Rätselhaftes Çatal Hüyük: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Catal Göttin.jpg|thumb|'''Abb. 1''' Terrakottafigurine (Kopf rekonstruiert) der gebärenden Muttergöttin aus Çatal Hüyük. Flankiert von zwei Löwen thront die Göttin auf einem Sitz; unter ihren Füßen (von denen einer abgebrochen ist, oder wurde) zermalmt sie als Herrin über Leben und Tod menschliche Schädel.]]
 
[[Bild:Catal Göttin.jpg|thumb|'''Abb. 1''' Terrakottafigurine (Kopf rekonstruiert) der gebärenden Muttergöttin aus Çatal Hüyük. Flankiert von zwei Löwen thront die Göttin auf einem Sitz; unter ihren Füßen (von denen einer abgebrochen ist, oder wurde) zermalmt sie als Herrin über Leben und Tod menschliche Schädel.]]
  
In der kahlen anatolischen Hochebene im Zentrum der Türkei, 50 km südöstlich der Provinzhauptstadt [http://de.wikipedia.org/wiki/Konya Konya], liegen zwei Hügel, in denen sich die uralten Ruinen von [http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%87atalh%C3%B6y%C3%BCk Çatal Hüyük] verbergen, der ältesten Stadt der Welt. <ref>Red. Anmerkung: Wir möchten hier eine präzisere Definition, nämlich "''älteste wissenschafts-offiziell anerkannte Stadt''" vorschlagen.</ref>
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([[rmh]])„<i>Çatalhöyük (türk. çatal (Gabel, Gabelung), höyük (Hügel); auch Çatal Höyük, Çatal Hüyük oder Chatal-Hayouk), ist eine in der heutigen Türkei ausgegrabene Siedlung aus der Jungsteinzeit. Sie liegt knapp 40 Kilometer südöstlich der Stadt Konya auf der Hochebene Anatoliens und hatte mehrere tausend Einwohner.</i>“, schreibt die Wikipedia.<ref>http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%87atalh%C3%B6y%C3%BCk</ref>
  
Dieses große Gemeinwesen der Steinzeit erschien aus dem Nichts. Es gibt keine bekannten Orte, an denen seine Bewohner ihre technischen Fertigkeiten, ihre Religion mit ihren komplexen Tempeln und ihre Fähigkeit, eine auf städtischem Handel und auf Ackerbau basierende Lebensweise zu entwickeln, hätten erwerben können. Diese hoch entwickelte Kultur erblühte urplötzlich auf dem fruchtbaren Hochland, als sei sie auf mysteriöse Weise von anderswoher an Ort und Stelle gelangt.  
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Diese Siedlung wurde in den späten 50er Jahren entdeckt. Der britische Archäologe James Mellart grub zwischen 1961 und 1965 eine Fläche im Südwesten des Hügels aus. Die Grabungen mussten jedoch aus politischen Gründen abgebrochen werden.  
  
Für Archäologen und Historiker markiert diese Stadt '''(Abb. 2)''' den Ursprung der Zivilisation, genauer gesagt, den Beginn einer von Siedlungen und Ackerbau, die als Jungsteinzeit oder Neolithikum bezeichnet wird. Der Engländer James Mellaart, der dort als erster Grabungen durchführte, schrieb voller Begeisterung: "''Die in Çatal Hüyük zum Vorschein gekommene Zivilisation leuchtet wie eine Supernova in der eher düsteren Galaxie der zeitgenössischen bäuerlichen Kulturen ''[...]'' Ihre prägnanteste Wirkung hatte sie nicht im nahen Osten, sondern in Europa, denn in diesen neuen Kontinent sandten die neolithischen Kulturen Anatoliens die Anfänge des Ackerbaus und der Viehzucht, aber auch der Kult einer Muttergottheit, der die Basis unserer Zivilisation darstellt.''" <ref>Quelle: James Mellaart, "Earliest Civilizations of the Near East", S. 77</ref>
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1993 wurden die Arbeiten im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts unter der Leitung von Ian Hodder (University Cambridge und Stanford University) jedoch wieder aufgenommen. Seit 1995 wurde wieder gegraben.  
  
Man hat in Çatal Hüyük Belege für eine bis dahin beispiellose technische Kunstfertigkeit entdeckt - hunderte von Messern, Dolchen, Pfeil- und Speerspitzen aus Feuerstein und Obsidian, durchweg Produkte eines ebenso unglaublichen wie einzigartigen Könnens, das ein wesentlich höheres Niveau aufweist als das anderer bekannter Kulturen des Nahen Ostens. Obsidian beispielsweise ist ein extrem hartes vulkanisches Glas, dessen Splitter eine Kante haben, die so dünn ist wie ein Molekül und wesentlich schärfer als jedes moderne Messer.
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Nach der Radiokohlenstoffdatierung bestand die Siedlung von 7400/7100 bis etwa 6200 v. Chr. Aufgrund seines Alters, seiner Größe, der Architektur, Wandmalereien und sonstiger Funde innerhalb der Häuser wurde Çatal Hüyük weltweit berühmt. Çatal Hüyük gilt als Meilenstein der prähistorischen Forschung.
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Die Siedlung bestand aus eng aneinander gesetzten rechteckigen Häusern, die aus Lehmziegeln oder Stampflehm errichtet wurden. Sie besaßen ein Flachdach. Durch unterschiedliche Raumhöhen und Bodenniveau waren Belüftung und Lichtzufuhr für die einzelnen Bauten gewährleistet. Der Zugang zu den Bauten erfolgte über eben diese Flachdächer und führten zu einer treppenartigen Verschachtelung, denn Straßen, Gassen oder Durchgänge zwischen den einzelnen Häusern gab es nicht.
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In der Wikipedia heißt es: „<i>Die Grabungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es neben den einzelnen, dicht bebauten Arealen auch immer wieder Freiflächen gab, so dass die Zahl der Häuser mit schätzungsweise 400 bis 1850 je Schicht nicht so groß war wie zuvor angenommen. Entgegen früheren Schätzungen von bis zu 10.000 gleichzeitig in der Siedlung lebenden Menschen, die zweifellos auch zur fälschlichen Bezeichnung Stadt beigetragen hat, geht man heute von 2500 gleichzeitigen Bewohnern aus.<i>“<ref>Zitat und bisherige Informationen s. 1.</ref>
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Darüber, ob der Begriff „Stadt“ tatsächlich unpassend ist, gibt es allerdings verschiedene Auffassungen. So beginnt die Diplom-Ingenieurin Gabriele Uhlmann ihren Abstract „Kennst Du Çatal Höyük“ aus dem Jahr 2009 zu ihrem Openbook (eine aktualisierte Version ihrer Studienarbeit von 1998/99) mit dem Hinweis, dass viele Wissenschaftler Çatal Hüyük als
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• älteste Stadt der Welt
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• den größten Siedlungshügel der Jungsteinzeit und gleichzeitig als
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• die älteste Stadtkultur der Welt
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bezeichnen.
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Nach Uhlmann, die sich als Architekturstudentin ausführlich mit Çatal Hüyük beschäftigt hatte, gibt es heute relativ unterschiedliche Meinungen darüber, wie Çatal Hüyük zu interpretieren sei. Dabei empfindet sie die Frage, ob Jericho oder Çatal Hüyük die älteste Stadt der Welt sei, noch als verhältnismäßig harmlos. Sie schreibt: „Die Definition des Begriffes STADT ist allein äußerst schwierig. Aber Çatal Hüyük als Stadt zu bezeichnen, wo sie nicht einmal Stadtmauern, Befestigungsanlagen oder gar ein Zentrum, geschweige denn Strassen oder nur Türen hat, ist immer noch sehr gewagt, denn es gibt eine Lobby, die leider tonangebend ist und genau diese Eigenschaften als alleinige Merkmale gelten lässt. Dennoch ist Çatal Höyük so herausragend in ihrer Zeit und in ihrer größeren Umgebung, dass selbst diese WissenschaftlerInnen nicht anders können, als sie als "Jahrhundertfund" zu bezeichnen.</i>“ Ullmann schreibt weiter: „<i> Für die Kulturgeschichte der Menschheit hat Çatal Höyük eine weitaus größere Bedeutung als beispielsweise die Sieben Weltwunder. Die ältesten Schichten des Hügels sind unglaubliche 9250 Jahre alt! Die Bauweise der Häuser hat sich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren nicht verändert, d.h. hier war von Anfang an eine Stadtkultur. Wohl als der Hügel zu hoch wurde sind die BewohnerInnen umgezogen, zu einem Platz gleich daneben, wo sie wieder 700 Jahre friedlich lebten, bis...
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Tja, das weiß niemand, was dann geschah. Der zweite Hügel liegt ebenfalls verlassen da, ohne dass irgendwelche Spuren einer Katastrophe oder eines Krieges zu finden sind.</i>“ <ref>http://www.gabriele-uhlmann.de/catal_hoeyuek.htm</ref>
  
Entdeckt wurden ferner stark polierte Obsidianspiegel, sauber durchbohrte Perlen, Juwelen und Textilarbeiten von höchster Kunstfertigkeit, darunter Teppiche. Dies alles weist auf einen hohen Lebensstandard hin. Die Bewohner der Stadt benutzten allerdings keine Keramik, sondern Behälter aus Holz und Flechtwerk, deren Raffinement und Perfektion zur damaligen Zeit ohne Beispiel ist.
 
  
 
[[Bild:Catal_Huyuk_2.jpg|thumb|'''Abb. 2''' Zeichnerische Darstellung eines kleinen Teilbereichs der Stadt Çatal Hüyük]]
 
[[Bild:Catal_Huyuk_2.jpg|thumb|'''Abb. 2''' Zeichnerische Darstellung eines kleinen Teilbereichs der Stadt Çatal Hüyük]]
  
Das technische Niveau der Menschen von Çatal Hüyük war so hoch, daß noch immer nicht bekannt ist, wie sie manche Gegenstände herstellten. Wir wissen nicht, wie sie ihre harten Obsidianspigel polierten, ohne einen einzigen Kratzer zu hinterlassen; zudem hat man teils aus Obsidian gefertigte Steinperlen gefunden, deren Löcher so fein gebohrt sind, daß keine moderne Nadel hindurchpaßt. Man kann sich unmöglich vorstellen, wie diese Perlen ohne den Eisatz sehr harter Metallbohrer entstanden sein könnten. <ref>Quelle: James Mellaart, "Çatal Hüyük", S. 251</ref> Auf irgeneine Weise waren jene Menschen aber zur Herstellung solcher Dinge in der Lage, und vielleicht werden wir ihr Geheimnis eines Tages auch erfahren.
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===Rätselhaftes Çatal Hüyük===
  
Im Zentrum der hochentwickelten und komplexen Religion von Çatal Hüyük stand offenbar eine Muttergottheit '''(Abb. 1)''', die drei verschiedene Gestalten umfaßte: Eine junge Frau, eine Schwangere und eine Greisin. Allein in dem sehr kleinen Teil der Stadt, den man bislang ausgegraben hat, wurden über 40 diesem Kult gewidmete Heiligtümer entdeckt, die allerdings nicht alle gleichzeitig benutzt wurden.
 
  
Nach Ansicht der Archäologen ist die städtische Kultur von Çatal Hüyük einzigartig. Es gibt keine erkennbaren Vorbilder und keine Orte in der Nähe, an denen die Bewohner ihre Fähigkeiten erworben haben könnten. <ref>Red. Anmerkung: Möglicherweise gibt es sehr wohl Anzeichen für eine potentielle, spät-paläolithische Vorläuferkultur in der Region, siehe Göbekli Tepe</ref> Irgendwo müssen die Menschen von Çatal Hüyük ihre handwerklichen Fähigkeiten aber gelernt haben. In uns bekannten zeitgenössischen Gemeinschaften wie jenen von [http://de.wikipedia.org/wiki/Jericho Jericho] im Jordantal oder von [http://en.wikipedia.org/wiki/Jarmo Jarmo] im kurdischen Hochland war dies jedoch nicht möglich, denn dort gab es nichts, was dem kulturellen und handwerklichen Niveau von Çatal Hüyük auch nur entfernt gleichgekommen wäre.
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Die Wikipedia schreibt über Çatal Hüyük:“<i> Zu den spektakulärsten Zeugnissen aus Çatalhöyük gehören zweifellos die von James Mellaart freigelegten Malereien und Wandreliefs an den Innenwänden einzelner Häuser.</i><ref>s. 1.</ref>
  
Die Vorstellung, eine derart hohe urbane Kultur sei um 8000 v. Chr. unvermittelt aus dem Nichts entstanden, ist ohnehin absurd. Es ist vollkommen klar, daß ihre Vorläufer sich wesentlich früher und an einem anderen Ort entwickelt haben müssen. Die Frage lautet: wo und wann?
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Ullmann betont, dass auf Bildern von Çatal Hüyük (sie druckt Bilder von Rekonstruktionsversuchen der Innenräume ab, die dem Buch „Die Entdeckung von Çatal Hüyük – Der archäologische Jahrhundertfund“ von Heinrich Klotz München 1987 entnommen sind, auf ihrer Seite ab)  keinerlei „keulenschwingende, ihre Frauen hinter sich herziehende Männer“ zu sehen sind, obwohl die Siedlung (Ullmann schreibt hier: „Stadt“) aus der Jungsteinzeit stammt. Und weiter: „<i>Nirgends finden sich Spuren barbarischer Menschenopfer. Und sie hausten auch nicht in Höhlen. Stattdessen finden sich planvoll angelegte Häuser mit kunstvollen Wandgemälden, wunderschöne Plastiken und eine Kultur der Mitmenschlichkeit, wie sie später nur noch in den abgelegensten Gebieten der Erde zu finden sind, jedenfalls nicht in Europa. Ein höheres Maß an sozialer Kultur hat die Menschheit nie mehr erreicht.<i>“
 
  
===Anmerkungen und Quellen=== 
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Aus den abgedruckten Bildern leitet Ullman ab, dass jedes Haus eine Kultstätte ist, in der die „Große Göttin“ verehrt wurde. Dies geht aus Bildern hervor, die auf Uhlmanns Seite zu sehen sind. Diese Rekonstruktionsversuche der Innenräume, kämen genauso hundertfach vor und seien Heiligtum zugleich.
  
Dieser Beitrag von [[Michael Baigent]] © wurde seinem Buch "[http://books.google.de/books?id=7JvGAAAACAAJ&dq=Das+R%C3%A4tsel+der+Sphinx Das Rätsel der Sphinx]", entnommen, das 2002 in der Übersetzung von ''Michael Kleinschmidt'' als vollständige Taschenbuchausgabe in der [http://www.droemer-knaur.de/home Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf.] (München) erschienen ist. (englischsprachige Originalausgabe: "Ancient Traces: Mysteries in Ancient and Early History", 1998)
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Uhlmann schreibt weiter: „<i> Der Symbolkanon Çatal Höyüks ist in mindestens sieben figürliche Kategorien einteilbar(…)Die Grosse Göttin, die Bärengöttin, Doppelgöttinnen, gehörnte Tiere, Leoparden, Geier und Jagddarstellungen. Über ihre Bedeutungen ist in der Fachwelt ein Streit entbrannt, der aufgrund der besseren Argumente der neuen Sicht, geprägt durch die Archäologin Marija Gimbutas, auch bei manchen WissenschaftlerInnen zum Umdenken geführt hat. Aus der offiziellen Wissenschaft wird sie jedoch aufs Heftigste bekämpft, auf eine Weise, die erahnen lässt, dass weit mehr als die Suche nach Erkenntnis dahintersteckt.<i>“ <ref>s. 2</ref>
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Hier haben wir es offensichtlich einmal mehr mit einer Sache zu tun, die nicht so ganz in das allgemein angenommene Bild der Vergangenheit passen will. Auch zwei verschiedene Methoden im Umgang mit dem Thema  werden deutlich: Während Gabriele Uhlmann verhältnismäßig euphorisch mit dem Thema umgeht und Missstände in der konservativen Forschung anprangert, versuchen die Autoren des Wikipedia-Artikels offensichtlich, das Besondere an Çatal Hüyük so gering wie nur irgend möglich zu halten, wobei aber auch hier immer noch eine ganze Menge übrig bleibt…
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===Anmerkungen und Quellen:===
  
 
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===Externer Link:===
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[http://www.gabriele-uhlmann.de/grosse_goettin.htm Çatal Höyük: Interpretation am Scheideweg]
  
  

Version vom 21. September 2010, 11:25 Uhr

von Michael Baigent

Abb. 1 Terrakottafigurine (Kopf rekonstruiert) der gebärenden Muttergöttin aus Çatal Hüyük. Flankiert von zwei Löwen thront die Göttin auf einem Sitz; unter ihren Füßen (von denen einer abgebrochen ist, oder wurde) zermalmt sie als Herrin über Leben und Tod menschliche Schädel.

(rmh)„Çatalhöyük (türk. çatal (Gabel, Gabelung), höyük (Hügel); auch Çatal Höyük, Çatal Hüyük oder Chatal-Hayouk), ist eine in der heutigen Türkei ausgegrabene Siedlung aus der Jungsteinzeit. Sie liegt knapp 40 Kilometer südöstlich der Stadt Konya auf der Hochebene Anatoliens und hatte mehrere tausend Einwohner.“, schreibt die Wikipedia.[1]

Diese Siedlung wurde in den späten 50er Jahren entdeckt. Der britische Archäologe James Mellart grub zwischen 1961 und 1965 eine Fläche im Südwesten des Hügels aus. Die Grabungen mussten jedoch aus politischen Gründen abgebrochen werden.

1993 wurden die Arbeiten im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts unter der Leitung von Ian Hodder (University Cambridge und Stanford University) jedoch wieder aufgenommen. Seit 1995 wurde wieder gegraben.

Nach der Radiokohlenstoffdatierung bestand die Siedlung von 7400/7100 bis etwa 6200 v. Chr. Aufgrund seines Alters, seiner Größe, der Architektur, Wandmalereien und sonstiger Funde innerhalb der Häuser wurde Çatal Hüyük weltweit berühmt. Çatal Hüyük gilt als Meilenstein der prähistorischen Forschung.

Die Siedlung bestand aus eng aneinander gesetzten rechteckigen Häusern, die aus Lehmziegeln oder Stampflehm errichtet wurden. Sie besaßen ein Flachdach. Durch unterschiedliche Raumhöhen und Bodenniveau waren Belüftung und Lichtzufuhr für die einzelnen Bauten gewährleistet. Der Zugang zu den Bauten erfolgte über eben diese Flachdächer und führten zu einer treppenartigen Verschachtelung, denn Straßen, Gassen oder Durchgänge zwischen den einzelnen Häusern gab es nicht.

In der Wikipedia heißt es: „Die Grabungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es neben den einzelnen, dicht bebauten Arealen auch immer wieder Freiflächen gab, so dass die Zahl der Häuser mit schätzungsweise 400 bis 1850 je Schicht nicht so groß war wie zuvor angenommen. Entgegen früheren Schätzungen von bis zu 10.000 gleichzeitig in der Siedlung lebenden Menschen, die zweifellos auch zur fälschlichen Bezeichnung Stadt beigetragen hat, geht man heute von 2500 gleichzeitigen Bewohnern aus.[2]

Darüber, ob der Begriff „Stadt“ tatsächlich unpassend ist, gibt es allerdings verschiedene Auffassungen. So beginnt die Diplom-Ingenieurin Gabriele Uhlmann ihren Abstract „Kennst Du Çatal Höyük“ aus dem Jahr 2009 zu ihrem Openbook (eine aktualisierte Version ihrer Studienarbeit von 1998/99) mit dem Hinweis, dass viele Wissenschaftler Çatal Hüyük als

• älteste Stadt der Welt • den größten Siedlungshügel der Jungsteinzeit und gleichzeitig als • die älteste Stadtkultur der Welt

bezeichnen.

Nach Uhlmann, die sich als Architekturstudentin ausführlich mit Çatal Hüyük beschäftigt hatte, gibt es heute relativ unterschiedliche Meinungen darüber, wie Çatal Hüyük zu interpretieren sei. Dabei empfindet sie die Frage, ob Jericho oder Çatal Hüyük die älteste Stadt der Welt sei, noch als verhältnismäßig harmlos. Sie schreibt: „Die Definition des Begriffes STADT ist allein äußerst schwierig. Aber Çatal Hüyük als Stadt zu bezeichnen, wo sie nicht einmal Stadtmauern, Befestigungsanlagen oder gar ein Zentrum, geschweige denn Strassen oder nur Türen hat, ist immer noch sehr gewagt, denn es gibt eine Lobby, die leider tonangebend ist und genau diese Eigenschaften als alleinige Merkmale gelten lässt. Dennoch ist Çatal Höyük so herausragend in ihrer Zeit und in ihrer größeren Umgebung, dass selbst diese WissenschaftlerInnen nicht anders können, als sie als "Jahrhundertfund" zu bezeichnen.“ Ullmann schreibt weiter: „ Für die Kulturgeschichte der Menschheit hat Çatal Höyük eine weitaus größere Bedeutung als beispielsweise die Sieben Weltwunder. Die ältesten Schichten des Hügels sind unglaubliche 9250 Jahre alt! Die Bauweise der Häuser hat sich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren nicht verändert, d.h. hier war von Anfang an eine Stadtkultur. Wohl als der Hügel zu hoch wurde sind die BewohnerInnen umgezogen, zu einem Platz gleich daneben, wo sie wieder 700 Jahre friedlich lebten, bis...

Tja, das weiß niemand, was dann geschah. Der zweite Hügel liegt ebenfalls verlassen da, ohne dass irgendwelche Spuren einer Katastrophe oder eines Krieges zu finden sind.[3]


Abb. 2 Zeichnerische Darstellung eines kleinen Teilbereichs der Stadt Çatal Hüyük

Rätselhaftes Çatal Hüyük

Die Wikipedia schreibt über Çatal Hüyük:“ Zu den spektakulärsten Zeugnissen aus Çatalhöyük gehören zweifellos die von James Mellaart freigelegten Malereien und Wandreliefs an den Innenwänden einzelner Häuser.[4]

Ullmann betont, dass auf Bildern von Çatal Hüyük (sie druckt Bilder von Rekonstruktionsversuchen der Innenräume ab, die dem Buch „Die Entdeckung von Çatal Hüyük – Der archäologische Jahrhundertfund“ von Heinrich Klotz München 1987 entnommen sind, auf ihrer Seite ab) keinerlei „keulenschwingende, ihre Frauen hinter sich herziehende Männer“ zu sehen sind, obwohl die Siedlung (Ullmann schreibt hier: „Stadt“) aus der Jungsteinzeit stammt. Und weiter: „Nirgends finden sich Spuren barbarischer Menschenopfer. Und sie hausten auch nicht in Höhlen. Stattdessen finden sich planvoll angelegte Häuser mit kunstvollen Wandgemälden, wunderschöne Plastiken und eine Kultur der Mitmenschlichkeit, wie sie später nur noch in den abgelegensten Gebieten der Erde zu finden sind, jedenfalls nicht in Europa. Ein höheres Maß an sozialer Kultur hat die Menschheit nie mehr erreicht.

Aus den abgedruckten Bildern leitet Ullman ab, dass jedes Haus eine Kultstätte ist, in der die „Große Göttin“ verehrt wurde. Dies geht aus Bildern hervor, die auf Uhlmanns Seite zu sehen sind. Diese Rekonstruktionsversuche der Innenräume, kämen genauso hundertfach vor und seien Heiligtum zugleich.

Uhlmann schreibt weiter: „ Der Symbolkanon Çatal Höyüks ist in mindestens sieben figürliche Kategorien einteilbar(…)Die Grosse Göttin, die Bärengöttin, Doppelgöttinnen, gehörnte Tiere, Leoparden, Geier und Jagddarstellungen. Über ihre Bedeutungen ist in der Fachwelt ein Streit entbrannt, der aufgrund der besseren Argumente der neuen Sicht, geprägt durch die Archäologin Marija Gimbutas, auch bei manchen WissenschaftlerInnen zum Umdenken geführt hat. Aus der offiziellen Wissenschaft wird sie jedoch aufs Heftigste bekämpft, auf eine Weise, die erahnen lässt, dass weit mehr als die Suche nach Erkenntnis dahintersteckt.[5]

Hier haben wir es offensichtlich einmal mehr mit einer Sache zu tun, die nicht so ganz in das allgemein angenommene Bild der Vergangenheit passen will. Auch zwei verschiedene Methoden im Umgang mit dem Thema werden deutlich: Während Gabriele Uhlmann verhältnismäßig euphorisch mit dem Thema umgeht und Missstände in der konservativen Forschung anprangert, versuchen die Autoren des Wikipedia-Artikels offensichtlich, das Besondere an Çatal Hüyük so gering wie nur irgend möglich zu halten, wobei aber auch hier immer noch eine ganze Menge übrig bleibt…

Anmerkungen und Quellen:


Externer Link:

Çatal Höyük: Interpretation am Scheideweg


Bild-Quellen

(1) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Datei:Ankara Muzeum B19-36.jpg

(2) http://www.anarheologija.org (nicht mehr online) --- nach: Catal Huyuk and the ‘Semi-Grid’ Pattern