„Weltkultursprung in der Schwäbischen Alb“

von Ferdinand Speidel

Abb. 1 Die restaurierte „Venus aus dem Hohe Fels“, eine ca. 40.000 Jahre alte Figurine, deren Fragmente 2008 in der Höhle Hohe Fels entdeckt wurden

Unter diesem Motto vermarkten die beiden Kreise Alb-Donau und Landkreis Heidenheim, einer Region nördlich von Ulm, archäologische Funde, die über einen längeren Zeitraum gemacht wurden. Diese Funde sind derart spektakulär, dass ihnen bei der 41. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees vom 2. bis 12. 7. 2017 in Krakau der Titel „Höhlen der ältesten Eiszeitkunst“ erteilt und damit die Zugehörigkeit zum Welterbe erklärt wurde. Stolz berichten die lokalen Stellen, dass es die schnellste Entscheidung war, die von diesem Komitee je getroffen wurde.

Nach dem heutigen Stand der weltweiten archäologischen Forschung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der moderne, eiszeitliche Mensch in dieser Region weltweit erstmals anfing, figürliche Darstellungen von Tieren und Menschen und die ersten Musikinstrumente aus Knochen und Mammutelfenbein zu erdenken und zu erschaffen. Darin sehen die Wissenschaftler einen Beleg der Entstehung des modernen menschlichen Geistes, der sich in Kunst, Symbolen und Musik manifestierte.

Einen großen Anteil an der Erfolgsgeschichte hatten der an der Uni Tübingen arbeitende Archäologe Nicholas Conard und seine Mitarbeiter. Sie waren bei den Grabungen an fast allen Fundstätten beteiligt. Die wichtigsten Fundstätten sind drei Höhlen im Achtal (Alb-Donau Kreis), der Hohle Fels, das Geißenklösterle und die Sirgensteinhöhle. Dazu kommen drei weitere Höhlen im Lonetal (Landkreis Heidenheim), die Vogelherdhöhle, Hohlenstein und die Bocksteinhöhle.

Abb. 2 Der "Löwenmensch" aus dem Hohlenstein im Lonetal wurde viele Jahre lang aus ca. 300 Splittern rekonstruiert. Er stammt aus der Periode des Aurignacien. (Foto: Dagmar Hollmann)

Insgesamt wurden bisher weit über 50 Figuren gefunden und identifiziert, die hauptsächlich im Urgeschichtlichen Museum von Blaubeuren, dem Ulmer Museum und im Museum Schloss Hohentübingen in Tübingen ausgestellt sind. Das von den eiszeitlichen Menschen für ihre Kunstwerke verwendete Material war hauptsächlich Mammutelfenbein, aber auch Knochen und Hornmaterial fand Anwendung. Viele fragmentierte Fundstücke warten noch auf ihre Aufarbeitung. Die figürlichen Darstellungen reichen von Menschen und menschlichen Mischwesen bis zu Mammut, Wasservögel, Wisent, Pferd, Höhlenbären und –löwen und sind von einer beeindruckenden, naturgetreuen Darstellung. Dazu kommen aus Speichenknochen von Gänsegeiern und aus Mammutelfenbein hergestellte Flöten und Schmuckstücke.

Zu den herausragenden Funden zählen: Die „Venus aus dem Hohle Fels(Abb. 1), eine 6 cm hohe weibliche Figurine aus Mammutelfenbein, die etwa 40.000 Jahre alt ist (Urgeschichtliche Museum Blaubeuren), der „Löwenmensch(Abb. 2) aus dem Hohlenstein, eine ca. 31 cm hohe Figur aus Mammutelfenbein mit menschlichem Körper und Löwenhaupt, Alter etwa 40.000 Jahre (Museum Ulm), ein Pferd aus Mammutelfenbein von 4,8 cm Länge, Alter rund 40.000 Jahre aus der Vogelherdhöhle (Museum Schloss Hohentübingen), ein Höhlenlöwe aus Mammutelfenbein von 8.8 cm Länge, Alter rund 40.000 Jahre aus der Vogelherdhöhle (Museum Schloss Hohentübingen), ein Mammut aus Mammutelfenbein von 4,9 cm Länge, Alter rund 40.000 Jahre aus der Vogelherdhöhle (ausgestellt im Archäopark Vogelherd). Die Aufarbeitung der gemachten Funde und weitere Grabungen an einigen Fundorten sind immer noch fortlaufend.

Abb. 3 Dieses schöne Wildpferd-Figürchen aus Mammutelfenbein stammt aus der Vogelherdhöhle und ist etwa 35.000 Jahre alt.

Die Vogelherdhöhle bei der kleinen Stadt Niederstotzingen erwies sich wohl als der fundreichste Ort. Dort wurden bereits in den 1930er Jahren Geschosspitzen, Ahlen, Glätter, Schmuckobjekte und etwa 10 Figurinen gefunden. Die damaligen Ausgrabungen entsprachen jedoch nicht dem heutigen Standard, Nachgrabungen in dem damals erzeugten Abraum förderten mittlerweile mehr als 40 Figuren zu Tage, darunter ein komplettes Mammut. Niederstotzingen ließ um die kleine Anhöhe, in der sich die Vogelherdhöhle befindet, unter dem Namen „Archäopark Vogelherd“ einen Erlebnispark errichten, in dem Lebenssituationen der damaligen Menschen nachgestellt und miterlebt werden können.

Die Erteilung des Weltkulturerbe wurde in den Medien zwar berichtet, allerdings bleibt trotz der Bedeutsamkeit der in der Region gemachten Funde die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit bescheiden und ist nicht vergleichbar zu der der in aller Welt bekannten Höhlenmalereien im Süden Frankreichs.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Ferdinand Speidel (©) wurde im Mai 2018 für Atlantisforschung.de verfasst.

Vorwiegend verwendetes Material:

Bild-Quellen:

1) Ramessos bei Wikimedia Commons, unter: File:VenusHohlefels2.jpg (Lizenz: Creative Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)
2) Dagmar Hollmann, bei Wikimedia Commons, unter: File:Loewenmensch1.jpg (Lizenz: „CC BY-SA 4.0“)
3) Wuselig, bei Wikimedia Commons, unter: File:MUT127024.jpg (Lizenz: Creative Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)