Platons Philosophie

Überblick

Für Platon besteht die Welt aus zwei voneinander unabhängigen Seinsbereichen:

  • 1. dem Denken (dem er die Welt der "Ideen" zuordnet) und
  • 2. der Wahrnehmung (zu der er die "wandelbare Sinnenwelt" zählt).

Die Basis von Platons Philosophie bildet seine allgemeine Theorie des Wissens, seine Ideenlehre, zu deren wichtigsten Begriffen Seele, Ethik, Staat und Gott zählen.

Die Seele soll durch philosophische Bildung und Selbstbeherrschung in ein Gleichgewicht zwischen die sich gegenüberstehenden Pole Neigung und Vernunft gebracht werden.

Die Ethik soll die Wahl der Mittel in ein richtiges Verhältnis zum Ziel setzen und den Missbrauch von Wissen und Fähigkeiten des Menschen verhindern.

Der Staat soll in die vier Seelenbereiche Einsicht (Weisheit), Mäßigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit strukturiert sein, wobei Platon die Frage der Gerechtigkeit aus ihrem Selbstzweck löst und sie in einen Zusammenhang mit dem politisch-sozialen Handeln stellt. Hierbei entlarvt er alle Vorgänge als prinzipiell wandelbar und kommt zu dem Schluss, dass jede Ansicht über sie kein "gesichertes Wissen", sondern bloße "Meinung" sei. Nur über "Ideen" sei gesichertes Wissen herzustellen, weshalb es für Platon die "unwandelbare Idee", die die Möglichkeit beständigen Wissens nachweist, gibt.

Ein Gott sollte nach Platons Idealvorstellung allumfassend vollkommen und selbstgenügsam sein.


Platons Philosophie im Einzelnen

Abb. 1 Platon und sein Schüler Aristoteles beim philosophischen Streit-Gespräch

Im Mittelpunkt von Platons Philosophie steht seine Ideen- bzw. Formenlehre. Auch seine Schriften zur Erkenntnistheorie, Ethik, Psychologie und Staatstheorie sowie seine Betrachtungen über die Kunst können nur vor dem Hintergrund dieser Lehre verstanden werden.

Platons Ideenlehre steht in direktem Zusammenhang mit seiner Erkenntnislehre. Unter dem Einfluss von Sokrates war Platon von der Möglichkeit der Erkenntnis überzeugt. Gegenstand der Erkenntnis sei das wahrhaft Wirkliche und nicht das bloße Scheinbild der Wirklichkeit. Nach Platon muss das vollkommen Wirkliche ewig und unveränderlich sein. Er setzte das Wirkliche mit der idealen Welt gleich, die der physischen Welt des Werdens entgegengesetzt ist. Den Empirismus, jene Lehre also, nach der die gesamte Erkenntnis abhängig von der Sinneswahrnehmung ist, lehnte Platon folglich ab. Nach seiner Ansicht sind die von der Sinneserfahrung abgeleiteten Behauptungen im besten Fall mehr oder weniger wahrscheinlich, gewiss aber sind sie nicht. Des Weiteren sind die Dinge der Sinneserfahrung veränderliche Erscheinungen der physischen Welt und können somit nicht genau erkannt werden.

Platons Erkenntnislehre ist in seiner Politeia enthalten, insbesondere in der Besprechung des Bildes der geteilten Linie und in dem Höhlengleichnis. In Ersterer unterscheidet Platon zwischen Meinung und Erkenntnis. Behauptungen oder Aussagen über die physische oder sichtbare Welt, die sowohl allgemeine Beobachtungen wie auch die Sätze der Wissenschaft umfassen, sind bloß Meinungen. Einige dieser Meinungen sind wohlbegründet, andere nicht, keine von ihnen kann jedoch als echte Erkenntnis gelten. Erkenntnis stützt sich vor allem auf die Vernunft. Nur die Vernunft gewährt intellektuelle Einblicke, die sicher sind, wobei die Dinge, welche diesen rationalen Einblicken entsprechen, das beständige Allgemeine sind, die ewigen Ideen oder Formen, aus denen sich die wirkliche Welt zusammensetzt.

Im Höhlengleichnis beschreibt Platon Menschen, die tief im Inneren einer Höhle festgebunden sind, und zwar so, dass ihr Gesichtskreis eingeschränkt ist und sie einander nicht sehen können. Das einzig Sichtbare ist die Höhlenwand, auf der die Schatten der Modelle oder Nachbildungen von Tieren und Gegenständen, die an einem hell brennenden Feuer vorbeigetragen werden, zu sehen sind. Einem der Gefangenen gelingt es auszubrechen und sich aus der Höhle an das Tageslicht zu flüchten. Das Sonnenlicht macht es ihm nunmehr möglich, zum ersten Mal die wirkliche Welt zu sehen. Er kehrt in die Höhle zurück und überbringt den anderen die Botschaft, dass alles, was sie bis dahin gesehen hätten, bloße Schatten gewesen seien und dass die wirkliche Welt sie erwarte, wenn sie gewillt seien, sich von ihren Fesseln zu befreien. Die Schattenwelt der Höhle symbolisiert bei Platon die physische Welt der Erscheinungen. Der Ausbruch aus der Höhle in die sonnendurchflutete Außenwelt bedeutet den Übergang in die wirkliche Welt, die Welt des vollkommen Seienden, die Welt der Ideen, dem wahren Gegenstand der Erkenntnis.

Die Ideenlehre kann am besten durch Beispiele aus der Mathematik veranschaulicht werden. So setzt sich ein Kreis aus allen Punkten einer Ebene zusammen, die von einem festen Punkt gleich weit entfernt sind. Allerdings hat noch niemand eine derartige Figur tatsächlich gesehen. Was der Mensch tatsächlich sieht, sind Zeichnungen, die dem idealen Kreis mehr oder weniger entsprechen. Wenn die Mathematiker einen Kreis definieren, dann sind die Punkte, auf die sie sich beziehen, eigentlich keine räumlichen, sondern logische Punkte. Sie nehmen keinen Platz im Raum ein. Und obwohl der ideale Kreis noch nie gesehen wurde und tatsächlich nie gesehen werden kann, so wissen wir trotzdem, was ein Kreis ist. Allein die Tatsache, dass man ihn definieren kann, beweist dies. Somit existiert für Platon die Idee des Kreises, jedoch nicht sein physischer Ausdruck in Raum und Zeit. Er existiert als unveränderliches Ding in der Welt der Ideen oder Formen und kann nur von der Vernunft erkannt werden. Die Ideen sind dementsprechend wirklicher als die Dinge der Erscheinungswelt, sowohl aufgrund ihrer Vollkommenheit und Beständigkeit wie auch aufgrund der Tatsache, dass sie Modelle sind. Dabei beziehen die gewöhnlichen Dinge der Erscheinungswelt ihre Realität, wie immer sie geartet sein mag, aus ihrer Ähnlichkeit mit diesen Modellen. Ein Kreis, ein Quadrat oder ein Dreieck sind demgemäß vorzügliche Beispiele für das, was Platon unter einer Form bzw. einer Idee versteht. Ein Objekt der Welt der Erscheinungen kann also als Kreis, Quadrat oder Dreieck nur insoweit bezeichnet werden, als es der Idee vom „Kreisförmigen", „Quadratischen" oder „Dreieckigen" entspricht bzw., wie es bei Platon heißt, an ihr „beteiligt ist".

Abb. 2 Platon und seine Schüler in der 'Akademie'. Mosaik aus einer Villa bei Pompeii, ca. 79 n. Chr.

Platon erweiterte seine Theorie jedoch über den Bereich der Mathematik hinaus. Sein besonderes Interesse galt ihrer Anwendung auf dem Gebiet der Ethik. In dieser Theorie versucht er zu klären, wie sich derselbe Allgemeinbegriff auf so viele unterschiedliche Dinge oder Ereignisse beziehen kann. Das Wort Gerechtigkeit z. B. kann auf Hunderte von Einzelvorgängen bezogen werden, da diese etwas gemeinsam haben, und zwar ihre Ähnlichkeit mit bzw. Beteiligung an der Idee der „Gerechtigkeit". Ein Individuum ist insoweit „menschlich", als es der Idee „Mensch" ähnelt bzw. an ihr beteiligt ist. Wird der „Mensch" als vernunftbegabtes Wesen definiert, so ist ein Individuum insoweit „menschlich", als es vernunftbegabt ist. Eine bestimmte Handlung wird als tapfer oder feige bezeichnet, insoweit sie an der entsprechenden Idee beteiligt ist. Ein Ding ist schön, insoweit es der Idee des Schönen entspricht etc. Somit existiert alles, was der Welt des Raumes und der Zeit angehört, bloß aufgrund seiner Beteiligung an der allgemeinen Idee. Die Fähigkeit, den Allgemeinbegriff zu definieren, beweist, dass die Idee, auf die sich dieser Allgemeinbegriff bezieht, erkannt wurde.

Nach Platon sind die Ideen hierarchisch geordnet, wobei die höchste Idee die des Guten ist, die wie die Sonne im Höhlengleichnis alle anderen Ideen erhellt. In einem gewissen Sinn bezeichnet die Idee des Guten Platons Streben nach einem letzten Erklärungsprinzip. Letztendlich versucht seine Ideenlehre, die Fragen, wie man etwas erkennen kann und wie es möglich ist, dass die Dinge so sind, wie sie sind, zu beantworten. Philosophisch ausgedrückt hat sie sowohl epistemologischen (erkenntnistheoretischen) wie auch ontologischen (seinslehrenden) Charakter.

Platons bedeutendstes politisches Werk, die Politeia, beschäftigt sich mit dem Problem der Gerechtigkeit und der Idee der der Gerechtigkeit entsprechenden Staatsverfassung. Platon zufolge setzt sich der ideale Staat aus drei Ständen zusammen. Für die wirtschaftliche Struktur des Staates ist der Stand der Gewerbetreibenden zuständig. Die Sicherheit des Volkes wird von dem Stand der Krieger gewährleistet und die politische Leitung von den Philosophen oder weisen Königen gebildet. Der Stand eines Individuums wird durch seine Erziehung bestimmt. Ziel der Erziehung ist die Weisheit. Diese zu erreichen ist freilich nicht jedem bestimmt. Tatsächlich ist Platons ideales Erziehungssystem so aufgebaut, dass es hauptsächlich auf die Ausbildung von Philosophen oder Königen ausgerichtet ist.

Platon baut seine Standeseinteilung im idealen Staat auf die traditionellen griechischen Tugenden auf. Mäßigung ist die einzigartige Tugend der Gewerbetreibenden, Tapferkeit die typische Tugend des Kriegerstandes und Weisheit charakteristisch für die Herrscherklasse. Die Gerechtigkeit als vierte Tugend entspricht der Gesellschaft als Ganzem. In dem gerechten Staat nimmt jeder einzelne Stand seine Aufgabe wahr, ohne dabei die Tätigkeit der anderen Stände zu beeinträchtigen.

Die menschliche Seele ist nach der Auffassung Platons dreigeteilt, und zwar in die Vernunft, den Willen und die Begierden. Der gerechte Mensch kontrolliert die Begierden durch die Vernunft, mit Unterstützung des Willens. Diese Dreiteilung steht offensichtlich in Analogie zu dem Dreiständeaufbau des Staates, in welchem der erleuchtete Philosoph oder König die restliche Gesellschaft mit Unterstützung der Krieger regiert.

Platons ethische Lehre beruht auf der Annahme, dass die Tugend Erkenntnis sei und gelehrt werden könne. Dies muss in Bezug auf seine Ideenlehre verstanden werden. Wie bereits erwähnt, ist für Platon die letzte Idee die Idee des Guten, während in der Erkenntnis dieser Idee die Quelle für moralische Entscheidungen begründet liegt. Nach Platon bedeutet das Gute erkennen gleichviel wie Gutes tun. Dementsprechend verhält sich bloß derjenige unmoralisch, der aus Unwissenheit handelt. Diese Folgerung ergibt sich aus Platons Überzeugung, dass der moralische Mensch der wahrhaft glückliche sei; und da die Menschen stets nach eigenem Glück streben, sie auch bemüht seien, das zu tun, was moralisch ist.

Abb. 3 Justinian I. von Byzanz, ein christlicher Frömmler, ließ die Platonische Akademie schließen.

Obwohl Platon einige Formen religiöser und moralischer Kunst akzeptierte, nahm er der Kunst und dem Künstler gegenüber grundsätzlich eine ablehnende Haltung ein. Seine Untersuchungen hierzu müssen wiederum in Verbindung mit seiner Ideenlehre betrachtet werden. So ist eine schöne Blume eine Kopie oder Nachbildung der universellen Idee „Blume" und „Schönheit". Die physische Blume liegt also eine Stufe unter der Wirklichkeit, d. h. der Idee. Das Bild einer Blume ist daher zwei Stufen von der Wirklichkeit entfernt, was bedeutet, dass der Künstler zwei Stufen von der Erkenntnis entfernt ist. Aufgrund dieser Überzeugung kritisierte Platon die Tatsache, dass die Künstler keine wahre Erkenntnis bezüglich ihrer Tätigkeit besäßen und bemerkte, dass das künstlerische Schaffen offenbar in einer Art wahnhafter Eingebung verwurzelt sei.

Platons Werk hat die gesamte Geschichte der abendländischen Philosophie nachhaltig beeinflusst. Seine Akademie blieb bis 529 n. Chr. bestehen. Sie wurde auf Veranlassung des byzantinischen Kaisers Justinian I. (Abb. 3), der sich ihren heidnischen Lehren widersetzte, geschlossen. Platons Wirkung auf das jüdische Gedankengut zeigt sich in dem Werk des alexandrinischen Philosophen des 1. Jahrhunderts, Philo Judaeus. Bedeutung erlangte auch der Neuplatonismus, der im 3. Jahrhundert von dem Philosophen Plotin begründet wurde. Die Theologen Klemens von Alexandria, Origenes und der heilige Augustinus waren Verfechter des frühen Christentums, die platonische Anschauungen vertraten. Die platonischen Lehren haben in der Entwicklung des Christentums sowie in der islamischen Gedankenwelt des Mittelalters eine entscheidende Rolle gespielt.

Während der Renaissance war die im 15. Jahrhundert bei Florenz gegründete Academia Platonica von nicht unerheblichem Einfluss. Unter der geistigen Führung von Marsilio Ficino studierten die Mitglieder der Akademie die Werke Platons im griechischen Original. In England kam es im 17. Jahrhundert durch das Wirken von Ralph Cudworth und anderer Philosophen, die als Cambridge-Platoniker bekannt wurden, zu einem Wiederaufleben des Platonismus. Platons Einfluss auf das 20. Jahrhundert wurde von Denkern wie Alfred North Whitehead begründet, der behauptete, die Geschichte der Philosophie bestehe lediglich aus „einer Reihe von Fußnoten zu Platon".


Quelle

Encarta


Bild-Quellen

(1) Philipps-Universität Marburg (B.A. Studiengang "Die Antike in Europa"), unter: http://web.uni-marburg.de/klassphil/Europa/platon-aristoteles.jpg

(2) http://www.ddg.com/LIS/InfoDesignF97/car/Plato1a.htm (nicht mehr online)

(3) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie unter: Justinian I.