Zwergenkönig Hübich und der Hübichenstein

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Abb. 1 Fels des Hübichensteins (Ostseite). Der Hübichenstein bei Bad Grund im niedersächsischen Landkreis Göttingen ist ein Kalksteinfelsen mit Doppelgipfel im Westteil des Harzes.

von unserem Gastautor Wilfried Stevens

In diesem Beitrag begeben wir uns zum bergigen und üppig bewaldeten Harz. Genauer gesagt zum Westteil des Harzes. Dort gibt es nahe des kleinen Ortes Bad Grund ein Kalksteinfelsen, den man seit alters her Hübichenstein nennt. Bad Grund wurde im Spätmittelalter gegründet und ist regional bekannt für seine alljährliche Walpurgisnacht-Feier. Doch am bekanntesten war Bad Grund vor allem durch den Erzbergbau und seinen vielen Stollen im Untergrund. Erst 1992 hatte man das letzte Erzbergwerk geschlossen. Hier wurden, seitdem man Aufzeichnungen machte, rund 6 Millionen Tonnen Erz und 2.500 Tonnen Silber gewonnen. Und diese Bergwerksaktivitäten führen uns wieder zu einer alten Zwergen-Volkssage, denn aus den bisherigen Beiträgen konnten sie schon erfahren, das ihre liebste Tätigkeit der Bergbau und das Handwerk war. Mit viel Eifer wurden die Berge und der Boden nach Erzen, Silber und Mineralien durchsucht, wozu sie ihre sagenhaften Zwergenstollen anlegten. Doch zur Volkserzählung.

Über Zwergenkönig Hübich, der unter dem Hübichenstein wohnte

Einst wohnte vor langer Zeit der Zwergenkönig Hübich in einer großen Höhle unter dem Hübichenstein mit seinem Zwergenvolk. Niemand wusste wie alt er war, doch die Enkel erzählten, das schon ihre Urgroßväter den Zwergenkönigs Hübich kannten. Auch trug er immer eine seltsame Gugel (Kapuze oder Kappe), die anders war wie andere Gugeln, denn bedeckte er seinen Kopf damit, dann wurde er nicht mehr gesehen und doch hörte man seine Schritte. Wer ihn einmal sah, beschrieb ihn mit einem Gesicht voller runzeliger Haut und einem grauen Bart, der ihm bis zum Bauche reichte. Stets war er freundlich, wenn ihm Menschen begegneten und bot ihnen oft seine Hilfe an. Doch eines gestattete er nicht, das es je ein Mensch es wagte, seinen hohen Stein zu besteigen, deshalb hieß der Felsen seit Urgedenken der Hübichenstein. So heißt es weiter, das schon Menschen deswegen im Felsen verschwanden.

Eines Tages ging des Försters Sohn mit seinen Freunden zum Hübichenstein. Um ihnen zu imponieren, kletterte er auf den Hübichenstein, obwohl ihn seine Freunde warnten, es nicht zu tun. Er hüpfte auf den Felsen und schrie herum, so das Hübich derart verärgert war, das er des Försters Sohn mit einem Zauber mit den Felsen verband, so das sich dieser nicht mehr rühren konnte.

Eilig rannten die Freunde zum Vater und berichteten ihn davon. Der Vater wurde sehr traurig, und er dachte, erst habe ich meine Frau verloren und jetzt vielleicht auch den Sohn. Schnell rannte er zum Hübichenstein, gefolgt von einigen Bewohnern aus dem Dorf Grund, und sah seinen Sohn zum Tode geweiht am Felsen gebunden. Voller Verzweiflung zog er bis zur Erschöpfung an seinen Sohn, doch dieser rührte sich keinen Millimeter. Als ein Unwetter heraufzog und er nicht von der Seite seines Sohnes weichen wollte, mussten die Grunder den Förster mit Gewalt nach Hause bringen.

Es verging eine ganze Nacht und am Morgen beschloss der Förster, seinen Sohn von der Qual erlösen zu wollen. Er wollte ihn mit seinem Gewehr vom Felsen herunterzuschießen. Mit schweren Schritten ging er also wieder auf dem Weg zum Hübichenstein. Auf dem halben Wege traf er ein altes und kleines Männlein. Er setze sich zu ihm hin und klagte sein ganzes Leid vom Herzen, das er doch besser mit seiner Frau gestorben wäre, weil er jetzt zum weiteren Unglück seinen Sohn von den Qualen mit dem Gewehr erlösen wollte. Der Förster wusste nicht, das das alte Männlein der Zwergenkönig Hübich war. Dieser hatte jetzt Mitleid mit dem armen und unglücklichen Förster und ging mit ihm mit ohne das er es merkte, denn seine seltsamere Gugel konnte ihn unsichtbar machen. Oder war es eher die Gabe der Teleportation?

Als dann der Förster am Hübichenstein angekommen war und er seinen Sohn vom Felsen herunterschießen wollte, bewarfen ihn Hunderte Zwerge aus den Höhlen mit Tannenzapfen und riefen laut, mache das nicht, mache das nicht, so dann der Förster traurig sein Vorhaben aufgab. Die vielen Zwerge bildeten eine Körperleiter und nun begab sich der Hübich auf den Felsen und schimpfte nochmals mit dem Försters Sohn, das er nicht ein zweites Mal davonkäme. Dann befreite er den Burschen und hob den Zauber auf. Danach brachten die Zwerge ihn herunter zum Boden.

Dann sprach er zu dem Förster und seinen Sohn: Kommt und las uns reden, es wird nicht euer Schaden werden:

Wenn ihr dafür sorgt das niemand mehr auf meinen (Hübichen-) Stein klettert, niemand mehr auf meine Freunde die Vögel schießt und zuletzt nicht mehr von der Spitze was abbricht, was meinen Stein immer kleiner in der Höhe macht, wird es nicht euer Schaden sein.

Abb. 2 Die St. Antonius-Kirche in Grund wurde der Sage vom Hübichenstein zufolge dem Zwergenkönig aus Dank errichtet.

Sehet die zwei miteinander verbundenen Felsnasen. Die hohe darf nicht niedrigere als die kleinere sein, denn sonst können wir Zwerge nicht mehr auf der Erde wandeln. Dies Geheimnis nehmt für euch mit und werdet von uns reich belohnt. Der Sohn des Försters versprach hoch und heilig, Hübich all seine Wünsche erfüllen zu wollen, und der Vater nickte dabei. So soll der Schwur gelten sagte Hübich, und das Schicksal bestimmt, was ihr verspracht.


Da öffnete sich ein Spalt im Felsen und ein großer Haufen voller Silbertaler rutschte heraus.

Nehmt soviel ihr tragen könnte und kehrt wieder heim. Geschwind gingen die Zwerge in den Spalt hinein, drehten ihre Gugel so, dass sie keiner mehr sah und der Felsen sich wieder schloss.

Als Dank ließ der Förstersohn (1640) die St.-Antonius-Kirche in Grund (das heutige Bad Grund) errichten, und sorgte dafür, das es einen Erlass gab, welcher das Schießen, das Klettern auf den Hübichenstein verbot und die Wegnahme von Steinen verbot.

Es verging eine lange Zeit und oft kamen die Zwerge um manchen armen oder kranken Menschen mit ihren Zwergenkräutern zu helfen. Doch dann kam der Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) und es rückten Soldaten am Hübichenstein an. Aus Übermut zerschossen sie die hohe Felsennadel, so das sie kleiner als die niedrigere wurde. Seither sah man Hübich und seine Zwerge nie mehr. Vor der St. Antonius-Kirche im Ort gibt es einen schönen Brunnen mit dem Abbild des Zwergenkönigs Hübich.


Bildquellen

Abb. 1: Migebert, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Abb. 2: Torbenbrinker, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons