Thorwald C. Franke über Ignatius Donnelly

Abb. 1 Ignatius Loyola Donnelly (1831-1901) auf einem Foto, das ca. 1880 entstand

(bb) Thorwald C. Franke, um dessen Donnelly-Rezeption es im Folgenden gehen soll, der hier zu erwartenden fach- und sachkundigen Leserschaft näher vorzustellen, dürfte sich wohl erübrigen. Für diejenigen, denen sein Name tatsächlich noch kein Begriff sein sollte, sei aber zumindest kurz erwähnt, dass er ein hochkarätiger Experte für die Rezeptionsgeschichte von Platons Atlantisbericht ist und zu den führenden Persönlichkeiten konservativer - mit unseren Worten: schulwissenschaftlich orientierter - Atlantisforschung zählt.

Gerade bei jemand wie ihm, der üblicherweise eine deutliche Tendenz zur Abgrenzung gegenüber - mit seinen Worten - "pseudowissenschaftlicher" Atlantisforschung zeigt, mag es vielleicht verwundern, dass er für Ignatius Donnellys Werk auch durchaus freundliche Worte findet. Immerhin wird Letzterer ja, wie Franke selber notiert, "von vielen als der Urvater der modernen pseudo-wissenschaftlichen Literatur" [1] betrachtet, oder, um aus der deutschsprachigen Wikipedia zu zitieren, "als >Fürst der amerikanischen Cranks< und Musterbeispiel eines Pseudowissenschaftlers." [2]

Jedenfalls ist es durchaus charakteristisch für Frankes stets um Objektivität bemühte Betrachtung der Atlantologie-Geschichte, dass er nicht in den Chor derartiger, zumeist völlig unhistorisch 'argumentierender' Donnelly-Kritiker einstimmt. Etwas befremdlich erscheint allerdings, dass Franke der Abhandlung von Donnellys, in atlantologie-historischer Hinsicht überaus bedeutsamem Atlantis; The Antediluvian World von 1882 in seinem Magnum Opus Kritische Geschichte der Meinungen und Hypothesen zu Platons Atlantis, nur eine knappe Buchseite widmet. Dabei präsentiert Franke ihn vor allem als Repräsentanten einer - aus heutiger Sicht - 'gefallenen Wissenschaft', wozu es bei ihm heißt:

Abb. 2 Hier das Frontcover der im Verlag Harper & Row in New York erschienenen Originalausgabe von I. Donnellys Atlantis - The Antediluvian World von 1882

"Was einstmals eine respektable und diskutierbare wissenschaftliche These war, ist oft schon 50 Jahre später überholt und widerlegt. [...] Die äußerst erfolgreichen Thesen von Ignatius Donnelly von 1882 gehören in diese Kategorie. Bei Donnelly finden sich zahllose Irrtümer, die auf veralteten wissenschaftlichen Hypothesen beruhen, doch esoterische oder phantasische Thesen fehlen. Auch die Idee von Flugmaschinen auf Atlantis ist bei ihm nicht zu finden. Statt dessen schreibt Donnelly vergleichsweise nüchtern auf den letzten Seiten seines Buches:

>...they knew the use of the magnet and of gunpowder. In short, they were in the enjoyment of a civilization nearly as high as our own, lacking only the printing-press, and those inventions in which steam, electricity, and magnetism are used.<" [3] [4]

Was Rassismus als Bestandteil nicht weniger 'gefallener' wissenschaftlicher Hypothesen und Theorien des 19. Jahrhunderts angeht, so attestiert Franke Ignatius Donnelly und seinem Werk, in dieser Hinsicht unbelastet zu sein: "Bei Ignatius Donnelly als unserem Beispiel für die Kategorie der >gefallenen Wissenschaft< finden wir keinen echten Rassismus. Zwar nahm Donnelly die verschiedenen Rassen unter den damals üblichen Stereotypen wahr und schrieb nanchen Satz, den wir heute als rassistisch empfinden würden, doch gilt Donnelly als entschiedener Antirassist. Mit dem Roman Dr Huguet veröffentlichte Ignatius Donnelly 1891 die Geschichte eines weißen Arztes, der eine Zeit lang das Leben eines Schwarzen führt, und dabei die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft gegenüber Schwarzen erleben muss. Es gibt bei Donnelly auch keinen Antisemitismus. So schreibt Donnelly in der elften seiner berühmten dreizehn propoositions:

>That Atlantis was the original seat of the Aryan or Indo-European family of nations, as well as of the Semitic peoples, and possibly also of the Turanian races<. [5] [6] [7]

Mehr über Ignatius Donnelly ist Thorwald C. Frankes bereits 2006 erschienenen Buch Mit Herodot auf den Spuren von Atlantis zu entnehmen. Darin betrachtet er - was kaum verwundern wird - Donnellys Arbeit hinsichtlich dessen Bezugnahmen auf die Historien des Herodot. In diesem Zusammenhang würdigt er ihn - neben John Victor Luce und Pierre Vidal-Naquet! - als einen der drei Autoren, "deren Umgang mit Herodot sich in der Atlantis-Literatur vom gewöhnlichen Maß abhebt". [8] Diesbezüglich stellt Franke über Donnelly fest:

"Interessanterweise gehört er zu den Autoren mit den meisten Bezügen zu Herodot. An insgesamt 18 Stellen versucht Donnelly seine Thesen auf Herodot zu stützen. Die Ursache für diese ausgiebige Nutzung von Herodot muss wohl in seinem Bildungshintergrund gesehen werden. Als Mensch des 19. Jahrhunderts wird er in den Genuss einer gediegenen humanistischen Bildung gekommen sein. Deshalb konnte er auch erkennen - und das ist verdienstvoll - dass Fehler und Irrtümer in antiken Texten deren Glaubwürdigkeit nicht völlig infrage stellen müssen [9]. [10]

Durchaus kritische Anmerkungen finden sich dann im nachfolgenden Absatz: "Leider verwertet Donnelly das herodoteische Geschichtswerk äußerst selektiv. Ein umfassendes Verständnis für dessen Bedeutung in Hinbrick auf Atlantis ist nicht zu erkennen. Donnelly schwärmt statt dessen lieber von indianischen Mythen und sucht in den Historien des Herodot Parallelen zu den präkolumb[...]ischen Kulturen Amerikas [11]. Statt mit Herodot Atlantis zu suchen [,] versucht Donnelly lediglich, seine einmal gefasste Meinung zu Atlantis bei Herodot bestätigt zu finden. Es kann deshalb nicht verwundern, dass all jene, die sich von ihm inspirieren ließen, ebenfalls kein tieferes Verständnis von Herodots Bedeutung entwickelten und Herodot nur am Rande für ihre Zwecke verwerteten." [12]

Ob man sich nun Frankes Kritik vollinhaltlich, in Teilen oder auch gar nicht anschließen mag, so ist jedenfalls ohne jeden Zweifel festzuhalten, dass sie sine ira et studio und am historischen Kontext orientiert erfolgt, also im klassischen Sinne historiographisch ist. Und damit unterscheidet sie sich wohltuend von den Ergüssen all jener 'Kritiker' mit und ohne akademische Grade, denen in erster Linie daran gelegen ist, Ignatius Donnelly und sein Werk in ein möglichst schlechtes Licht zu stellen.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Thorwald C. Franke, "Mit Herodot auf den Spuren von Atlantis", Norderstedt (Books on Demand GmbH), November 2006, broschiert, 260 Seiten, ISBN-10: 3-8334-6511-5 / ISBN-13: 978-3-8334-6511-6, S. 246
  2. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Ignatius Donnelly" (abgerufen: 13. Februar 2020)
  3. Übersetzung: "...Sie kannten die Verwendung des Magneten und des Schießpulvers. Kurz gesagt, sie genossen eine Zivilisation, die fast so hoch war wie unsere, wobei nur die Druckmaschine und hene Erfindungen fehlten, bei denen Dampf, Elektrizität und Magnetismus verwendet werden."
  4. Quelle: Thorwald C. Franke, "Kritische Geschichte der Meinungen und Hypothesen zu Platons Atlantis - Von der Antike über das Mittelalter bis zur Moderne", Norderstedt (Books on Demand GmbH), Juli 2016, S. 435-436
  5. Übersetzung: "''dass Atlantis der ursprüngliche Wohnsitz sowohl der arischen oder Indo-europäischen Völkerfamilie, als auch der semitischen Rasse, vielleicht auch der turanischen Rasse gewesen ist".
  6. Red. Anmerkung: Thorwald C. Franke verweist (op. cit., 2016) in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Donnelly den französischen Historiker, Archäologen und Assyrologen François Lenormant (1837-1883) folgendermaßen zitierte: "...we do not hesitate to declare that, far from being a myth, the Biblical Deluge is a real and historical fact, having, to say the least, left its impress on the ancestors of three reces - Aryan or Indo-European, Semitic, or Syro-Arabian, Chamitic, or Cushite - that is to say, on the three great civilized reces of the ancient world, those which constitute the higher humanity - before the ancestors of those races had as yet separated, and in the part of Asia they together inhabited.<"
  7. Quelle: Thorwald C. Franke, op. cit. (2016)
  8. Quelle: Thorwald C. Franke, "Mit Herodot auf den Spuren von Atlantis", Norderstedt (Books on Demand GmbH), 2006, S. 246
  9. Siehe: Ignatius Donnelly, Atlantis - The Antediluvian World", New York (Rudolf Steiner Publications), 1971, S. 3
  10. Quelle: Thorwald C. Franke, op. cit. (2006), S. 246
  11. Siehe: Ignatius Donnelly (New York, 1971), S. 59, 136, 155, 209
  12. Quelle: Thorwald C. Franke, op. cit. (2006), S. 246

Bild-Quellen:

1) Unbekannter Urheber / Goodbichon (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Ignatius Donnelly.jpg
12 Rich jj bei Wikimedia Commons, unter: File:Atlantis The Antediluvian World.JPG (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)