Zep Tepi

Die "Zeit der ersten Wiederkehr" in den Mythen und Legenden der alten Ägypter

von unserem Gastautor Stefan Erdmann (2001)

Abb. 1 Statue des Manetho (auch: Manethôs, Manethon, oder Manethoi), eines Priesters und Gelehrten aus Sebennytos in Unterägypten, der wahrscheinlich unter den Pharaonen Ptolemaios I., Ptolemaios II. und Ptolemaios III. lebte. Er hinterließ mit seiner nur in Fragmenten erhaltenen Aegyptiaca eines der bedeutsamsten Werke zur Geschichte Altägyptens.

Die Überlieferungen der alten Ägypter berichten uns von einem Goldenen Zeitalter der ersten Zeit, Zep Tepi, als die Götter noch gemeinsam mit den Menschen auf Erden lebten.

Die Archäologen unserer Tage beziehen sich bei der Beweisführung rund um die Erbauung der Großen Pyramide überwiegend auf die Überlieferung des Historikers Herodot; bei der Zeitrechnung beziehungsweise bei den Regierungszeiten der dynastischen Pharaonen stützen sich die heutigen Gelehrten auf die Königslisten Manethos. (Abb. 1) [...; Dabei] gibt es bezüglich der Aussagen Herodots einige Ungereimtheiten und letztlich Aussagen, so zum Beispiel die über die Regierungszeiten, die mit der heute allgemeinen Lehrmeinung der Archäologen wiederum doch nicht übereinstimmen.

Andere wichtige Faktoren werden von den heutigen Gelehrten ignoriert bzw. in das Reich der Mythen und Legenden verlegt, wie es ihnen gerade paßt und sich letztlich in ihr geschichtliches und zeitliches Muster einfügt. Herodot, der seine Informationen überwiegend von Priestern aus Theben und Heliopolis erhielt, unterscheidet in seinen Überlieferungen deutlich zwischen Realität und Erzählungen, zwischen Dingen, die er persönlich gesehen hat, und wiederum solchen, die er nicht persönlich sah. Im zweiten Buch der Historien (Kap. 141, 142) gibt Herodot ein anschauliches Beispiel für das hohe Alter der ägyptischen Geschichte: Er berichtet, daß ihm die Priester in Theben 341 Statuen gezeigt hätten, von denen jede eine hohepriesterliche Generation belegt - seit 11.340 Jahren!

Herodot berichtet: "Denn jeder Oberpriester stellt dort bereits zu Lebzeiten seine eigene Statue auf. Die Priester zählten und zeigten mir nacheinander zum Nachweis, daß immer der Sohn dem Vater folgte. So gingen sie von dem Bild des zuletzt Verstorbenen alle der Reihe nach bis zum nfang durch... sie zeigtenn, daß alle, deren Bilder dort standen, Menschen dieser [unserer] Art waren, von den Göttern weit verschieden. Vor diesen Männern hätten allerdings die Götter in Ägypten gewohnt und bei den Menschen gewohnt... Das wollen die Ägypter ganz bestimmt wissen, weil sie beständig die Jahre berechneten und aufschrieben."

Abb. 2 Der Gott Thoth soll den Ägyptern unter anderem die Schrift gebracht haben.

Lassen wir Diodor zu Wort kommen: Der griechische Geschichtschreiber berichtet, daß die alten Götter "alleine in Ägypten viele Städte gegründet" hätten. Von diesen Göttern seien Abkömmlinge hervorgegangen, wobei "einige von ihnen Könige über Ägypten wurden." In jener fernen Zeit lebten die meisten Menschen dort noch in Primitivität, und "erst die Götter haben den Meschen entwöhnt, sich gegenseitig aufzufressen."


Die Götter (die ersten Kulturbringer) lehrten die Menschen und unterwiesen sie in der Landwirtschaft, im Herstellen von Werzeugen, im Bergbau und in den Künsten. Auch die Sprache und die Schrift stammten von den alten Kulturbringern aus der "ersten Zeit": "Von diesen nämlich sei zuerst die allen verständliche Sprache gegliedert und ausgebildet worden und vieles mit Namen belegt, wofür man bis dahin noch keinen Ausdruck hatte, und auch die Erfindung der Schrift sei von ihm [d.h. Thoth, der griechische Hermes und Henoch der Bibel] ausgegangen sowie die Anordnung der Götterverehrung und der Opfer. Auch sei er der erte geween, der die Ordnung der Gestirne und die Harmonie der Natur der Töne durch Beobachtung ausfindig gemacht... Wie mann den überhaupt zu des Osiris Zeiten ihn als heiligen Schreiber gebraucht habe."

Natürlich überliefert uns auch Diodor genaue Zeitangaben: "Von Osiris und Isis bis zur Herrschaft Alexanders, der in Ägypten die nach ihm benannte Stadt (Alexandria) gegründet hat, seien mehr als zehntausend Jahre verflossen, sagen sie - wie einige aber schreiben, gar nur ein geringes weniger als dreiundzwanzigtausend..."

Im 24. Kapitel berichtet Diodor vom Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten. Interessant ist dabei, daß Diodor an dieser Stelle die Griechen auf einen Fehler hinweist und sie geschichtlich korrigiert. Sie irrten sich, wenn sie die Geburt des Herakles zeitlich nur eine Generation vor dem Trojanischen Krieg einordnen, denn das wäre "zur Zeit der ersten Entstehung des Menschen geschehen. Von dieser an nämlich würden bei den Ägyptern mehr als zehntausend Jahre gezählt, seit dem trojanischen Krieg aber nicht einmal ganz eintausendzweihundert."

Natürlich berichtet und unterstreicht der griechische Historiker die genannten Angaben mit denen, die er während seines eigeneen Ägyptenaufenthaltes sammeln konnte: "Über Ägypten haben Götter und Heroen geherrscht, und zwar nicht viel weniger als achtzehntausend Jahre, und der letzte göttliche König sei Horus, der Isis Sohn, gewesen. Von Menschenkönigen aber sei das Land regiert worden von Moeris an nicht viel weniger als fünftausend Jahre bis zur 180. Olympiade, in welcher ich selbst nach Ägypten gekommen bin..." (Kap. 44)

Abb. 3 Künstlerische Darstellung der Pyramiden des Moeris, nach Diodor der erste menschliche Pharao

Der mehrfach erwähnte Priester und Historiker, der im 3. Jahrhundert v.Chr. in Heliopolis lebte, legte den Beginn der dynastischen Perioden auf etwa 3100 v.Chr. fest. Die nachfolgenden Könige herrschten dann - wie wir wissen - 31 Dynastien, bis etwa 331 v.Ch. Die heutigen Archäologen sind im allgemeinen der Ansicht, daß vor dieser Zeit im Niltal, etwa vergleichbar mit der europäschen Vorgeschichte, wenig zivilisierte Menschen lebten, periodisch also vergleichbar mit Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit. Natürlich ist das aus rein historischer Sicht auch recht plausibel, denn Hinweise auf eine höhere Zivilisationsstufe sind bisher nicht wissenschaftlich belegt worden, so die Auffassung vieler Gelehrter. Das steht aber offensichtlich im Widerspruch dazu, daß die Wurzeln der sumerischen Kultur etwa um 3800 v.Chr. zu fimden sind. Vielleicht täten wir doch besser daran, in diesem schwierigen Punkt [...] etwas objektiver zu sein und hinter die ägyptische Vorgeschichte ein großes Fragezeichen zu setzen.

Abb. 4 Horus war nach Diodorus Siculus der letzte Gottkönig, der über Ägypten herrschte.

Die vielen Überlieferungen und Hinweise auf vozeitliche Wohltäter und Kulturbringer, die gemeinsam mit den Menschen lebten, sind nicht von der Hand zu weisen. Die Priester aus den Wissenszentren in Theben und Heliopolis haben den alten Chronisten ja schließlich davon berichtet. Würden wir alles heranziehen und sorgfältig aussieben, bliebe unter dem Strich eine Genesis vor der Genesis übrig. Diese ist in guter Gesellschaft, wenn wir die alten Überlieferungen aus dem Zweistromland berücksichtigen.

Doch kommen wir zurück zu Manetho: Dieser hat uns interessanterweise beichtet, daß er sich in seinem Werk auf "wesentlich ältere Dokumente oder Königslisten [bezogen hat], zu denen er als gelehrter Priester Zugang hatte". Das behauptet Manetho ja auch bezüglich der geheimen Schriften des Thoth; die Informationen hierfür hatte Manetho, wie er selbst berichtete, direkt von Inschriften unterirdischer Tempel, die von Thoth pesönlich in die Steine eingraviert worden sein sollen. Einige der Dokumente und Königslisten, auf die Manetho sich möglicherweise bezog, liegen uns heute verhältnismäßig gut erhalten vor. Zum einen ist dies die Königsliste in Form des Palermosteins (zirka 5. Dynastie), zum anderen ist es der Turiner Papyrus aus der 19. Dynastie (zirka 13. Jahrhundert v.Chr.). Weiterhin existieren heute noch die Königslisten aus Abydos.

Zusammngefaßt bestätigen diese alten Quellen im großen und ganzen, was die alten Historiker und auch der Priester Manetho beichten. Demnach gab es vor der Zeit der dynastischen oder "weltlichen" Könige , die Menes (zirka 3100 v.Chr.) einleitete, zwei vordynastische Zeitalter. Während des ersten Zeitalters wurde Ägypten von den Neteru (Neter oder Götter) regiert, bis zu dem Königtum des Horus, des Sohnes von Isis und Osiris. Auf das Zeitalter der Neter folgte das der sogenannten Schemsu Hor (wörtlich: die dem Horus Folgenden). Die Schemsu Hor führten den göttlichen Stammbaum des Horus bis in das Zeitalter der dynastischen Könige weiter, das mit Menes als erstem Pharao von Ober- und Unterägypten begann.

Entgegen der vielen verschiedenen Überlieferungen über ein weit zurückliegendes erstes Zeitalter, stellen die Ägyptologen die Geschichte hier förmlich auf den Kopf. Sie übernehmen - zumindet in etwa - die Angaben zum Beginn des dynastischen Ägypten. Die klaren Hinweise auf die Neter und die Horusdiener lehnen sie kategorisch ab und verlegen sie kurzerhand in das Reich der Mythen und Legenden - so einfach ist das, wenn man nicht weiter weiß. Häufig argumentieren die Archäologen damit, daß für eie Zivilsation bisher keine Beweise gefunden wurden - das ist auch richtig, wobei da ja immer noch ein großes Fragezeichen hinter der Großen Pyramide und dem Sphinx steht. [...] Doch das älteste Ägypten einfach in das Reich der Mythen und Legenden zu verfrachten und zu fragen: wo sind die Beweise für eine alte Zivilisation?, statt nach ihnen zu suchen - das ist zu einfach. Zunächst täten die Archäologen gut daran, sich noch mehr mit den gegebenen Fakten und Übelieferungen auseinanderzusetzen [...]

Bis heute wird an der orthodoxen Lehrmeinung festgehalten, die nun einmal in das zeitliche, geschichtliche und religiöse Weltbild passt, auch wenn das auf sehr wackeligen Füßen steht. Wo es um ein "funktionierendes" Weltbild - un das auch aus religiöser Sicht - geht, da spielen auch die "Herren" der Poltik und Wirtschaft eine große Rolle, davor sollten wir nicht die Augen verschließen. Bei den Untersuchungen bezüglich der Datierung des Sphinx, bei der Gantenbrink-Entdeckung und bei vielen anderen Entdeckungen hat es immer wieder große Auseinandersetzungen mit der orthodoxen Lehrmeinung gegeben. Exzellente Fachleute wurden öfentlich diskreditiert, erfolgversprechende Untersuchungen wurden gestoppt. Und die alten Ägypter? Sie hegten keinen Zweifel daran, daß ihr Land einstmals, in der ersten Zeit, von den großen Kulturbringern regiert wurde, die gemeinsam mit den Menschen lebten. Letztlich ahnten sie auch, daß eine Zeit kommen wird, in der "...von Deinem Wissen nur noch Fabeln übrigbleiben, die späteren Geschlechtern unglaublich vorkommen werden", wie Apuleius so treffend erkannte.



Anmerkungen und Quellen

Den Göttern auf der Spur.jpg
Dieser Beitrag von Stefan Erdmann (©) wurde seinem im Jahr 2001 veröffentlichten Buch "Den Göttern auf der Spur" (Abb. 5) entnommen (S. 282-286). Bei Atlantisforschung.de erscheint er im Dezember 2015 mit freundlicher Genehmigung des Verfassers in einer redaktionell bearbeiteten Online-Fassung.

Bild-Quellen:

1) Jerry & "God!", unter: Historians in the Ancient World (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Ellie Crystal, "Thot", bei Crystalinks.com
3) Bild-Archiv Atlantisforschung.de
4) Jeff Dahl bei Wikimedia Commons, unter: File:Horus standing.svg (Lizenz: Free Software Foundation, GNU Free Documentation License, Version 1.2)
5) Bild-Archiv Atlantisforschung.de