter Weise trägt inzwischen auch ein von Astronomen identifizierter Planetoid der Apollo-Gruppe (deren Bahn die Erdbahn von außen her kreuzt) den Namen Phaethon. Siehe: (3200) Phaethon

Bild-Quellen:

1) Bildarchiv aerokurier; aus: Manfred Reinhard, Hans Zacher, Peter F. Selinger, "Ein Leben für die Flattersicherheit - Walter Stender 1905 - 2000", in: aeorokurier, 6/2000, S. 89
2) File:Phaethon, by Thomas de Leu, after Antoine Caron.jpg, bei: Wikimedia Commons
3) UNEXPLAINED-MYSTERIES.com (Forum), unter: Doggerland (Original-Quelle unbekannt; Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)