Neo-Scholastik oder New-Age-Wissenschaft?

von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich (1994)

Abb. 1 Quo vadis, scientia? Ist unsere Wissenschaft auf dem Weg zurück zu einer quasi mittelalterlichen Scholastik, oder ist vielleicht doch ein Aufbruch zu 'neuen Ufern' der Gelehrsamkeit möglich?

Was wollen letztlich diejenigen, die Heribert Illig [1] - nicht ganz den Kern der Sache treffend - einer "neuen historischen Schule" respektive der "deutschen Sektion der Velikovskyaner" zurechnen? Wollen sie lediglich die Abwegigkeiten im Grundsätzlichen und Irrtümer im Detail der bisher betriebenen Art von Wissenschaft aufdecken und korrigieren? Glauben sie im Grunde trotz allem immer noch an diese Art von Wissenschaft? Interessiert es sie wenig bis gar nicht, wie es zu einem solch himmelschreienden Kulturskandal - einem im Grundsätzlichen wie in vielen Details durch und durch falschen Weltbild - überhaupt kommen konnte? Konkret gefragt: Würden sie, so sie die Lehrstühle besetzen könnten, nicht binnen kurzem in die gleiche üble Alltagspraxis intellektueller Verkrustung zurück-fallen, in die Anbetung von Paradigmata, die vom "Lehramte" des akademischen Establishments quasi ex cathedra verkündet werden?

Es sei ein Vergleich gestattet zwischen den etablierten Weltreligionen und der modernen Wissenschaft. Dieser Vergleich drängt sich auf, denn nur allzu offensichtlich ist die moderne Wissenschaft primär dogmatische Ideologie und Ersatzreligion, mit allen Aspekten einer solchen, wie etwa - neben den Dogmen - kanonischen Schriften (etwa "On the Origin of Species"), heiligen Kirchenvätern (Newton, Lyell, Darwin etc.) und einer Inquisition respektive Bücherzensur. Aber es gibt da einen gravierenden Unterschied. Die verschiedenen Religionen bieten unterschiedliche Szenarien und Wege, der moderne Weltbürger kann, je nach Veranlagung und Interessenlage, wählen, ob er sich mehr vom Buddhismus, Taoismus, Islam oder einer christlichen Richtung etc. angezogen fühlt. Was fehlt, ist ein vergleichbarer Pluralismus auf allen Teil-Gebieten unserer modernen Wissenschaft.

Einem aufmerksamen Beobachter wird nicht entgehen, dass auch unter den gläubigen Anhängern der etablierten Religionen das Interesse an den einst für so wichtig erachteten Dogmen heute zusehends im Schwinden begriffen ist. Vielleicht ist dies Ausdruck kosmischer Zyklen. Es liegt daher die Prophezeiung nahe, dass auch auf dem Gebiet der Wissenschaften die Zeit der Paradigma-Anbetung, des lebenslangen Anklammerns an schon längst verbrennungsreife Lehrmeinungen, abgelaufen ist. Welch ein Anlass zum Aufatmen nach einem langen Alptraum! Denn die der Neo-Scholastik so teuren Paradigmata bedeuten Verkrustung, mentale Arteriosklerose, und derartige arteriosklerotische Verkrustung kann nur zum Tod führen, zum Tod jeder Wissenschaft nämlich. Unsere bisher betriebene Wissenschaft entlarvt sich so als ideologische Sektiererei, die an ihrer Weigerung, sich der Totalität des Lebens und der Vielfalt legitimer Szenarien zu öffnen, zugrunde geht.

In diesem Sinne soll dieser kleine Beitrag ein Plädoyer sein, dass wir doch zukünftig "den Weg der Irrenden" nicht weiterbeschreiten mögen, keine neuen Paradigmata und Lehrmeinungen mehr in die Welt setzen, sondern dass wir zunächst nur zu wissenschaftlichem Pluralismus, akademischer Meinungsvielfalt beitragen, offen bleiben und die Dinge ihren natürlichen Gang nehmen lassen. Es wird sich dann vermutlich erweisen, dass eine solche Vorgehensweise hinsichtlich der Resultate viel fruchtbringender ist. Wir sollten allen Weltbild-Fanatismus ablegen, der ja doch nur zu Verkrampfung führt. Dann werden wir vielleicht plötzlich verstehen, dass unsere wissenschaftlichen Aktivitäten auch als praktizierte Kunst verstanden sein wollen, die zur Entfaltung und Belebung unseres bewussten Wesens beiträgt.

Auch um einen Teil-Aspekt praktizierender Lebenskunst handelt es sich hier schließlich. Denn mit einer solchen Grundeinstellung werden wir plötzlich frei vom kämpferisch-eifernden Drang zur Proselytenmacherei, andere - und damit, tiefer geblickt, letztlich uns selbst - überzeugen zu wollen. Wir werden dann die Klärung vorgeschichtlicher Fragen, die ohnehin nur von begrenztem und relativem Interesse sind, in heiterer Gelassenheit abwarten können. So etwa, ob - wie im Heinsohn-Illigschen Szenario [2] vorgeschlagen - Hochkultur auf unserem Planeten erst, recht plötzlich, kurz vor -1000 beginnt, oder ob wir mit parallel zur Eiszeit existierenden Hochkulturen [3] oder gar noch älteren, hochentwickelten prähistorischen Zivilisationen zu rechnen haben, die bereits Superwaffen und Luft-/Raumfahrt besaßen, aber später von den Kataklysmen vernichtet wurden [4]. Es sei als Denkanstoß und abschließend die Spekulation beigesteuert, ob nicht vielleicht alles dies uns deswegen so interessiert, weil wir in früheren Inkarnationen diese Ereignisse miterlebt haben und sie nun noch als belastende, "unverdaute" Inhalte unserer "Bewusstseins-Aura" gegenwärtig sind.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Dr. Horst Friedrich wurde erstmals veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 1/1994; bei Atlantisforschung.de erscheint er in einer redaktionell bearbeiteten Fassung nach: http://www.efodon.de/html/archiv/wissenschaft/friedrich/schol.htm

Fußnoten:

  1. Illig, Heribert: "Chronologie und Katastrophismus", Gräfelfing 1992.
  2. Heinsohn, Gunnar: "Die Sumerer gab es nicht", Frankfurt 1988. Illig, Heribert: "Die veraltete Vorzeit", Frankfurt 1988.
  3. Hapgood, Charles: "Maps of the Ancient Sea Kings", Philadelphia/New York 1966. Hierzu auch: Friedrich, Horst: "Advanced Civilization Contemporaneous With the End of the Glacial Epoch?" in: NEARA JOURNAL, Vol. 23/No. 1-2, 1988.
  4. Hierzu etwa: Childress, David: "Vimana Aircraft of Ancient India & Atlantis", Stelle/Ill. 1991; Kanjilal, Dileep Kumar: "Vimana in Ancient India", Calcutta 1985.

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