Zur Schätzung der Körpergröße von Riesen auf Basis von Langknochen

von Micah Ewers

Abb. 1 Prof. Karl Pearsons statistische Angaben zur Größe bekannter historischer Riesen aus dem Jahr 1899 (hier eine größere, lesbare Version der Abbidung)

Was die Schätzung der Körpergröße von Riesen auf Grundlage von Langknochen, d.h. vor allem in Hinsicht auf die Länge von Femora und Tibiae angeht, wird deren tatsächliche Körpergröße bei Anwendung der standardmäßigen anthropologischen Regressionsmodelle für Tibiae und Femora - die ungenau sind, was große oder sehr große Personen betrifft - häufig gravierend unterschätzt. Dabei werden sie routinemäßig zwischen 6 Zoll [15,24 cm; d.Ü.] und mehr als 12 Zoll [30,48 cm; d.Ü.] zu gering eingeschätzt!!!

Trotter & Gleser (1952) [1] und ForDisc 2.0 sowie andere häufig verwendete Langknochen-Regressionsmodelle zur Berechnung der Statur basieren auf einer Glockenkurve auf Grundlage der Vermessungen Tausender von Skeletten ... Dies funktioniert sehr genau für Personen, deren Größe innerhalb des normalen Bereichs von 5 bis 6 Fuß (1,50 bis 1,82 m) liegt. Allerdings wird es immer ungenauer, umso mehr die zu taxierende Person vom mittleren oder normalen Bereich abweicht!!! Das heißt, wenn Sie weniger als 5 Fuß, oder mehr als 6 Fuß groß war.

Nebenstehend (Abb. 1) befindet sich eine Liste [2] von 12 verschiedenen historischen und pathologischen menschlichen Riesen, die von 7 bis 8 Fuß [ca. 2,14 m bis ca. 2,44 m; d.Ü.] groß waren und deren Knochen in den 1890er Jahren in Museen untergebracht waren. In dieser Auflistung werden auch die Dimensionen ihrer Langknochen aufgeführt. Das durchschnittliche Verhältnis von Femur-Länge zur Statur des Riesen beträgt 1 zu 3,73, wobei der Femur etwa 27% der Körpergröße zu Lebzeiten repräsentiert.

Abb. 2 Hier das montierte Skelett des 'irischen Riesen' Charles Byrne (1761-1783) als Exponat im Royal College of Surgeons in London [3]

Mittels der übermäßig vereinfachten Regressionsformel - wie bei Trotter und Gleser sowie bei ForDisc 2.0 - finden wir, dass die Oberschenkel-Knochen des Skeletts des 7 Fuß und gut 7 Zoll großen irischen Riesen Charles Byrne (Abb. 2) aus dem 18. Jahrhundert, die 62,5 cm (24,6 Zoll) messen, unzutreffend eine Statur von nur 6 Fuß und 8 Zoll bis 6 Fuß und 11 Zoll Körpergröße nahelegen, also ganze 8 bis 11 Zoll [20,32 cm bis 27,94 cm; d.Ü.] weniger als seine tatsächliche Statur!!!!!

Wadlow shoe compared.jpg
Abb. 3 Zur Veranschaulichung der Körpergröße von Robert Wadlow (1918-1940) hier der Vergleich eines seiner Schuhe (US-Größe 25) mit einem 'normalgroßen' Exemplar (US-Größe 12)

Ähnlicherweise gab das Guinness-Buch der Weltrekorde 1990 die geschätzte Länge von Robert Wadlows Femur mit 29,5 Zoll (75 cm) an. Wadlow war zu Lebzeiten 8 Fuß und 11,1 Zoll groß. Nach den Methoden von Trotter und Gleser oder ForDisc 2.0 wäre Wadlow aber nur 7 Fuß und 10-1/3 Zoll groß gewesen, d.h. fast 13 Zoll kleiner als seine tatsächliche Größe von fast 9 Fuß [ca. 2,74 m; d.Ü.]!

Es wird somit recht offensichtlich, dass selbst pathologische menschliche Riesen dahin tendieren, den gleichen wesentlichen Proportionen zu entsprechen wie Menschen normaler Statur, mit einigen gelegentlichen Ausnahmen. Aber im Großen und Ganzen liegt das Verhältnis der Länge des Femurs zur Körpergröße allgemein bei 1 zu 3,5 bis 1 zu 4 oder 1 zu 3,7, was den üblichen Durchschnitt für Männer betrifft. Das Verhältnis ist bei Frauen höher als bei Männern.

Meine allgemeine Faustformel lautet schlicht, dass ich, wenn irgendeinem Individuum eine bestimmte Länge des Femurs zugeordnet wird, diesen Wert mit 3,6 oder 3,7 multipliziere, um eine ungefähre konservative Schätzung seiner Körpergröße zu finden. Meistens funktioniert das bei mir sehr gut.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Micah Ewers (©) wurde in der englischsprachigen Originalfassung erstmals am 30. Juli 2014 mit dem Titel "Estimating stature of giants from long bones" im Blog rephaim23 des Autors veröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er im September 2017 in eigener Übersetzung ins Deutsche in einer redaktionell bearbeiteten Fassung.

Fußnoten:

  1. Siehe: Mildred Trotter und Goldine Gleser, "Estimation of stature from long bones of American Whites and Negroes", Dezember 1952, in: American Journal of Physical Anthropology, DOI: 10.1002/ajpa.1330100407
  2. Quelle: Karl Pearson, "Mathematical...", in Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Royal Society, 1899, S. 226
  3. Anmerkung: Ein weiteres Foto aus dem Museum, auf dem das - links neben Byrnes sterblichen Überresten positionierte - Vergleichs-Spezimen 'normaler' Größe besser zu sehen ist, findet sich hier.

Bild-Quellen:

1) Prof. Karl Pearson (1899); nach: Micah Ewers, "Estimating stature of giants from long bones", bei rephaim23
2) Emőke Dénes (Urheber) / DenesFeri (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:The skeleton of Charles Byrne (1761–1783).jpg
3) Doug Coldwell (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Wadlow shoe compared.jpg